Friedrich Schiller: Wallenstein. Ein dramatisches Gedicht
Erster Teil: Wallensteins Lager
Prolog.
Gesprochen bei Wiedereröffnung der Schaubühne in Weimar am 12. Oktober 1798
Herzog Carl August von Sachsen-Weimar hatte Goethe im Januar 1791 die Direktion für das neu zu schaffende Weimarer Hoftheater übertragen. Der alte Schauspielsaal im Residenzschloss war 1774 durch einen Brand zerstört worden, und in den darauf folgenden Jahren musste in Weimar und Ettersburg improvisiert werden.
Am 11. Oktober 1798 kam Schiller zur Hauptprobe von „Wallensteins Lager“ von seinem Wohnsitz Jena aus nach Weimar.
Der Theatersaal war durch den Stuttgarter Architekten Nikolaus Thouret neu gestaltet worden. Den Vorhang zierte die von Thouret gemalte Muse der Dichtung. Goethe gedachte seinem Freund Schiller eine eigene Loge zu, dessen dramatisches Talent nach Jahren mit anderer Beschäftigung wieder erwacht war, um ihm angesichts seiner Krankheit eine bequeme Haltung während der Aufführungen zu verschaffen und ihn vor aufdringlichen Blicken zu schützen.
Die zentrale Loge war dem Herzog und seiner Familie vorbehalten. Carl August war gegenüber dem theatralischen Schaffen Schillers skeptisch eingestellt, nicht nur weil ihm einst die Radikalität der „Räuber“ Unbehagen bereitet hatte, sondern auch weil Schiller seine als Schauspielerin debütierende Mätresse Henriette Jagemann konsequent ignorierte.
Goethe hatte Schillers Prolog überarbeitet, der für die gesamte Trilogie bestimmt war. Der Schauspieler Heinrich Vohs deklamierte ihn. Das Publikum ist überaus aufmerksam. Aber es will auch unterhalten werden, und deshalb folgt der Darbietung von „Wallensteins Lager“ noch ein Stück von Kotzebue: „Die Corsen“.
Den Abend beschließt eine Einkehr in dem aus Thomas Manns „Lotte in Weimar“ bekannten Gasthaus „Elephant“. Die freundliche Aufnahme der Premierenaufführung treibt Schiller voran. Er bezieht zeitweise mit seiner Frau Charlotte eine Wohnung im Weimarer Stadtschloss. Sein Dramaturg wird Goethes Schwager August Vulpius.
Allein drei Schreiber beschäftigte Schiller in der Folgezeit mit der Reinschrift des Manuskripts!
Prolog
Ich kann es wegen der Hysterie nicht mehr hören, die seit Monaten von verschiedenen Seiten entfacht und immer wieder erneuert wird, das Wort „Maske“,
doch kommt es gleich im ersten Satz des „Prologs“ daher. Das Publikum habe bereits in diesem Saal der „scherzenden, der ernsten Maske Spiel“ erlebt, also Komödien und Tragödien angeschaut.
Schiller bezeichnete den Wallenstein als „Ein dramatisches Gedicht“. Es enthält Elemente der Komödie wie der Tragödie. Gleich im ersten Teil „Wallensteins Lager“ kommt in den Volksszenen das eher Komödiantische zur Geltung, während in der Tragödie traditionell die hohen Herrschaften agierten und strenge Regeln herrschten.
Im „Prolog“ wird der neue Schauspielsaal gepriesen, sein Architekt gelobt (sein Name Nikolaus Thouret wird nicht genannt).
„Schnell und spurlos“ gehe des Mimen Kunst vorüber, während die Werke der Bildhauerkunst und der Poesie noch Jahrtausende weiterlebten. Hingegen sterbe im Theater der Zauber unmittelbar mit Ende der Aufführung ab.
„Schwer ist d i e Kunst, vergänglich ist ihr Preis.“ Ein geflügeltes Wort Schillers.
Am Ende dieses, des 18. Jahrhunderts, wurde „selbst die Wirklichkeit zur Dichtung“ (Napoleon landete 1798 im sagenumwobenen Ägypten, was natürlich nicht erwähnt wird), um „Herrschaft und um Freiheit“ werde heftig gerungen.
„Freiheit“ – das ist die zentrale Losung der Französischen Revolution, die 1792 Schiller zum Bürger Frankreichs machte.
Vor 150 Jahren habe ein Friede Europa eine „alte feste Form“ gegeben (der Westfälische Frieden von Münster und Osnabrück 1648), die in diesen Tagen – um 1798 – endgültig zerfiel.
Der Dichter erinnert an die vorausgegangenen Kriegsjahre: 1631 war Magdeburg zerstört worden, ein schreckliches Symbol für die Vernichtungen des gesamten Dreißigjährigen Krieges
(Magdeburg als Hochburg des lutheranischen Protestantismus, als des „Herrgotts Kanzlei“, Schiller hatte selbst die Zerstörung Magdeburgs in seiner „Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“ 1791 geschildert, der mehr als 30000 Einwohner, Männer, Frauen, Kinder zum Opfer fielen.
Mit Magdeburg wurde die „Jungfrau“ (im Wappen) geschändet – empfohlen sei Gertrud von Le Forts (1876-1971) Gleichnis „Die Magdeburgische Hochzeit“. (1938).
Für die Zerstörungskraft des Krieges standen im 19. Jahrhundert symbolhaft Moskau 1812 und Paris 1871,
für das 20. Jahrhundert Verdun 1916 und Hiroshima 1945 - für das 21. Jahrhundert ?
Zeit der Handlung des folgenden Stückes ist nun das Jahr 1634. Der Krieg währte schon 16 Jahre, keine Friedenshoffnung war in Sicht.
Und nun werde ein „verwegener Charakter“ geschildert. Sein Name wird noch nicht genannt. Doch:
„Nicht e r ist’s, der auf dieser Bühne
Heut erscheinen wird.“
Es ist „Wallensteins Lager“, ein bunter Haufen von Leuten, die mit dem Heerführer Wallenstein mitzogen und mit deren Reaktionen er immer rechnen musste.
Wer von uns mag, kann hier mit seinen Gedanken zum ersten Teil, „Wallensteins Lager“, beginnen.