Beiträge von Bluebell

    Sagt mal,
    hat hier noch jemand "Gestern, unterwegs" von Peter Handke als Hörbuch? Ich habe mittlerweile 3x begonnen und bin jedes Mal während der ersten CD eingeschlafen ... meine Hoffnung schwindet, es jemals wach bis No. 6 zu schaffen! :sauer:


    Ich kenne mich in Kafkas Biografie nicht so gut aus


    Ich mich auch nicht - ich weiß zwar manches, "was man halt so über ihn weiß" (schwieriges Verhältnis zum Vater, Jusstudium, wollte eigentlich kaum etwas veröffentlichen lassen etc.), aber solche Details wie die Beziehung zu E. A. Poe, Jom Kippur oder ein möglicher Hang zur Grausamkeit sind mir neu. Ich habe auch keine Sekundärliteratur und kann mich momentan leider nicht so oft und ausgiebig ins Internet hängen, wie ich das gerne möchte, aber ich lese sehr interessiert, was du da alles ausgräbst, Hubert! (Habe mir auch schon die verlinkten Rezensionen aus dem Materialen-Thread angesehen.)



    [...] und nicht wirklich zur Grausamkeit neigte, was ich inzwischen auch, durch lesen von Sekundärliteratur, annehmen könnte.


    Darf ich fragen, was genau dich darauf gebracht hat? Das interessiert mich brennend, weil ich darüber überhaupt noch nie etwas gehört habe! Unvorbelastet wie ich war, bin ich auch beim Lesen der Strafkolonie zu keinem Zeitpunkt auf den Gedanken gekommen, Kafka selbst könnte irgendwelche sadistischen Züge haben. Aber wenn man so etwas über ihn gelesen hat, kann man natürlich schon auf die Idee kommen ... ich habe diese Facette aber ähnlich wie Steffi eher als ein "Aufzeigen" wahrgenommen.



    [...] und neige dazu, seine Geschichten einfach so auf mich wirken zu lassen.


    Das funktioniert hier (und damals bei Amerika) für mich ganz wunderbar. Unabhängig von der intellektuellen Ebene entwickeln diese Texte nämlich einen ganz hypnotischen Sog, scheint mir. Ein bisschen fühlt es sich so an, als ob beim Lesen die ganze Zeit über eine unterschwellige "Gefahr" (?) in der Luft liegt, aber trotzdem will ich ich mich nicht so recht gegen den Strudel wehren, der sich da auftut. "Halb zog er mich, halb sank ich hin ..." :zwinker:


    Blutrünstig im eigentlichen Sinne fand ich die Beschreibung nicht, allerdings doch sehr intensiv und ekelerregend. Insofern sind wir schon bei Kafka, denn ich finde, dass er mit wenigen Worten immer sehr schön einen gewissen Ekeleffekt erreichen kann.


    Im Kommentar meiner Ausgabe ist der Bericht von jemandem enthalten, der miterlebt hat, wie Kafka die Erzählung persönlich bei einer Lesung vorgetragen hat:


    Seine Stimme mochte entschuldigend klingen, aber messerscharf drangen seine Bilder in mich ein, Eisnadeln voller abgründiger Quälerei.


    Laut diesem Zeugen wurden sogar mehrere Zuhörerinnen ohnmächtig und mussten aus dem Saal getragen werden!

    In meiner Ausgabe ist die eigentliche Erzählung in einen ziemlich umfangreichen Kommentar eingebettet. Den ersten Teil (sozusagen das Vorwort) habe ich noch mit Begeisterung gelesen, das Nachwort bewegt sich dann aber thematisch teils doch recht weit weg und war mir abschnittsweise zu langweilig, um es genau zu lesen.


    Außerdem bin ich noch nicht dazu gekommen, mir die im Materialienthread verlinkten Interpretationen durchzulesen (danke übrigens für die Zusammenstellung!), also kommen hier erstmal nur meine ganz eigenen Eindrücke.


    Mich hat die Blutrünstigkeit in dieser Erzählung total überrumpelt - damit hatte ich gerade bei Kafka überhaupt nicht gerechnet! Taucht so etwas denn öfter in seinem Werk auf? Ich habe ja erst ganz wenig von ihm gelesen (Amerika und ein paar Erzählungen), aber mit Kafka assoziiere ich wenn dann nur psychologischen Horror, ohne solche explizite Brutalität!


    Wobei ich den Reisenden eigentlich nicht unbeteiligt fand. Gut, er reagiert vielleicht nicht so hysterisch emotional :breitgrins: , wie ich das in seiner Situation täte, aber es wird ja schon deutlich, dass er dieser Folterung sehr, sehr ablehnend gegenübersteht. Und das parallel dazu vorhandene - ich nenne es jetzt mal - fachliche Interesse, diese wissenschaftlich orientierte Faszination, die springt ja sogar auf den Leser über.
    Allerdings enthält meine Ausgabe auch noch ein paar Varianten für den Schluss, die ich durch die Bank emotionsgeladener in Erinnerung habe - im Vergleich dazu wirkt der Reisende in der Endfassung tatsächlich am nüchternsten, "unbeteiligtsten".


    Apropos meine Ausgabe - sagt euch "Der Garten der Qualen" von Octave Mirbeau etwas, das im Vorwort als eine der Hauptquellen für die Strafkolonie genannt wird?


    Und eine Detailfrage: wer sind denn diese Frauen des Kommandanten, die an ein paar Stellen erwähnt werden?


    Der Offizier ist für mich genau wie für Steffi ein Fanatiker, der das mit der Erlösung der Seele durch die Maschine einfach glauben will.


    Den Schluss habe ich mir, glaube ich, so erklärt, dass den Reisenden der ganze Wahnsinn der Situation übermannt und er deshalb so schnell wie möglich verschwinden will und auch nichts mit Leuten zu tun haben möchte, die in irgendeiner Weise in dieser Sache "drinhängen". Allerdings kann es sein, dass mir gewisse Details gerade nicht einfallen ...


    Mit meinen restlichen Notizen melde ich mich demnächst.

    Ja, unsere Zweierteamfähigkeit haben wir ja schon unter Beweis gestellt :zwinker: , nur würdest du dann ganz alleine da stehen, falls ich die eine oder andere Erzählung nicht mitlese/-diskutiere (motiviert bin ich für alle, aber ich kann gerade schlecht einschätzen, wie es zeitmäßig ab März bei mir weitergeht). Aber schau ma mal! :smile:


    EDIT: Hoppla, hat sich mit Steffis Beitrag überschnitten.


    ich starte dann am Dienstag mit der „Strafkolonie“, vorher habe ich noch Kafkas „Amerika“ und Goethes „Faust“ zu beenden.


    Ja, dann bleiben wir dabei - ich konnte mir heute zwar wider Erwarten doch noch den "Brief an den Vater" besorgen, habe aber auch noch ein paar andere offene Baustellen und bin deswegen ganz froh über einen kleinen Zeitpolster.
    Sind wir jetzt eigentlich nur zu zweit?

    Huch, da gab's wohl ein Missverständnis - mit dem "Brief an den Vater" kann ich leider nicht beginnen, zumindest nicht direkt am Montag, da ich den erst kaufen muss! Alles andere habe ich hier. Also bitte entweder mit etwas anderem anfangen (die Strafkolonie hätte ich ja praktischerweise schon gelesen :breitgrins: ) oder den Start ein paar Tage nach hinten verlegen - wenn's nicht zu viele Umstände macht ...


    Und sollen wir es bei der ursprünglich geplanten Reihenfolge belassen oder gibt es andere Wünsche?


    Keine Änderungswünsche meinerseits, und auch auf den "Brief an den Vater" bin ich neugierig. Den haben wir auszugsweise mal in der Oberstufe behandelt (und "Die Verwandlung" in der Unterstufe), aber das ist alles schon viel zu lange her, als dass ich mich noch ordentlich erinnern könnte ...

    Liebe Kafka-Leser,


    da die Amerika-Leserunde noch in vollem Gange ist, werdet ihr wahrscheinlich nicht mehr mit der Strafkolonie anfangen, solange ich noch Internetzugang habe (3 Tage)! Allerdings habe ich die Erzählung heute "sicherheitshalber" gelesen (und parallel gehört), um ggf. auch ganz spontan noch schnell ein paar Kommentare abgeben zu können, falls ihr doch noch vor Mittwoch loslegt ... und nun stehe ich da mit meiner ganzen Verstörung und habe niemandem, mit dem ich darüber diskutieren kann! Da hab ich mir ja selber ein schönes Ei gelegt! :elch:
    Jedenfalls habe ich die eine oder andere Bleistiftmarkierung gesetzt, damit ich mich nach dem Urlaub wieder leichter an meine Gedanken erinnere, und kann es jetzt schon kaum erwarten, eure Eindrücke nachzulesen!!


    Ich habe übrigens diese sehr empfehlenswerte Ausgabe:


    [kaufen='978-3803123190'][/kaufen]


    Bis auf das Knallorange ist sie sehr schön gemacht, mit vielen Fotografien, einer angenehmen Schriftart und aus gutem Papier, und der Kommentar (den ich auch schon zur Hälfte durch habe) nimmt drei Mal so viel Raum ein wie die Erzählung selbst.


    Hoffentlich findet ihr es nicht unhöflich, dass ich voraus galoppiert bin ... aber ich wollte die Strafkolonie so gerne noch lesen, bevor ich wegfliege. :redface:

    Hallo Hubert,


    deine Interpretation mit der Vertreibung aus dem Paradies gefällt mir sehr gut! Und das ist tatsächlich ein Motiv, dass sich in gewisser Weise den Roman hindurch mehrmals wiederholt.


    Übrigens kristallisiert sich durch deine Zusammenstellung der homoerotischen Stellen auch einiges heraus. Ich kann mich zwar erinnern, dass ich beim Lesen auch manchmal so eine diffuse Ahnung hatte, aber wirklich deutlich wurde es mir erst jetzt durch dein explizites Aneinanderreihen.


    Ein Punkt, in dem ich übrigens mit dir übereinstimme, ist folgender:



    Nun ja, ich will nicht zu hart urteilen: Karl ist Sechzehn.


    Für Alfa_Romea aus dem Literaturschockforum waren Karls Naivität und seine überstürzten Schlussfolgerungen einer der Hauptgründe, warum ihr das Buch ziemlich auf die Nerven ging. Das war bei mir nicht so, ich fand es eher beeindruckend, wie überzeugend sich der Autor in dieses sechzehnjährige Kind versetzen - fast bin ich geneigt, zu sagen "verwandeln" - konnte.


    Ich habe leider bisher nur zwei Bücher aus der Liste gelesen, aber von mehreren der verzeichneten Schriftsteller(Inn)en andere Werke.


    So in etwa trifft das bei mir auch zu.



    Ich liebe östereichische und schweizer Literatur, sie hat so etwas Tiefes und Dunkelunergründliches.


    Mir war bis vor kurzem gar nicht klar, wie sehr ich sie anscheinend auch liebe ... :breitgrins:
    Habe neulich einen Blick auf mein LesetagebuchExcel-Sheet geworfen, und da stehen speziell in den letzten beiden Jahren fast nur Österreicher und Engländer! Dazu noch ein paar Japaner und ganz vereinzelt andere Nationen ... mir war überhaupt nicht klar, was für ein arges Faible ich für die Literatur aus Ö (und UK) habe. Und so bald wird sich an dieser Aufteilung auch nicht allzu viel ändern, wenn ich an meine Lesepläne für die nächste Zeit (und die schon gekauften Bücher) denke ...


    Aber jetzt mal ehrlich: der Bereich hält einfach so viel Faszinierendes bereit (wenn man's mag, natürlich - ein bisschen speziell sind sie ja schon, die Österreicher) ... und irgendwie führt immer eines zum anderen. :smile:



    Wer kennt bereits etwas von Lilian Faschinger? Könnt ihr etwas empfehlen oder eher nicht?


    Ohne dir jetzt konkret weiterhelfen zu können: "Wiener Passion" steht schon seit ein paar Jahren ungelesen hier, und ich habe viel Gutes darüber gelesen ... weiß gar nicht so recht, warum ich es noch nicht begonnen habe. :rollen:

    So, jetzt krieche ich auch kurz aus meinem Versteck. :zwinker:
    Ich habe "Amerika" ja ca. vor einem Jahr gelesen und war ganz hin und weg. Nun macht es Spaß, eure Gedanken mitzuverfolgen - manche passen ziemlich genau zu dem, was mir selber damals durch den Kopf ging, auf andere Interpretationen wäre ich nie gekommen. Und danke für diese Info:



    da Kafka ja nie in Amerika war, konnte er sich natürlich nicht an die Freiheitsstatue erinnern, aber genau aus diesem Grund, hat er zu diesem Roman im Gegensatz zu allen anderen seiner Werke sehr viel recherchiert. D.h. er wusste genau was die Freiheitsstatue in Wirklichkeit in den Himmel hält.


    Ich dachte nämlich auch eher, dass es ein Irrtum Kafkas war. So wie Shakespeare Böhmen ans Meer legte! :breitgrins:

    Ja, ich habe einen 20%-Willkommensgutschein gekriegt. Insgesamt habe ich nun für 3 Bücher inklusive Versand so viel bezahlt, wie der HP im normalen Handel allein gekostet hätte! :klatschen: