Beiträge von Berch

    Hallo zusammen,


    vorweg: ich habe vom MRR bisher 'Mein Leben', 'Sieben Wegbereiter', 'Lauter schwierige Patienten' und eine Reclam-Ausgabe, die ich aber leider gerade nicht finden kann, gelesen und muß sagen, daß ich zu denjenigen zähle, die ihn mögen. Bei seiner polarisierenden Wirkung ist das vielleicht nicht unwichtig zu erwähnen.


    Ich mag allerdings auch seine Verrisse. Natürlich sind sie oft vernichtend hart geschrieben und als kritisierter Autor muß man sich bei ihm wohl schon ein recht dickes Fell zulegen. Aber dennoch spiegeln sie meiner Ansicht nach auch immer seine große Liebe zur Literatur. Bei vielen Kritiken scheint er persönlich getroffen zu sein, da er sich von einem Autor so viel mehr erhofft hat, als dieser zu schreiben in der Lage war, oder weil ein Werk so garnicht seinen ästhetischen oder literarischen Anforderungen genügen konnte. Eine solch starke Emotionalität im Umgang mit Literatur macht mir die Person MRR schon sehr sympathisch...


    Gruß
    Berch

    Hallo,


    sag mal, ist das der deutsche Titel des Werkes? Jedenfalls kann ich zu diesem Titel absolut nichts finden, aber vielleicht stelle ich mich auch einfach zu doof an.
    Guck doch mal hier http://lib.ru/LITRA/CHEHOW/, vielleicht ist dort ja was dabei...
    Ansonsten dürfte der Gang in die nächste Bücherei helfen...


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,
    hallo Friedrich-Arthur,


    vielleicht noch als kleine Ergänzung:
    Bei Reclam gibt es auch einen Band Sämtliche Erzählungen für 11,60€. Enthalten sind:
    · Die Zauberei im Herbste
    · Das Marmorbild
    · Das Wiedersehen
    · Aus dem Leben eines Taugenichts
    · Viel Lärmen um nichts
    · Auch ich war in Arkadien
    · Eine Meerfahrt
    · Das Schloß Dürande
    · Die Entführung
    · Die Glücksritter
    · Libertas und ihre Freier


    Wäre vielleicht, zumindest für die Erzählungen, eine kostengünstige Alternative.


    Zur Aktualität von Eichendorff:
    Soweit ich mich recht erinnere (ich habe vor einiger Zeit im Rahmen eines Seminars etliche Texte zu Eichendorff, seiner politischen Einstellung, seinen Themen, etc.) gelesen, so wurden seine Texte im NS-Staat und auch zuvor im Kaiserreich z.T. recht eigenwillig gedeutet. So wurde der Taugenichts beispielsweise zum Bild eines Vorzeigedeutschen (u.a. deshalb, weil er sich, in Italien angekommen, nach Deutschland sehnt, auch wenn im Text nicht im Entferntesten von Nationalstolz die Rede sein kann). Möglicherweise könnte dies für einen Bruch nach dem 2. WK mitverantwortlich sein.
    Möglich auch, daß die starke Fixierung einiger Erzählungen am politischen Tagesgeschehen dazu beiträgt, daß diese in Vergessenheit geraten. So ist beispielsweise das Hambacher Fest, in dessen Kontext "Auch ich war in Arkadien!" steht, heute doch eher eine Randerscheinung der deutschen Geschichte.
    Der Taugenichts hingegen erfreut sich auch heute noch in Schulen einer ungebrochenen Beliebtheit, vielleicht auch, weil sich die Motive der Romantik an diesem Text sehr leicht herausarbeiten lassen und das Thema für Schüler recht interessant sein dürfte.


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,
    hallo Sandhofer,


    eigentlich liegen mir Einzelausgaben mehr, weil Gesamtausgaben fast zwangsläufig sehr umfangreich und damit zur Mitnahme, bzw. zum 'Unterwegslesen' recht ungeeignet sind.
    Vor wenigen Wochen habe ich mir aber doch zwei gekauft: Kafkas Werk und sämtliche Stücke von Brecht in jeweils einem Band. Beide Bücher kosteten 8 Euro sind nicht gebunden (was bei jeweils über 1000 Seiten schon recht fleddrig ist), auf recht dünnem Papier gedruckt und zumindest Brechts Stücke zu allem Überfluß auch noch zweispaltig angeordnet. Also der blanke Horror für jeden, der ein bißchen was für 'schöne' Bücher über hat.
    Aber einen unschlagbaren Vorteil haben diese Ausgaben doch: Es tut mir kein bißchen weh, in diesen Büchern Stellen zu markieren, Hinweise oder Querverweise zu notieren, sprich also all das zu tun, was für eine intensive Textarbeit sinnvoll ist, ich aber meinen 'normalen' Büchern niemals antun würde.


    Gruß
    Berch

    Hallo Hubert,


    ich glaube, wir sprechen ihn ähnlich aus :zwinker:


    Windows of the World habe ich bisher noch nicht gelesen, weil ich auf das Taschenbuch warten wollte, aber ich habe bisher schon einige positive Kommentare gehört.


    Zitat

    Dass es ein Klassiker wird, glaube ich auch nicht, aber nicht weil es zu zeitgebunden ist, (das waren die meisten heutigen Klassiker zu ihrer Zeit auch) sondern weil es m.M.n. zu sehr auf Erfolg getrimmt ist.


    Im zweiten Punkt stimmen wir also auch überein. Was den ersten angeht, so muß ich Dir prinzipiell eigentlich auch zustimmen, aber dennoch haben Klassiker eben auch eine zeitlose Komponente und ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß in hundert Jahren noch ein großes Interesse an den Problemchen von drogenabhängigen Werbetextern des ausgehenden 20. Jahrhunderts besteht. Aber vielleicht täusche ich mich auch :zwinker:


    Gruß
    Berch

    Hallo Leviathan,


    natürlich kann man in dem Mord eine logische Folge sehen und es ist mir beim Lesen auch nicht so gegangen, daß diese Eskalation mich nun vollkommen überrascht hat.
    Du hast schon recht, der Mord ist als Aufschrei gegen das 'System' zu sehen. Nur: Drei aufgeputschte Europäer 'erlegen' eine amerikanische Rentnerin, weil sie sie als stellvertretendes Übel der Welt betrachten. Das folgt zwar einer gewissen Logik im Buch, ist meiner Ansicht nach aber vollkommen überzogen.
    Deshalb unterstelle ich einfach mal, daß ein Grund für das Auftauchen dieses Mordes auch die damit verbundenen Effekte sind, nach denen der Autor schielte. So ein vollkommen unmotivierter und überflüssiger Mord stellt die Figuren als noch überdrehter, kälter, kränker und abgebrühter dar. Noch ein weiterer Skandal, der wohl recht gut ins Konzept gepaßt haben dürfte.


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,


    sandhofer: Danke für das Verschieben.


    Leviathan:

    Zitat

    Dieses Buch ist natürlich auch ein Produkt dieser Werbeindustrie, ohne die wäre eine erfolgreiche Veröffentlichung nicht möglich gewesen.


    Das spräche dann aber eigentlich nicht wirklich für die Qualität des Buches. Ein wirklich gutes Buch müßte sich ja auch ohne eine derartige Strategie veröffentlichen lassen, oder? Natürlich werden viele Bücher beworben, sei es durch herausstechende Positionierung im Laden, Poster in Schaufenstern oder Auftritte der Autoren in Talkrunden, etc. Bei diesem Buch wurde aber ja noch ein ganz anderer Rummel veranstaltet (zumindest in Frankreich).


    Zitat

    aber man muss ja ins Flugzeug steigen, wenn man es entführen will


    Prinzipiell stimme ich Dir zu. Man kann wohl kein entlarvendes Buch über die Werbeindustrie schreiben, ohne detaillierte Informationen über diese Industrie und was er dabei zu Tage fördert ist ja auch durchaus interessant, wenn vielleicht auch etwas stereotyp oder vorraussehbar:
    Die Werbefachleute sind selbstverliebte, arrogante, machtgeile, koksende Deppen.
    Die Vertreter der zu bewerbenden Firmen wollen keine kunstvoll ausgefeilten Texte, sondern 'hingeschmierte', recht geistlose Slogans.
    Und die Verbraucher schließlich schlucken es eben, egal was sie vorgesetzt bekommen.
    Was ich mich nur frage: Muß er tatsächlich seine Hauptfigur mit zwei ähnlich abgestumpften Menschen eine alte Frau ermorden lassen? Welche Funktion erfüllt diese Episode für sein Anliegen, die Werbeindustrie zu entlarven?


    Gruß
    Berch

    Hallo Leviathan,


    es ist schon etwas her, seit ich 39,90 gelesen habe (wohl etwa drei Jahre), aber ich habe noch recht gute Erinnerungen an das Buch, weil ich mich seinerzeit etwas länger mit dem Text und auch mit dem Autor beschäftigt habe.


    Zitat

    Dieses Buch habe ich kürzlich gelesen und ich finde, es polarisiert. Manchmal fand ich den Inhalt unterhaltend, gesellschaftskritisch und durchdacht und an gewissen Stellen war ich nur angewidert.


    Ich stimme Dir zu, es polarisiert auf jeden Fall und ich fühlte mich eigentlich auch durchweg gut unterhalten, wobei ich nicht behaupten kann, daß es mich angewidert oder gar schockiert hat.


    Als reine Schundliteratur würde ich es nicht bezeichnen, aber ich denke auch, daß es ebenfalls keine Chancen hat, jemals ein Klassiker zu werden. Dafür ist es einerseits viel zu sehr zeitbezogen und andererseits auch viel zu sehr auf rein kommerziellen Erfolg angelegt.


    Soweit ich es richtig in Erinnerung habe, arbeitete Beigbeder (ich bin bis heute unsicher, wie man seinen Namen ausspricht :zwinker: ) tatsächlich in der Werbebranche und provozierte mit diesem Buch, genau wie seine Hauptfigur, seinen Rauswurf aus der Werbefirma für die er arbeitete. Eine sehr clever eingefädelte Werbestrategie, wenn man so will, und auf jeden Fall medienwirksam.
    Allerdings, und hier unterscheidet sich Beigbeder deutlich von seiner Figur, soll er sich im Vorraus bereits abgesichert haben u.a. über 'Absprachen' mit Houellebecq.
    Genau hier setzt auch mein zweiter Kritikpunkt an. Ich weiß nicht, ob Du schonmal etwas von Michel Houellebecq gelesen hast, aber Beigbeders 39,90 liest sich wie eine schlechte Houellebecq-Imitation. Der Stil ist ähnlich, die provozierenden Elemente in Sprache und Thema (Sexualität, Drogen, Gewalt, etc.) sind stark angelehnt, nur eben, in meinen Augen, weniger durchdacht, weniger zu Ende gedacht, weniger extrem und weniger aufwühlend. Diese Anlehnung bzw. dieser Stilwandel wird besonders deutlich, wenn man Beigbeders frühere Werke liest (Memoiren eines Sohnes aus schlechtem Hause, Ferien im Koma und Die Liebe währt drei Jahre), wovon ich abraten würde. Diese Bücher sind recht langweilig und -atmig, sie fesseln nicht, provozieren kaum und plätschern nur so dahin. Wie und ob er sich bei Windows of the World weiter entwickelt hat, kann ich leider nicht sagen, da ich noch auf die Taschenbuchausgabe warte.
    Ich persönlich bevorzuge aber dann doch eher direkt Houellebecq, auch wenn er bisher ein recht begrenztes Themenfeld hatte, daß auf die Dauer auch langweilig werden kann.


    Das alles klang jetzt sehr negativ, aber trotz der Kritik: Das Buch ist durchaus lesenswert und unterhaltsam und ein gewisses Maß an Gesellschaftskritik hat es auch zu bieten. Bedingt empfehlenswert also würde ich sagen.


    Was den Autor selbst, bzw. seine Literaturanlehnungen angeht: Er scheint durchaus etwas 'auf dem Kasten zu haben', völlig ohne Grundlage kann man sicher nicht als Literaturkritiker arbeiten.


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,


    ich habe das eigentlich auch noch nie genau verfolgt, aber im Monat komme ich im Schnitt auf etwa 5-8 Bücher.
    Meinen persönlichen Rekord habe ich vermutlich eben im Zug aufgestellt: Eric-Emmanuel Schmitt - Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran, 100 Seiten in ner guten halben Stunde. Aber das Buch ist auch ne einzige Mogelpackung was die Seitenanzahl angeht. Reclam würde den Text vermutlich auf 15 Seiten bekommen.


    Gruß
    Berch

    Hallo nimue,


    vielen Dank für den Tipp! Ich habe mir von Maxim Biller "Wenn ich einmal reich und tot bin" bestellt.
    Der oben angegebene Link funktionierte zwar wirklich nicht, aber ich bin einfach mal über Deinen Amazon-Link auf literaturschock.de gegangen. Dürfte ja auch geklappt haben...


    Vielen Dank nochmal!


    Berch

    Hallo zusammen,


    ich habe mich in dieser Woche bis an den Anfang des zweiten Buches vorgekämpft.
    Ich muß leider sagen, daß ich das Buch immer anstrengender finde. Zu Beginn haben mir die kurzen thematischen 'Ausflüge' und 'Ergänzungen' noch sehr gefallen, aber inzwischen werden sie mir doch etwas zu viel. Vielleicht bin ich auch etwas zu ungeduldig, aber ich möchte dann doch schon ganz gerne, daß die eigentliche Handlung vorwärts kommt.


    Was mir bei den Kapiteln noch einmal aufgefallen ist, ist die interessante Erzählposition, die der Erzähler einnimmt. Immer wieder wendet er sich an seine Leser. So erklärt er dem Leser beispielsweise, weshalb er die Namen der beiden bemerkenswerten Damen nicht nennen kann und will, in ihren Dialogen sprechen sie sich aber mit vollem Namen an. Nach der inneren Logik des Buches trägt der Autor daran ja keine Schuld.
    Auch entschuldigt er sich in der ausführlichen Charakterisierung Tschitschikows dafür, daß sein Held nicht besser oder angenehmer ausgefallen sei, aber ihm bliebe ja nichts übrig als eben über den Helden zu berichten, über den er nunmal berichten kann und der sei eben so wie beschrieben. Zudem liefert der Erzähler eine ausführliche Charaktersierung des Helden auch erst sehr spät nach, entschuldigt dies aber damit, daß er eher aufgrund der rasant fortschreitenden Entwicklung schlichtweg keine Zeit gehabt habe.
    Diese Erzählervariante eines Protokollanten, der sich seiner Position auch bewußt ist und dies auch dem Leser gegenüber zu vertreten versucht, ist mir bisher wenn überhaupt nur sehr selten begegnet...


    Gruß
    Berch

    Hallo Gitta,


    mit den Bedeutungsebenen hast Du sicherlich nicht unrecht.


    Generell habe ich es aber zumindest so gelernt, daß ein Artikel bei der Nennung von Buchtiteln wegfällt. Zumindest für Hausarbeiten gilt dies an 'meiner' Uni...


    Gruß
    Berch

    Hallo Lucyj.


    Herzlich Willkommen hier bei uns im Klassikerforum. Ich finde es immer schön zu sehen, daß die Schule es doch nicht schafft, jedem Schüler die Lust auf Klassiker zu vermiesen. Ich selbst bin wohl einer der wenigen Fälle, bei denen es genau anders herum lief und meine Lust auf Klassiker durch den Deutschunterricht sogar noch geweckt wurde.


    Solltest Du Probleme mit Deiner Lektüre haben, kannst Du Deine Fragen gern jederzeit stellen. Du wirst hier sicherlich nicht auf taube Ohren stoßen!


    Ich wünsche Dir viel Freude mit den Klassikern und auch hier im Forum und vielleicht hast Du ja auch mal Lust, an einer unserer Leserunden teilzunehmen.


    Gruß
    Berch

    Hallo Lucyj,


    bei mir ist es zwar auch schon einige Zeit her, daß ich das Buch gelesen habe.
    Allgemein zum Bild des Rades könnte es gerade bei Hesse lohnend erscheinen, sich auch das "Rad des Lebens" in der buddhistischen Tradition näher anzusehen.
    [Blockierte Grafik: http://www.asamnet.de/~muennicg/images/lebrad.jpg]


    Wenn Du mehr dazu lesen möchtest, kannst Du vielleicht mal hier nachschauen: http://mitglied.lycos.de/buddhismuskurs/hobbies.html



    Das Wasserrädchen in der Kindheit ist, über die Bedeutung als beliebtes Spielzeug hinaus, sicherlich nicht zufällig gesetzt. Leider ist mir der genaue Kontext nicht mehr präsent, aber ich meine mich zu erinnern, daß die frühen Kindheit durchaus noch von einem relativ harmonischen Umfeld geprägt ist. In dieser Hinsicht könnte Deine Vermutung durchaus zutreffen.
    Darüber hinaus ließe sich durchaus über das Spielen am Wasser ein Bogen spannen zu der Bedeutung die das Wasser zum Schluß der Geschichte hin bekommt. Vom spielerischen Umgang mit dem Wasser (das Wasser also als Quell von (Lebens-)Freude) zu Beginn, hin zu einem todbringen, das Leben, aber auch die Qual beendenden Wasser zum Schluß hin.
    Leider habe ich das Buch momentan nicht vorliegen, sodaß ich mir die Stelle nicht näher ansehen kann.


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,


    Georg: Es ist richtig, daß es nicht um die Frage ging oder geht, ob man einen bestimmten Autor mag oder nicht. Dennoch: Sofern ich Bücher privat lese, geht es mir nicht nur um Verständnis oder einen Erkenntnisgewinn, sondern auch um Unterhaltung. Unterhalten fühle ich mich von Texten, die ein mich interessierendes Thema in einer ansprechenden Art und Weise behandeln. Das Problem, daß ich also bei Mann habe ist nicht, daß ich seine Texte nicht verstehe (wenn ich auch sicherlich nicht bis ins kleinste Detail vordringe), sondern, daß ich mich schlecht unterhalten fühle. Aus diesem Grund investiere ich nicht noch zusätzliche Zeit in die Biographie des Autors, denn mehr Unterhaltung verspricht das ganz sicher nicht.
    Ich spreche garnicht ab, daß, bei genauerer Kenntnis der Biographie (einen groben Abriß über sein Leben und Wirken ist mir durchaus bekannt), einige Stellen der Texte Manns deutlicher, einleuchtender oder verständlicher werden. Aber wie gesagt: Ich denke, für eine erste Interpretation geben die Texte selbst genug her, einen wirklichen Mehrwert, der den Aufwand lohnt, verspreche ich mir aber nicht und deshalb lese ich in der Zeit, die ich mit dem Nicht-Lesen einer ausführlichen Biographie spare, lieber andere Texte. So zu verfahren, mag durchaus auf einem Vorurteil beruhen oder auch ignorant sein, stößt aber bemerkenswerter Weise nur bei einigen Autoren sauer auf.


    Der Mehrwert beim Lesen von Kafkas Biographie drückt sich in vielfältiger Weise aus, auch wenn ich seinem Verhältnis zu seinem Vater auch nicht die Bedeutung beimesse, wie Sandhofer dies tut. Ich will auch garnicht jede Kleinigkeit nun hier darlegen, aber vielleicht läßt sich dies auch an einem recht oberflächlichen Beispiel deutlich machen: In Kafkas Texten (nicht nur im Prozeß) sehe ich mitunter deutliche Anklänge zu religiösen, in diesem Fall jüdischen Motiven. Auf die Idee, bei der Analyse solcher Motive auch einen Blick auf den jüdischen Hintergrund des Autors zu werfen, wäre ich in Unkenntnis dieses Hintergrundes nicht gekommen.


    Gitta: Ich habe es nicht als persönliche Kritik aufgefaßt, keine Sorge. Es ist ja durchaus richtig. Solange, wie ich mich nicht eingehender als bisher (sehr kurze oder tabellarische Auflsitungen der wichtigsten Lebensstationen) mit der Biographie Manns auseinander gesetzt habe, kann ich nicht wissen, ob die tiefere Kenntnis einen Mehrwert hätte. Ich mutmaße das nur. Allerdings ist, wie oben beschrieben, meine Lesezeit begrenzt und daher wähle ich dann lieber Texte aus, die mich mehr ansprechen, als die Biographie eines Autors, der mir nicht gefällt.


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,


    @evelyne: Hart wie Gummi wäre wirklich ein merkwürdiger Vergleich, aber ich schrieb zäh und das trifft auf Gummi wohl zu :zwinker:


    Was ich damit ausdrücken wollte: Rein stilistisch (oder auch 'handwerklich') ist das Buch wirklich beachtlich und eine gewisse Zeit lang, habe ich mich an der Sprache auch wirklich erfreut, aber andererseits bin ich kein so ausgeprägter Sprachästhet, daß mir das ausreichen würde (was nicht unterstellt, daß dies bei Euch so ist). Mir kommt schlicht der Inhalt zu kurz, bzw. er weckt nicht mein Interesse und damit wurde das Buch dann für mich schon recht schnell langweilig und zog sich.


    Hubert: Ich persönlich denke auch nicht, daß es ein Buch ist, das sich für die Schullektüre eignet. Einerseits, weil es recht schwer sein dürfte, einen Bezug zur Lebenswirklichkeit der Schüler herzustellen, andererseits, weil das Buch eher einen geringen Exemplaritätscharakter besitzt (an Eichendorffs Taugenichts beispielsweise läßt sich hervorragend die Symbolik der Romantik auch über das Werk hinaus erklären).


    Gruß
    Berch

    Hallo Puma,


    Zitat

    ja, jeder aus dem deutsch-kurs soll ein buch vorstellen und es auch empfehlen oder doch eher davon abraten.


    Stell den 'Tod in Venedig' vor und dann rate davon ab.
    Keine Frage, der Text lebt von einer schön formulierten und strukturierten Sprache und von einer durchaus beachtlichen Atmosphäre... und ist dabei leider doch so zäh wie Gummi...


    Gruß
    Berch

    Hallo zusammen,


    ich persönlich komme bei Thomas Mann auch sehr gut ohne größere biographische Hintergründe aus. Dies hat zwei Gründe: 1. Manns Werke sind im Vergleich zu Kafka in viel größerem Maße selbsterklärend, d.h. Antworten auf Interpretationsfragen lassen sich weitesgehend aus dem Text selbst ziehen und 2. ich mag Thomas Mann nicht sonderlich. Die Texte, die ich bisher von ihm gelesen habe, konnten mich nicht wirklich faszinieren, sodaß ich mich nicht auch noch eingehender mit dem Menschen Thomas Mann befassen möchte, zumal ich annehme, daß eine tiefere Kenntnis seines Lebens bei mir keinen größeren Lesegenuß hervorrufen wird.


    Bei Kafka hingegen versuche ich mich an jede Analysehilfe zu klammern, die sich anbietet, da seine Texte eine Fülle von Interpretationen und Deutungsmöglichkeiten bieten, ohne daß selbständig aus dem Text heraus eine Variante als bevorzugte herausgearbeitet werden könnte.
    Also muß man bei der Analyse zwangsläufig auf weitere 'Hilfsmittel' zurückgreifen. Sei dies nun das Verhältnis zum Vater, sei es das Lebensumfeld, seien es politische oder gesellschaftliche Rahmenbedingungen, sei es Religion, etc. Anhaltspunkte hierfür lassen sich aber schlichtweg nur in der Biographie Kafkas finden.
    Natürlich bleiben auch dabei noch viele Fragen offen, dennoch ergibt sich die Möglichkeit, auf der Basis solcher zusätzlichen Informationen zu einem fundierterem Urteil zu gelangen.


    Gruß
    Berch