Hallo Leviathan,
es ist schon etwas her, seit ich 39,90 gelesen habe (wohl etwa drei Jahre), aber ich habe noch recht gute Erinnerungen an das Buch, weil ich mich seinerzeit etwas länger mit dem Text und auch mit dem Autor beschäftigt habe.
Zitat
Dieses Buch habe ich kürzlich gelesen und ich finde, es polarisiert. Manchmal fand ich den Inhalt unterhaltend, gesellschaftskritisch und durchdacht und an gewissen Stellen war ich nur angewidert.
Ich stimme Dir zu, es polarisiert auf jeden Fall und ich fühlte mich eigentlich auch durchweg gut unterhalten, wobei ich nicht behaupten kann, daß es mich angewidert oder gar schockiert hat.
Als reine Schundliteratur würde ich es nicht bezeichnen, aber ich denke auch, daß es ebenfalls keine Chancen hat, jemals ein Klassiker zu werden. Dafür ist es einerseits viel zu sehr zeitbezogen und andererseits auch viel zu sehr auf rein kommerziellen Erfolg angelegt.
Soweit ich es richtig in Erinnerung habe, arbeitete Beigbeder (ich bin bis heute unsicher, wie man seinen Namen ausspricht :zwinker: ) tatsächlich in der Werbebranche und provozierte mit diesem Buch, genau wie seine Hauptfigur, seinen Rauswurf aus der Werbefirma für die er arbeitete. Eine sehr clever eingefädelte Werbestrategie, wenn man so will, und auf jeden Fall medienwirksam.
Allerdings, und hier unterscheidet sich Beigbeder deutlich von seiner Figur, soll er sich im Vorraus bereits abgesichert haben u.a. über 'Absprachen' mit Houellebecq.
Genau hier setzt auch mein zweiter Kritikpunkt an. Ich weiß nicht, ob Du schonmal etwas von Michel Houellebecq gelesen hast, aber Beigbeders 39,90 liest sich wie eine schlechte Houellebecq-Imitation. Der Stil ist ähnlich, die provozierenden Elemente in Sprache und Thema (Sexualität, Drogen, Gewalt, etc.) sind stark angelehnt, nur eben, in meinen Augen, weniger durchdacht, weniger zu Ende gedacht, weniger extrem und weniger aufwühlend. Diese Anlehnung bzw. dieser Stilwandel wird besonders deutlich, wenn man Beigbeders frühere Werke liest (Memoiren eines Sohnes aus schlechtem Hause, Ferien im Koma und Die Liebe währt drei Jahre), wovon ich abraten würde. Diese Bücher sind recht langweilig und -atmig, sie fesseln nicht, provozieren kaum und plätschern nur so dahin. Wie und ob er sich bei Windows of the World weiter entwickelt hat, kann ich leider nicht sagen, da ich noch auf die Taschenbuchausgabe warte.
Ich persönlich bevorzuge aber dann doch eher direkt Houellebecq, auch wenn er bisher ein recht begrenztes Themenfeld hatte, daß auf die Dauer auch langweilig werden kann.
Das alles klang jetzt sehr negativ, aber trotz der Kritik: Das Buch ist durchaus lesenswert und unterhaltsam und ein gewisses Maß an Gesellschaftskritik hat es auch zu bieten. Bedingt empfehlenswert also würde ich sagen.
Was den Autor selbst, bzw. seine Literaturanlehnungen angeht: Er scheint durchaus etwas 'auf dem Kasten zu haben', völlig ohne Grundlage kann man sicher nicht als Literaturkritiker arbeiten.
Gruß
Berch