Das große Problem, daß ich dabei sehe, wenn Schüler vollkommen frei die Werke bestimmen dürfen, ist, daß es teilweise am Lehrplan doch erheblich vorbei geht. So gibt es z.T., wenn ich nicht vollkommen falsch informiert bin, in den Richtlinien teilweise Vorgaben bezüglich Epoche, Gattung, etc. Ließe man ohne Eingrenzung die Wahl, so würde man das in den wenigsten Fällen wohl deckungsgleich kriegen.
Aber wenn man als Lehrer eine gewisse Vorauswahl trifft, die richtlinienkonform ist, dann hat das sicher entscheidende Vorteile. Immerhin dürfen die Schüler dann aus einem Fundus von vielleicht 5-10 Büchern auswählen. In meiner Schulzeit wurde es z.B. so gemacht, daß die Klasse in Zweiergruppen eingeteilt wurde und jede Gruppe ein Werk vorbereiten mußte. Etwa zwei Wochen später mußte jede Gruppe 'ihr' Buch kurz inhaltlich vorstellen und eine eigene Einschätzung abgeben. Anschließend wurde die gemeinsame Lektüre gewählt. Das ist z.B. eine sinnvolle Variante. Die Schüler müssen eigenverantwortlich einen Text erarbeiten, lernen, die erarbeiteten Thesen sinnvoll aufzubereiten und dann in einem Vortrag die Argumente vorzutragen. Sie bekommen neben der relativ freien Wahl somit auch gleich noch eine Form der eigenständigen Literaturerarbeitung an die Hand gelegt...
Übrigens wurde bei uns in der Unterstufe die Lektüre tatsächlich vollkommen frei gewählt. Was einmal auf die Insel der blauen Delphine und einmal auf ein Fiasko hinauslief...
Beiträge von Berch
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Tja, bleibt die Frage, ob man so auf die Genieästhetik abzielen will und in welcher Relation man das sieht (damalige Zeit, heutige Zeit)...
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Hallo zusammen,
da stolpere ich also erst jetzt über diesen Thread, aber besser spät als nie.Sicherlich gibt es das falsche Buch zur falschen Zeit und die Schule ist sicherlich ein Ort an dem dieses Problem oft auftritt, weil die Lektüre quasi aufgezwungen wird.
Für mich gab es aber in der Schule das richtige Buch zur absolut richtigen Zeit und noch dazu den richtigen Lehrer.
Es handelt sich um Brecht - Der kaukasische Kreidekreis in der 9. Klasse.
Dabei muß es sich wohl um eine Mixtur von positiven Zufällen gehandelt haben. Der bis dahin genossene Deutschunterricht war recht zäh, die Lehrerin bestenfalls durchschnittlich und ihre Motivationskunst... naja. Ab der 9. Klasse hatte ich dann einen für mich neuen Lehrer, der uns zunächst weggeführt hat von den 'Was will der Autor damit sagen'-Analysen hin zu vielschichten Analysen, den Text im Mittelpunkt und drumherum angeordnet, kulturelle, geschichtliche, soziologische, autorimmanente und das Verhältnis Autor-Leser betreffende, etc. Aspekte. Eine fundierte Analyseform also. Zudem war dieser Lehrer ein hervorragendes Beispiel dafür, daß man auch mit knapp 60 Jahren als Lehrer noch nicht ausgebrannt sein muß, sondern immer noch einen auf die Schüler bezogenen, motivierenden, mitreißenden, aktuellen Unterricht machen kann.
Zudem kam hinzu, daß ich erst kurze Zeit vorher den Marxismus als spannende Philosophie für mich entdeckt hatte, wodruch mich der Stoff wohl noch zusätzlich faszinierte.
Die Lektüre und Analyse hat mich dann tatsächlich Stephen King entreißen können und die Folge war, daß ich dem Suhrkamp-Verlag durch starke Zukäufe von Brecht und Hesse-Lektüre eine Umsatzplus bescherte und seitdem dran geblieben bin. Ein weiteres Ergebnis: Seitdem ist der Wunsch in mir, Germanistik zu studieren und selber zu lehren, was ich momentan ja auch umsetze.
Brecht zählt immer noch zu meinen alsoluten Lieblingsautoren. Ich lese regelmäßig in der Gesamtausgabe seiner Gedichte und versuche keine im Umkreis stattfindende Theateraufführung zu verpassen.
Kurz noch den groben Rest meiner Schullektüre (von der aber kein Buch mehr so eingeschlagen ist wie Brecht):
Lessing - Emilia Galotti
Schiller - Don Carlos
Andersch - Sansibar oder der letzte Grund
Kafka - Die Verwandlung
Meyer - Das Amulett
Mann - Der Untertan
Süskind - Das Parfum -
Frei nach dem genialen Hugo Egon Balder:
Dieser Thread ist genial daneben... -
Hallo,
ich hatte ja auch grundsätzliches Interesse bekundet, aber ich werde mich jetzt, wo ich meine Hausarbeit endlich abgeschlossen habe, erstmal voll und ganz der Grimmelshausen-Leserunde widmen. Nebenbei muß ich mich auch noch um Ruth Klüger- weiter leben kümmern.
Ich wäre dann also erstmal außer Gefecht gesetzt :redface:
Gruß
Berch -
Hallo zusammen,
ich wollte mich nur kurz melden. Ich habe vor ein paar Tagen das erste Buch abgeschlossen, muß mich jetzt allerdings erst um meine Hausarbeit und damit um Eichendorffs satirische Novelle 'Auch ich war in Arkadien' kümmern. Etwa Mitte nächster Woche werde ich wohl damit fertig sein und dann voll zu Euch stoßen.
Gruß
Berch -
Falls ich am Wochenende dazu komme, werde ich schonmal einen ersten Blick ins Buch werfen...
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Von der Warte betrachtet, macht es natürlich schon Sinn, aber: Die Rechtschreibreform sollte ja eine weitreichende Vereinfachung vieler Sachverhalte vor allem auch für Schüler bringen, so wie ich es verstanden habe. In der Hinsicht kann ich diese Vereinfachung aber eben nicht feststellen. Mußte man vorher nur darauf achten, ob bei der Aussprache ein 'scharfes s' zu hören war, muß nun noch die Unterscheidung Kurzvokal, Langvokal folgen. Ich denke mal, da vor allem bei Schreibanfänger das Gehör für solche Feinheiten noch nicht allzu sehr ausgeprägt ist (ich stelle es mir interessant vor, 6/7-jährigen den Unterschied zwischen langen und kurzen Vokalen zu erklären, vor allem dann noch in verschiedenen Dialektregionen), daß diese Neuerung zu einer neuerlichen Fehlerflut geführt haben dürfte. Daher denke ich, daß vor diesem Hintergrund, diese Neuerung zweifelhaft ist. Von Delfinen, Tunfischen und Portmonees ganz zu schweigen... zu sowas fehlt mir echt die Fanta...sie... :zwinker:
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Also sobald solche Regelungen nur deshalb aufrecht erhalten werden, um anderen Menschen den Zugang zu erschweren oder sogar zu unterbinden, bin ich eindeutig auch dagegen. Aber ich denke, dies sollte hier eigentlich nicht der Fall sein. Es ging ja eigentlich um einen Meinungsaustausch über die Groß-/Kleinschreibung, bei der sich herausstellte, das doch etliche Forumsbenutzer, die Großschreibung für 'lesbarer' halten. Es bleibt aber doch weiterhin jedem Mitglied freigestellt, zu schreiben, wie ihm/ihr beliebt. Wenn sich daraus ergibt, daß einige ihr Verhalten oder auch ihre Ansicht überdenken, dann kann das doch eigentlich nur positiv sein.
Ich muß gestehen, daß ich mir darüber bislang eigentlich recht wenig Gedanken gemacht habe. Die Frage, ob Groß- oder Kleinschreibung zu verweden sei, hat sich mir vorher eigentlich garnicht gestellt, da ich an die Großschreibung gewöhnt bin und sie daher für mich wohl keinen großen Zeitverlust beim Schreiben bedeutet. Ich nehme sogar an, daß eine konsequente Umstellung auf die Kleinschreibung, bzw. der stetige Wechsel zwischen beiden Varianten (Hausarbeiten werde ich kleingeschrieben wohl nicht abgeben können) für mich von zeitlichem Mehraufwand geprägt sein dürfte. Erst durch diesen Thread habe ich mich überhaupt erst bewußt damit auseinander gesetzt. Zwar ist mir die Kleinschreibung auch schon vorher als leicht erschwerend aufgefallen, aber Gedanken über pro/contra habe ich mir bisher nicht gedacht.Was mich beim 'daß/dass' eigentlich am meisten stört ist, daß dadurch eigentlich keine Vereinfachung erzielt wurde, bzw. die ganze Regelung sogar noch eine Verkomplizierung zur Folge hatte (Floß, Fluss). Ob ich mir beim 'daß' merke, daß es mit 'ß' oder mit 'ss' geschrieben werden muß, ist doch im Grunde egal. Ich muß mir in jedem Fall merken, daß ein Unterschied zum Artikel 'das' besteht. Im obigen Beispiel muß ich mir zudem noch merken, daß ein Unterschied besteht, ob der vorangehende Vokal kurz oder lang ist, wo ich zuvor noch bedenkenlos in beiden Fällen ein 'ß' hinpflastern konnte. Eine Reform, die nicht nur nicht erleichtert, sondern sogar noch erschwert, ist daher für mich ziemlich sinnfrei...
Gruß und gute Nacht
Berch -
Hallo,
ich will dann doch auch noch etwas zu diesem Thema loswerden.
Also Dostojevskij, einerseits bezeichnest Du das Bestehen auf Großschreibung als konservativ. Dies ist prinzipiell ja auch wohl richtig, es ist eindeutig ein Beharren auf althergebrachten Konventionen, die negative Wertung, die damit allerdings einhergeht, machte mich etwas stutzig, vor allem, wenn Du einige Sätze weitere schreibst, daß 'dass' Dir absolut mißfällt. Ich denke, auch daß ist eine durchaus konservative Einstellung. Ich teile sie, keine Frage, aber es wundert mich schon, daß Du eine konservative Einstellung im Bezug auf die Rechtschreibung negativ darstellst, eine andere Dir aber selbst attestierst.
Allerdings denke ich auch, daß wir hier noch über ein vergleichsweise kleines Problem diskutieren. Die Verzögerung im Lesefluß tritt wohl tatsächlich auf, aber wie ich auch schon in meinem vorigen Post angemerkt habe, ist die Störung doch vergleichsweise gering. Ein Beispiel für ein Forum, daß mich tatsächlich aufgrund des Umgangstons und der Rechtschreibung dauerhaft vertrieben hat wäre z.B.: das Forum von inselkampf.de
Wenn Ihr Euch wirklich mal ein Bild machen wollt von schlechter Rechtschreibung und Ausdrucksweise im Internet, dann wäre das z.B. eine Anlaufstation. Dagegen diskutieren wir hier um des Kaisers Bart...
[/quote] -
Berechtigte Fragen, auf die ich leider auch keine Antwort geben kann.
Das Buch hat mich nicht gefesselt, es hat mich nicht fasziniert, es hat mich nicht einmal in irgendeiner Form angesprochen (und dabei würde ich mich eigentlich als zynisch bezeichnen:zwinker:)...
Mir wurde mal gesagt, es sei noch eines der besseren Werke von Süßkind. Na dann: Gute Nacht... -
Hallo Sandhofer,
also ob das jetzt tatsächlich das amtliche Endergebnis ist, weiß ich nicht. Es ist zumindest der letzte Name, den ich meine, in diesem Zusammenhang gelesen zu haben. Ich nehme mal an, daß die Spekulationen darüber nie so ganz abreißen werden, genauso wenig die die Diskussionen darüber, ob Shakespeares Stücke wirklich alle von Shakespeare geschrieben wurden.
Soweit ich weiß liegt ja zumindest kein eindeutiges 'Bekennerschreiben' für die Nachtwachen vor.
Zumindest hat es soweit geholfen, als daß Du nun weißt, wen ich meinte :zwinker:Gruß
Berch -
Ich finde, es ist zu simpel gedacht. Ich fürchte, das kratzt nur an der Oberfläche...
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Der Ansatz von hafis50 ist sicherlich schon mal nicht verkehrt.
Was mir daneben noch auffiel, ist die thematisierte Sprachreflexion. Das ich setzt sich mit 'seiner' Sprache auseinader.
Das erinnerte mich ein wenig an Paul Celan, der sich in seinen Gedichten vielfach damit auseinander setzte, wie es ihm als Juden im Nachkriegsdeutschland noch möglich sein konnte, weiterhin in der Sprache der Täter zu sprechen. Sprich: Wie kann ich normale Sachverhalte in meinem Leben noch in der Sprache sprechen, die von denen, die mir und unzähligen Anderen, so viel Leid zugefügt haben, so mißbraucht wurde (man denke an die Verharmlosenden Begriffe der Nazis für unvorstellbare Greueltaten - z.B. Endlösung für die Ermordung von Millionen von Juden).
Vielleicht schießt dies ein wenig über das Ziel hinaus, aber auch Fried hat eine ähnliche Biographie. Er floh als Jude aus dem besetzten Österreich und verhalf weiteren Juden zur Flucht. Eine Prägung in diese Richtung wäre somit möglich, ist aber vielleicht ein wenig weit gedacht, wenn auch die letzten Verse zumindest die Todesthematik aufgreifen.
Jedenfalls würde ich mir den vom Ich geschilderten Umgang mit Sprache, die Irritationen, die sie auslöst, näher anschauen und das oben geschriebene zumindest vergleichend im Hinterkopf behalten. -
Hi,
das Buch steht auch auf meiner Wunschliste relativ weit oben. Allerdings werde ich erst an der Simplicissimus-Leserunde teilnehmen. Ich schätze also mal, bei mir würde es März drüber, bis ich anfangen könnte. Wenn Ihr so lange warten wollt, wäre ich dabei, ansonsten ist es aber natürlich auch nicht weiter tragisch...
Gruß
Berch -
Hi Sandhofer,
gemeint ist August Klingemann, der unter dem Pseudonym Bonaventura 'Nachtwachen' veröffentlicht hat.
Gruß
Berch -
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Jetzt stoße ich doch glatt auch mal auf diesen Thread.
Was mich ein wenig gewundert hat, war die Einschätzung, daß Grass nach der Meinung von MRR viel mehr gelesen werden müsse. Auf die 'älteren' Werke mag das ja zutreffen, aber ich habe keine positive Kritik von MRR über die letzten Werke von Grass im Ohr.
Wer meines Erachtens auch verhältnismäßig wenig Beachtung bekommt sind Musil, Döblin, Grillparzer, Bonaventura und Holz (auch wenn sie in den meisten Kanons - ist das tatsächlich der Plural? - aufgeführt werden, so werden sie wohl recht selten gelesen). -
Hallo,
es ist sicherlich schwieriger zu lesen, keine Frage. Andererseits betrachte ich dieses Forum fast schon als eine Oase der guten Rechtschreibung im Internet. Ich treibe mich zwischendurch auch noch in diversen Foren, z.B. von Online-Browser-Spielen herum und ganz ehrlich, da wäre ich manchmal froh, wenn die Leute dort nur halb so 'gut' schrieben wie hier. Natürlich kann das kein Argument für die dauerhafte Kleinschreibung sein, aber ich denke es ist hier noch vergleichsweise human...
Gruß
Berch -
Richtig. Eichendorff ist tatsächlich kein typischer Romantiker, wie beispielsweise Tieck, Novalis, E.T.A. Hoffmann, etc. Eichendorff ist eher ein Spätromantiker, ein Autor, der noch nach romantischen Idealen schreibt, obwohl die Tradition schon eher weiter fortgeschritten ist. Er hat dies wohl auch selber so gesehen, denn er hat sich selber (frei zitiert) als einen 'Zu spät Gekommenen' bezeichnet. D.h. er war sich seiner eigenen Position und seines literarischen Umfelds durchaus bewußt.
Trotz allem (oder gerade deswegen) kann man an Eichendorff relativ leicht (und teilweise leichter als bei einigen Frühromantikern) romantische Elemente ausmachen, weswegen gerade sein Taugenichts wohl zur gängigen Schullektüre geworden ist und die anderen genannten Autoren eher spärlich behandelt werden.
Eichendorff ist also, zumindest in meinen Augen, ein Sonderfall: Von der Zeit her sicherlich kein typischer Romantiker, keiner, der diese Bewegung maßgeblich initiiert oder voran getrieben hat, andererseits aber verwendet er derart schablonenhaft romantische Motive, daß er zum Romantiker schlechthin wird.
Nebenbei: Ich belege in diesem Semester ein Hauptseminar zum Thema Eichendorff, in dem die meisten seiner Erzählungen behandelt werden/wurden (ist ja fast schon wieder vorbei das Semester :zwinker: ) und werde in den nächsten 1-2 Wochen anfangen eine Hausarbeit über seine Satire: 'Auch ich war in Arkadien!' zu schreiben. Ich stecke also aktuell ziemlich im Stoff drin und könnte Dich sicher auch mit einigen Thesenpapieren, Literaturhinweisen und Tipps versorgen, die Dir das Arbeiten ein Stück leichter machen können. Wenn Du Interesse hast und das Thema weiter verfolgen willst, schick mir einfach mal ne Nachricht, oder wir diskutieren hier weiter, wenn Du ein Thema gefunden hast...