Umberto Eco- Der Name der Rose

  • "Der Name der Rose" hat einen einen literarisch guten Stil, eine intelligente, spannende Geschichte und verlangt kein Spezialwissen vom Leser. Gehört das Buch damit zur schlechten Literatur ? Es lüftet bei jeder Beschäftigung mit ihm immer noch Geheimnisse.


    Zum Stil kann ich nichts sagen, da ich das Buch nicht im Original gelesen habe.


    Zum letzten Satz allerdings muss ich gestehen, dass ich genau das Gegenteil erfahren habe: Der Name der Rose ist ein Buch, das bei einer Zweitlektüre jämmerlich in sich zusammenfällt. Professorenliteratur: Eco weiss ganz genau, wie ein Roman konstruiert sein muss, und er folgt der Bastelanleitung getreulich. Mit dem Resultat, dass man bei einer Zweitlektüre sieht, wie schlecht die Scharniere verkleidet sind, wo der Konstrukteur den Zirkel eingesteckt hat etc. etc.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Warum muss jemand sich "outen" weil er diesen Roman gelesen hat, auch wenn es mit :smile: verbunden ist ?


    Irgendwie sind die Stimmen gegen Eco hier deutlicher rausgekommen, wahrscheinlich, weil sie nachdrücklicher vertreten wurden. Bei nochmaligem Durchlesen des Threads habe ich jetzt gemerkt, daß es durchaus Leute gibt, denen Der Name der Rose gefallen hat.




    Zum letzten Satz allerdings muss ich gestehen, dass ich genau das Gegenteil erfahren habe: Der Name der Rose ist ein Buch, das bei einer Zweitlektüre jämmerlich in sich zusammenfällt. Professorenliteratur: Eco weiss ganz genau, wie ein Roman konstruiert sein muss, und er folgt der Bastelanleitung getreulich. Mit dem Resultat, dass man bei einer Zweitlektüre sieht, wie schlecht die Scharniere verkleidet sind, wo der Konstrukteur den Zirkel eingesteckt hat etc. etc.


    Das kann ich jetzt nicht bestätigen. Ich lese Bücher eigentlich meist, ohne sie zu zerpflücken und literaturwissenschaftlich zu analysieren (Literaturwissenschaft war übrigens nur mein Nebenfach; mir liegt dieses Analysieren nicht so besonders :zwinker:). Ich habe also auch bei der Zweitlektüre keine Zirkelstiche etc. bemerkt. Diese liegt aber auch schon ca. 10 Jahre zurück. Bin gespannt, ob eine dritte Lektüre immer noch dasselbe Ergebnis erzielt.

  • Literaturwissenschaft war übrigens nur mein Nebenfach


    Oh, bei mir auch. Ich gestehe auch, dass ich bei der ersten Lektüre sehr angetan war von dem Buch. Und den Semiotiker Eco schätze ich bis heute. Ich bin ja heute davon überzeugt, dass Eco sein Buch (wie die Engländer sagen) "tongue in cheek" verfasst hat - d.h. als eigentliche Intellektuellenverarsche.


    Es war ja nicht so, dass ich angefangen hatte, das Buch bei der Zweitlektüre zu analysieren. Es ist von selber auseinandergefallen! Allein den Satz im Hinterkopf zu haben, den der Semiotiker Eco mal geschrieben hat, nämlich (sinngemäss), jede Treppe sei ein Zeichen - nämlich dafür, dass man dort hinauf- oder hinuntergehen könne - allein mit diesem Satz im Hinterkopf zu lesen, macht, dass der ganze Name der Rose anfängt zu bröseln ....

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  • Ich bin ja heute davon überzeugt, dass Eco sein Buch (wie die Engländer sagen) "tongue in cheek" verfasst hat - d.h. als eigentliche Intellektuellenverarsche.


    Das könnte durchaus stimmen.


    Um die Semiotik habe ich bisher immer einen Bogen gemacht. Vielleicht sollte ich mich mal mit Eco als Semiotiker beschäftigen. Gibt es da empfehlenswerte "Einsteigerlektüre"? Möglicherweise bröselt Der Name der Rose dann auch noch irgendwann bei mir :zwinker: (ob das allerdings wünschenswert ist?)

  • Um die Semiotik habe ich bisher immer einen Bogen gemacht. Vielleicht sollte ich mich mal mit Eco als Semiotiker beschäftigen. Gibt es da empfehlenswerte "Einsteigerlektüre"?


    Auf Deutsch kenne ich von Eco nur zwei Bücher:


    [kaufen='3825201058'][/kaufen] Einführung in die Semiotik - ein UTB
    [kaufen='3518108956'][/kaufen] Zeichen. Einführung in einen Begriff und seine Geschichte - Suhrkamp


    Gelesen und in guter Erinnerung behalten habe ich das erste. :zwinker:

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  • Um die Semiotik habe ich bisher immer einen Bogen gemacht. Vielleicht sollte ich mich mal mit Eco als Semiotiker beschäftigen.


    Das ist durchaus lohnend... :smile:


    Ich halte die literaturwissenschaftliche Ansätze aus dieser Ecke (Strukturalismus und Semiotik) für sehr ergiebig, da sie sich auf Deskription konzentrieren und vergleichsweise wenig spekulativ sind.


    CK


  • Ich halte die literaturwissenschaftliche Ansätze aus dieser Ecke (Strukturalismus und Semiotik) für sehr ergiebig, da sie sich auf Deskription konzentrieren und vergleichsweise wenig spekulativ sind.


    Mit Strukturalismus durfte ich mich an der Uni schon beschäftigen. Die Semiotik wurde natürlich auch angerissen, aber eingehender habe ich sie dann nicht kennengelernt. Ich scheue auch immer ein bißchen vor diesen Theorien zurück, weil man sich ja doch etwas anstrengen muß, um durchzublicken; das geht leider nicht nebenbei. Und leider habe ich auch nicht mehr soviel Zeit, wie damals an der Uni, um mich konzentriert mit diesen Themen auseinanderzusetzen :zwinker:. Trotzdem werde ich mal schauen, wie weit ich komme...

  • Vom Semiotiker Eco möchte ich vor allem folgendes kleines Büchlein empfehlen: Über Spiegel und andere Phänomene (2001, DTV):
    Eine Sammlung von Essays, in denen sich Eco auf sehr amüsante Art und Weise mit verschiedenen Alltagsphänomenen (oft natürlich auch mit der Kunst) auseinandersetzt.
    Daraus ein Zitat zur Semiotik: „Mithin ist Semiotiker der, der nie genau weiß, was Semiose ist, aber der sein Leben darauf verwetten würde, daß es sie gibt.“ (S. 26) :zwinker:
    LG, kat

  • Der Name der Rose ist ein Buch, das bei einer Zweitlektüre jämmerlich in sich zusammenfällt. Professorenliteratur: Eco weiss ganz genau, wie ein Roman konstruiert sein muss, und er folgt der Bastelanleitung getreulich. Mit dem Resultat, dass man bei einer Zweitlektüre sieht, wie schlecht die Scharniere verkleidet sind, wo der Konstrukteur den Zirkel eingesteckt hat etc. etc.


    Das kann auch ich nicht unterschreiben! Ich habe den Roman zweimal gelesen und er hat mich beidesmal fasziniert. Das zweite Mal eher noch mehr: Da beim zweiten Lesen das Krimi-Element unwichtiger wird (die Frage whodunnit ist ja schon beantwortet), kann man sich mich mehr auf den Inhalt konzentrieren.


    Dagegen rate ich von der Verfilmung ab. Ich hab' sie mir nur angeschaut, weil Sean Connery einer meiner Lieblingsschauspieler ist. Wieso der immer wieder in so schlechten Filmen mitspielt, ist mir rätselhaft.


    Schönen Abend

    Das Universum, das andere die Bibliothek nennen [...] (J.L. Borges, Die Bibliothek von Babel)

  • Was aber ist der Inhalt?


    Abgesehen davon, dass mir das Buch beim zweiten Lesen nicht zerbröselt ist (vielleicht empfiehlt es sich, die gebundene Ausgabe zu lesen :zwinker:) für heute nur so viel: Diese Frage liesse sich wohl trefflich bei manchem Buch der Belletristik stellen.

    Das Universum, das andere die Bibliothek nennen [...] (J.L. Borges, Die Bibliothek von Babel)

  • Abgesehen davon, dass mir das Buch beim zweiten Lesen nicht zerbröselt ist (vielleicht empfiehlt es sich, die gebundene Ausgabe zu lesen :zwinker:) für heute nur so viel: Diese Frage liesse sich wohl trefflich bei manchem Buch der Belletristik stellen.


    Die Frage lässt sich immer stellen, aber beantworten lässt sie sich in vielen Fällen nicht oder nur mit: "Banales." ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Die Frage lässt sich immer stellen, aber beantworten lässt sie sich in vielen Fällen nicht oder nur mit: "Banales." ... :winken:



    Ich erinnere mich an ein Interview mit dem Sportmediziner Arnim Klümper, in dem er sagt, dass es ihm Schwierigkeiten macht in der Fußgängerzone einkaufen zu gehen. Er sieht dann bei vielen Menschen dort, welche orthopädischen Schäden sie aufweisen und wo bald entsprechende Operationen zu erwarten sind. Um eine neue Tierart sicher einzuordnen, wird man auch nicht umhin kommen das Tier zu töten und manchem Chirurg wird es beim zweiten Mal schneiden auch so gehen, wie es hier für das Lesen von "Im Namen der Rose" bes chrieben ist. So sind eben Sichtweisen ganz unterschiedlich, je nach der Beziehung zum Thema. Die einen habe am Lebendigen ihr vergnügen, die andern am töten ;-)

  • Die Frage lässt sich immer stellen, aber beantworten lässt sie sich in vielen Fällen nicht oder nur mit: "Banales." ... :winken:


    Ein doch recht pauschales Urteil, wenn es auf Eco gemünzt sein sollte. Ich finde die Story gut, auch das historische Umfeld gut erfasst und in die Geschichte integriert, Ecos Charakterdarstellungen vortrefflich und der Aufbau der geheimnisvollen Bibliothek genial (wenn auch von Borges inspiriert).

    Das Universum, das andere die Bibliothek nennen [...] (J.L. Borges, Die Bibliothek von Babel)

  • Diese Diskussion finde ich so interessant, dass ich mich angemeldet habe. :winken: Meine intensivere Eco-Lektüre ist zwar schon eine Weile her, aber gerade "Der Name der Rose" hat mir ausgesprochen gut gefallen, genauso wie einige der semiotischen und literaturtheoretischen Veröffentlichungen.



    Ich habe das Buch zweimal gelesen (das erste Mal als ich noch auf der Schule war) und ich habe es hauptsächlich als spannenden Mittelalter-Krimi gelesen. Auch bei der zweiten Lektüre hat es wieder Spaß gemacht


    Das ist ein Grund, warum ich den Roman ausgesprochen gelungen finde. Man kann ihn als Detektivroman lesen und die philosophischen/historischen Ausführungen weitgehend überblättern, man kann ihn als historischen Roman, als Schauerroman und auf viele weitere Arten lesen. Man kann auch darin wühlen und alle möglichen literarischen, philosophischen, semiotischen etc. Bezüge finden - muss man aber nicht, um ihn zu mögen. Mir gefällt das, weil es so "demokratisch" ist und das Lesevergnügen grundsätzlich unabhängig von allen Vorkenntnissen entstehen kann. :smile:


    Sandhofer, deinen "Zerbrösel"-Einwurf finde ich besonders spannend, weil er dem sehr nahekommt, was mich bei Literatur furchtbar auf die Palme bringen kann: Da möchte mir jemand eine Botschaft vermitteln, ohne sie direkt auszusprechen (oder in ganz schlimmen Fällen sogar doch, indem er sie irgendwie explizit einbaut) und ich fühle mich als Leser unterschätzt und verkaspert - man merkt die Absicht und man ist verstimmt (von wem war das noch?)


    In Ecos Fall ging es mir nicht so. Um hier schon beim zweiten Lesen die "Scharniere" zu erkennen, muss man schon einen verflixt guten Bildungshintergrund auf mehreren Gebieten haben *hutzieh*; der Mehrheit der Leser geht das sicherlich nicht so. Und selbst wenn man sie erkennt, sehe ich die zweifellos vorhandene Konstruiertheit hier nicht als Mittel der Belehrung, sondern eher als Aufforderung zum Spiel (ob man das mag, ist natürlich eine andere Sache). Dies ist sicher kein Roman, der einen emotional mitreißen kann, vielleicht mit Ausnahme einzelner Passagen beim ersten Lesen. Aber das muss ja auch nicht bei jedem Roman sein. Denkanstöße in alle möglichen Richtungen gibt er sicher, wenn man sich darauf einlässt, aber ohne mit wedelndem Zeigefinger zu belehren - was ich ihm hoch anrechne.

  • Diese Diskussion finde ich so interessant, dass ich mich angemeldet habe.


    Ja dann: willkommen alldahier! :winken:


    Sandhofer, deinen "Zerbrösel"-Einwurf finde ich besonders spannend, weil er dem sehr nahekommt, was mich bei Literatur furchtbar auf die Palme bringen kann: Da möchte mir jemand eine Botschaft vermitteln, ohne sie direkt auszusprechen (oder in ganz schlimmen Fällen sogar doch, indem er sie irgendwie explizit einbaut)


    Wobei ich Eco zu Gute halte, dass er wohl keine Botschaft vermitteln will. Höchstens die Intellktuellen (sprich: die Literaturkritiker und Literaturwissenschafter) verarschen und ihnen Stoff zur Beschäftigungstherapie liefern.


    man merkt die Absicht und man ist verstimmt (von wem war das noch?)


    Immer derselbe ... :breitgrins: ... Goethe :zwinker:.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Wobei ich Eco zu Gute halte, dass er wohl keine Botschaft vermitteln will. Höchstens die Intellktuellen (sprich: die Literaturkritiker und Literaturwissenschafter) verarschen und ihnen Stoff zur Beschäftigungstherapie liefern.


    Ich glaube ja an das Gute im Menschen und auch in Herrn Eco :breitgrins:. Das Wesentliche ist wohl wirklich, was man von Literatur will und worauf man bereit ist, sich einzulassen.


    Speziell für dich ein Zitat aus der "Nachschrift" zu NdR:

    Zitat

    Was für einen Idealleser wünschte ich mir, als ich schrieb? Einen Komplizen, gewiss, der mein Spiel mitmachte. (...) Und wenn du dann gut genug bist, erkennst du sogar, wie ich dich in die Falle gelockt habe, schließlich hatte ich's dir bei jedem Schritt deutlich gesagt, ich hatte dich unüberhörbar gewarnt, dass ich dabei war, dich ins Verderben zu ziehen! Aber das Schöne an Teufelspakten ist ja gerade, dass man sie klarsichtig unterschreibt, wissend, mit wem man sich einlässt. Wofür käme man sonst zum Lohn in die Hölle?


    Mir gefällt das. Ich gebe zu, dass er da durchaus sehr selbstbewusst, wenn nicht sogar selbstgefällig ist. Aber wer das so offen sagt und es außerdem noch drauf hat, darf das. :smile: