Was lest ihr gerade?

  • Ich lese zur Zeit "Die Blechtrommel". Bin jetzt zur Hälfte durch. Ist die Oma Anna mit ihren 5 Röcken auf dem Kartoffelacker nicht einfach phantastisch? :breitgrins: Schon sehr witzig, wie der kleine Oskar die Welt vollumfänglich versteht und verpönt, während ihn niemand versteht. Bin sehr gespannt, wie es noch weiter geht und vor allem, wie das Buch sein Ende findet.


    LG,
    die Lore

    Schweigen ist ein Argument, das nicht zu widerlegen ist - Heinrich Böll


  • Schluck....


    Wann hast Du denn angefangen zu zählen?


    (ich habe diesen Monat 0,82 Bücher gelesen :redface:)

  • Im Juli beendet:


    # James Wood: How Fiction Works (Farrar, Straus und Giroux)
    # Robert Garland: Greece and Rome: An Integrated History of the Ancient Mediterranean (TTC Audio Lectures, 18h
    # Helmuth Nürnberger: Joseph Roth (rororo monographie)
    # August Strindberg: Der Vater (Reclam UB)
    # Great Minds of the Western Intellectual Tradition, 3rd Edition (TTC Audio Lectures, 42h)


  • Ja, ich lese Schiller eigentlich sehr gerne. Der Wallenstein ist ja sehr schön "konstruiert" und "Wallensteins Lager" ein sehr moderner Einstieg. Ich fand es auch sehr interessant, die Entstehung im Briefwechsel mit Goethe zu verfolgen.


    CK

  • Hallo zusammen,


    ich habe kürzlich Henry James' Erzählung Das Durchdrehen der Schraube (The Turn of the Screw) in der Übersetzung von Karl Ludwig Nicol gelesen (bei dtv erschienen). Anfangs hatte ich öfter mal Probleme mit einzelnen Sätzen, die mir ziemlich "verschraubt" vorkamen. ;-) Ein Beispiel dafür findet man im vierten Kapitel:


    Übersetzung von Karl Ludwig Nicol:


    Zitat


    Das Gute dabei war letzten Endes, daß wir ihn sicher nicht wiedersehen würden.


    So stark wog das, wie ich zugeben muß, allerdings nicht, um mir nicht die Einsicht zu überlassen, daß ja das, was mir im wesentlichen nichts anderes viel bedeuten ließ, allein mein reizvoller Beruf war.


    Dieses "im wesentlichen nichts anderes viel bedeuten" ist ein echter Stolperstein, weshalb ich den Satz mehrmals lesen mußte, um ihn richtig zu verstehen. Dabei fiel mir dann auch noch die Abtönungspartikel "ja" auf, die für meinen Geschmack viel zu umgangssprachlich ist, um in diesen Satz zu passen; das ist ein kleiner, aber auffälliger Stilbruch. Außerdem wird hier die Fügung "Einsicht überlassen" in einer Weise verwendet, die im Deutschen unüblich ist. Man kann sagen "das überlasse ich Ihrer Einsicht" o. ä., aber man sagt normalerweise nicht "dieses Ereignis überließ mir die Einsicht, daß ...", sondern beispielsweise "durch dieses Ereignis gelangte ich zur Einsicht, daß ...".


    Zum Vergleich dieselbe Stelle in der Originalsprache:


    Zitat


    The good thing, after all, was that we should surely see no more of him.


    This was not so good a thing, I admit, as not to leave me to judge that what, essentially, made nothing else much signify was simply my charming work.


    Ich habe mir jetzt auch noch die Übersetzung von Ingrid Rein gekauft, dort wird das so übersetzt:


    Zitat


    Das Beruhigende an der Sache war indes, daß wir ihn bestimmt nie wieder zu Gesicht bekommen würden.


    So beruhigend ich dies auch empfand, gelangte ich doch rasch zu der Erkenntnis, daß es im Grunde genommen wohl meine reizvolle Aufgabe war, die mir alles andere recht bedeutungslos erscheinen ließ.


    Die Übersetzung von Ingrid Rein ist unter dem Titel "Das Geheimnis von Bly" u. a. als Insel-Taschenbuch erschienen. Wieso man da den Titel so stark verändert hat, weiß ich nicht, das gefällt mir nicht so gut.


    Hier noch ein weiterer kleiner Übersetzungsvergleich, es geht um den ersten Satz des dritten Kapitels:


    Zitat


    Her thus turning her back on me was fortunately not, for my just preoccupations, a snub that could check the growth of our mutual esteem.


    Übersetzung von Karl Ludwig Nicol:


    Zitat


    Zum Glück war diese ihre Art, mir den Rücken zu kehren, meinen begründeten Sorgen gegenüber keine Rüge, die das Gedeihen unserer gegenseitigen Wertschätzung hätte beeinträchtigen können.


    Übersetzung von Ingrid Rein:


    Zitat


    Daß sie mir dergestalt den Rücken kehrte, bedeutete, entgegen meiner berechtigten Befürchtung, keine brüske Zurückweisung, die einer Zunahme unserer gegenseitigen Wertschätzung hätte hinderlich sein können.


    Hier fällt erstens wieder auf, daß Nicols Übersetzung manirierter klingt als die eingängigere Übersetzung von Rein; und zweitens fällt auf, daß das Original auf für Englischkundige offenbar nicht allzu leicht zu verstehen ist, denn der Einschub "for my just preoccupations" wird hier ganz unterschiedlich verstanden und übersetzt. Bei Nicol geht es um eine mögliche Rüge oder Zurückweisung der "begründeten Sorgen", die die Ich-Erzählerin wegen der Kinder hat; bei Rein geht es um eine mögliche Zurückweisung der Ich-Erzählerin, die "begründeten Sorgen" beziehen sich nur auf diese Zurückweisung.


    Nach einigen Anfangsschwierigkeiten kam ich aber mit der Übersetzung von Karl Ludwig Nicol sehr gut zurecht. Vielleicht habe ich mich an seinen Stil gewöhnt, oder der Übersetzer kam im Laufe seiner Übersetzung besser mit dem Text zurecht, oder der Stil von Henry James wurde im Laufe der Geschichte weniger verzwirbelt und einfacher zu übersetzen.


    Hier noch eine Stelle, die mir in der Übersetzung von Nicol wesentlich besser gefällt als in der von Rein. Das sind die Schlußsätze des sechsten Kapitels:


    Zitat


    She had picked up a small flat piece of wood which happened to have in it a little hole that had evidently suggested to her the idea of sticking in another fragment that might figure as a mast and make the thing a boat. This second morsel, as I watched her, she was very markedly and intently attempting to tighten in its place. My apprehension of what she was doing sustained me so that after some seconds I felt I was ready for more. Then I again shifted my eyes – I faced what I had to face.


    Übersetzung von Nicol:


    Zitat


    Flora hatte ein flaches Holzstückchen aufgeklaubt, das zufällig ein kleines Loch besaß, was sie offensichtlich auf den Gedanken gebracht hatte, ein anderes Hölzchen hineinzustecken, das einen Mast darstellen und das kleine Holzstück zu einem Schiffchen machen sollte. Das zweite Holzstückchen versuchte sie eben, als ich zu ihr hinsah, höchst auffällig und eifrig in die entsprechende Stelle einzufügen. Meine Ansicht von dem, was sie da gerade tat, ermutigte mich, so daß ich mich nach einigen Augenblicken für noch mehr imstande hielt. Darauf wandte ich die Augen noch einmal - ich sah, was ich sehen mußte.


    Übersetzung von Rein:


    Zitat


    Flora hatte ein flaches Stückchen Holz vom Boden aufgehoben, das zufällig ein kleines Loch aufwies; dadurch war sie offenbar auf die Idee gekommen, ein weiteres Holzstückchen hineinzustecken, das als Mast dienen und aus dem Ding ein Boot machen sollte. Ich beobachtete, wie sie sich äußerst beflissen und angestrengt bemühte, dieses zweite Stückchen an seinem Platz zu befestigen. Ich ahnte, was sie vorhatte; dies gab mir so viel Kraft, daß ich nach ein paar Sekunden glaubte, mehr ertragen zu können. Wieder richtete ich meinen Blick auf sie - und sah, was ich sehen mußte.


    Bei Nicol wird "very markedly and intently" sehr gut mit "höchst auffällig und eifrig" übersetzt, wodurch verdeutlicht wird, daß Flora das nur tut, um von etwas anderem abzulenken. In der Übersetzung von Ingrid Rein ("äußerst beflissen und angestrengt") wird das nicht so deutlich. Auch das "Then I again shifted my eyes" ist bei Nicol besser übersetzt, denn Rein fügt da ein unnötiges "sie" ein, wodurch das ganze nicht mehr so in der Schwebe bleibt wie im Original, wo eben nicht klar gesagt wird, ob sich der Blick auf das Mädchen richtet oder auf die geisterhafte Erscheinung, von der vorher in diesem Kapitel die Rede war.


    Alles in allem bin ich aber mit beiden Übersetzungen sehr zufrieden, sie ergänzen sich sehr gut, und es schadet ja auch nicht, wenn man "The Turn of the Screw" mehrmals liest. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Also auf meinem Lesetisch liegen:
    Wilhelm Weischedel: Die philosophische Hintertreppen (seit Ewigkeiten)
    Christoph Möllers: Das Grundgesetzt (wollte ich eigentlich zum Jubiläum schon gelesen haben)
    Franz Kafka: Die Erzählungen (immer mal wieder)
    Thomas Mann: Der Zauberberg (gerade angefangen)
    Gustav Schwab: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums (seit gestern wieder)
    und Edgar Allan Poes Tales of Mystery and Imagination (um mir den Schlaf zu rauben)

  • Nach den "Henri Quatre"-Romanen Heinrich Manns habe ich mir nun sein autobiografisches Werk "Ein Zeitalter wird besichtigt" vorgenommen; daneben stapeln sich noch
    Lion Feuchtwanger, Waffen für Amerika (auch als "Füchse im Weinberg" erschienen), zweiter Band
    Claudio Magris, Die Donau - Die Welt en gros und en detail - Triest
    Gedichtbände von Hölderlin, Rilke, Celan und Meister usw.

  • Ich habe mit "Pnin" den ersten Nabokov meines Leselebens begonnen. Bislang gefällt mir die Geschichte eines russischen Professors, den es 1950 an eine amerikanische Provinzuniversität verschlägt, sehr gut. Vor allem die feine Ironie setzt Nabokov sehr gekonnt ein. Mal sehen, ob meine Begeisterung anhält.


    Viele Grüße


    Tom

  • Gerade heute, bei strahlendem Wetter in Garten flugs beendet, Jacques Berndorf, Die Raffkes. Die Eifel-Krimis gefallen mir besser, allein schon wg. der knorrigen Landschaft.


    Davor: Willi Winkler, Die Geschichte der RAF. Man merkt, daß Winkler Journalist ist, dennoch einige interessante Informationen, die ich so noch nicht gelesen und gehört habe. Bedarf insofern noch ein wenig der Nachbearbeitung.


    Und nun schwanke ich zwischen: Wilhelm Genazino, Die Liebesblödigkeit und Hans Fallada, Wer einmal aus dem Blechnapf fraß.
    Ich denke, daß Genazino "gewinnen" wird.


    Weiterhin sonnige Tage allerseits!


    josmar

  • Genazino ist sehr gut und ja auch nur ein kleines Buch ...


    CK


    Ob es ein "kleines Buch" weiß ich noch nicht genau, jedenfalls ein dünnes, schmales! :zwinker:
    Und nach 40 Seiten außerordentlich amüsant und, wie auch schon bei der Abschaffel-Trilogie, geprägt durch die Fähigkeit Genazinos genau zu beobachten! Gefällt mir ganz hervorragend!


    Gruß
    josmar


  • Bevor ich mich wieder an Foques sterbensöden "Zauberring" mache, schiebe ich, noch gerade rechtzeitig vor Beginn der Leserunde, rasch noch Perutz "Zwischen neun und neun" ein.


    ach, btw - die Lektüre habe ich nach 100 Seiten abgebrochen, der Roman hat mir ja so rein gar nicht gefallen. Ein unsympathischer Held, eher lächerliche Abziehbilder als Personal und eine Story, die auf Verarsche hinausläuft. Ne, muss nicht sein. Vielleicht lese ich das in einer müßigen Stunde noch mal weiter, mal sehen, aber vorerst nicht.

  • ach, btw - die Lektüre habe ich nach 100 Seiten abgebrochen, der Roman hat mir ja so rein gar nicht gefallen. Ein unsympathischer Held, eher lächerliche Abziehbilder als Personal und eine Story, die auf Verarsche hinausläuft. Ne, muss nicht sein. Vielleicht lese ich das in einer müßigen Stunde noch mal weiter, mal sehen, aber vorerst nicht.


    Das ist schade, besonders wo Perutz' Bücher oft einen absolut unerwarteten Schluß haben.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • ach, btw - die Lektüre habe ich nach 100 Seiten abgebrochen, der Roman hat mir ja so rein gar nicht gefallen. Ein unsympathischer Held, eher lächerliche Abziehbilder als Personal und eine Story, die auf Verarsche hinausläuft. Ne, muss nicht sein. Vielleicht lese ich das in einer müßigen Stunde noch mal weiter, mal sehen, aber vorerst nicht.


    Na, Du motivierst einen ja wieder ... Wo sich doch gerade Perutz' "Der Meister des Jüngsten Tages" auf meinem Nachttisch so langsam nach oben gearbeitet hat ... :grmpf: :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Na, Du motivierst einen ja wieder ... Wo sich doch gerade Perutz' "Der Meister des Jüngsten Tages" auf meinem Nachttisch so langsam nach oben gearbeitet hat ... :grmpf: :breitgrins:


    Der Meister ist auch gut & lesenwert, Zwichen 9 und 9 eher nicht. Das ganze basiert auf einem netten und verblüffenden Grundeinfall, der auch anfangs lesbar umgesetzt wird, für den der Autor dann aber keine befriedigende Lösung findet. Vielleicht hätte ich das Nachwort nicht lesen sollen, in dem die Pointe ausgeplaudert wird, aber wenn man weiß, wie’s ausgeht, lohnt die ganze Lektüre schon nicht mehr.

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    Vielleicht hätte ich das Nachwort nicht lesen sollen, in dem die Pointe ausgeplaudert wird, aber wenn man weiß, wie’s ausgeht, lohnt die ganze Lektüre schon nicht mehr.
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    Aber jetzt weißt du, warum ein NACHwort so heißt! :breitgrins: