Ernst Jünger

  • hallo,


    über die Weihnachtsfeiertage habe ich mich mal an Ernst Jünger herangewagt. Ich las "Auf den Marmorklippen" aus dem Jahr 1939, und irgendwie weiss ich nicht so recht, was ich von dem Werk und seinem Autor halten soll...


    Ich muss sagen ich war wirklich sehr angetan, ja überrascht von Jüngers Sprache, so ganz weihevoll und erhaben; auch ist das Buch ein klares Bekenntnis zur Macht des Geistigen gegenüber der Barbarei und Unmenschlichkeit, und dass das Buch 1939 überhaupt in Deutschland erscheinen konnte ist wohl auch nur Jüngers früheren kriegsverherrlichenden Schriften zu verdanken...


    Und doch hat mich das Buch seltsam ratlos zurückgelassen und jetzt befürchte ich, dass ich wohl noch was anderes von Jünger lesen muss, um ihn mir zu erschließen.
    Mich würden von euch nun ein paar Meinungen und Stellungnahmen zu Ernst Jünger interessieren... Ist er für euch überhaupt ein klassischer Autor? Welches andere seiner Bücher ist zu empfehlen?


    Grüsse,
    Lucien

  • Hallo Lucien


    Von Jünger kenne ich nur die Marmorklippen, und muss gestehen, es geht mir ähnlich wie Dir:


    Zitat

    irgendwie weiss ich nicht so recht, was ich von dem Werk und seinem Autor halten soll...


    Zitat

    auch ist das Buch ein klares Bekenntnis zur Macht des Geistigen gegenüber der Barbarei und Unmenschlichkeit, und dass das Buch 1939 überhaupt in Deutschland erscheinen konnte ist wohl auch nur Jüngers früheren kriegsverherrlichenden Schriften zu verdanken...


    Und wohl der Tatsache, dass die Nazis genausowenig wussten, was sie mit dem Buch anfangen sollten. Überhaupt wussten die Nazis wohl nicht so recht, was sie mit dem (ultra-)rechten Segment anfangen sollten, das zwar von den Zielen und Vorstellungen her durchaus mit dem Nationalsozialismus sympathisieren konnte, denen aber die Nazis (als Personen) zu plebejisch waren. Gilt auch umgekehrt.


    Zitat

    Ist er für euch überhaupt ein klassischer Autor?


    Zweifelsohne. Aber er gehört für mich eben auch in die Kategorie der Dunklen, Schwierigen ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Schade, dass die Diskussion so schnell endete. Ich habe von Ernst Jünger nie etwas gelesen, aber warum sollte ich das nicht einmal nachholen. Da ich die kriegsverherrlichenden Erstlingswerke sicher ablehnen werde (dieser Ruf Jüngers hielt mich bisher von einer generellen Jünger-Lektüre ab), so frage ich die Wissenden unter euch, welche Werke sind dennoch erlesenswert? Das ein Autor/eine Autorin dunkel und schwierig war/ist, muss ja nicht von Nachteil sein und kann auch schöne Lektüreaugenblicke bringen (solange das Buch nicht rassistisch, menschenverachtend, kriegsverherrlichend usw. ist versteht sich dabei von selbst). Ich las in einem längeren FAZ-Artikel vor einiger Zeit, das Jünger wohl eine sehr ablehnende Haltung gegenüber den Nazis hatte und diese ihn sogar anfeindeten und dass Jünger über den Nazismus erhaben war und unbefleckt an ihm vorbeiging. Ich hatte mir den Artikel sogar herausgetrennt, aber bittet mich nicht, um jetzt Archivarbeit zu leisten (die werde ich selbst nachholen, wenn etwas Luft ist). Vielleicht gelingt es mir später, den Diskussionsfaden in diesem Ordner wieder anzuknüpfen. Schließlich bin ich neugierig, aber bevor ich etwas von Jünger kaufe und lese, möchte ich doch sicher sein und keinen Fehlkauf riskieren. Mmmh, mal sehen, wie sich das entwickelt... FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Hallo zusammen, :winken:


    vor einigen Jahren habe ich von Ernst Jünger "Die Zwille" gelesen, ein Werk das wohl um 1970 entstand, also ein "Spätwerk" des Autors.
    Das Werk kostete mich einige Mühe, da inhaltlich etwas langatmig, aber die gewaltige Sprache und der Stil des Autors haben mich in seinen Bann gezogen, wobei ich aber erwähnnen muß, dass mich die Vita Ernst Jüngers eigentlich immer mehr interessiert hat als sein Werk. Das ist auch noch heute so.


    LG Leila

  • Hallo,


    ich lese im Moment Jüngers "In Stahlgewittern" und mir gefällt das Buch sehr gut, auch trotz seiner Umstrittenheit.
    Die Sprache ist angenehm schlicht und doch sehr bildgeladen und wie ich finde, auch assoziativ. Die Stilisierung des "Kriegs als Naturereignis" kommt durch diese Mittel bei mir überzeugend rüber, gerade da keine Weltanschauung den Rahmen des Romans vorzugeben scheint und das Buch offen ist für jegliche Art von Schlüssen....


    Danach nehme ich mir vermutlich ein Spätwerk von ihm vor...


    Gruss,
    REZK

    "Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg, was wir Weg nennen ist zögern" (F. Kafka)

  • Es gab vor kurzem einen sehr langen Artikel über Jünger in der FAZ. Ich habe es leider immer noch nicht geschafft, mal ein Buch von Jünger zu lesen.


    Samstagsgrüsse, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

  • Ich stehe ja immer noch vor der Frage, ob ich mir mal In Stahlgewittern noch antun sollte. Aber bisher fühle ich kein dringendes dahingehendes Bedürfnis ... ;)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Aber nicht umgekehrt :breitgrins:


    Aber ob jetzt ausgerechnet Jünger ein so wichtiger Teil der Kulturgeschichte ist ... Ich meine: Ich kenne Jüngers Marmorklippen und finde das Buch faszinierend, auch wenn ich nicht genau verstehe, was der Text sagen will ... In Stahlgewittern ist offenbar etwas völlig anderes ... Nein, das Buch bleibt wohl noch eine Zeitlang auf der Reservebank ;) .

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    Jüngers Sammlung "Siebzig verweht. Die Tagebücher 1965-1996" ist allemal lesenswert. Dieser Autor hat a) viel erlebt, b) fast noch mehr gewusst und c) eine außerordentliche Beobachtungsgabe. Er war ja eine Art Universalgelehrter, ohne nur im Elfenbeinturm zu sitzen. Eine Spezies, die heute so gut wie ausgestorben ist. Ich habe nur zwei Bände seiner Tagebücher gelesen, aber vieles davon ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben, z.B. Jüngers Drogenexperimente, seine naturwissenschaftlichen Exkursionen (er war ja leidenschaftlicher Käfersammler) und seine ausgiebigen Reisen in aller Herren Länder. Man mag den politischen Intellektuellen Jünger heute aus gutem Grund ablehnen, die Vielseitigkeit dieses Autors ist jedoch nach wie vor beeindruckend und anregend. Es gibt eine nette kleine Anekdote über seine Käfer-Passion: Auf die Frage, was von ihm einst übrig bliebe, soll er geantwortet haben: "Eins steht fest, mein Ruhm als Käfer-Experte wird wohl länger halten als mein literarischer." Es gibt ja einen Käfer, der Jüngers Namen trägt. Die genaue Bezeichnung hab ich leider vergessen. Steht aber, glaube ich, in den Tagebüchern.


    Lesereiche Woche


    Fortissima


  • Aber ob jetzt ausgerechnet Jünger ein so wichtiger Teil der Kulturgeschichte ist ... Ich meine: Ich kenne Jüngers Marmorklippen und finde das Buch faszinierend, auch wenn ich nicht genau verstehe, was der Text sagen will ... In Stahlgewittern ist offenbar etwas völlig anderes ... Nein, das Buch bleibt wohl noch eine Zeitlang auf der Reservebank ;) .


    Seine Mamorklippen fand ich sehr enttäuschend. Die Sprache ist edel. Zugegeben. Die Geschichte zieht sich für meine Begriffe aber langatmig und langweilig dahin, veredelt mit Lebensweisheiten. Das Buch endet dann wirr mit dem Oberförster und einem Kampf. Wie Jünger der von ihm hallizunierten "natürlichen Ordnung" ein Loblied singt ist wenigstens lächerlich.


    "In Stahlgewittern" klingt sehr interessant. Bis jetzt habe ich noch keine gute Kriegsverherrlichung gelesen.

  • Jünger stolpert mir zur Zeit dauernd über den Weg. Also habe ich mal etwas gesucht und rumgefragt. Mir ist darauf hin "Das abenteuerliche Herz" als Einstieg in Jüngers Werk empfohlen worden. Ist nicht allzu umfangreich. Daher werde ich es wohl mal probieren. Gibt es weitere Interessenten dafür?
    xenophanes: Das ist eine Frage nach einem Buch und führt nach Deiner Theorie zwangsläufig zu einer Leserunde. Also. schauen wir mal. :zwinker:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Ich lese gerade Gläserne Bienen. Ist laut Umschlagstext kein Science Fiction, sondern ein "Zukunftsroman". Begründung dafür fehlt naturgemäß - selbstverständlich ist es Science Fiction. Zumindest in dem Maße, in dem auch Philip K. Dicks "Der dunkle Schirm" ("A scanners darkly", mit sehenswerter Verfilmung übrigens) Science Fiction ist. Ein Roman also, der wohl in den 1950er-Jahren spielt und ein, zwei Science-Fiction-Elemente enthält, die der Fantasie des Autors den benötigten Raum schaffen.


    Ein leichter Reiter, der früher ein Rabauke war und in der "Kriegsschule" dann "Zucht" gelernt hat, ist aufgrunde seines "Defätismus" in der Armee gescheitert. "Defätismus" will heißen, er schafft es nicht, wenn er A sagt auch B zu sagen, wenn er spürt, dass B falsch ist oder falsch sein könnte. Seine früheres Rabaukentum, das "in seinen Papieren" vermerkt ist, macht das Leben und die Jobsuche für ihn nicht leichter.


    Der Protagonist ist mit seinen, in abschweifendem Reflektieren dargebotenen Ansichten völlig aus der Zeit gefallen. Dieser Eindruck wird durch Jüngers, sicher auch schon zu Lebzeiten antiquierten, erhabenen und völlig ironiefreien Ton noch verstärkt. Wie auch durch den Umstand, dass es in der beschriebenen Welt, in der gleichsam gestern noch Pferde durch die Städte galoppiert sind, Filme mit Robotern, ähnlich denen aus Kleists "Über das Marionettentheater" oder ETA Hoffmanns "Der Sandmann", Alltag sind.


    Die titelgebenden Gläsernen Bienen - Honig sammelnde Automaten - scheinen mir ein Sinnbild für die reine Natur und die blasphemische Technik zu sein - aber ich hab das Buch noch nicht zu Ende gelesen.

  • Gestern Abend war Premiere von <i>Das abenteuerliche Herz: Droge und Rausch</i> nach Texten von Ernst Jünger. Unter der Regie und mit Martin Wuttke zeigten 3 Damen und 7 Herren im Berliner Ensemble was Spielwitz bei ausgezeichneten Schauspielern bedeutet. Vergnüglicher 2-stündiger Abend zu dem hier bei der nachtkritik.de ein Kommentar steht, der auch ziemlich gut meine Empfindungen wiedergibt.
    http://www.nachtkritik.de/inde…sk=view&id=2963&Itemid=40


    Grüsse


    Babur.

  • Habe die Gläsernen Bienen nun beendet. Kann nicht sagen, dass ich bereue den Roman gelesen zu haben. Kurze Geschichte, nicht uninteressant, anständiger Aufbau und viel Einblick in die Gedankenwelt des Protagonisten. Zwischendurch findet man gute Beobachtungen und trotz der Ironiefreiheit kann man gelegentlich schmunzeln. Wenngleich der Protagonist von Jüngers Zukunftsroman einige absonderliche Dinge absondert. Z.B. das Loben der Medizin der Alten. Ökoromantik, wegen der hoffentlich niemand auf Errungenschaften der modernen Medizin wie beispielsweise Antibiotika zu verzichten bereit ist. Auch der nahegelegte Trugschluss verärgert: Dass weil dies und jenes heute schlechter als früher ist, war das Früher noch lange nicht gut. Krieg und soldatischer Gehorsam, also totale Selbstaufgabe für anderer Leute Interessen, war schon immer dumm. Aber das ist, genau wie auch das häufige Lamentieren, eben Rollenprosa - oder auch Jüngers Sicht auf die Welt. Schwamm drüber. Sein Mystizismus jedenfalls hat einen gewissen Reiz, allein schon weil er heute völlig unzeitgemäß und ungewohnt ist.

  • Hallo zusammen,


    [Auf den Marmorklippen]
    Ich habe das Buch nun gelesen und mich hat besonders die Sprache und diese mystische Symbolik angesprochen, was mich auch an E.T.A. Hoffmann hat denken lassen. Das Ganze übte einem Sog für mich aus. Das letzte Drittel lies mich aber dennoch ratlos zurück. Ich habe im Wikipedia die Interpretation gelesen und nicht alles verstanden.


    Hier mal ein kleiner Textauszug:


    Vor allem aber setzten wir unsere Arbeiten an der Spache fort, denn wir erkannten im Wort die Zauberklinge, vor deren Strahle die Tyrannenmacht erblaßt. Dreieinig sind das Wort, die Freiheit und der Geist....


    ...vor Tauben zu musizieren, ein schlechtes Handwerk sei... Wir lebten in Zeiten, in denen der Autor zur Einsamkeit verurteilt ist...



    die würdevolle Sprache, die phantastische Umgebung, auch die Beschreibung der Idylle mit einer gewissen Naivität, fand ich sehr gut dargestellt.


    Gruß,
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()