Ein Klassikerforumswettbewerb für 2021 - Kommentare und Diskussionen

  • Nachtrag zu Poe,


    da du den Pym ansprachst, Zefira, ist mir eingefallen, dass ich Poe sogar einen meiner stärksten Leseeindrücke zu verdanken habe. Als ich in den frühen Teens war, hatte ich eine fiebrige Erkältung und als Lektüre diesen bildstarken Roman. Spielt er nicht irgendwo im Eis, vielleicht in der Antarktis? Jedenfalls hat mein Fieber die Lektüre noch verstärkt, und dieser Roman ist einer der Gründe dafür, dass ich Abenteuergeschichten, die auf dem Meer und im Eis spielen, bis heute sehr gerne lese. Beim nächsten Fieber kommt der Roman wieder auf mein Nachtschränkchen. Was man sich aber angesichts der derzeitigen Situation nicht wünschen sollte... .

  • Ich habe ja noch die Prachtausgabe von Lovecraft, die ich noch nicht komplett gelesen habe. Da könnte ich eigentlich den Pym einschieben und danach gleich "Berge des Wahnsinns", das wäre ja quasi die Fortsetzung.

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    Mal schauen, erst der Mervyn Peake fertig.

  • Den Pym hab ich vor zwei, drei Jahren mal wieder gelesen - und fand ihn fürchterlich ;-). Fängt mit Katastrophen an und steigert sich … Aber noch schlimmer ist Jules Vernes Fortsetzung "Die Eissphinx" - gediegene Langeweile. Ich weiß gar nicht, warum ich das bis zum Ende durchgehalten habe. Berge des Wahnsinns habe ich dagegen in sehr guter Erinnerung, aber da bin ich vorsichtig - Lovecraft habe ich so mit 17, 18 verschlungen. Ob ich dem heute noch etwas abgewinnen würde, möchte ich lieber nicht ausprobieren.

  • Den Pym hab ich vor zwei, drei Jahren mal wieder gelesen - und fand ihn fürchterlich ;-). Fängt mit Katastrophen an und steigert sich … Aber noch schlimmer ist Jules Vernes Fortsetzung "Die Eissphinx" - gediegene Langeweile. Ich weiß gar nicht, warum ich das bis zum Ende durchgehalten habe. Berge des Wahnsinns habe ich dagegen in sehr guter Erinnerung, aber da bin ich vorsichtig - Lovecraft habe ich so mit 17, 18 verschlungen. Ob ich dem heute noch etwas abgewinnen würde, möchte ich lieber nicht ausprobieren.

    Das wird genau das Problem sein. Selbst bei Dostojevskij, der ja nun doch in einer ganz anderen Liga spielt, springt bei mir heute nicht mehr so der Funken über, zumindest nicht bei "Schuld und Sühne" / "Verbrechen und Strafe". Erstens hatte man damals noch lange nicht so viel Leseerfahrung und zweitens sind die eher emphatischen Texte in höheren Lebensjahren eher komisch als eindrucksvoll. Das gilt auch für Lovecraft, den ich allerdings nie so sehr mochte.

  • Ich habe Lovecraft immer mit einem Schuss Lachlust gelesen, damit geht es ausgezeichnet.

    Übrigens habe ich einen Band von ihm, der von H.C.Artmann übersetzt wurde. Das ist wirklich das reinste Lesevergnügen.

  • Bei der großen Poe-Ausgabe aus dem Walter-Verlag sollte Hans Wollschläger die Gedichte übersetzen, das hat er aber nach den ersten Versuchen wieder abgegeben wollen, dann war HC Artmann als Übersetzer im Gespräch, aber daraus wurde dann doch nichts: "Die Gedichte werd’ ich jetzt doch übernehmen, da Herr Artmann »unzuverlässig« sei (Müller) –: mit dem Großen PS (= Peregrinus Syntax) wird das Wägelchen schon hurtig laufen" schreibt Wollschläger am 16.11.1966 an Arno Schmidt.


    Inzwischen hab ich das nächste Stück meiner Liste gelesen: Oscar Wilde, ›Lady Windermeres Fächer‹. Das war seine erste Gesellschaftskomödie und seinerzeit ein sehr großer Erfolg. Hätte ich das als erstes Stück gelesen, hätte ich wohl kaum Lust verspürt, mehr Stücke von Wilde zu lesen. Ja, es ist witzig, ja, es gibt ein amüsante Szenen, ja, es gibt satirische Karikaturen der Londoner Gesellschaft (die mir allerdings ziemlich zeitgebunden scheinen), ja, die Dialoge sind teilweise brillant – aber die Komödie kann jeden Augenblick in die Tragödie abkippen, das Pathos mancher Figurenrede ist durchaus ernst gemeint (und wenn nicht, ist es trotzdem da), was dazu führt, dass das Stück eher zum Melodrama mit amüsanten Passagen und plötzlichem Happy End wird. Es ist meilenweit von ›Ernst und seine tiefere Bedeutung‹ entfernt – aber es ist vielleicht ungerecht, Wildes andere Stück an diesem Geniestreich zu messen.


    Dazu ein passende Zitat aus dem Nachwort des Übersetzers Bernd Eilert:

    Zitat

    Bestimmt wird uns der Zugang zu diesen Komödien erschwert durch fehlendes Verständnis für die Moral, die hier bekämpft, wie für die, die hier gepredigt wird. Wilde wußte um die Infamie puritanischer Morallehren, und indem er die Folgen ihrer Befolgung vorführte, zeigt er beiläufig, wie doppeldeutig und zweischneidig sie wirken könnten. Die Provokation, die in dieser Enthüllung lag, ist heute nur mehr schwer nachvollziehbar. Und so besteht die Gefahr, daß ihre Zeitgebundenheit den Stücken schaden könnte, zumindest wenn man sie in ihrer Bedeutung so ernst nimmt, wie sie wohl gemeint waren; das gilt zumindest für drei der vier Stücke. Ausgerechnet The Importance of Being Earnest macht hier die großartige Ausnahme, da es diesen Ernst uns seine tiefere Bedeutung selbs genüßlich parodiert.

  • Selbst bei Dostojevskij, der ja nun doch in einer ganz anderen Liga spielt, springt bei mir heute nicht mehr so der Funken über, zumindest nicht bei "Schuld und Sühne" / "Verbrechen und Strafe". Erstens hatte man damals noch lange nicht so viel Leseerfahrung und zweitens sind die eher emphatischen Texte in höheren Lebensjahren eher komisch als eindrucksvoll.

    Da ist sicherlich etwas dran, allerdings spielt die Übersetzung eine nicht unerhebliche Rolle. Gerade bei Dostojewskij habe ich ein paar alte Winkler-Ausgaben beiseitegelegt und die Übersetzungen von Swetlana Geier im Auge, die aber in den gebundenen Ausgaben ein halbes Vermögen kosten.


    Bei Flaubert werden beispielsweise die Übersetzungen von Elisabeth Edl in den Himmel gehoben und andere als gescheitert bezeichnet. Ich las, dass sie an der Übersetzung von "Éducation sentimentale" acht Jahre gearbeitet hat. Ihre Stendhal-Übersetzung fand ich großartig, dass ich beschlossen habe, auch ihre Flaubert-Übersetzungen zu lesen.


    Die Schlüter-Übersetzung von "Wuthering Heights" wurde teilweise verrissen, mir hat sie gefallen, auch wenn mich zu Beginn ein paar Dinge gestört hatten.


    Letzlich machen die zahlreichen Übersetzungen auch den Reiz von Klassikern aus, denn wo sonst herrscht eine solche Auswahl, bei dem Versuch dem Original so nahe wie möglich zu kommen?

  • Da ist sicherlich etwas dran, allerdings spielt die Übersetzung eine nicht unerhebliche Rolle. Gerade bei Dostojewskij habe ich ein paar alte Winkler-Ausgaben beiseitegelegt und die Übersetzungen von Swetlana Geier im Auge, die aber in den gebundenen Ausgaben ein halbes Vermögen kosten.

    ...

    Letzlich machen die zahlreichen Übersetzungen auch den Reiz von Klassikern aus, denn wo sonst herrscht eine solche Auswahl, bei dem Versuch dem Original so nahe wie möglich zu kommen?

    Ich glaube, dass Übersetzungen auch abhängig vom Zeitgeist und die alten nicht unbedingt schlechter als die neuen sind. Bei so sprachlich hochkomplexen Schriftstellern wie Joyce oder Jean Paul können Übersetzungen natürlich sehr danebengehen. Wo es aber vor allem auch um den Ideengehalt, das Setting, die Figurenkonstellation usw. geht, sind ordentlich gearbeitete Übersetzungen weniger unterschiedlich voneinander und die neuen auh nicht immer treffender. Man denke nur an die oben von mir genannten Titel des Dostojevskij-Romans: Ich denke immer noch, dass "Schuld und Sühne" passender für den am Transzendenten sich abarbeitenden Dostojevskij ist als der neutrale andere Titel, der eher dem weltlicheren Zeitgeist von heute geschuldet ist.

    Außerdem kann man ja meist nur in wenigen Sprachen selbst beurteilen, ob eine Übersetzung gelungen ist und muss sich in den anderen auf entsprechende Rezensionen verlassen.

  • Ich denke immer noch, dass "Schuld und Sühne" passender für den am Transzendenten sich abarbeitenden Dostojevskij ist als der neutrale andere Titel, der eher dem weltlicheren Zeitgeist von heute geschuldet ist.

    je nun - "von heute": Im Englischen wurde der Titel immer mit "Crime and Punishment" übersetzt. Und Swetlana Geier wirkte in ihren Interviews auf mich eher auch nicht so, als liefe sie da irgendwelchen Zeitgeistern hinterher ;-). Falls man automatischen Übersetzungsprogrammen (Google, Deepl) glauben darf, lautet der Titel "Преступление и наказание" auch schlicht: Verbrechen und Strafe. "Schuld und Sühne" ist dann bereits Interpretation, die nach der Lektüre des Romans kommt und nicht auf dem Titel bereits vorgegeben werden sollte. "Schuld und Sühne" lenkt den Lesefluss von Anfang an in eine ganz bestimmte Richtung – etwas, was der Originaltitel anscheinend genau nicht tut. Gut möglich, dass der Roman so verstanden werden möchte: Aber das ist dann Aufgabe des Lesers, die einem der Übersetzer nicht abnehmen kann (und es auch nicht tun sollte).

  • Ich glaube, dass Übersetzungen auch abhängig vom Zeitgeist und die alten nicht unbedingt schlechter als die neuen sind.

    Richtig, ich wollte auch keine generelle Wertung zugunsten neuer Übersetzungen abgeben, sondern hole mir Informationen und bestenfalls Leseproben ein, um einen kleinen Eindruck zu gewinnen.


    In den allermeisten Fällen muss ich mich da natürlich auf Rezensionen verlassen oder mir selbst ein Bild machen, welche Übersetzung mir besser gefällt – was nicht gleichbedeutend mit gelungener oder korrekter sein muss. Da spielen viele Faktoren rein, mit denen ich mich nicht unbedingt tiefgreifender auseinandergesetzt habe oder die ich nicht so einfach aus dem Stegreif benennen könnte. Das hängt auch mit der jeweiligen Sprache zusammen, aus der übersetzt wurde.


    In den Rezensionen werden die vermeintlichen Vorzüge manchmal in blumiger Sprache gepriesen, was grundsätzlich Lust auf einen bestimmten Stoff macht. Ob mir das dann genauso gefällt und ich diese Dinge ähnlich empfinde, steht auf einem anderen Blatt Papier. Aber das ist ja meistens so.

    Und um den Kreis zum Ausgungspunkt zu schließen, spielen Leseerfahrungen sicherlich eine Rolle, aber vielleicht entdeckt man trotzdem das eine oder andere Werk durch eine Übersetzung wieder neu.


    Letztlich stellt sich irgendwann auch die Frage, warum man eine Übersetzung liest, wenn man eine Sprache so gut spricht, dass man z.B. Nuancen sehr gut wahrnimmt. Womit ich wieder bei Dialekten wäre, die im Original z.B. in der direkten Rede ihre Wirkung entfalten und in der Übersetzung oft nur

    umschrieben werden.


    Wie Du schon sagst, variiert das natürlich in der Komplexität. In jedem Fall ist das ein spannendes Feld.


    giesbert

    Ein schönes Beispiel!

  • So, ich hab dann mal Ostrowskijs "Eine Dummheit macht auch der Gescheiteste" gelesen (1872 sagt das Nachwort, 1868 die Wikipedia, der ich da etwas mehr vertraue, das Nachwort scheint mir ein wenig zusammengestoppelt).


    Der junge Glúmow – bislang wohl ein Autor satirisch-bissiger Texte – entschließt, fortan allen Leuten nur noch zu schmeicheln, weil man nur so Erfolg haben könne. Damit er die Dummheiten der anderen ertragen kann, führt er allerdings ein satirisches Tagebuch. Durch seine dreiste Schmeicheltaktik (und tatkräftige Unterstützung seiner Mutter) gelingt es ihm in Rekordzeit, sich bei den wichtigen Leuten beliebt zu machen. Er soll einen einträglichen Posten bekommen, wird der Lieblingsneffe eines schwerreichen Erbonkels, bootet seine Nebenbuhler und Konkurrenten aus und bekommt fast die Hand von Máschenka, die 200.000 Rubel Mitgift zu bieten hat. Es kommt, wie es kommen muss, das Tagebuch wird bekannt – das ist die titelgebende Dummheit, die dem Gescheitesten, Glúmov, unterläuft –, alle sind empört und Glúmow liest ihnen abschließend noch einmal die Leviten. Zum einen könnten Sie ohne ihn, den Schmeichler gar nicht existieren, zum anderen:

    Zitat

    Was hat Sie denn in meinem Tagebuch beleidigt? Was haben Sie denn in meinem Tagebuch gefunden? Sprechen Sie nicht selbst das gleiche einer von dem andern aus, wenn Sie es auch nicht einander ins Gesicht sagen? Gesetzt, ich hätte jedem einzelnen von Ihnen das vorgelesen, was ich über die anderen geschrieben, ein jeder hätte mir Beifall geklatscht.

    Die Figuren sind Schablonen, die Dialoge ganz nett und manchmal auch witzig, das Stück ist auch heute für einen westlichen Leser im Großen und Ganzen zu verstehen.


    Kann man lesen, muss man nicht ;-).

  • Da wären wir wieder bei der Übersetzung von Titeln, giesbert. Ich habe dieses Stück vor einigen Jahrzehnten unter dem Sprichwort-Titel "Klugheit schützt vor Torheit nicht" gelesen.

    In diesem Fall finde ich - und im Nachhinein auch bei dem oben genannten Dostojevskij-Titel - es nicht nur wegen der Genauigkeit - ich weiß nicht, wie Ostrovskijs Drama im Original heißt - gut, dass das Drama nun diesen Titel trägt.
    Denn der in dem Sprichwort verwendete Begriff "Torheit" ebenso wie "Sühne" sagt vielleicht heute jungen Lesern, die sich für diese Texte interessieren, nicht mehr das Gleiche wie der älteren Generation. Die Kenntnis dieser Begriffe ist vielleicht für sie ebenso obsolet wie für uns viele Begriffe, die vor zwei oder drei Generationen Allgemeingut waren.

  • Ich habe dieses Stück vor einigen Jahrzehnten unter dem Sprichwort-Titel "Klugheit schützt vor Torheit nicht" gelesen.

    Ja, das ist der alternative Titel, der einem gelegentlich unterkommt. Passt aber für mich nicht so recht zum Schluss, wo der Titel zitiert wird: Wie [das Tagebuch] in Ihre Hände geraten ist, weiß ich nicht: Eine Dummheit macht auch der Gescheiteste. Da passt "Klugheit schützt vor Torheit nicht" für mein Empfinden nicht wirklich (aber das ist natürlich auch alles eine Frage der Übersetzung).


    Den Original-Titel verrät die Wikipedia: На всякого мудреца довольно простоты. Google macht daraus "Für jeden Weisen ist Einfachheit genug", Deepl übersetzt das als "Jeder weise Mensch hat seine Einfachheit." Könnte ein russ. Sprichwort sein, für das man dann natürlich ein dt. Pendant suchen muss.


    Übrigens wird Ostrowskij im Nachwort als "russischer Molière" bezeichnet, was insofern amüsant ist, als eine der lächerlichen Figuren im Stück mal für einen gewissen Sumarokow schwärmt, der lt. Wikipedia rund 100 Jahre vor Ostrowskij lebte und ebenfalls als "russischer Molière" gefeiert wurde.

  • Das nächste Stück auf meiner Liste: Friedrich Wilhelm Hackländers ›Der geheime Agent‹ (man merkt, ich mache erstmal einen Bogen um die dicken Brocken wie ›Maria Stuart‹ und tummel mich im unteren Fach ;-))


    Herzog Alfred ist zwar "regierender Herzog" eines nicht genannten dt. Reichs, ist dies aber nur dem Namen nach, die Staatsgeschäfte werden von seiner Mutter und den ehemaligen Räten & Beamten seines Vaters geführt. Da er selbst nicht weiter spezifizierte Neuerungen und Reformen durchführen möchte, es aber nicht kann, erfindet er einen "geheimen Agenten", den er angeblich auf seinen Reisen kennen und schätzen gelernt habe und der ihn als weiser Berater bei seinen Geschäften unterstützen soll. Die scheinbare Existenz dieses Agenten sorgt am Hof für ein veritables Durcheinander, Günstlinge plaudern vor dem Herzog versehentlich allerlei Geheimnisse aus, der geheime Agent scheint allgegenwärtig, irgendwann reicht es der Herzogin, sie übergibt die Regierung endgültig an ihren Sohn und der bekommt auch die Prinzessin. Oder so ähnlich. Die Handlung und die Motivation der Figuren bleibt mir rätselhaft. Das Stück ist mäßig amüsant, bietet eher bescheiden witzige Dialoge und etwas Situationskomik. "Ein schnelles Tempo ist empfehlenswert", heißt es auf dem Theaterzettel und mit viel Tempo könnte das auf der Bühne recht wirksam sein.


    Ich hab im Regal auch das ›Marbacher Magazin‹ zu Hackländer (81/1998), da kann man unter dem Datum vom 14. März 1851 folgendes lesen:

    Zitat

    In Oldenburg wird ›Der geheime Agent‹ erfolgreich uraufgeführt. FWH hatte es, allerdings verspätet, zu dem von Heinrich Laube (1806–1884), dem Direktor des Wiener Burgtheaters, ausgelobten Preisausschreiben eingesandt. Laube wird künftig sein Berater beim Verfertigen von Bühnenstücken. Der Plot des ›Geheimen Agenten‹, seinem erfolgreichsten Theaterstück, ist publikumswirksame Kolportage: Alfred, ein regierender Herzog, hat dieses Amt nur dem Titel nach. Tatsächlich regiert seine Mutter, die verwitwete Herzogin. Mit dem Gerücht von einem »geheimen Agenten« gelingt es Alfred, die Macht am Hofe zu gewinnen und die Frau seiner Wahl zu heiraten.

    Als Einleitung bringt das Magazin einen ›Morgenspaziergang mit Hackländer‹ von Rolf Vollmann, den ich ziemlich verschwafelt und obendrein wenig informativ fand. Aber es gibt ja Leute, die mögen Vollmanns Stil. Ich gehöre nicht wirklich dazu. Ob es sich dabei um einen Originalbeitrag oder um einen Auszug aus einem von Vollmanns Roman-Büchern handelt, steht nicht dabei.


    Der Tonfall Vollmanns passt aber etwas zu Hackländer, der ziemlich weitschweifig ist, im Dialog selten auf den Punkt kommt und mitunter einen ganz netten Einfall schlicht kaputt quatsch. Ich hab eine von Carl Friedrich Wittmann besorgte "Bühnenbearbeitung". Das Stück ist ungekürzt, aber die empfohlenen Streichungen für eine Aufführung sind markiert – und das sind ziemlich viele.


    Meine Ausgabe ist ein älteres Reclam-Heft, das von einem Vorbesitzer mit festen Pappdeckel und Vorsatzpapier neu geklebt wurde – da hat sich jemand wirklich Mühe gegeben. Ich dachte erst, das sei vielleicht das Arbeitsexemplar einer Aufführung, aber es gibt keinerlei Lesespuren, keine Anmerkungen oder Notizen (die es ansonsten doch wohl hätte).


    Die Covergestaltung ist die der RUB von 1867 bis 1917, es gibt einen Hinweis zu den Aufführungsrechten von der Witwe Hackländers. Die ist 1900 gestorben, meine Ausgabe wird also vermutlich 1899 oder früher erschienen sein.


    Im Stück ist mir erstmal die Regieanweisung "ab durch die Mitte" aufgefallen, die bekannte Redewendung könnte tatsächlich von der Bühnensprache des 19. Jahrhunderts stammen (sagt Wiktionary).

  • Ich dachte immer, "ab durch die Mitte" bedeutet, dass man sich gegen einen gewissen Druck einen Weg bahnt, wie etwa wenn man sich mit dem Breitschwert durch die Mitte der Front haut, statt seitwärts auszuweichen.

    Aber gut, es scheint mehrere mögliche Deutungen zu geben ... Das mit dem Abgang durch die Kulisse klingt einleuchtend.