Da wir vor zwei Jahren hier eine sehr schöne Diskussion zu "Munin oder Chaos im Kopf" von Monika Maron hatten, starte ich zu ihrem neuen Roman einen Strang. Es würde mich freuen, wenn wir hier wieder ins Gespräch kämen. Das Buch bietet sehr viel Anlass zu Diskussionen und wird sicher in der Presse wieder ausführlich diskutiert werden.
In "Artur Lanz" geht es ums Heldentum. Als ich noch in England lebte, ging mir das häufige Gerede von "our heroes" sehr auf die Nerven. Nicht nur Feuerwehrleute und 'Helden des Alltags', sondern vornehmlich Soldaten werden in England als 'heroes' bezeichnet. Nun hat man als Deutscher ein anderes Verhältnis zur Armee, nachdem sich unsere Wehrmacht unter Hitler alles andere als 'heldenhaft' aufgeführt hat. Was früher mal 'Heldengedenktag' hieß, ist heute weitaus passender als 'Volkstrauertag' benamst. Der Begriff erscheint mir daher entbehrlich und ich frage mich, wozu man ihn braucht...
Nun arbeitet sich Monika Maron sich aber genau daran ab. Und sie tut das aus äußerst kluge, unterhaltsame und auch sehr witzige Weise. Ich habe diesen Roman jedenfalls sehr genossen und oft laut gelacht.
Die Ich-Erzählerin, Charlotte Winter, ist Schriftstellerin und so um die 80 Jahre alt - also gewissermaßen wieder ein alter ego der Autorin (so kann man vermuten). Mehr oder weniger zufällig lernt sie Artur Lanz kennen, einen ca. 50 jährigen - ja, man muss so sagen - Waschlappen. Trotz seines heldenhaften Namens - er wurde von seiner Mutter nach König Artus benannt. Der Lanzelot steckte im Nachnamen schon drin. Artur ist nicht unsympathisch, aber etwas zögerlich, wenn es um grundlegende Entscheidungen geht. Seine Ehe ist kaputt, zu seiner polnischen Geliebten traute er sich nicht zu bekennen, geholfen hat es nichts. Jetzt versucht er, mittels israelischer Kampfkunst ein bisschen Männlichkeit zu üben, was aber auch schief geht.
Die Begegnung veranlasst die Erzählerin, sich mit der Artussage zu beschäftigen und darüber nachzudenken, was eigentlich aus der ritterlichen Männlichkeit von früher geworden ist. Die Männer sind heute anders, auch weil die Frauen das so gewollt und eingefordert haben. Sie selbst hat sich ja auch eher in Proust-Leser statt Rambo-Typen verliebt. Trotzdem vermisst sie irgendwie den heldenhaften Männertyp von früher. Artur Lanz findet sie einerseits sympathisch aber auch schwächlich.
Dann kommt es jedoch zu einer Konfliktsituation. Ein Kollege von Artur, Gerald, hat sich im Institut durch einen albernen Post auf Facebook unmöglich gemacht. Er hat einen albernen Spruch gepostet, der dann von der "Rechten Partei" übernommen wird. Die Sache wird von den üblichen Aktivist*innen aufgegriffen und skandalisiert.
Nun kommt es zum Schwur. Gerald soll widerrufen, sonst droht ihm der Verlust seines Arbeitsplatzes. Artur muss sich dazu verhalten. Wird er sich zu seinem Freund bekennen oder ihn verraten?
Das Buch ist ein großer Spaß. Nicht nur dienen die mittelalterlichen Epen der Erzählerin als Folie, sondern auch Gesprächspartner wie (natürlich) Brecht und Fontane. Wie schon in "Munin" werden auch hier alle Positionen durch Gegenpositionen verschiedener Gesprächspartner ironisch gebrochen. Und nicht zuletzt nimmt sich die Erzählerin auch selbst nicht immer ganz ernst. Das ist sehr erfrischend.
Insgesamt habe ich das Buch als eine Don Quichotterie gelesen. Die Erzählerin verliert sich in Rittergeschichten, deren Zeit natürlich (wie bei Don Quichotte) längst vorbei ist. Gerald will unbedingt den Helden spielen und kämpft dabei buchstäblich gegen Windmühlen (er arbeitet ja in einem Institut, wo es um Windräder geht). Und Artur möchte so gerne Ritter sein, aber am Ende taugt er doch nur zum Sancho Pansa.