Deutscher Buchpreis 2018

  • So, hier ist nun die Longlist mit 20 Romanen:


    https://www.deutscher-buchprei…miniert/#section-longlist


    Ich bin etwas überrascht, denn es sind eine Reihe von Büchern darauf, die ich bereits gelesen habe (mehr als sonst), auch weil sie schon im Frühjahr erschienen sind oder sogar für den Preis der Leipziger Messe nominiert waren:


    Arno Geiger, Unter der Drachenwand (bisher mein Favorit, ein herausragender Roman)

    Anja Kampmann, Wie hoch die Wasser steigen (hat mich nicht ganz überzeugt)

    Gert Loschütz, Ein schönes Paar (ein gelungener Roman, m. E. aber nicht preiswürdig)

    Matthias Senkel, Dunkle Zahlen (für mich zu abgedreht, zu überbordend, ohne klare Erzählstruktur, daher kein Kandidat)


    Ohnehin lagen schon auf meinem Lesestapel:


    Stephan Thome, Der Gott der Barbaren

    Adolf Muschg, Heimkehr nach Fukushima

    Von beiden Büchern erwarte ich viel, weil ich die letzten Bücher dieser Autoren sehr mochte.


    Ebenso auch von Nino Haratischwili, Die Katze und der General. Das Buch erscheint erst Ende August. Die 1400 Seiten von 'Das achte Leben' habe ich seinerzeit nur so weggefetzt..


    Neu für mich entdeckt und jetzt bestellt habe ich:

    Susanne Fritz, Wie kommt der Krieg ins Kind

    Susanne Röckel, Der Vogelgott


    Die anderen habe ich erstmal hintangestellt.

    Maxim Biller mag ich gar nicht lesen. Den Menschen finde ich so schlimm, dass ich beim Lesen immer sein Gesicht und seine Stimme vor mir hätte - das ist gruselig. =O

  • Zitat aus dem Perlentaucher: Andreas Platthaus hat die Liste für die FAZ statistisch ausgewertet: "Elf Titel aus dem Frühjahr 2018, der Rest aus dem Herbst (einmal nicht die Mehrzahl, aber noch nie gab es einen Gewinner aus dem Frühjahr), unter den Verfassern sind zwölf Frauen und acht Männer. Und die Verteilung auf die Verlage ist breiter als gewohnt: Achtzehn Häuser haben es geschafft, Titel auf der Longlist zu plazieren; mehrfach dabei sind diesmal nur Hanser und Kiepenheuer & Witsch, jeweils mit zwei Büchern." Die Daumen drückt er Arno Geiger, Nino Haratischwili, Gianna Molinari und Gert Loschütz. Außerdem vermisst er Michael Lentz' "Schattenfroh", Steffen Menschings "Schermanns Augen" und Robert Seethalers "Das Feld".


    Auch der Berliner Tagesspiegel vermisst einige Titel:

    Tagesspiegel

  • Eigentlich erschreckend, dass man kein deutsches Forum findet, in dem sich über die nominierten Bücher ausgetauscht wird. Außer diesem hier.

    Da gebe ich dir recht.


    Ich habe von den Büchern keines gelesen, kann daher leider nicht viel beitragen.


    In den letzten Jahren habe ich mir dann ein paarmal welche ausgesucht und gelesen und keines davon landete auf der Shortlist. Heuer warte ich gleich auf die Shortlist und entscheide dann ob ich eines oder mehrere der Bücher lese.

  • Ein paar Bücher fehlen immer, sonst wäre es ja eigentlich auch armselig. Die deutsche Literatur hat natürlich viele gute Bücher zu bieten, nicht nur zwanzig. Und die Diskussionen machen auch Spaß.


    Insgesamt bin ich mit der Liste eigentlich ganz zufrieden, weil es überraschend viele Überschneidungen mit meinen Interessen gibt. Und Nino Haratischwili wird im Januar sogar bei uns in der absoluten Provinz zu einer Lesung sein. *freu*

  • Ich denke, es gibt auch Autoren, die mit dem Verlag vereinbaren, sich gar nicht erst zu bewerben. Robert Seethaler hat ohnehin ausverkaufte Lesungen.

    Ja, er ist sehr erfolgreich. Und 'Das Feld' hat mir nicht schlecht gefallen, auf Strecke empfand ich es aber ein wenig langweilig. Das lag vielleicht auch daran, dass ich es quasi in einem Rutsch gelesen habe. Die Form des Buches legt eigentlich nahe, die einzelnen Kapitel einzeln zu lesen, dann entsteht das Mosaik langsam, das Bild der Dorfgesellschaft setzt sich dann Stück um Stück zusammen.


    Und bei Hans Pleschinski habe ich mich auch gefragt, ob er dem Rummel entgehen wollte und dem Verlag das mitgeteilt hat. Immerhin ist Beck jetzt mit Adolf Muschg vertreten.

  • So, ich habe nun zwei weitere Bücher der Nominierungsliste gelesen. Mein vorläufiges Fazit:


    Matthias Senkel, Dunkle Zahlen: 2 Sterne (wirres Gedankenkonstrukt, zu unökonomisch erzählt)

    Susanne Röckel, Der Vogelgott: 2 Sterne (jemand auf Amazon schrieb äußerst treffend von einer 'kafkaesken Nicht-Handlung)

    Anja Kampmann, So hoch die Wasser steigen: 3,5 Sterne. (sehr ausgereifter Stil, aber von der Handlung her dann doch nicht wirklich begeisternd)
    Gerd Loschütz, Ein schönes Paar: 4 Sterne
    Susanne Fritz: Wie kommt der Krieg ins Kind: 4,5 Sterne (ein ausgesprochen guter Text, allerdings nicht wirklich ein Roman, daher dann doch keine ganzen fünf Sterne...)
    Arno Geiger, Unter der Drachenwand: 5 Sterne plus (mein Buch des Jahres bisher)


    Als nächstes folgt nun Adolf Muschg. Davon verspreche ich mir recht viel.

  • Oh, der Muschg. Das war keine ganz einfache Lektüre und ich bin noch ganz unsicher, was ich mit diesem Buch machen soll...


    Erzählt wird die Geschichte von Paul, einem in die Jahre kommenden Architekten, der aber vor allem als Schriftsteller Erfolg hatte. Er wird von Freunden eingeladen, die Katastrophenregion von Fukushima zu besuchen, um dort als Speerspitze von Künstlern und Intellektuellen für die erneute Ansiedlung von Menschen zu werben. Eine Art Künstlerkolonie soll dort entstehen. In Japan angekommen, stellt sich heraus, dass nur die junge Frau seines Freundes ihn auf dieser Reise begleiten wird: Mitsuko. Sie durchreisen die kontaminierten Landschaften, treffen unterschiedliche Menschen und beginnen eine Liebesgeschichte.

    Soweit der äußere Rahmen. Aber wie soll ich dieses Buch lesen? Es hat für mich etwas von Dantes Inferno, diese Reise in ein verseuchtes, lebensfeindliches Gebiet. Zugleich ist es eine Reise an die Grenzen der menschlichen Erfahrung und immer wieder scheint der Gedanke auf, dass es sich auch um einen Wendepunkt handelt, dass dieser Tiefpunkt zugleich der Anfang von etwas ganz Neuem sein kann, dass hier neue Erkenntnisse reifen, vielleicht sogar eine Art von genetischer Mutation sich ereignet, die die Menschheit in eine völlig neue Epoche eintreten lässt. Die Landschaft, obwohl weitgehend äußerlich unversehrt, birgt Gefahren. Diesen Eindruck konstrastiert (erweitert) der Erzähler dadurch, dass er immer wieder Texte von Adalbert Stifter in seine Erzählung einfließen lässt. Beide Protagonisten beschäftigen sich mit ihm, lesen und rezitieren ihn, verinnerlichen ihn, nutzen ihn als Folie für ihre Erfahrungen. Dabei ist es nicht der Idylliker Stifter, der sie interessiert, sondern -- ja was eigentlich -- das Lesen einer Landschaft? Das Abklopfen dessen was man sieht auf das, was es mit der eigenen Erfahrung verbindet? So ganz ist mir das nicht klar geworden. In Stifters Text (Nachkommenschaften) geht es ja wesentlich auch um das Weitergeben von Leben, von Identität, von Tradition. Und um Sehen, um Bilder, um Kunst.


    So, wie auch Mitsuko und Paul durch ihre Liaison neues Leben schaffen. Der Sinn dieser Liebe hat sich mir auch nicht ganz erschlossen, eher etwas Unwillen in mir ausgelöst (das ewige Walser-Thema *gähn*). Auf der basalen Ebene sicher ein Ausbruch an Vitalität angesichts des Infernos. Aber sonst? Was treibt Paul und Mitsuko zueinander?


    Als Fazit: viele gute Ideen, viele interessante Ansätze und Einfälle, auch sehr humorvolle Szenen, viele Gedanken über japanische Kultur und ihren ganz anderen Umgang mit vielen Dingen. Aber auch sehr viele Fragezeichen...

  • Vom neuen Roman 'Gott der Barbaren' von Stephan Thome habe ich nun 80 Seiten gelesen, werde aber nicht weiterlesen. Das Buch ist gut geschrieben, eher im Genre 'Historischer Roman' zum Thema eines Rebellenaufstands in China um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Ich schätze Thome sonst sehr, aber dieses Buch hat mich einfach nicht fesseln können. Nun ist China nicht so unbedingt meine Weltgegeben, wobei ich das Thema der Mission schon interessant finde. Aber insgesamt war es mir zu wenig intensiv, es ist mir zu viel Bericht und zu wenig Hineinnahme in die Szenen. Und das ist mir für 700 Seiten dann doch zu lang...