Die ersten drei Bücher von Thomas Manns Monumentalepos habe ich gelesen, den vierten eigentlich für dieses Jahr vorgenommen, daraus ist wegen anderer Lektüren und zu wenig Zeit nichts geworden.
Ich bin in meinem Joseph-Bild daher auch stark von Thomas Mann geprägt, und der Narzissmus des jungen Joseph ist dort gut geschildert. Er ist auch eine ähnlich schillernde Figur wie Caspar, wenn auch ganz anders.
Was den historischen Caspar und den Wassermann-Caspar angeht, muss man wohl doch starke Unterschiede machen. Der historische Caspar ist ja wohl nach dem Stand der bisherigen Forschung ein junger Mann mit Persönlichkeitsstörung und Ansätzen zur Bewusstseinsspaltung gewesen sein: Der Wikipedia-Artikel über Caspar Hauser ist übrigens wirklich zu loben, sehr differenziert und detailreich.
Dem Wassermann-Caspar geschieht aber im Roman sehr viel "Trägheit des Herzens", die zudem oft völlig unangebracht ist. Die Familien, die Caspar im Haus haben, verhalten sich auch hartherzig, aber es werden im Roman viele Beispiele dafür angebracht, wie Menschen, die keinen Nachteil durch Hauser hatten, wie z.B. der Polizeileutnant, dennoch von großer Boshaftigkeit getrieben werden.
Nun aber mal weg von den moralischen Fragestellungen, aber auch zu Haltungsfragen, diesmal Wassermanns. Sein Frauenbild in diesem Roman ist reichlich chauvinistisch: Die Damen sind entweder herzlos (Frau Behold, Henriette Feuerbach (wenn es der auch vorwiegend um den Schutz ihres Vaters geht)), dümmlich (Frau Quandt, die Schwester und Mutter Daumer) oder werden als latent hysterische Sensibelchen (Frau von Kannawurf) dargestellt. Nur Frau von Immhoff kommt bisher einigermaßen gut weg.Natürlich hat das auch mit der Quellenlage zu tun, aber es ist doch auch bezeichnend, dass laut Golo Mann in den Behold-Brief noch die größte Gemeinheit mit der Verleumdung Capars hinsichtlich ihrer Tochter eingefügt ist.
Positiv fällt mir dagegen der über lange Strecken parataktische Stil Wassermanns auf, der in den handlungsschildernden Teilen vorherrscht. Die kurzen Sätze treiben das verhängnisvolle Geschehen auch sprachlich immer weiter dem Schlusspunkt entgegen, gut zu beobachten in den Szenen um Feuerbachs Tod.