Jakob Wassermann: Caspar Hauser

  • Hier lesen wir ab dem 11. November Jakob Wassermanns Roman "Caspar Hauser":


    Bis jetzt sind angemeldet:


    Zefira
    Jakob von Gunten
    Volker
    finsbury


    Ich habe den Titel so abgeändert, dass er auch in RSS-Feeds klar aussagt, worum es geht - nichts für Ungut. - Grüsse, sandhofer

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

    Einmal editiert, zuletzt von sandhofer ()

  • Wie macht Ihr das normalerweise bei neuen Leserunden? Ich hab mal bei Materialien geguckt, aber nichts gefunden (kann an mir liegen). Meine Ausgabe ist von DTV, zweite Auflage, 1984, das Copyright lag bei Langen-Mueller. Es ist ausdruecklich erwaehnt, dass es sich um eine ungekuerzte Ausgabe handelt, demnach gibt es (moeglicherweise) auch gekuerzte(?). Am Schluss meiner Ausgabe ist ein Text von Golo Mann abgedruckt, der 1980 in der FAZ erschien in einer Reihe: Romane von gestern- heute gelesen. Golo Mann war sehr angetan (...Also wirklich ein "Krimi", .....der schoenste, der je geschrieben wurde.) und fuehrt u.a. darin aus, dass Wassermann die zeitgeschichtlichen Quellen sehr genau studiert und zum Teil woertlich wiedergegeben hat. Ich guck jetzt mal bei Wikipedia....

    if all you have is a hammer, all you see looks like a nail.

  • Ich denke, jede(r) liest im eigenen Tempo und postet im betreffenden Leseordner (falls dazu Lust besteht), wo er oder sie jeweils steht (Kapitelangabe) und wie so die Leseeindrücke sind.
    Langsamleser und Abbrecher werden auch nicht gesteinigt.
    Ist das korrekt? (bin auch noch nicht so lange Mitleserin)


    Grüße von Zefira


  • Ich denke, jede(r) liest im eigenen Tempo und postet im betreffenden Leseordner (falls dazu Lust besteht), wo er oder sie jeweils steht (Kapitelangabe) und wie so die Leseeindrücke sind.
    Langsamleser und Abbrecher werden auch nicht gesteinigt.
    Ist das korrekt? (bin auch noch nicht so lange Mitleserin)


    Stimmt.


    Aber normalerweise Posten die Teilnehmer gern bei einer leserunde.


    Gesteinigt wurde noch keiner. :breitgrins:

  • Falls ich deine Frage missverstanden habe, Zefira, verzeih!
    Wir posten hier alle nur in einem Thread, egal, wie weit wir sind. Eine Einteilung in Kapitel-Threads, wie sie z.B. im Mutterforum oft vorgenommen wird, machen wir hier nicht, weil wir davon ausgehen, dass der Inhalt den meisten sowieso bekannt ist, und wir mindestens genauso sehr wegen des Wie als wegen des Was lesen. Deshalb muss man hier auch keine Spoiler setzen, damit einem anderen nicht die Spannung genommen wird.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ihr seid ja alle sehr hoeflich und nett. Schoen. Ich glaube, mit der unverstaendlichen Frage war ich von Sandhofer gemeint(?). Ich war halt zu unkonkret. Meine Frage war so gemeint: Ob noch jemand von den Heroes "Materialien" einstellt, weil ich gelesen habe, dass vor jeder Leserunde Materialien gepostet werden und ich zu Caspar Hauser, der am 11 beginnt, noch keine gesehen habe. Nun soll sich aber bitte niemand genoetigt fuehlen, die liefern zu MUESSEN! Es ist ja heute fuer jeden leicht, sich bei Wikipedia oder sonstwo Informationen zu "besorgen". ICH fand den Text von Golo Mann hilfreich.

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  • Ob noch jemand von den Heroes "Materialien" einstellt, weil ich gelesen habe, dass vor jeder Leserunde Materialien gepostet werden und ich zu Caspar Hauser, der am 11 beginnt, noch keine gesehen habe. Nun soll sich aber bitte niemand genoetigt fuehlen, die liefern zu MUESSEN! Es ist ja heute fuer jeden leicht, sich bei Wikipedia oder sonstwo Informationen zu "besorgen". ICH fand den Text von Golo Mann hilfreich.


    Ach so.


    Na ja: Früher - aber das ist ein wenig in Vergessenheit geraten hier - war es so, dass die Person, die die Leserunde ins Leben gerufen hat, dafür zwei Threads erstellt hat: Eine für die eigentliche Leserunde, einen für Materialien wie hilfreichte Internetseiten, Sekundärliteratur etc. Ich fände es natürlich schön, wenn wir die Tradition wieder beleben könnten...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ja, jetzt faellt die Sache auf mich zurueck, da ich zumindest mittelbar den Anstoss fuer diee Leserunde gegeben habe. Nun weiss ich aber fast nichts zu diesem Thema und einen Link zu Wikipedia braucht ja niemand. Was ich allerdings sehr hilfreich faende, waere, wenn jeder den Text von Golo Mann vorher lesen wuerde, auf den ich weiter oben (oder ist es unten) hingewiesen habe, aber, ob den jeder "hat", haengt wohl von der Ausgabe ab. Vielleicht kann man aber die alte FAZ aus den 80er Jahren aus dem Netz fischen, in der er abgedruckt war(?).

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  • Was ich allerdings sehr hilfreich faende, waere, wenn jeder den Text von Golo Mann vorher lesen wuerde, auf den ich weiter oben (oder ist es unten) hingewiesen habe, aber, ob den jeder "hat", haengt wohl von der Ausgabe ab. Vielleicht kann man aber die alte FAZ aus den 80er Jahren aus dem Netz fischen, in der er abgedruckt war(?).


    Dann stelle doch den mal in die Materialien. Muss ja nicht jeder lesen oder jeder haben. Die Materialien sollen ja auch Anregung für weiterführende Lektüre sein, die man sich vielleicht auch erst später auf die eine oder andere Art und Weise besorgt.

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  • Ich wollte gerade fragen, ob das der gleiche Text von Golo Mann ist, von dem ihr sprecht?
    Ich habe auch die dtv-Ausgabe und hinten steht ein Nachwort mit dem Titel "Der schönste Krimi aller Zeiten."


    Ich erinnere mich, als Schülerin, vermutlich in den 70er Jahren, mal ein dickes Sachbuch aus der Stadtbibliothek gelesen zu haben mit dem Titel "Der Prinz Kaspar Hauser".
    Es wurde darin der Nachweis geführt, dass Hauser adliger Abkunft gewesen sei, ich kann mich an Einzelheiten nicht mehr erinnern. (Diese Annahme ist m.W. inzwischen sowieso widerlegt.)

  • Ja, Zefira, das ist derselbe Text. Die Ausgabe habe ich auch. Lieber Sandhofer, wenn mir ganz klar waere, wie ich den Text aus meinem Buch in die Materialsammlung "beamen" koennte, haette ich das schon laengst gemacht. Was ich kann ist Scannen, Speichern, Markieren, Kopieren, Einfuegen. Wenn das auf die Art funktioniert mache ich das heute oder morgen, wenn nicht, muss ich passen, da ich nicht so ein grosser Computerexperte bin. I´ll do my very best....

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  • Leider habe ich den Golo Mann-Text nicht, weil ich die Fischer-Taschenausgabe aus den End-90ern im Rahmen der Reihe "Fischer Jahr100" lesen werde. Aber ich denke, ihr könnt ja dann berichten, was Wichtiges in dem Text steht.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Nun habe ich die ersten 60 Seiten meiner Ausgabe gelesen und befinde mich in dem Kapitel "Caspar träumt".


    Den Anfang fand ich etwas schwierig, aber gut: Wie für Caspar Hauser selbst formt der Autor auch für den Leser den Kosmos seines Romans erst langsam und schwer verständlich und vollzieht damit die Dunkelheit in Caspars Hirn nach. Je weiter die Handlung geht und je mehr auch Caspar versteht, desto konventioneller wird die Schreibe und desto deutlicher entwickeln sich die Personen.


    Bedrückend wird geschildert, wie die Menschen Caspar eher als im Zirkus ausgestellte "Missgeburt" ansehen und ihn entsprechend angehen. Auch der ihm eigentlich näher stehende Daumer hat letztlich nur ein Eigeninteresse und erforscht ihn wie einen neu entdeckten Zitteraal. Der Magistrat kümmert sich nicht darum, wie Caspar behandelt wird, und die badische Regierung sieht eine Gefahr aufkeimen, während die Justiz in Verwaltungsvorschriften badet: Die Bezüge zu unserer heutigen Welt stechen einem ins Auge.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ich habe jetzt mittlerweile 300 Seiten gelesen. Woran man sehen kann, dass ich von dem Roman sehr angetan bin. Nicht nur gefällt mir die Prosa Wassermanns, auch fasziniert mich das Thema. Wobei für mich die Frage nicht geklärt ist, was hier Wassermanns Interpretation ist und was sozusagen wirklich der Quellenlage entspricht. Aber dazu zu vielleicht dann später mehr.


    Ich finde großartig, wie Wassermann schildert, dass der Findling nicht nur zum Spielball, sondern auch zur Projektionsfläche der Menschen um ihn herum wird. Da ist zunächst Professor Daumer. Für ihn ist Caspar rein. Ein pädagogisch unverbildeter, komplett unverdorbener Mensch mit großartigen Anlagen "des Geistes und des Herzens". Der Traum eines jeden Pädagogen. Was man aus so einem Menschen machen kann... Daumer will an diesem 'rätselhaften Geschöpf aus dem dunklen Nirgendwo' (S. 41) gleich seine Kunst probieren und auch sein eigenes Menschenbild belegen.


    Caspar wird gleichsam zum 'Adam' der Schöpfungsgeschichte. Mit ihm lernen wir sehen, die Welt entdecken, mit ihm findet auch Daumer Namen für die Dinge. Das wird schon faszinierend geschildert. Im Spiegelkapitel entdeckt Caspar sich nicht nur selbst im Spiegel, sondern er wird auch zum Spiegel der Projektionen Daumers, der sich in der Person Caspars in eine unschuldige, reine Menschheitsphase vor dem Sündenfall zurücksehnt. Sozusagen das Paradies im eigenen Hause(r).


    Großartig, wie Caspar sich dann auch im Spiegel zum erstemal als eigenständiges 'Ich' wahrnimmt - und damit lernt, dass die anderen von ihm abgetrennte Personen sind. Sozusagen sein eigener Sündenfall der Erkenntnis (oder der Individuation, Lacan (?) lässt grüßen, S. 58)


    Aber Caspar wächst aus dieser Rolle dann doch schnell heraus und wird mehr und mehr zu einem 'Gewöhnlichen' (S. 110), womit er für Daumer an Faszination verliert.


    Auch Frau Behold sieht ihn als 'unschuldig', aber statt als pädagogisches Versuchsobjekt versucht sie, ihn zu einem Objekt ihrer sexuellen Wünsche und Projektionen zu machen, was genauso schiefgeht.


    Dann folgen die Stanhope-Kapitel. Hochinteressant, aber zunächst undurchschaubar. Kommt Stanhope wirklich als Vertreter einer fremden Person? Ist er überhaupt vertrauenswürdig oder will er Hauser genauso ans Leben wie der mysteriöse Attentäter?

  • am 10. 11. schrieb Finsbury, wir koennten ja dann berichten, was in Golo Manns Text wichtig sei. Der Text ist sehr "dicht", es ist schwer, daraus noch einen Extrakt zu machen. Trotzdem: G.M. singemaess: Der Autor (W) ist wie in alten Romanen allgegenwaertig und allwissend, er laesst sein Wissen aber broeckchenweise aus dem Sack (mir, also Volker, am deutlichsten aufgefallen, als er den Inhalt des Briefs, der Caspar mitgegeben wurde, erst einige Seiten nachdem er uebergeben wurde, mitteilt). Golo Mann hat sich sehr mit Ws. Quellenstudium befasst und teilt mit, dass W. alle damals zugaenglichen Quellen SEHR gruendlich studiert und in vielen Faellen ganze Dialoge fast woertlich wiedergegeben hat, vor allem auch solche Passagen bei denen man das am wenigsten vermuten wuerde, wie z. B. Caspars fruehen Schlosstraum, die Streitereien mit Lehrer Quandt (so weit bin ich, Volker, noch nicht) und die Worte des sterbenden Caspar. G.M.:"W. war von seines Helden verheimlichtem Prinzentum ueberzeugt.....Wie sonst haette er sein Buch schreiben und so schreiben koennen. Die Frage, wie es mit dem historischen Caspar denn stand, ist kuenstlerisch gleichgueltig, zumal sie, obendrein, ja doch nie wird geloest werden koennen." (war es Zefira, die gschrieben hat, es sei inzwischen geklaert, dass an der Sache nichts dran sei?).
    G.M. setzt dann auseinander, dass W. gleichwohl souvraen mit den Quellen umgegangen sei und spricht mehrfach von Idealisierung unter Hinweis auch Schiller. G.M. schaetzte das Werk sehr: "Der Kuenstler gab sein Schoenstes, gab es jedenfalls dem Schreiber dieser Zeilen (G.M.), als er noch nicht , auf grossem Fusse in Alt-Aussee residierend und unter der Last zweier Frauen stoehnend das grosse Geld machen wollte und musste." "Als ich ihn (diesen Roman) jetzt wieder las, fuehlte ich mich beinahe so stark angeruehrt wie vor vierundfuenfzig Jahren, wenn das kein Beweis fuer die Lebenskraft eines Buches ist....."
    Wie ist das eigentlich mit dem Urheberrecht? Ihr seid ja nur wenige, ich duerfte Euch doch in Prvatmails den Text schicken-oder? Wenn ja, wie kann ich den eingescannten Text in die Mails "praktizieren"? Andererseits, so versiert, wie Ihr vermutlich im Umgang mit dem Netz seid, muesstet IHR den Text aus dem Archiv der FAZ abrufen koennen(?). Nach der Fussnote im Buch ist er dort am 09. Januar 1980 unter dem Motto "Romane von gestern- heute gelesen" erschienen. ICH habe mich auch insoweit als unfaehig erwiesen.
    Jetzt zur Sache selbst: Danke fuer Eure Texte! Ich bin noch nicht so weit, dass ich weiss, was in dem Kreis mitteilenswert ist und was nicht, aber wenn mich etwas ganz besonders beruehrt und von Euch uebersehen worden sein solte, werde ich mich melden. Sicher bin ich aber langsamer als Ihr. Der Newman ist ja ein Zatopek.

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