thopas und ich lesen im Rahmen des Klassikerforum-Wettbewerbs
Die Präsidentin von Clarín.
Der Nordspanier Clarín (d.i. Leopoldo Alas) lebte von 1852 bis 1901und gilt heute als wichtigster Vertreter des spanischen Naturalismus und zwar insbesondere aufgrund des in diesem Thread behandelten Romans.
Clarín war außerdem Liberaler und ein gefürchteter Journalist und Satiriker, der mit spitzer Feder auf Missstände und insbesondere auch klerikale Heuchelei hinwies. Sein Pseudonym stammt aus einem Calderon-Drama, bedeutet Signalhorn oder Trompete und ist in dem genannten Drama der Name einer Person, die sich den Mund nicht verbieten lässt.
"Die Präsidentin", auf Spanisch "La Regenta" erschien in zwei Bänden 1884 und 1885 in Barcelona und behandelt das Schicksal einer jungen Frau, die mit dem alten und bald pensionierten Gerichtspräsidenten einer nordspanischen Stadt, der Claríns Lebensschwerpunkt Oviedo zum Vorbild diente, verheiratet ist und aus der geistigen und moralischen Enge der dortigen Gesellschaft Auswege sucht. Vom Plot her erkennt man gewisse Ähnlichkeiten mit Flauberts "Madame Bovary", als deren spanisches Gegenstück der Roman auch bezeichnet wird.
Ich finde, zumindest der Anfang passt zu diesem Vergleich nicht. Hier stehen viel stärker die Gesellschaftsstrukturen der fiktiven Stadt Vetusta im Vordergrund.Ich bin jetzt auf Seite 50 der Suhrkamp-Taschenausgabe und bisher ist die Titelheldin nur erwähnt worden, aber nicht aufgetreten. Dagegen werden insbesondere die klerikalen Kreise der Stadt dargestellt, mit scharfer Genauigkeit werden der Charakter und die Verhaltensweisen der verschiedenen Geistlichen und konservativen, der Kirche nahestehenden Adeligen der Stadt seziert, durchaus auch satirisch.
Mir gefällt gut, wie der Roman beginnt und sich entwickelt. Der Autor hat eine starke szenische Vorstellungskraft und man könnte zumindest den Romanbeginn sehr gut verfilmen.
Ganz zu Anfang folgen wir zwei Buben in den Glockenturm der Kathedrale, die dort das Läuten betreuen, und werden dann Zeuge, wie eine der Hauptpersonen des Romans, Don Fermín, der Generalvikar der Kathedrale, mit einem Fernrohr vom Turm aus die verschiedenen Stadtviertel anvisiert. Im Zuge dessen wird uns die gesellschaftliche Gliederung der Stadt sozusagen aus Adlerperspektive vermittelt und auch die Titelheldin findet Erwähnung, bleibt aber noch vollständig im Hintergrund. Don Fermin steigt wieder vom Turm und mit ihm begeben wir uns nun in die Gesellschaft von Vetusta, zunächst einmal in die der Vertreter der Kirche und der ihr Nahestehenden.
Köstlich ist insbesondere das Portrait des alten Don Cayetano, des Erzpriesters, der neben seiner tiefen Gläubigkeit und klerikalen Treue dennoch ein frecher Epigrammatiker und (platonischer) Liebhaber der Frauen ist. Das kleine verhutzelte Männlein mit dem Schutenhut und den frechen Sprüchen gefällt mir ausnehmend!
Womit ich Schwierigkeiten habe, ist die Vielzahl der spanischen Namen, die abwechselnd beim Vor- und Nachnamen genannt werden (was ich schon aus russischen Romanen gewohnt bin) und außerdem noch mit teils unterschiedlichen Berufs- und Adelstiteln benannt werden. Gleich forste ich mal im Netz, ob es wohl -wenigstens auf Englisch - ein Personenverzeichnis gibt.
Leider habe ich momentan wenig Zeit zum Lesen, das macht es mit den Namen noch schwieriger.