Clarín: Die Präsidentin

  • thopas und ich lesen im Rahmen des Klassikerforum-Wettbewerbs


    Die Präsidentin von Clarín.


    Der Nordspanier Clarín (d.i. Leopoldo Alas) lebte von 1852 bis 1901und gilt heute als wichtigster Vertreter des spanischen Naturalismus und zwar insbesondere aufgrund des in diesem Thread behandelten Romans.
    Clarín war außerdem Liberaler und ein gefürchteter Journalist und Satiriker, der mit spitzer Feder auf Missstände und insbesondere auch klerikale Heuchelei hinwies. Sein Pseudonym stammt aus einem Calderon-Drama, bedeutet Signalhorn oder Trompete und ist in dem genannten Drama der Name einer Person, die sich den Mund nicht verbieten lässt.


    "Die Präsidentin", auf Spanisch "La Regenta" erschien in zwei Bänden 1884 und 1885 in Barcelona und behandelt das Schicksal einer jungen Frau, die mit dem alten und bald pensionierten Gerichtspräsidenten einer nordspanischen Stadt, der Claríns Lebensschwerpunkt Oviedo zum Vorbild diente, verheiratet ist und aus der geistigen und moralischen Enge der dortigen Gesellschaft Auswege sucht. Vom Plot her erkennt man gewisse Ähnlichkeiten mit Flauberts "Madame Bovary", als deren spanisches Gegenstück der Roman auch bezeichnet wird.


    Ich finde, zumindest der Anfang passt zu diesem Vergleich nicht. Hier stehen viel stärker die Gesellschaftsstrukturen der fiktiven Stadt Vetusta im Vordergrund.Ich bin jetzt auf Seite 50 der Suhrkamp-Taschenausgabe und bisher ist die Titelheldin nur erwähnt worden, aber nicht aufgetreten. Dagegen werden insbesondere die klerikalen Kreise der Stadt dargestellt, mit scharfer Genauigkeit werden der Charakter und die Verhaltensweisen der verschiedenen Geistlichen und konservativen, der Kirche nahestehenden Adeligen der Stadt seziert, durchaus auch satirisch.
    Mir gefällt gut, wie der Roman beginnt und sich entwickelt. Der Autor hat eine starke szenische Vorstellungskraft und man könnte zumindest den Romanbeginn sehr gut verfilmen.
    Ganz zu Anfang folgen wir zwei Buben in den Glockenturm der Kathedrale, die dort das Läuten betreuen, und werden dann Zeuge, wie eine der Hauptpersonen des Romans, Don Fermín, der Generalvikar der Kathedrale, mit einem Fernrohr vom Turm aus die verschiedenen Stadtviertel anvisiert. Im Zuge dessen wird uns die gesellschaftliche Gliederung der Stadt sozusagen aus Adlerperspektive vermittelt und auch die Titelheldin findet Erwähnung, bleibt aber noch vollständig im Hintergrund. Don Fermin steigt wieder vom Turm und mit ihm begeben wir uns nun in die Gesellschaft von Vetusta, zunächst einmal in die der Vertreter der Kirche und der ihr Nahestehenden.
    Köstlich ist insbesondere das Portrait des alten Don Cayetano, des Erzpriesters, der neben seiner tiefen Gläubigkeit und klerikalen Treue dennoch ein frecher Epigrammatiker und (platonischer) Liebhaber der Frauen ist. Das kleine verhutzelte Männlein mit dem Schutenhut und den frechen Sprüchen gefällt mir ausnehmend!
    Womit ich Schwierigkeiten habe, ist die Vielzahl der spanischen Namen, die abwechselnd beim Vor- und Nachnamen genannt werden (was ich schon aus russischen Romanen gewohnt bin) und außerdem noch mit teils unterschiedlichen Berufs- und Adelstiteln benannt werden. Gleich forste ich mal im Netz, ob es wohl -wenigstens auf Englisch - ein Personenverzeichnis gibt.


    Leider habe ich momentan wenig Zeit zum Lesen, das macht es mit den Namen noch schwieriger.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen,
    ich war sehr lange nicht mehr hier und habe eben zufällig auf Facebook gesehen, dass eine Leserunde mit diesem Buch stattfindet.
    Ich habe es vor vielen Jahren schon einmal gelesen und schon lange vor, es ein zweites Mal zur Hand zu nehmen.
    Ich kann mich erinnern, dass ich das Buch eben wegen des Bovary-Vergleichs gekauft habe. Madame Bovary war damals mein Lieblingsbuch, ich war fasziniert davon. Die Verwandtschaft ist aber nur thematisch. Clarin schreibt einen völlig anderen Stil, auch ist "Die Präsidentin" sehr viel breiter angelegt.
    Als Schauplatz des Romans gilt übrigens die Stadt Oviedo in Asturien. Oviedo ist m.W. die regenreichste Stadt Spaniens. Die Einwohner werden "Ovetenser" genannt - wusste ich bisher nicht ...
    Hier bei Wiki ein Foto der Kathedrale von Oviedo. Klick


    Ich weiß nicht, ob ich mich ständig beteiligen kann, weil ich in den nächsten Wochen - bis in den Oktober - immer mal wieder offline sein werde, aber das Buch ist ja dick genug, ich denke die Runde dauert länger, ab und zu hereinschauen werde ich bestimmt. Jetzt werde ich das Buch gleich mal heraussuchen
    Grüße von Zefira


    ps. Ich hoffe, ich habe jetzt nichts falsch gemacht; auf Facebook war die Rede von einer "Leserunde". Geht es hier nur um eine Buchvorstellung oder wird wirklich zusammen gelesen und ggf. abschnittweise dazu geschrieben? Ich war lange nicht mehr hier, habe zb auch diesen Wettbewerb nicht mibekommen.

  • Auch von mir ein herzliches Wieder-Willkommen!


    Ich freue mich sehr, dass du mitliest und danke dir schon mal für das Foto der Kathedrale von Oviedo. Da kann man sich gerade den Anfang besser vorstellen. Der Regenreichtum wird zu Anfang auch des Öfteren erwähnt.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Hallo zusammen, hallo Zefira, schön, dass du auch mitliest :winken:. Auch wenn ich momentan wenig Zeit habe, wollte ich kurz hier hereinschauen. Ich hoffe, es bessert sich bald...


    Mit spanischer Literatur kenne ich mich wenig aus, deshalb wollte ich das durch den Listenwettbewerb mal ändern. Da ich dieses Jahr auch Anna Karenina und Madame Bovary gelesen habe, passt das Buch von der Thematik her ganz gut. Bisher habe ich nur ein paar Seiten gelesen, noch betrachtet Don Fermín die Stadt Vetusta von oben.


    Asturien ist tatsächlich eine sehr grüne und auch gebirgige Gegend in Spanien. Es gibt viele Kuhherden, sodass man immer an die Alpen erinnert wird. Ich war vor ein paar Jahren in Nordspanien und wir haben damals auch Oviedo besucht. Leider hat es dort die ganze Zeit geregnet (!), weshalb ich nur noch die Kathedrale in Erinnerung habe. Ansonsten gibt es in Asturien sehr gutes, deftiges Essen und man kann wunderbar Wandern gehen.


    Ich wünsche euch viel Spaß bei der Lektüre und werde mich hoffentlich auch bald wieder intensiver beteiligen können.

  • Aus meiner Erstlektüre weiß ich, dass die Anfangskapitel wirklich etwas zäh sind.
    Richtig interessant und kurzweilig zu lesen wird es (nach meiner Erinnerung), als die Titelfigur endlich auftritt.
    Ich kann mich aus dem Haushalt der "Präsidentin" an einige unvergessliche Szenen erinnern - denkt mal an mich, wenn die "Fuchsfalle" ins Spiel kommt. Clarin erweist sich hier als genialer Psychologe.
    Ich habe das erste Kapitel heute morgen gelesen. Die Kapitel sind leider nicht nummeriert, es gibt nur einen größeren Absatz zum nächsten hin.


  • Aus meiner Erstlektüre weiß ich, dass die Anfangskapitel wirklich etwas zäh sind.
    Richtig interessant und kurzweilig zu lesen wird es (nach meiner Erinnerung), als die Titelfigur endlich auftritt.
    ...
    Ich habe das erste Kapitel heute morgen gelesen. Die Kapitel sind leider nicht nummeriert, es gibt nur einen größeren Absatz zum nächsten hin.


    Inzwischen bin ich auf S. 138 der Suhrkamp-Ausgabe und damit beim Beginn des sechsten Kapitels. Diese sind ja tatsächlich nur durch Initialen gekennzeichnet und beginnen noch nicht mal jeweils auf einer neuen Seite, obwohl jedes Kapitel bisher mindestens zwanzig Seiten lang ist. Das macht die Absprache etwas schwierig. Da in dem Nachwort meiner Ausgabe aber auf gezählte Kapitel Bezug genommen wird, trage ich mir jetzt auf der Vorsatzseite die Seiten zu den Kapiteln ein, die ich begonnen habe.


    Ich bin nicht ganz sicher, ob ich den Anfang als zäh empfunden habe. Er war schwierig, weil die vielen unterschiedlichen Benamsungen mich irritiert hatten, aber ich fand ihn sehr gelungen.
    Nun, seitdem wir Ana näher kennen lernen, wird es viel einfacher, da sich die Anzahl der Protagonisten bei gleichzeitiger näherer Charakterisierung deutlich reduziert.
    Man bekommt wirklich Mitleid mit der Protagonistin und kann sich das Kopfschütteln über die bigotte und auch einfach widerliche Mobberei gegenüber dem Kind und dem Teenager Ana nicht verkneifen. Man hat wirklich den Eindruck, dass Menschen, denen keine Möglichkeit geboten wird, sich frei zu entfalten und sinnvoll tätig zu sein, was für adelige und höher gestellte bürgerliche Frauen, aber auch viele Männer, bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts oft die Realität war, nichts anderes zu tun hatten, als Gift zu spritzen und ihre Mitmenschen, die auch nur ein kleines bisschen abwichen oder denen man eine verdächtige Abkunft unterstellte, mit ihrer üblen Nachrede zu peinigen. Das galt natürlich insbesondere für so eine Kleinstadtgesellschaft mit ihrer überschaubaren Anzahl, in der man solchen Gerüchten nicht entkommen konnte.
    Auch die anderen Reaktionen, die Hysterie und die wohl neurotisch ausgelösten Fieber- und Migräneanfälle, haben wohl damit und mit der gesellschaftlich verordneten Triebunterdrückung zu tun.
    Clarín seziert hier sehr scharf und schafft ein schlüssiges Charakterbild der Titelfigur. Sie hat nun geheiratet, und ich bin gespannt, wie sich ihre bisherige Entwicklung auf das Eheleben mit diesem eleganten Langweiler auswirken wird. Davon bekommen wir ja schon zu Beginn des eigentlichen Auftritts von Ana in Kapitel 3 eine Vorstellung, bevor der Rückblick beginnt.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ich habe mich bei meiner Erstlektüre schon gefragt, was mit Anas Ehemann eigentlich nicht stimmt, dass er mit dieser schönen, jungen und offensichtlich liebebedürftigen Frau so gar nichts anzufangen weiß und lieber in aller Herrgottsfrühe Jagdausflüge mit seinem Freund macht, statt sich um sie zu kümmern.
    Ich bin ein paar Tage verreist, nehme das Buch aber mit :zwinker:


    Meine Ausgabe ist übrigens eine gebundene aus dem Insel-Verlag, übersetzt von Egon Hartmann, mit einem Nachwort und erklärenden Anmerkungen am Ende.

  • Sehr viel weiter bin ich noch nicht gekommen. Ich befinde mich im zweiten Kapitel. Meine Insel-Taschenbuchausgabe hat übrigens schon numerierte Kapitel.


    Ich bin gespannt darauf, wann die Handlung dann mal loslegt. Die ausführlichen Beschreibungen der diversen Herren sind auf die Dauer eher verwirrend. Mir sagen diese klerikalen Titel nichts, und es helfen leider die Anmerkungen im Buch auch nicht, dass ich mir da klarere Vorstellungen machen kann.


    Gut gefällt mir die Ironie, die immer wieder aufblitzt, z.B. bei der Handlung um die beiden Provinzler, die eine Führung durch die Kathedrale bekommen.


    Bis Mitte kommender Woche werde ich wohl wenig zum Lesen kommen und wahrscheinlich auch nicht ins Forum. Ich melde mich dann ab Donnerstag wieder :winken:.

  • Mittlerweile bin ich im siebten Kapitel angekommen. Die Schilderung von Anas Vergangenheit war ganz interessant, ab Kapitel sechs gibt es aber wieder hauptsächlich Schilderungen der diversen Bürger von Vetusta. Auch wenn da ziemlich skurrile Personen dabei sind, kann ich mir doch nicht wirklich merken, wer wer ist. Der Erzählstil von Clarín ist sehr angenehm zu lesen, trotzdem hoffe ich auf mehr Handlung :smile:.


    Vielleicht erfährt man ja noch etwas mehr über die Ehe zwischen Ana und Quintanar. Momentan wirkt es so, als wäre er ein älterer Herr (damals war man das ja wohl schon ab 40, sein Alter ist aber nicht ganz klar; zur Hochzeit ist er ja 40 und ein paar Jährchen), der wenig Interesse an einer Liebesbeziehung hat und lieber seinen Hobbies nachgeht.


  • Vielleicht erfährt man ja noch etwas mehr über die Ehe zwischen Ana und Quintanar. Momentan wirkt es so, als wäre er ein älterer Herr (damals war man das ja wohl schon ab 40, sein Alter ist aber nicht ganz klar; zur Hochzeit ist er ja 40 und ein paar Jährchen), der wenig Interesse an einer Liebesbeziehung hat und lieber seinen Hobbies nachgeht.


    Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Quintanar wohl impotent oder vielleicht anders orientiert ist, mittlerweile auch in seinen Fünfzigern, denn die Handlung der Hauptzeitebene beginnt anscheinend einige Jahre, vielleicht sechs bis acht, nach der Eheschließung. Im 9. oder 10. Kapitel wird erwähnt, dass Ana, wenn sie denn kein Verhältnis begönne, keinerlei körperliche Beziehung hat.
    Mir gefällt der Schreibstil Claríns nach wie vor sehr gut: Er schafft dichte atmosphärische Bilder. Im neunten Kapitel wird der Rückweg Anas von einem Ausflug vor die Stadt nach Hause geschildert. Es entsteht ein wirklich eindrucksvolles Bild der abendlichen Atmosphäre dieser Oviedo nachgebildeten Kleinstadt.
    Damit ihr nachkommt, habe ich jetzt erstmal eine Pause nach dem 10.Kapitel eingelegt.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Da in meiner Ausgabe die Kapitel nicht nummeriert sind, wäre ich sehr dankbar, wenn mir jemand kurz sagen könnte, wie das 10. Kapitel beginnt?


    Ich habe eben das Kapitel gelesen, das damit anfängt, dass Ana sich weigert, mit ins Theater zu gehen, da sie am Folgetag kommunizieren wolle. Sie bleibt also allein zu Hause, während ihr Mann und alle Bekannten mitfahren. Danach folgt die meiner Meinung nach ungemein sprechende Szene mit der Fuchsfalle.


    Grüße von Zefira


  • Da in meiner Ausgabe die Kapitel nicht nummeriert sind, wäre ich sehr dankbar, wenn mir jemand kurz sagen könnte, wie das 10. Kapitel beginnt?


    Ich habe eben das Kapitel gelesen, das damit anfängt, dass Ana sich weigert, mit ins Theater zu gehen, da sie am Folgetag kommunizieren wolle. Sie bleibt also allein zu Hause, während ihr Mann und alle Bekannten mitfahren. Danach folgt die meiner Meinung nach ungemein sprechende Szene mit der Fuchsfalle.


    Grüße von Zefira


    Liest du vielleicht auch die Suhrkausgabe oder vielleicht einen gleichen Druck? Bei mir beginnt, wenn ich mich nicht verzählt habe, das 10. Kapitel auf S.231 mit den Worten: "Punkt acht Uhr rollte die Kalesche ...". Wenn du das vorhergehende, also neunte Kapitel beendet hast, sind wir jetzt gleichauf bzw. hinke ich hinterher, weil ich erst heute das eingeschobene Buch beendet habe. Jetzt wende ich mich wieder der Präsidentin zu. Wegen der Zwischenzeit weiß ich leider nicht mehr, was es mit der Fuchsfalle auf sich hat ... :rollen:. Aber es kann sein, dass du dann schon das 10. Kapitel gelesen hast und darin die Fuchsfalle vorkommt, denn da geht es ja auch nochmal darum, ob Ana mitkommt oder nicht.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ah, danke. Dann haben wir die gleiche Ausgabe, denn auch in meiner beginnt das Kapitel (ohne Nummer) auf Seite 231 mit den gleichen Worten. Die Fuchsfalle tritt wenig später in Erscheinung.
    Meine Ausgabe ist, wie gesagt, ein Hardcover vom Insel Verlag, aber das heißt vielleicht nichts, ich kenne mich in der Verlagswelt nicht aus.
    Inzwischen bin ich im darauffolgenden Kapitel, in dem es um den Generalvikar geht, sein Privatleben. Er scheint große Befriedigung daraus zu ziehen, dass ihm die Präsidentin in der "Generalbeichte" so viel Persönliches anvertraut hat.


  • Inzwischen bin ich im darauffolgenden Kapitel, in dem es um den Generalvikar geht, sein Privatleben. Er scheint große Befriedigung daraus zu ziehen, dass ihm die Präsidentin in der "Generalbeichte" so viel Persönliches anvertraut hat.


    In diesem Kapitel bin ich jetzt auch angelangt. Es ist erstaunlich, welch enge geistige Beziehung ein Beichvater zu einem Beichtenden haben kann. Ripamilan scheint ja eher die "Schmalspurbeichte" zu bevorzugen, während de Pas da die religiösen und philosophischen Elemente extrem hervorhebt. Er scheint das ganze für ihn relevante Vetusta auszuhorchen und vermutlich auch zu beeinflussen.


    Ana scheint die fehlende körperliche Beziehung zu ihrem Mann nicht gut zu tun. Da sie allerdings zu tugendhaft ist, um sich einen Liebhaber (oder deren mehrere) zu nehmen, hat sie es nun mit den Nerven. (Oder Hysterie? Oder war das das Gleiche?) Ripamilan vertraut sie de Pas an, da er mit ihr nicht mehr zurecht kommt. Witzig, dass er ihr auch am liebsten einen Liebhaber besorgen würde... Das nächstbeste ist dann de Pas als Beichtvater.


    Don Álvaro scheint sich auch eine schwierige Aufgabe gestellt zu haben. Mal sehen, zu wem sich Ana wohl mehr hingezogen fühlt.

  • Die Bedeutung des Beichtvaters erstaunt mich immer wieder in Romanen aus jener Zeit. Ich denke da speziell auch an die Romane von Eça de Queiroz. Dort habe ich Passagen gefunden, in denen die Beichtväter geradezu stöhnen über die Spitzfindigkeit ihrer Beichttöchter. Da hat zum Beispiel eine Frau, die vor der Kommunion nüchtern bleiben soll, in Gedanken ein paar Brotkrümel aufgepickt und verwickelt ihren Beichtvater darüber in endlose Diskussionen, bis dieser, ein nicht übermäßig intellektueller Priester, die Dame an einen jüngeren und in der Theorie bewanderten Kollegen verweist.


    Es hat den Anschein, als hätten Frauen der Gesellschaft in der damaligen Zeit einfach keine andere Möglichkeit, ihren Geist zu beschäftigen, als sich mit abgehobenen und weltfremden Fragen der Religion zu befassen.


    Die "Präsidentin" ist derart durchsetzt mit ausscheifenden Gedankengängen, dass ich mich immer wieder freue, wenn ich auf eine Szene stoße, die unmittelbar sinnlich wirkt. Dazu gehört natürlich die mit der Fuchsfalle, wenig später auch die mit der Schaukel bei der Landpartie und auch die Szene, als de Pas nachts auf der Straße ruhelos auf und ab tigert und dabe eine Fledermaus beobachtet.

  • off topic: Eigentlich ist das hier doch eine richtige Leserunde... . Vielleicht fragen wir sandhofer, ob er das Thema in die Leserunden verschiebt?!



    Die Bedeutung des Beichtvaters erstaunt mich immer wieder in Romanen aus jener Zeit. Ich denke da speziell auch an die Romane von Eça de Queiroz. Dort habe ich Passagen gefunden, in denen die Beichtväter geradezu stöhnen über die Spitzfindigkeit ihrer Beichttöchter. Da hat zum Beispiel eine Frau, die vor der Kommunion nüchtern bleiben soll, in Gedanken ein paar Brotkrümel aufgepickt und verwickelt ihren Beichtvater darüber in endlose Diskussionen, bis dieser, ein nicht übermäßig intellektueller Priester, die Dame an einen jüngeren und in der Theorie bewanderten Kollegen verweist.


    Es hat den Anschein, als hätten Frauen der Gesellschaft in der damaligen Zeit einfach keine andere Möglichkeit, ihren Geist zu beschäftigen, als sich mit abgehobenen und weltfremden Fragen der Religion zu befassen.


    Mich hat erstaunt, wie stark der Roman mit klerikalen Themen durchsetzt ist. Meine Kenntnis der spanischen Literatur ist marginal, um es positiv auszudrücken, daher wusste ich nicht, dass da eine gewisse Tradition besteht, danke für den Hinweis auf Eca de Queiroz, der steht auch auf meiner Leseliste.
    Natürlich müsste man aus Kenntnis der spanischen Geschichte darauf gefasst sein, dass die katholische Kirche und ihr Wirken auch in der Literatur stärker verarbeitet wird. Meistens finde ich das sehr interessant, nur wenn es allzu sehr in die Einzelheiten geht und auf alle möglichen theologischen Traditionen angespielt wird, geht es mir etwas auf den Geist (wie in der zweiten Hälfte des 12. Kapitels).
    Aber der Druck, der insbesondere durch die Kirche in frommen bzw. bigotten Häusern auf die Frauen ausgeübt wurde, wird - glaube ich - durchaus realitätsnah geschildert. Die Ausführungen von Don Robustiano über die Töchter des Hauses Carraspique sind heftig, aber wohl durchaus auf viele Töchter der damaligen Zeit zutreffend. Und das galt ja nicht nur für Spanien, sondern auch für dessen Kolonien: In Peru zum Beispiel habe ich in Arequipa ein Frauenkloster gesehen, das so groß ist wie ein Stadtteil, und in dem die adeligen Mädchen und Frauen bis zu ihrem Lebensende weggeschlossen wurden.



    Die "Präsidentin" ist derart durchsetzt mit ausschweifenden Gedankengängen, dass ich mich immer wieder freue, wenn ich auf eine Szene stoße, die unmittelbar sinnlich wirkt. Dazu gehört natürlich die mit der Fuchsfalle, wenig später auch die mit der Schaukel bei der Landpartie und auch die Szene, als de Pas nachts auf der Straße ruhelos auf und ab tigert und dabei eine Fledermaus beobachtet.


    Die beiden letzten Szenen habe ich noch nicht gelesen, aber du hast durchaus Recht. Man freut sich auf die Abwechslung. Wobei ich die ausführlichen Personenbeschreibungen durchaus schätze, gerade auch wenn sie so überraschende Wendungen wie beim Generalvikar machen, den ich als zunächst als unabhängig selbstherrlich vermutete, der aber unter dem Pantoffel seiner macht- und raffgierigen Mutter steht.



    Ana scheint die fehlende körperliche Beziehung zu ihrem Mann nicht gut zu tun. Da sie allerdings zu tugendhaft ist, um sich einen Liebhaber (oder deren mehrere) zu nehmen, hat sie es nun mit den Nerven. (Oder Hysterie? Oder war das das Gleiche?)


    Ich denke auch, dass die im 19. Jahrhundert häufig diagnostizierte "Krankheit" Hysterie bei adeligen und wohlhabenden bürgerlichen Frauen ganz viel einerseits mit Triebunterdrückung, andererseits mit dem mehr oder weniger gesellschaftlich verordneten Verbot sinnvoller und erfüllender Tätigkeiten zu tun hatte.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ich habe gerade das Kapitel gelesen, in dem de Pas' Kindheit und Jugend geschildert wird, vor allem, wie seine Mutter es geschafft hat, ihn Theologie studieren zu lassen. Sie hat dafür offenbar einige Opfer gebracht und lässt keine Gelegenheit aus, ihn daran zu erinnern.
    Ich hätte gern, sobald ihr an dieser Stelle seid, eure Meinung zu diesem Kapitel. (Leider wie gesagt bei mir ohne Nummer ...)


    Grüße von Zefira


  • Mich hat erstaunt, wie stark der Roman mit klerikalen Themen durchsetzt ist. Meine Kenntnis der spanischen Literatur ist marginal, um es positiv auszudrücken, daher wusste ich nicht, dass da eine gewisse Tradition besteht, danke für den Hinweis auf Eca de Queiroz, der steht auch auf meiner Leseliste.
    Natürlich müsste man aus Kenntnis der spanischen Geschichte darauf gefasst sein, dass die katholische Kirche und ihr Wirken auch in der Literatur stärker verarbeitet wird. Meistens finde ich das sehr interessant, nur wenn es allzu sehr in die Einzelheiten geht und auf alle möglichen theologischen Traditionen angespielt wird, geht es mir etwas auf den Geist (wie in der zweiten Hälfte des 12. Kapitels).
    Aber der Druck, der insbesondere durch die Kirche in frommen bzw. bigotten Häusern auf die Frauen ausgeübt wurde, wird - glaube ich - durchaus realitätsnah geschildert. Die Ausführungen von Don Robustiano über die Töchter des Hauses Carraspique sind heftig, aber wohl durchaus auf viele Töchter der damaligen Zeit zutreffend. Und das galt ja nicht nur für Spanien, sondern auch für dessen Kolonien: In Peru zum Beispiel habe ich in Arequipa ein Frauenkloster gesehen, das so groß ist wie ein Stadtteil, und in dem die adeligen Mädchen und Frauen bis zu ihrem Lebensende weggeschlossen wurden.


    Die Geschichte von den Carrespique-Töchtern hat mich ziemlich entsetzt. Dass die katholische Kirche nicht gerade zimperlich war, ist schon klar, aber dass hier ein Priester so einfach das Mädchen zum Tode verurteilt, obwohl sie vielleicht noch gerettet werden könnte, ist schon heftig. Er opfert alles den Interessen der Kirche... Und die Eltern vertrauen ihm blind...


    Ein Beichtvater scheint damals bei den Frauen der oberen Schichten schon fast so etwas wie ein Psychotherapeut gewesen zu sein. Endlich beschäftigt sich mal jemand mit ihnen und ihren Gedanken und Problemchen. Wenn der Priester aber sehr berechnend ist, wie Don Fermín, dann ist das schon richtig heftig. Er kann ganze Teile der Gesellschaft manipulieren.


    Der Bischof hat mir dagegen ganz gut gefallen. Im Gegensatz zu Don Fermín jemand, der seinen Glauben lebt und ihn weitergeben möchte, statt Macht anzustreben. Dafür wird er dann aber auch nicht ernst genommen.


    Momentan bin ich mitten im 12. Kapitel, das sich etwas zieht für meinen Begriff. Ich kann nicht sagen, ob ich während der Woche viel zum Lesen komme. Es kann also noch etwas dauern, bis ich zu Don Fermíns Kindheit komme.