Karl Leberecht Immermann: Die Epigonen


  • Es fand im folgenden Kapitel statt... Doch ja, nicht übel. Allerdings fand ich den Schluss des Kapitels weit witziger, wo Hermann gegenüber Flämmchen plötzlich von Fleischeslust geplagt wird, weil er die Sturzbesoffene nach Hause trägt und sich dabei ihr zarter weisser Busen entblösst...


    Das gehört zur Gesamtheit der Szene. Auch wieder so eine Anspielung auf Goethes Mignon.
    Gut ist Immermann immer dann (hach, ein Binnenreim!), wenn er sich über das Menschlich-Allzumenschliche lustig macht. Wenn er's ernst meint oder so wirkt (man weiß ja nicht ...), dann wird's häufig empathisch und kitschig.

  • Das gehört zur Gesamtheit der Szene. Auch wieder so eine Anspielung auf Goethes Mignon.
    Gut ist Immermann immer dann (hach, ein Binnenreim!), wenn er sich über das Menschlich-Allzumenschliche lustig macht. Wenn er's ernst meint oder so wirkt (man weiß ja nicht ...), dann wird's häufig empathisch und kitschig.


    Das ist mein Problem mit den Epigonen. Ich werde den Verdacht nicht los, dass er sich hier - im Gegensatz zum Münchhausen - eben nicht lustig macht. Und dann eben bierernsten Kitsch abliefert.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Das Kuddelmuddel geht weiter und ich hab' den Eindruck, die bedeutungsschwangeren Objekte vermehren sich exponential. Ich bin jetzt am Ende von Buch 2 und werde ab sofort schneller lesen, sonst werfe ich das Buch noch vor dem Schluss in eine Ecke. (Des Regals.)

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  • Buch 3, mit seiner Satire nicht nur verschiedener pädagogischer Stile, sondern auch A. W. Schlegels, ist nun auf der Höhe. So liebe ich meinen Immermann!

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  • Buch 3, mit seiner Satire nicht nur verschiedener pädagogischer Stile, sondern auch A. W. Schlegels, ist nun auf der Höhe. So liebe ich meinen Immermann!


    Das dachte ich mir. Auch für mich bisher der Höhepunkt!


    Freuen kannst du dich aber auch auf die Vorbereitungen und das mittelalterliche Fest am Herzogshof.


    Ich weile jetzt mit Karl May im Orient, werde aber am WE auch ein bisschen mit Immermann fortfahren.

  • Freuen kannst du dich aber auch auf die Vorbereitungen und das mittelalterliche Fest am Herzogshof.


    Habe ich mittlerweile auch hinter mir. Ich werde nun beschleunigt durchlesen. So, ohne immer auf Details zu achten, geht's bisher besser.

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  • Dann kommt das Demagogenbuch. Mir will mehr und mehr scheinen, Immermann versucht anhand seines Protagonisten Hermann eine Rundum-Übersicht zu bieten über das Deutschland der Mitte des 19. Jahrhunderts; und er schert sich dabei keinen Teufel darum, ob die Story als solche noch plausibel bleibt.

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  • So, ich habe fertig. Wie schon im Münchhausen: Zum Schluss packt Immermann der Furor, seine Liebesgeschichte endlich zu einem Happy Ending zu treiben, und er vergisst alle übrigen Handlungsstränge, alle angefangene Satire, alles. Dafür packt er das ganze Arsenal an romantischer Grusel- und Verwirrungstechnik aus. Schade.

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  • Nun hast du aber ganz schön Gas gegeben. Sehr gute Stellungnahme! Danke dafür.


    Ich befinde mich jetzt auch in Berlin. Hier bin ich wohl noch im lohnenswerten Teil und amüsiere mich über die gesellschaftlichen Fehden in Bezug auf die schönen Künste. Madame Meyer scheint mir nicht ganz erfunden, aber in den Anmerkungen meiner Ausgabe finde ich keinen Verweis. Man lernt auch auf unterhaltsame Weise eine ganze Menge über die Kultur- und politische Geschichte jener Zeit.


    Und die schöne Seele Goethes aus dem Wilhelm Meister wird banalisiert, wenn Johanna sagt:
    "[...] so möchte ich glauben, daß mindestens für uns Frauen die Kunst nur d i e Geschichte hat, welche sie in der Gegenwart erlebt, wenn auf ihre Wunder der Blick einer reinen Seele fällt."


    Das mag vor dem Hintergrund der Darstellung des kunsthistorischen Gezänks seine Berechtigung haben, zeigt hier aber auch das reaktionäre Frauenbild Immermanns, der den Frauen öfters den tätigen Verstand abspricht und ihnen nur einen intuitiven Zugang zu den Dingen zutraut.

  • Madame Meyer ist, wenn ich mich recht erinnere, Jüdin. Sie wird also wohl ein Amalgam sein aus den verschiedenen Jüdinnen, die zu der Zeit in Berlin Hof ... äh, pardon ... Salon hielten.

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  • Nun bin ich endlich in dem Buch, weswegen ich damals den Roman in einem Proseminar zum Thema "Industrieliteratur " gelesen habe. Hermann ist bei seinem Oheim und sieht sich die Industriebetriebe und deren Verwaltung an. Was mir an Immermanns "Epigonen" so gefällt, obwohl das wenig mit großer Literatur zu tun hat: Man bekommt im O-Ton mit, wie es damals war, wenn auch natürlich durch Immermanns Brille: Aber hier erfährt man, wie einige Zeitgenossen die Umweltzerstörung wahrnahmen, aber auch neue effektive Wirtschaftsformen, wie sie Hermanns Onkel in der Form des honorierten Delegierens praktiziert.


    Leider ist Hermann jetzt schon wieder in Berlin. Ich hätte gerne mehr über die Betriebe des Oheims erfahren.

  • Der realistische Teil seiner Romane (gilt auch für den "Münchhausen") ist um so vieles besser als der romantische. Der leider immer wieder die Oberhand gewinnt...

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  • Bin im vorletzten Buch: Ich verstehe überhaupt nicht, welcher Teufel Immermann geritten hat, an dieser späten Stellen den Autor, respektive Erzähler, in den Roman einzuführen: Ich sehe keine Not darin und finde nur, dass dieser Schachzug samt den dazugehörigen unbeholfenen Reflexionen den Erzählfluss extrem stören.

  • Die Epigonen habe ich zu Ende gelesen, den Münchhausen kenne ich nocht nicht. Wenn Münchhausen solch einen Schlussteil hat wie die Epigonen, dann ist Immermann der wahre Münchhausen. Im Gegensatz zu euch, finde ich das Vorgehen gegen Ende die Schwachstellen aufzudecken recht amüsant und ein Spiel mit den Lesern.
    Das Ende auf den letzten Seiten ist dann leider wieder sehr platt.

  • Was ganz nett ist und worin ich mit dir, Lost übereinstimme, ist die Idee, einige Dinge aus dem Off zu kommentieren. Aber das hätte früher schon passieren müssen, d.h.die Möglichkeit eines allwissenden Erzählers, der dennoch irgendwie auf der Ebene der Erzählung vorhanden ist, hätte früher angekündigt werden müssen.


    Im Gegensatz zu dir, sandhofer, finde ich allerdings nicht, dass Immermann sich in den letzten beiden Büchern sonderlich beeilt, Hermanns Liebes- und Lebensaffairen sowie der mit ihm Verbundenen aufzudecken.
    Im Gegenteil, Immermann schreibt hier ein Beispiellexikon des retardierenden Moments: Ich habe noch ca. 40 Seiten bis zum Ende des Romans und immer noch nicht ist Hermanns verwandschaftliche Verbindung zum Geschehen aufgedeckt.
    Außerdem finde ich, dass Immermann auch mit den Erwartungen des Lesers spielt und die eigene Erzählhaltung ironisiert: Vor VIII, 11 schreibt er - aus vorgegebener Sicht des Arztes:


    "Die folgenden Geschichten will ich Ihnen ohne Vorrede und Kommentar übersenden."



    Und dann tut er genau das in epischer Breite in Kap. 11.

  • Das Ende ist wie du, Lost, auch schreibst, wirklich grausig. Erstens ist Hermanns Lösung, alles wieder in den Zustand der Agrargesellschaft zurückzuführen, extrem hilflos und wurde so auch von vielen seiner Zeitgenossen empfunden, wie der Materialienteil meiner Ausgabe zeigt, zweitens ist die Schlussapotheose auch sprachlich auf dem Niveau von Gartenlaube-Fortsetzungsromanen.
    Nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass mich dieser Roman über Zeitbefindlichkeiten der 20er und 30er Jahre des 19. Jahrhunderts besser aufgeklärt hat als das meiste andere, was ich aus dieser Zeit gelesen habe und dass ich mich in den satirischen Teilen, also etwa einem Viertel des Buches, bestens unterhalten habe.