Mai 2003: Balzac - Die Frau von 30 Jahren

  • Hallo zusammen !


    Was meint ihr mit dem Ende des 1. Kapitels ? Grenville ist krank, er schleppt sich zu Julie, wohl um sie vor seinem Tod nochmals zu sehen (stirbt er an gebrochenem Herzen?), dann klemmt er sich die Finger in der Tür ein, hinter der er sich verstecken muß und schließlich (kommt das im 2. Kapitel?) steht er die ganze Nacht draußen auf dem Fenstersims - also ich finde das schon etwas stark übertrieben, eben sehr tragisch.


    Die erste Liebe Julies entpuppte sich als unreife Schwärmerei, die zweite Liebe war außerhalb ihrer Moralvorstellungen und scheitert daran. Die dritte Liebe: liebt sie wirklich oder läßt sie sich lieben?


    Leider bin ich noch nicht soweit, um das entscheiden zu können. Die Frage ist ja auch, wiviel Liebe läßt die Gesellschaft zu ? Oft wurden doch die Ehen von den Eltern bestimmt und ich glaube, niemand hätte da verlangt, die Liebe als Maßstab oder Grund der Ehe zu nehmen. Ist Julie damit nicht ziemlich exotisch ? Reduzierte sich eine Ehe nicht darauf, seine Rolle gut zu spielen, Kinder zu gebären und den Mann bedingungslos in seinen Wünschen zu unterstützen ? Könnte man Julie Konsequenz, die ich auch in der Lieblosigkeit zu ihrem Kind sehe, als emanzipatorisch betrachten ? Ich bin sehr gespannt, wie Balzac sich dazu stellt.



    Maria: Ich bin kein großer Philosophie-Experte, aber ich vermute, Balzac hat da so manches versteckt.
    Zitat Ludwig Feuerbach(1804-1872):"Erkennen wir, daß es kein Heil für die Menschen außer der Vernunft gibt! Der Glaube mag den Menschen beseligen, beruhigen; aber soviel ist gewiß: Er bildet, er erleuchtet nicht den Menschen; er löscht vielmehr das Licht im Menschen aus, um angeblich ein anderes, übernatürliches Licht an seine Stelle zu setzen."



    Gruß von Steffi

  • Hallo “zusammen”,


    “Die Ehe, diese Einrichtung, auf die sich die Gesellschaft heute stuetzt, laesst uns allein ihre ganze Last fuehlen;…”


    Julie heiratet keinen ihr voellig Unbekannten, doch schon wenige Monate nach ihrer Heirat bereut sie ihre Entscheidung. Wenn ich es richtig verstanden habe gibt es dafuer vor allem zwei Gruende: zum einen ist sie sexuell unbefriedigt; zum anderen hat sie sich in einen Mann verliebt, der als Offizier versprach, ihrem Maennerideal zu entsprechen (klug, faehig, fuehrend), und nun muss sie erkennen, dass der Marquis allenfalls ein “guter Kerl” ist.
    Ich glaube auch nicht, dass Balzac hier fuer “eine bessere Stellung” der Frau schreibt. Dafuer scheint er mir doch (alls allwissender gottgleicher Erzaehler) zu herablassend von den Frauen im allgemeinen zu schreiben.


    Fandet ihr Grenvilles Ende nicht auch slapstickhaft? Wie in den schwarz-weiss Filmen der 20er/dreissiger Jahren muss sich der Liebhaber (der noch nicht einmal zu seinem eigentlichen Ziel gekommen war) vor dem Ehemann verstecken, klemmt sich die Finger in der “Tuerspalte” (wer denkt da an etwas Anzuegliches?) ein und, wie wir im naechsten Kapitel erfahren, holt sich auf dem Fenstersims den Erkaeltungstod. “Diese Englaender wollen immer auffallen.”


    Vielleicht ist das Buch als einzige Parodie zu lesen?


    Gruss
    Antonio

  • Zitat von "Hubert"

    Hallo Maria,



    Mein Urteil erfolgt am Ende des 1. Kapitels.


    richtig. Das hab ich übersehen, war wohl gestern schon zu spät.

    Zitat


    Effi liebte ihren Mann auch nicht, aber auch nicht Crampas. Trotzdem gab sie einer Laune nach und setzte nicht nur ihr Glück, sondern auch das Glück ihrer Tochter aufs Spiel. Eigentlich sinnlos.


    Trotz aller Sinnlosigkeit, ist mir bis jetzt Effi sympathischer. Ist das unlogisch?


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    ich habe eben in meiner Mittagspause den Seeraeuber-Teil und damit fast zuende gelesen.
    Danach wird es mir wirklich schwer fallen, diesen Roman ernst zu nehmen und in naher Zukunft noch einmal Balzac aufzuschlagen. Ich bin gespannt, was ihr sagen werdet...


    Gruss
    Antonio

  • Die stellen, die mir sehr gut gefielen, zB die schilderung der parade, sowie die präzise beschreibung der psyche dieser frau halfen mir über die stellen mit fragwürdiger qualität (seeräubergeschichte) hinweg.
    Letztlich hat mich aber dieses buch, mein erstes von balzac, von der qualität des autors überzeugt. Die danach gelesenen werke, goriot und grandet, fand ich in ihrer qualität viel homogener.
    Ich habe dieses buch auch als anklage gegen das gefängnis der ehe gelesen, das den fehler, einen mann geheiratet zu haben, der nicht nur in sexueller hinsicht ihren ansprüchen nicht genügt, nicht mehr rückgängig machen läßt.
    Der zweite faden aber, den ich beim lesen vor mir sah, war das leiden an sich. Ich habe von anfang an sie nicht nur einfach für unglücklich gehalten, sondern ich habe den roman stellenweise als beschreibung einer echten depression gelesen. Dies würde auch die frage, was das leiden eigentlich auslöste (nur die unglückliche ehe, bzw. der tod des geliebten?), relativieren, indem sie eine medizinische wird. Auch die fehlende liebe zur ersten tochter würde hierzu passen.
    Antonio: ich finde, balzac hat eine zweite chance verdient!
    gruß hafis

  • Hallo zusammen,


    Antonio hat geschrieben:
    Julie heiratet keinen ihr voellig Unbekannten, doch schon wenige Monate nach ihrer Heirat bereut sie ihre Entscheidung. Wenn ich es richtig verstanden habe gibt es dafuer vor allem zwei Gruende: zum einen ist sie sexuell unbefriedigt


    Hallo Antonio, ich glaube, da hast Du was missverstanden. Meiner Meinung nach ist genau das Gegenteil der Fall: Ist es nicht das alte Lied: Junges Mädchen heiratet jungen Mann, sie will Zärtlichkeit, er Sex, er ist unerfahren, sie hat deshalb keinen Spaß dabei, ja leidet sogar (und er geht letztendlich fremd). Das Gespräch zwischen Julie und der Marquise de Listomère-Landon zeigt es deutlich: „Wenn uns bei Tisch eine Speise nicht schmeckt, sollen wir sie niemandem verekeln“, sagt die Tante als sie Julies Brief gelesen hat und später: „Also, Sie lieben Victor,...? Aber Sie möchten lieber seine Schwester sein als seine Frau und die Ehe bekommt Ihnen schlecht?“ – „Nun ja, wirklich, Tante. ...“ bestätigt Julie und vorher: „Ich leide und schäme mich zu leiden, wenn ich Victor über das glücklich sehe, was mich zu Tode martert.“


    Antonio hat geschrieben:
    Vielleicht ist das Buch als einzige Parodie zu lesen?


    Das ganze Buch nicht, aber das erste Kapitel auf jeden Fall. Nicht umsonst hat Frank darauf hingewiesen, dass der erste Teil des ersten Kapitels zuerst in der Zeitschrift „La Caricature“ veröffentlicht wurde: Der alte Vater, der sich mit der hübschen Tochter schmückt: „Man hält dich für meine Frau“, sagte er dem jungen Mädchen ins Ohr, wobei er sich straffte und mit einer Langsamkeit dahinschritt, die die Kleine zur Verzweiflung brachte; der kleine, fette Kaiser für den die Sonne die Wolken vom Himmel gejagt hatte; der wohlproportionierte Ordonnanzoffizier mit der schönen himmelblauen Uniform und dem unvermeidlichen schwarzen Schnurrbart der fast vom Pferd fällt, weil der prächtige Rappen vor einem Schatten scheut – das ist kein derber Humor, sondern französische caricature, und zwar vom Feinsten – und meiner Meinung nach meilenweit von Trivialliteratur entfernt und am Schluß eine slap stick Szene mit einem dummen, nichtsahnenden Ehemann und einem Engländer, der wieder mal den Sonderling gespielt hat und dabei den Tod fand ( Steffi: Wie kommst Du darauf, dass sich der Engländer krank zu Julie schleppt? Habe ich da was überlesen?) – dazwischen philosophische und psychologische Ansichten auf höchstem Niveau, - kann Literatur besser sein?


    Antonio hat geschrieben:
    ich habe eben in meiner Mittagspause den Seeraeuber-Teil und damit fast zuende gelesen.
    Danach wird es mir wirklich schwer fallen, diesen Roman ernst zu nehmen


    Na, da bin ich ja mal gespannt, aber kann man einen Roman und noch mehr ein ganzes Werk nach einem Teil beurteilen oder muss man nicht das ganze sehen.


    Das zweite Kapitel: Unbekannte Leiden


    Nach der „caricature“ ein philosophischer Essay über Ehe, Religion usw. der mit einem gesellschaftlichen Rundumschlag (über Herrenhäuser, die erst mit behördlich genehmigten Steuererpressungen gebaut und jetzt mit dem Hammer des Code civil zerschlagen wurden) beginnt und mit einem Satz im vorletzen Absatz endet (Die Melancholie setzt sich aus einer Reihe ähnlicher seelischer Schwingungen zusammen, deren erste an die Verzweiflung, deren letzte aber an die Lust grenzt. In der Jugend ist sie die Morgendämmerung, im Alter das Abendrot), der auch als Zusammenfassung des gerade von mir gelesenen Romans „Niels Lyhne“ durchgehen könnte. Jacobsen hat allerdings fast 50 Jahre nach Balzac für diese Aussage einen ganzen Roman gebraucht.


    Den allerletzten Satz des 2. Kapitels habe ich allerdings nicht ganz verstanden: Der Priester hatte gegen diese arme Artemisia Ephesus nur allzu recht behalten. Wer kann mir da helfen?


    Maria hat geschrieben
    Trotz aller Sinnlosigkeit, ist mir bis jetzt Effi sympathischer. Ist das unlogisch?
    Hallo Maria,
    kann sein, dass es unlogisch ist, aber mir geht es genauso. Das ist aber wahrscheinlich nur Fontanes Kunst, nicht logischer Überlegung zu verdanken.


    Gruß von Hubert . .

  • Hallo zusammen


    Zitat

    ( Steffi: Wie kommst Du darauf, dass sich der Engländer krank zu Julie schleppt? Habe ich da was überlesen?)


    da ich heute das 1. Kapitel nochmals gelesen habe, ist es mir frisch und ich glaube Steffi hat nichts dagegen, wenn ich mal die Stelle zitiere, die sie vielleicht meint:


    es findet sich gegen Ende Kapitel 1:


    Als sie Arthur blaß, mager und eingefallen sah, war keine Strenge mehr möglich.............


    .......Nun, Arthur, Sie haben mir nicht gehorcht.... "Ich habe die Sehnsucht nicht länger widerstehen können, Ihre Stimme zu hören, bei Ihnen zu sein. Es war eine Verrücktheit, ein Wahnwitz. Ich bin nicht mehr Herr meiner selbst. Ich habe mich lange geprüft, ich bin zu schwach. Ich muß sterben.....


    wie Hafis es erwähnt, würde ich es eine tiefe Depression nennen bis zu Lebensunlust. Der Tod wurde von Arthur willkommen geheißen, als er so geschwächt, dann auch noch auf dem Sims ausharren mußte. Ihrer Ehre wegen *seufz*.


    Zitat

    Den allerletzten Satz des 2. Kapitels habe ich allerdings nicht ganz verstanden: Der Priester hatte gegen diese arme Artemisia Ephesus nur allzu recht behalten. Wer kann mir da helfen?


    Artemisia von Ephesus war, soviel ich weiß, eine Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttin (steht nicht eine Statue in einem Berliner Museum?). Der Pfarrer wollte sie doch zur Religion führen, aber was am Ende blieb, enttäuschender weise für ihn, war daß sie in seinen Augen eine heidnische Göttin blieb, nicht anders handelnd als ihr Schicksal ihr zuschrieb:


    Sie sind verloren, Frau Marquise, sagte der Pfarrer ernst und mit tränenerstickter Stimme; "Sie werden in die Welt zurückkehren und werden die Welt betrügen. Sie werden eine Entschädigung für Ihre Leiden haben wollen und werden etwas suchen und etwas finden, was Sie dafür ansehen; und eines Tages werden Sie für Ihre Lüste zu büßen haben"..


    Wieder macht hier ein Mann (der erste war ihr Vater) eine Prophezeiung.
    Auch stimmt es mich nachdenklich, daß die Männer die ihr nahe stehen, sterben. Ihr Vater und Arthur. Bin schon gespannt was aus Charles wird. (eine traurige Episode über den kleinen Charles gibt es im 4. Kapitel).


    Interessanterweise weiß Balzac gleich im 1. Kapitel auf Julies Egoismus hin:


    Der Unbekannte mußte der Vater des Mädchens sein, das, ohne ihm zu danken, vertraulich seinen Arm nahm...


    Hubert, deiner Äußerung über Fontane kann ich nur zustimmen.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Hubert


    Zitat

    Den allerletzten Satz des 2. Kapitels habe ich allerdings nicht ganz verstanden: Der Priester hatte gegen diese arme Artemisia Ephesus nur allzu recht behalten. Wer kann mir da helfen?


    In meiner Ausgabe von Goldmann steht dazu eine Anmerkung:


    Balzac schreibt >Artémise d´Ephèse<, meint damit aber schwerlich die antike Gottheit Artemis (Diana), deren Tempel zu Ephesus eins der sieben Weltwunder war (siehe auch Apostelgeschichte, Kap. 19), sondern spielt auf die antike Komödie von der ephesischen Witwe an, die ihrem Gatten in den Tod folgen will, aber schnell einen Nachfolger für ihn findet. Der Stoff ist vielfach, auch von Lessing, bearbeitet worden.


    Viele Grüße
    ikarus

    &quot;Der Umgang mit Büchern bringt die Leute um den Verstand&quot; (Erasmus von Rotterdam)

  • Hallo zusammen,
    [quote][quote]“Den allerletzten Satz des 2. Kapitels habe ich allerdings nicht ganz verstanden: Der Priester hatte gegen diese arme Artemisia Ephesus nur allzu recht behalten. Wer kann mir da helfen?”


    Ich habe einen recht interessanten link zu Artemis gefunden.
    http://www.frauennetz.de/familie/I-fa214.htm


    "Diese drei Göttinnen verkörpern den Aspekt der Unabhängigkeit, der Aktivität und den der Beziehungslosigkeit..."


    Moeglicherweise bezieht sich dieser Satz auf Julies Verurteilung der Ehe als “geheime Prostitution” und der Einforderung eines angeblichen “Gesetz der Natur” nach dem die “Wahl eurer Lebensgefaehrtin nur den Wuenschen des Herzens folgt!”
    Am Ende wird sich zeigen, dass auch Helene, die ausserehalb aller Konvention gerade ihrem Herzenswunsch folgt, (nach Balzacs Willen) erkennt: “Alles ist nutzlos….Das Glueck kann man nicht ausserhalb der Gesetze finden…”


    Ist der allwissende Erzaehler Balzac oder die Stimme des damaligen gesellschaftlichen Konsens?


    Es koennte sich auch auf die Prophezeiung beziehen, dass sie “in die Welt zurueckkehren und (…) die Welt betruegen” wird. Was sie ja in der Tat mit ihrem Verhaeltniss zu Charles tun wird.


    Gruss
    Antonio

  • Hallo Hubert, nun kann ich endlich den Expertenstatus an dich weitergeben, ich habe mich sowieso nicht wohl gefühlt in dieser "Schlaumeier-Rolle" :smile: Du hast völlig recht, ich hatte die Ausführung des Goldmann-Verlages etwas abgekürzt. Der Anfang des ersten Kapitels am 25.Nov.1830 und das ganze Kapitel dann im Oktober 1831 in der Reveu des Deux-Mondes. Aber du liest die Quelle in französisch wie mir scheint und ich die Übertragung von Ernst Sander. Französisch ist eine schöne Sprache, ist mir aber fremd. Aber ist es nicht faszinierend wie so ein Roman entsteht? Das ist Balzac, er hat ja auch seine Werke immer wieder umgeschrieben. Allein von "Louis Lambert" sollen 27 Fassungen existieren. Was ich noch zur "Frau von dreißig Jahren" sagen wollte, es ist ein tief tragisches Werk. Soll Euch aber nicht abschrecken. Achtet beim Lesen bitte mal auf die vielen Sinnsprüche, Lebensweisheiten, Sittenstudien, auf die wunderschönen Beschreibungen usw. Gerade in diesem Roman findet ihr eine Fülle dieser Aussagen. Manchmal kommen natürlich auch widersprüchliche Aussagen zur heutigen Zeit vor. z.B. richtet sich Balzac unter gewissen Umständen gegen die Emanzipation der Frau "Die Frauen zu emanzipieren heißt sie verderben". Aber denkt auch an die Zeit in der es entstand und die Rollen, die Frau und Mann wahrzunehmen hatten! Also ich halte mich erstmal zurück und möchte euch nicht weiter beeinflussen. Viel Spaß beim Lesen und danke Hubert. Frank.

  • Hallo Maria, ikarus und Antonio,


    vielen Dank für euere Hinweise. Mit der griechischen Göttin Artemis war ich nicht weitergekommen, aber der Hinweis mit der ephesischen Witwe, die todtraurig ist, aber schnell einen Nachfolger findet (von ikarus) ist natürlich die Lösung, obwohl auch das wird erst klar, wenn man das dritte Kapitel gelesen hat. .


    Grüße von Hubert

  • Hallo !


    Hubert: Wie Maria schon schrieb, gibt es mehrere Hinweise.
    Am Ende des 1. Kapitels erhält Julie den Brief von Grenville, sie erzählt ihrer Freundin


    "...du weißt es ja nicht, er stirbt und bittet mich, mir Lebewohl sagen zu dürfen..." Dann kommt
    Arthur
    "bleich, mager und abgezehrt",
    später sagt er zu Julie
    "Ich habe mich sehr genau untersucht, ich bin zu schwach geworden, ich muß sterben"
    vermutlich ist seine Krankheit, wegen der er sich ja
    in Frankreich aufhielt, wieder ausgebrochen.



    Der Unterschied, in dem Männer und Frauen von der Gesellschaft bewertet werden wird allein schon daran deutlich, dass Charles, "kaum 30 Jahre alt", immer als unerfahren und jugendlich bezeichnet wird, wohingegen Julie "30 Jahre alt" über den reichen Schatz der Erfahrung verfügt. Ich frage mich, warum dies so lang und breit und oft betont wird. Sicherlich auch ein Hinweis auf die Rolle des Mannes, denn nicht nur Julie spielt eine Rolle, wie ja auch Charles vermutet
    " ... fragte er sich eines Tages, ob die Marquise aufrichtig wäre ... Diese Frau ist entschieden sehr geschickt."

    Charles hingegen sehnt sich nach jemanden, den er lieben kann, der stärker ist als er, den er bewundern und anbeten kann. Das klingt doch ganz nach der jungen Julie - welche Erfahrungen macht er als Mann damit ?


    Ein Schlüsselsatz ist für mich
    "Lieben Sie mich." - "Ich werde sie lieben."
    Zu dieser Zeit läßt Balzac noch offen, wer liebt und wer geliebt werden will, später wird deutlich, daß Julie diejenige ist die sich lieben läßt. Dazu fällt mir folgender Satz ein, von wem weiß ich nicht, (bitte mein französisch zu entschuldigen) "Entre deux amourants il y a un qui aime et un qui se laisse aimer. " Also "Zwischen zwei Liebenden gibt es einen der liebt und einen der sich lieben läßt." Ich habe festgestellt, dass das oft zutrifft und eine gute Grundlage für eine Beziehung sein kann.


    Die philosophische Ebene geht mir nicht aus dem Kopf. Ich habe daher in meinem Buch Die philosophische Hintertreppe geblättert und wage mal folgende Theorien :
    Feuerbach hatten wir schon, dann kommt Blaise Pascal, der sich auch mit der Sucht der Zersteuung und der Angst des Alleinseins beschäftigt hat.
    "Der Gedanke an sich selbst ist deshalb unaushaltbar, weil sich darin dem Menschen
    die Trostlosigkeit seiner Existenz zeigt, er ahnt dass er unausweichlich dem Tod verfallen ist. Aber es heißt auch, groß zu sein, zu erkennen, daß man elend ist."
    (zitiert aus: W.Weischedel: Die philosophische Hintertreppe)


    Und dann beschäftigt mich die Theorie Balzacs, daß die gesellschaftlichen Gesetze und die Moral die Persönlichkeitsentfaltung hemmt, auf diese weist ja auch die ephesische Witwe hin. Julie sagt:
    "Die Ehe enttäuschte meine Hoffnungen, eine nach der anderen. Jetzt habe ich das gesetzlich erlaubte, wie das sogenannte strafbare Glück verloren, ohne überhaupt ein Glück gekannt zu haben."
    Es stellt sich doch auch die Frage,
    hat ein Mensch überhaupt ein Anrecht auf Glück ? Das ist auch das, was Antonio meinte.


    Das klingt ja fast ein bißchen nach Nietzsches Nihilismus, der, wenn ich das richtig verstehe, ja auch alle Werte über Bord werfen will:
    "Es ist nichts mit der Wahrheit. Es ist nichts mit der Moral. Es ist nichts mit der Religion."
    (zitiert aus: W.Weischedel: Die philosophische Hintertreppe) Der Mensch besinnt sich auf sich selbst, geleitet durch einen Willen zur Macht.


    Ich glaube, daß Balzac weiter gehen will, als Julies Handlungen einfach als depressiv zu erklären. Es stellen sich doch auch folgende Fragen:
    Was ist wichtiger, Moral und gesellschaftliche Zwänge oder persönlicher Egoismus ? Wie Maria ja schon schrieb, wird Julies Egoismus bereits am Anfang deutlich. Aber ist es überhaupt Egoismus, wenn man sein persönliches Glück sucht ?



    Gruß von Steffi

  • Hallo zusammen
    Hallo Steffi
    ich bin in der Philosophie nicht groß bewandert, aber was für Fragen und Gedanken du aufwirfst! Für mich sind das Punkte, wo es sich lohnt, nachzuforschen. Vielen Dank.


    Blaise Pascal wird ja auch im Buch erwähnt:
    Kapitel 3:
    "An Gott zweifeln heißt an ihn glauben".


    @Frank:

    Zitat

    Manchmal kommen natürlich auch widersprüchliche Aussagen zur heutigen Zeit vor. z.B. richtet sich Balzac unter gewissen Umständen gegen die Emanzipation der Frau "Die Frauen zu emanzipieren heißt sie verderben". Aber denkt auch an die Zeit in der es entstand und die Rollen, die Frau und Mann wahrzunehmen hatten!


    außerdem schreibt er:

    Die strenge Einschließung, die der Frau in Griechenland und im Orient geboten war und die jetzt in England Mode wird, ist für die häusliche Moral die einzige Schutzwehr; aber die Lustbarkeiten der Welt gehen unter der Herrschaft dieses Systems zugrunde: Gesellschaft, Umgangsformen, Eleganz des guten Tones sind alsdann nicht mehr möglch. Die Völker haben zu wählen.


    Sah Balzac die Moral wanken, wenn die Frau aus diesem häuslichen Schutzwall heraustritt?


    Zitat

    Ein Schlüsselsatz ist für mich
    "Lieben Sie mich." - "Ich werde sie lieben."


    Diese leidenschaftlichen Extremen fand ich auch in dem Ausruf:


    "Wir sind Sklavinnen" --- "Sie sind Königinnen".


    Zitat

    Was ist wichtiger, Moral und gesellschaftliche Zwänge oder persönlicher Egoismus ? Wie Maria ja schon schrieb, wird Julies Egoismus bereits am Anfang deutlich. Aber ist es überhaupt Egoismus, wenn man sein persönliches Glück sucht ?


    kommt wohl darauf an auf welchem Rücken ein Mensch sein persönliches Glück aufbaut. Wenn die Menschen in Julies nähere Umgebung leiden, sie aber dadurch ihr Glück findet, ist es für mich schon Egoismus. Gesellschaftliches System hin oder her.
    Wenn der Mensch ein passende Gegenstück gefunden haben mag (das zu deinem französischen Sprichwort passt), dann kann es bestimmt Glück bedeuten, aber der Gedanke ansich ist für mich eher trauriger Natur.


    Antonio und Ikarus, danke für die Erklärungen. Auf die ephesische Witwe wäre ich nie gekommen, habe nämlich noch nichts darüber gelesen. Weiß jemand wie das Stück von Lessing heißt?


    Antonio:

    Zitat

    "Diese drei Göttinnen verkörpern den Aspekt der Unabhängigkeit, der Aktivität und den der Beziehungslosigkeit..."


    auch diese Erklärung paßt sehr schön zu Julie.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo zusammen,


    vielen Dank, Maria und Steffi, für die Hinweise zu dem kranken Lord. Da hab’ ich wohl zu unaufmerksam gelesen. Passiert mir eigentlich selten, aber da ich euch hinterher hetze ..... –
    Und außerdem wirft Balzac so viele interessante Fragen auf, mit denen man sich beschäftigen kann. Z.B. hat Steff geschrieben:
    Es stellt sich doch auch die Frage,
    hat ein Mensch überhaupt ein Anrecht auf Glück ?


    Eine der Hauptfragen der Philosophie. Und die Dichter beantworten sie ja sehr unterschiedlich (siehe meine Beiträge im „Glücks-Thread“ vom 28. und 29.9.3), Aber es lohnt sich darüber nachzudenken.


    Das dritte Kapitel: „Mit dreißig Jahren“


    Eine hervorragende Gesellschaftsstudie, die uns u.a. die Politikverdrossenheit der Franzosen nach der Revolution und Napoleon zeigt:. Der Diplomat Charles verzichtet einfach auf die Teilnahme am ,auf Initiative von Metternich einberufenen, Kongress in Laibach (die heutige slowenische Hauptstadt Ljubljana), an dem nicht nur der König von Preußen, sondern auch der Zar von Rußland und der österreichische Kaiser teilnahmen und flirtet lieber mit einer verheirateten Frau. Oder wir erfahren so nebenbei etwas über das damalige Schönheitsideal für Frauen: „Die Marquise, ...., war schön, obwohl ihre Gestalt sehr schlank und überaus zart war.“


    Und endlich auch die Verführungsszene:
    „Julie drückte fast unwillkürlich die Hand ihres Freundes. Dieser beredte Händedruck gab der Schüchternheit des liebenden Mut. Die Wonne dieses Augenblicks und die Hoffnungen auf die Zukunft, alles schmolz zusammen zu einer ersten Zärtlichkeit, zu dem keuschen und bescheidenen Kuß, den Madame d’Aiglemont sich auf die Wange geben ließ. Je schwächer die Gunst war, um so mächtiger, um so gefährlicher war sie. Zu ihrer beider Unglück war kein Schein und kein Falsch darin. Es war das Einvernehmen zweier schöner Seelen, die von allem, was Gesetz ist, getrennt und von allem, was Verführung in der Natur ist, zueinandergeführt wurden.“


    Im Vergleich mit Flaubert und Fontane (siehe mein Posting im „Effi-Briest-Thread“ vom 6. Juli 2003) sehe ich, zumindest was die Realität (und es sind ja alle drei, Autoren des Realismus, Balzac quasi der Erfinder und Fontane der Vollender) angeht, leichte Vorteile für Balzac. ?


    Das vierte Kapitel: „Der Finger Gottes“


    Wie ikarus und Frank schon gepostet haben, erschienen die 2 Teile dieses Kapitels („Le Doigt de Dieu“ und „La Vallée du Torrent“) in einem Abstand von 3 Jahre und hatten ursprünglich nichts miteinander zu tun; sind jetzt aber m.M. nach gut zusammengefügt.


    a) Der Finger Gottes


    Einfühlsame und realistische Beschreibung wie Hélène leidet, weil ihr (Halb-)Bruder Charles mehr geliebt wird als sie, und tragisch das Ende


    b) Das Tal des Wildbaches


    Hier hat Balzac mal wieder ein Shakespeare-Stück bearbeitet. Die Reaktion Hélènes auf das Theaterstück, erinnern natürlich an den Mörder Claudius, dem Hamlet durch das Theaterstück „Die Ermordung des Gonzago“ (Hamlet beantwortet die Frage des Königs nach dem Titel des Stückes übrigens mit „The Mousetrap“) den Spiegel vorhält, da das von Hamlet bestellte Stück ähnliche Vorfälle wie die am Königshof erzählt. Je deutlicher die Parallelen des Stückes mit der Wirklichkeit desto nervöser wird Claudius bei Shakespeare.


    Erstaunlich, dass Balzac hier (im Unterschied zu Shakespeare) kein Stück erfinden musste, sondern auf das 1816 in Paris uraufgeführte Schauerdrama „La Vallée du Torrent ou l’Orphelin et le Meurtrier“ (Das Tal des Wildbachs oder das Waisenkind und der Mörder) zurück greifen konnte.


    Gruß von Hubert

  • Gruesst Euch,


    Steffi fragte: “Aber ist es überhaupt Egoismus, wenn man sein persönliches Glück sucht ?”


    Mir scheint, als ob Julie gar nicht wuesste, was ihr "persoehnliches Glueck" sein koennte. Zu sehr ist fuer sie "Glueck" mit gesellschaftlichen Konventionen verbunden, denen sie sich in jedem Fall verpflichtet fuehlt.
    (1791, lese ich, wurde in Frankreich die Zivilehe eingefuehrt, und mit ihr die Scheidung. Ich finde jetzt nicht auf die Schnelle, wann sie wieder abgeschafft wurde (Neueinfuehrung 1884). Aber waere, bei den vielen ubrigen Erwaehnungen geschichtlicher Daten, ein Hinweis hierauf nicht zu erwarten gewesen, wenn es Balzac tatsaechlich um “das Gefaengnis der Ehe” ginge?). Sowohl Julie als auch ihre Tochter missverstehen "Glueck" als "Happy End". Helene scheint im Angesichts des Todes ihre Gluecksgefuehle (als Seeraeuberbraut) voellig vergessen zu haben. Und von Julie, die sich letztendlich mit Ehemann und Geliebten arrangieren konnte und sogar von Letzterem mindestens zwei Kinder bekommt (Balzac beschreibt nur eine idyllische "Familienszene, aus der distanzierten Perspektive des Voyeurs), hoeren wir noch nicht einmal von solch einem Gluecksmoment.
    Von all den Personen erscheint mir (vielleicht weil ich ein Mann bin) der dumme, aber bodenstaendige "gute Kerl" als einzige "glueckliche" Figur, ironisch genug.


    Hubert
    Auch die Verfuehrungsszene kann ich, wie viele andere auch, nur als Ironie geniessend lesen. Denn ernsthaft kann von "schoenen Seelen" weder bei Julie noch bei Charles gesprochen werden.


    Gruss
    Antonio

  • Hallo Antonio,


    Du hast geschrieben:
    Auch die Verfuehrungsszene kann ich, wie viele andere auch, nur als Ironie geniessend lesen. Denn ernsthaft kann von "schoenen Seelen" weder bei Julie noch bei Charles gesprochen werden.


    Natürlich kann der Spötter Balzac keine Liebesszene ohne Ironie schreiben, das ist klar, aber im Vergleich mit Flaubert gefällt sie mir, vielleicht genau deshalb, besser.


    Gruß von Hubert


    PS: Ohne Ironie wäre auch Thomas Mann manchmal nur ein langweiliger Schriftsteller.

  • Hi Hubert,
    die Frage ist, ob Balzac tatsaechlich Ironie beabsichtigte.
    Des Erzaehlers Berufung auf die Religion, Balzacs "romantische"(?) Liebe zur reichen polnischen Graefin, sein Schreibeifer (dessen Erfolg moeglicherweise weniger auf seine Ironie als auf die Befriedigung der gaengigen Lesererwartungen gerichtet war) lassen mich manchmal daran zweifeln.
    Nun, hat nicht jemand in diesem Forum geschrieben, dass gerade an diesem Roman sich die Geister scheiden, ob er der beste oder der schlechteste Balzacs sei? Ich hoffe, es sei nicht der Beste...


    Gruss
    Antonio

  • Hallo zusammen,


    zwischenzeitlich habe ich den Überblick verloren, wer mitliest und wer wie weit ist?


    @adia
    Hast Du das Buch inzwischen? Mit dem Einklinken würde ich nicht mehr so lange warten, Du weißt ja, wer zu spät kommt ....... :zwinker:


    Gandalf
    Bist Du noch dabei, oder schon fertig? Aufgegeben wirst Du doch hoffentlich nicht haben?


    Suse
    Hast Du das Buch wieder gefunden? Und willst Du dich noch beteiligen?


    Steffi
    Du hast geschrieben:
    Ich habe das Diogenes-Taschenbuch, übersetzt von Erich Noether.


    Ich kenne das Diogenes TB nicht, gibt es da Anmerkungen?


    Nun will ich mal meine ersten Eindrücke schildern: .......- das war mir alles ein bißchen viel Romantik, fast zu dick aufgetragen


    Könnte es sein, dass einem nach „Moby Dick“ alles ein bisschen zu romantisch vorkommt?


    "Lieben Sie mich." - "Ich werde sie lieben


    Ich habe den Satz nicht gefunden, wo ungefähr soll ich suchen?


    "Zwischen zwei Liebenden gibt es einen der liebt und einen der sich lieben läßt." Ich habe festgestellt, dass das oft zutrifft und eine gute Grundlage für eine Beziehung sein kann.


    Ich glaube auch, dass das oft zutrifft und kann mir auch vorstellen, dass es eine Beziehungsgrundlage sein kann. Aber als Ideal ist es doch nicht anzustreben, oder?


    Die philosophische Ebene geht mir nicht aus dem Kopf.. ......
    Und dann beschäftigt mich die Theorie Balzacs, daß die gesellschaftlichen Gesetze und die Moral die Persönlichkeitsentfaltung hemmt


    Diese Theorie Balzacs ist wahrscheinlich nicht so falsch, oder?
    Und wer weiß, ob Nietzsche nicht Balzac gelesen hatte


    Ich glaube, daß Balzac weiter gehen will, als Julies Handlungen einfach als depressiv zu erklären.


    Glaube ich auch, fast scheint mir Balzac habe Sören Kierkegaards Werk „Die Krankheit zum Tode“ schon vorweggenommen.


    Wie weit bist Du mit dem Roman fortgeschritten, Steffi?


    ikarus
    Ich habe mich beim Lesen ständig gefragt, was an der Ehe Julies und Victors eigentlich so schlimm ist, daß sie dermaßen unglücklich ist. Konkret hat man darüber nichts erfahren, oder habe ich das nur überlesen? Mittlerweile denke ich, daß Victor mit Julies "Unglück" gar nicht viel zu tun hat. Sie leidet an der Institution Ehe an sich. Mit jedem anderen Mann wäre es ihr wahrscheinlich genau so ergangen.


    Sehe ich genauso!


    Diesen Stimmungsumschwung empfand ich auch als etwas krass. Julie begründet es im Gespräch mit dem Pfarrer: "Helene ist nicht von >ihm<!" Dieses "ihm" hat mich zunächst verwirrt, und es hat eine Weile gedauert, bis ich dahinter Grenville erkannte. Wenn also Grenville der Vater wäre, könnte Julie ihre Tochter mehr lieben.


    Da hatte ich auch erst gestutzt und bin dann zu dem selben Ergebnis gekommen, wie Du.


    Ikarus, in welchem Kapitel steckst Du?


    Maria
    Aber geht es wirklich um Emanzipation bzw. eine bessere Stellung der Frau, oder eher um diese "Verirrung" von Julie's Gedankenwelt? Ich glaube nämlich auch, daß das Problem in Julie selbst liegt.


    Das Problem liegt in Julie selbst. Das glaube ich auch, aber ich denke Balzac geht es doch auch um Emanzipation.


    das merkt man wirklich und ich glaube er bringt auch die Altersangaben etwas durcheinander.


    Maria, da hast Du recht, die Altersangaben sind völlig durcheinander. Ich habe mir so geholfen: Ich lese das Buch nicht als geschlossenen Roman, sondern jedes Kapitel, als eine abgeschlossene Erzählung oder Novelle, so wie sie auch entstanden sind und dann ist es erträglich.


    Wo im Roman steckst Du gerade, Maria?


    Antonio
    die Frage ist, ob Balzac tatsaechlich Ironie beabsichtigte.


    Das wissen wir natürlich nicht, ich will aber gelegentlich begründen, warum ich das zumindest glaube


    Nun, hat nicht jemand in diesem Forum geschrieben, dass gerade an diesem Roman sich die Geister scheiden, ob er der beste oder der schlechteste Balzacs sei? Ich hoffe, es sei nicht der Beste...


    Der beste wird es wohl nicht sein. Zumindest ich habe schon bessere von ihm gelesen, obwohl ich sagen will, dass ich mich gut unterhalte und dass auch viele interessante Fragen aufgeworfen werden und langweilig wird’s eigentlich nie, sonst hättest Du wahrscheinlich auch nicht so schnell zu Ende gelesen. Du hast doch selbst schon was von Balzac gelesen, („Glanz und Elend ...“), dann weißt Du doch, dass er auch besser? schreiben kann.


    @ ?
    Liest sonst noch jemand mit?


    Grüsse von Hubert

  • Hallo zusammen


    Zitat

    Wo im Roman steckst Du gerade, Maria?


    immer noch im Kapitel 5 "Die Zwei Begegnungen", mittendrin und Helene hat gerade verkündet, daß sie mit dem Fremden mitgeht. Ich kann das noch nicht nachvollziehen.


    Leider war diese Woche ziemlich streßig und somit stagniert gerade meine Leselust *seufz*, aber zum Glück ist nun Wochenende.


    Hubert du hast gefragt wo dies steht:


    ""Lieben Sie mich." - "Ich werde sie lieben"


    Das findest du im Kapitel 3 "Mit dreißig Jahren"
    Zuerst kommt die Einführung mit Charles, dann seine Betrachtung Julies von der Tür aus, dann begann der Dialog über Malerei, Musik, Literatur, Politik, Männer, Ereignisse und Sachen.... (Sie hatten jedenfalls eine gemeinsame Diskussionsgrundlage).


    Dann folgt der Satz: "Wir sind Sklavinnen" - "Sie sind Königinnen".....


    und dann den von dir gesucht .... "Lieben Sie mich" - " Ich werde sie lieben".


    Schönes Wochenende an alle Lesende :winken:


    Viele Grüße
    Maria :frieren:

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Maria,


    danke für Deine Antwort, da sind wir ja fast gleich weit. Ich will heute auch noch mit dem 5. Kapitel anfangen.


    Die Stelle „Lieben Sie mich ....“ habe ich jetzt gefunden. Diesem Gespräch zwischen Charles und Julie hatte ich nicht so viel Bedeutung beigemessen und diesen Satz sagt ja auch keines der Beiden, sondern Balzac erklärt damit quasi das zuvor gesagte:


    Nach dem Small Talk über Malerei, Musik, Literatur usw. (ein tiefes Gespräch kann es ja nicht sein, wenn so viele Themen abgehandelt werden) baggert sie ihn jetzt an: „Wir sind Sklavinnen“. Das meint sie ja nicht ernst, sondern das ist „fishing for compliments“ – Und er geht darauf ein: „Sie sind Königinnen“. Nicht mehr als ein schönes Kompliment, genau das was sie erwartet hat. Und Balzac sagt uns dann ja auch, was dieser kleine Flirt bedeutet: „Lieben Sie mich“ – „Ja“. – So einfach ist Flirten in Frankreich – schon sind sich die Beiden einig. – Und toll wie Balzac das beschreibt und erklärt, finde ich jedenfalls.


    Gruß von Hubert


    PS: Das ist natürlich nur meine persönliche Lesart und die Stelle kann sicher verschieden gedeutet werden.