Beiträge von Antonio

    Hallo Hubert,
    Hallo Atomium,
    leider war ich mit meiner Zusage zu voreilig. Es hat sich bei mir eine unerwartete berufliche Veraenderung ergeben, die es leider nicht zulassen wird, weiterhin dieses schoene Forum regelmaessig zu besuchen.
    Ich wuensche Euch bei der Lektuere viel Vergnuegen.


    Gruss
    Antonio

    Hallo zusammen,


    auch fuer mich gehoert Thomas Mann zu den Lieblingsautoren. Auch weil seine Romane eben nicht nur in seinem "zeitgenoessischem" Kontext gelesen werden koennen. Ich denke, die Gegensaetze zwischen Naphta und Settembrini ist sehr wohl wieder aktuell, auch wegen 9/11.
    Im uebrigen verstehe ich nicht recht, wie aus diesem Artikel Antisemitismus herausgelesen werden kann. Die negativen Eigenschaften Naphtas beziehen sich eben nicht auf seine "Volkszugehoerigkeit" (was ist das eigentlich??), sondern auf seine Sicht der Welt, die auch deutlich als jesuitische Sichtweise erkennbar ist. Auch ist Naphta eine Geschoepf Thomas Manns und nicht Axel Schmitts. Der Vorwurf des Antisemitismus muesste also Thomas Mann treffen, was absurd waere.


    Gruss
    Antonio

    Hallo Harald,
    natuerlich beruht Sprache letztendlich auf Konsens. Waehrend aber "Haus" und "Katze" bestimmte Qualitaetsmerkmale erfuellen muss, um von der Mehrheit als "Haus" oder "Katze" bezeichnet zu werden, fehlen diese Merkmale offenbar fuer "Klassiker".
    Dass eine Mehrheit dennoch Trivialliteratur von Literatur unterscheiden kann (instinktiv?), die das Potenzial hat, auch in zweihundert Jahren mit Interesse, Freude und geistigen Gewinn gelesen zu werden, hat m.M. nach damit zu tun, dass es diese objektiven Kriterien gibt.
    Formulieren kann ich sie leider nicht.



    Gruss
    Antonio

    Hallo zusammen,
    so bequem diese Definition ist , so kann ich mich mit dem Gedanken nicht anfreunden, dass durch Mehrheitsentscheidung ueber ein Begriff entschieden wird, von dem jeder eine unterschiedliche Auffassung hat.
    In diesem Forum beschaeftigen wir uns ja nicht mit "Klassikern" im Sinne von repraesentativen Werken verschiedener Genres. Man koennte sicher von "Klassikern" der SF-Literatur, von "Klassikern" der Trivialliteratur usw. sprechen. Doch meine ich, dass wir, wenn wir von Klassikern hier sprechen, einen gewissen Qualitaetsstandard im Kopf haben. Es mag schwierig sein, diese qualitativen Merkmale allgemeingueltig zu formulieren. Dies heisst aber nicht, dass es solche nicht gibt. Ginge es nur um Geschmacksfragen (und sei es aus Furcht, fuer elitaer gehalten zu werden), koennten wir uns diese Diskussion auch sparen.


    Gruss
    Antonio

    Hallo zusammen,
    hallo Hubert,
    jetzt habe ich gerade etwas Langes geschrieben und eben wieder aus Versehen geloescht...
    Daher nur kurz und in Stichworten:
    "Kunst" wird von der Religion als Dekoration genutzt (so wie der "roehrende Hirsch" als Dekoration dient und nicht als Kunstwerk);
    auch wenn ich hypothetisch anerkennte, dass der Anstoss von Gesetzesaenderungen durch die Veroeffentlichung eines literarischen Textes verursacht werden kann, so bedeutet solch eine Aenderung leider nicht, dass sich die Menschen (oder auch nur ein Einziger) WESENTLICH geaendert haben: ihr Hang zur Barbarei bleibt ungebrochen;
    Aenderungen unserer Lebensumstaende verdanken wir bei weitem mehr der Naturwissenschaft als der Literatur;
    "nicht unbeteiligt" koennte eine gute Kompromissformel sein


    Gruss
    Antonio

    Hallo zusammen,
    dass Literatur, wie im Uebrigen alles Existierende, eine Wirkung im allgemeinsten Sinne hat, ist ja unbestritten. Ob allerdings diese Wirkung so stark ist, dass sie ausschlagebend wird fuer soziale, wirtschaftliche, politische oder auch nur menschliche Veraenderungen, moechte auch ich bezweifeln. Ist nicht auch ein Kennzeichen von Kunst, eben nicht zweckgerichtet zu sein?
    Klassiker sind noch heute spannend und uns nah, gerade weil die Menschen sich in den letzten paar tausend Jahren nicht veraendert haben.


    Gruss
    Antonio

    Hallo zusammen,
    mich interessiert in der Regel die Biografie eines Autors so wenig wie sein Charakter oder seine sexuellen Preferenzen. Auch was er uns sagen WOLLTE, ist fuer mich eher zweitrangig. Vielmehr interessiere ich mich fuer die Art und Weise, wie ein Autor das Leben im weitesten Sinne darstellt. Obwohl ich ein Mann bin, lese ich zunaechst gefuehlsmaessig, sei es, dass ich mich mit einer Person identifiziere, sei es dass ich von der behandelten Lebensproblematik gefesselt werde. Diese und ihre stilistische und "menschliche" Behandlung ist es, die mich noch lange nach dem Lesen beschaeftigen kann. Wenn Analyse Bewusstwerdung bedeutet, dann findet sie bei mir erst nach dem Lesen statt.


    Gruss und, ach ja, frohe Weihnacht
    Antonio

    Hallo zusammen,
    oft habe ich jetzt in diesem Forum Urteile ueber Schriftsteller bzw. Buecher gelesen. Dabei handelte es sich meistens um Meinungen und Geschmacksrichtungen. Aber welches sind denn die Kriterien fuer Literatur im Sinne von Kunst? Und gibt es innerhalb dessen, was wir als Kunst erkennen noch Rangunterschiede?


    Gruss
    Antonio

    Hallo zusammen,
    zugegeben: Umberto Eco ist (noch) kein Klassiker. Aber etwas ungerecht finde ich es schon, ihm Gelehrtheit vorzuwerfen.
    Ob er ein Kunstwerk erschaffen hat oder nicht, darueber wage ich mir, kein Urteil zu erlauben. Aber ich meine, dass man auch vielen hier gelesenen Klassiker das Kriterium "Kunstwerk" absprechen koennte (z.B. Schloss Gripsholm, Maria Stuart u.a.)


    Gruss
    Antonio

    Hallo zusammen,
    wenn ich auch bisher Dante nicht gelesen habe (ich habe ihn erst fuer naechstes Jahr eingeplant), verfolge ich mit Interesse Eure Diskussion. Einen Sinn der Hoelle zu suchen, ist wohl schon ein muessiger Versuch, in Religion Vernunft zu suchen, wo es nicht um Vernunft geht, sondern um Glauben. Nicht um Ueberzeugung, sondern um Hinnahme. Immerhin kann ein Aussenstehender in der Hoelle-Himmel Konstruktion den christlichen Fundamentalismus wiedererkennen, der ja leider heute wieder bemueht wird. Es geht naemlich nicht um Verstehen , sondern um Glauben und Vertrauen eben ohne Verstehen. Wenn es diesen Gott gibt, haben wir nicht die Freiheit, mit ihm etwas zu tun haben zu wollen oder nicht. Die Aussage, man glaube an diesen Gott, weil er so gut, gerecht oder sonst eine schoene Eigenschaft hat, ist schon in sich widerspruechlich. Jesus soll ja selbst diese Kompromisslosigkeit des Alten Testamentes mit seinem “Auge um Auge” weiterfuehren, wenn er zitiert wird: “wer nicht fuer mich ist, ist gegen mich” und (sinngemaess: “ sage ja ja, oder nein nein…sei nicht lau”). Ich denke so erklaert sich in dieser schwarz-weissen Welt des Christentums auch die Hoelle als Gegensatz zum Himmel. Nachdem Juengsten Gericht gibt es keine Aussoehnung, sondern die Welt endet mit einer grossen Polarisierung, an der auch das Fegefeuer nichts aendert. Ich meine, daran hat sich auch heute (zumindest bei den Katholiken) nichts geaendert. Aus saekulaeren Gruenden wird die Hoelle als “nicht bei Gott sein” definiert und der ewige Schmerz so auf eine emotionale Ebene verschoben (vergleichbar mit dem Liebesentzug, den Eltern gelegentlich ihren Kindern zur Strafe aussetzen). In Dantes Welt war das Bild der Hoelle noch bodenstaendiger. Genug Anschauungsmaterial hat ihm ja seine Gegenwart und nahe Vergangenheit gegeben.
    Fuer mich “Nichtglaeubigen” waere im uebrigen der Gedanke der Ewigkeit, und sei es im Himmel, schon hoellenartig genug.
    Ich kann mir vorstellen, dass das Interessante an der Komoedie (warum eigentlich Komoedie?) sein koennte, dass Dante eine sehr weite Spannbreite menschlichen Befindens (Geistesqualen symbolisiert in Koerperqualen) beschreibt, deren Sinn uns zwar unbekannt bleibt, deren Ursachen aber aufgezeigt werden (z.B. Neid macht Menschen blind).


    Harald


    Deine Definition von “Moral” birgt die Gefahr des Zweckdenkens und erscheint mir daher eher als unmoralisch. Moral scheint mir nicht das zu sein, was der Staerkere (und sei es eine “demokratische” Mehrheit) bestimmt.

    Hallo zusammen,
    den Begriff "Alternativ-Welt-Roman" hoere ich zum ersten Mal. Die Idee des "was waere wenn" ist aber so neu nicht. Mir faellt da z.B. Max Frischs "Mein Name sei Gantenbein" ein, der, wenn ich mich richtig erinnere, darauf hinauslaeuft, dass der Mensch nicht aus seiner Haut kann und insofern determiniert ist, immer die gleichen Fehler zu wiederholen.
    Die Romane, die hier angesprochen wurden (und die ich zugegebenerweise nicht gelesen habe) scheinen doch rueckwaerts gewandte "Utopien" zu sein, die wahrscheinlich entweder zum Ergebnis kommen, es war gut, dass alles so geschah, oder es war bedauerlich, dass es so geschah. In jedem Fall aber druecken sie den Glauben aus, dass die Welt durch ein einzelnes Ereignis veraenderbar ist. Das wiederum halte ich fuer sehr fraglich, um nicht zu sagen, trivial.


    Gruss
    Antonio

    Hallo zusammen,
    ich weiss nicht, ob es viel Sinn macht, ausser Prosa und Lyrik zu unterscheiden, auch noch zwischen Erzaehlungen, Novellen, Kurzgeschichten etc. zu unterscheiden. Wollte man jedoch dies machen, so dueften bei den Kurzgeschichten eigentlich nur Schriftsteller des zwanzigsten Jh. vorkommen. Aber auch Thomas Manns Erzaehlungen duerften nicht unter diese Rubrik fallen, da sie nicht die "typischen"Merkmale einer Kurzgeschichte aufweisen (wie "offenes" Ende, kurzer Einblick in ein Lebensbschnitt...)


    Gruss
    Antonio

    Hallo Steffi, hallo Harald,


    ich meine, die Kirche hat nicht geleugnet, dass die Erde rund sei, sondern, dass sie sich um die Sonne drehe. Sie meinte, die Erde sei der Mittelpunkt des Universums und unbeweglich. Etwa hundert Jahre spaeter gab es daher den Konflikt mit Galileo Gallilei, der zur Einsicht kam, die Erde sei nicht fix, sondern bewege sich, und zwar um die Sonne.


    Zum Weltbild im Mittelalter habe ich folgendes Interview gefunden:
    http://www.geo.de/GEO/kultur_g…ref=geode_suche&q=scheibe


    Gruss
    Antonio

    Hallo,


    danke. Auch der Briefwechsel mit Sartre ist auf meiner Order- und Leseliste; ihre Beziehung ist zu ungewoehnlich, als dass man nicht etwas von ihr lernen koennte...


    Gruss
    Antonio

    Hi Judith,
    ich kann Dir zwar nicht meine Favoriten nennen, denn dafuer liegt meine Lektuere zu lange zurueck. Ich erinnere mich, dass mir besonders die "Mandarins" gefallen hatten. Doch habe ich gerade letzte Woche die "Memoiren einer Tochter..." gelesen und war so beeindruckt von ihr als Mensch, Frau und Schriftstellerin, dass ich mir nun auch die anderen Teile ihrer Autobiographie bestellt und auf meine Leseliste gesetzt habe.


    Gruss
    Antonio

    Hi Hubert,
    die Frage ist, ob Balzac tatsaechlich Ironie beabsichtigte.
    Des Erzaehlers Berufung auf die Religion, Balzacs "romantische"(?) Liebe zur reichen polnischen Graefin, sein Schreibeifer (dessen Erfolg moeglicherweise weniger auf seine Ironie als auf die Befriedigung der gaengigen Lesererwartungen gerichtet war) lassen mich manchmal daran zweifeln.
    Nun, hat nicht jemand in diesem Forum geschrieben, dass gerade an diesem Roman sich die Geister scheiden, ob er der beste oder der schlechteste Balzacs sei? Ich hoffe, es sei nicht der Beste...


    Gruss
    Antonio

    Gruesst Euch,


    Steffi fragte: “Aber ist es überhaupt Egoismus, wenn man sein persönliches Glück sucht ?”


    Mir scheint, als ob Julie gar nicht wuesste, was ihr "persoehnliches Glueck" sein koennte. Zu sehr ist fuer sie "Glueck" mit gesellschaftlichen Konventionen verbunden, denen sie sich in jedem Fall verpflichtet fuehlt.
    (1791, lese ich, wurde in Frankreich die Zivilehe eingefuehrt, und mit ihr die Scheidung. Ich finde jetzt nicht auf die Schnelle, wann sie wieder abgeschafft wurde (Neueinfuehrung 1884). Aber waere, bei den vielen ubrigen Erwaehnungen geschichtlicher Daten, ein Hinweis hierauf nicht zu erwarten gewesen, wenn es Balzac tatsaechlich um “das Gefaengnis der Ehe” ginge?). Sowohl Julie als auch ihre Tochter missverstehen "Glueck" als "Happy End". Helene scheint im Angesichts des Todes ihre Gluecksgefuehle (als Seeraeuberbraut) voellig vergessen zu haben. Und von Julie, die sich letztendlich mit Ehemann und Geliebten arrangieren konnte und sogar von Letzterem mindestens zwei Kinder bekommt (Balzac beschreibt nur eine idyllische "Familienszene, aus der distanzierten Perspektive des Voyeurs), hoeren wir noch nicht einmal von solch einem Gluecksmoment.
    Von all den Personen erscheint mir (vielleicht weil ich ein Mann bin) der dumme, aber bodenstaendige "gute Kerl" als einzige "glueckliche" Figur, ironisch genug.


    Hubert
    Auch die Verfuehrungsszene kann ich, wie viele andere auch, nur als Ironie geniessend lesen. Denn ernsthaft kann von "schoenen Seelen" weder bei Julie noch bei Charles gesprochen werden.


    Gruss
    Antonio

    Hallo zusammen,
    [quote][quote]“Den allerletzten Satz des 2. Kapitels habe ich allerdings nicht ganz verstanden: Der Priester hatte gegen diese arme Artemisia Ephesus nur allzu recht behalten. Wer kann mir da helfen?”


    Ich habe einen recht interessanten link zu Artemis gefunden.
    http://www.frauennetz.de/familie/I-fa214.htm


    "Diese drei Göttinnen verkörpern den Aspekt der Unabhängigkeit, der Aktivität und den der Beziehungslosigkeit..."


    Moeglicherweise bezieht sich dieser Satz auf Julies Verurteilung der Ehe als “geheime Prostitution” und der Einforderung eines angeblichen “Gesetz der Natur” nach dem die “Wahl eurer Lebensgefaehrtin nur den Wuenschen des Herzens folgt!”
    Am Ende wird sich zeigen, dass auch Helene, die ausserehalb aller Konvention gerade ihrem Herzenswunsch folgt, (nach Balzacs Willen) erkennt: “Alles ist nutzlos….Das Glueck kann man nicht ausserhalb der Gesetze finden…”


    Ist der allwissende Erzaehler Balzac oder die Stimme des damaligen gesellschaftlichen Konsens?


    Es koennte sich auch auf die Prophezeiung beziehen, dass sie “in die Welt zurueckkehren und (…) die Welt betruegen” wird. Was sie ja in der Tat mit ihrem Verhaeltniss zu Charles tun wird.


    Gruss
    Antonio