Hallo zusammen,
hallo Hubert
Ich habe das Buch gerade fertig gelesen.
ZitatKönnte es sein, dass einem nach „Moby Dick“ alles ein bisschen zu romantisch vorkommt?
Damit hast du ganz bestimmt recht. :breitgrins: Für mich war es schon eine große Umstellung, von der rauhen See ins liebliche Frankreich. Ich glaube auch, daß mir der Anfang des Buches gar nicht so trivial vorgekommen wäre, wenn das vorherige Buch nicht "Moby Dick" gewesen wäre. Danke übrigens für die Erklärung der satirischen Aspekte im ersten Kapitel. Diese lassen es doch in einem anderen Licht erscheinen.
ZitatIch lese das Buch nicht als geschlossenen Roman, sondern jedes Kapitel, als eine abgeschlossene Erzählung oder Novelle, so wie sie auch entstanden sind und dann ist es erträglich.
Mache ich genau so. Sonst wäre ich mit dem Buch überhaupt nicht zurecht gekommen. Die ersten drei Kapitel fand ich vom Stil her noch einigermaßen homogen, als aber dann im vierten Kapitel plötzlich ein Ich-Erzähler auftritt, war das zunächst schon irritierend.
JMaria schrieb:
ZitatHelene hat gerade verkündet, daß sie mit dem Fremden mitgeht. Ich kann das noch nicht nachvollziehen.
Konnte ich auch nicht. Das ging etwas schnell. Ich hätte schon gerne gewußt, was sie an diesem Kerl findet. Vielleicht fand sie es zu Hause nur dermaßen unerträglich, daß ihr jedes Mittel recht war um wegzukommen. Hauptsache fort.
Fast zu viel wurde mir aber die anschließende Seeräuber-Story. Was für unglaubliche Zufälle. Das konnte ich beim besten Willen nicht ernst nehmen.
Auf dem Schiff schwärmt Helene ihrem Vater vor, wie glücklich sie mit ihrem Korsaren ist und wie menschlich und großherzig er sei. Vollkommenes Glück. Aber beim Wiedersehen in dieser Pension sagt sie auf dem Sterbebett zu ihrer Mutter: "Es ist kein Glück außerhalb der Gesetze möglich." Innerhalb der Gesetze aber auch nicht, wie wir von Julie immer wieder erfahren haben. Wo denn dann? Dann ist ja für Frauen überhaupt kein Glück erreichbar. Innerhalb der Gesetze sind sie "Sklavinnen", versuchen sie aber auszubrechen und außerhalb der Gesetze ihr Glück, ist ihnen das auch nicht vergönnt. Sollen sich also die Frauen am besten mit sechzehn Jahren umbringen, wie Helene das vorhatte, wenn sie sowieso keine Aussicht auf ein glückliches Leben haben? Hat Balzac das so gemeint?
Dieser Gedanke scheint mir dann doch zu drastisch und im sechsten Kapitel kommt ein anderer Aspekt ins Spiel: Die Erziehung. Immer wieder wird Moina als "verzogenes Kind" bezeichnet. Sie ist kokett, tanzt ihrem Mann auf der Nase herum, hat einen Liebhaber (der auch noch zufällig ihr Halbbruder ist) und läßt sich von ihrer Mutter nichts sagen. Und sie ist glücklich. Moina, als geliebtes Vandenesse-Kind, wird von ihrer Mutter liberaler erzogen worden sein als die ungeliebte Helene.
Das Ganze habe ich für mich jetzt so interpretiert, daß nicht die "Gesetze" am Unglück der Frauen schuld sind, sondern die Erziehung. Also die Gesellschaft, welche die Frauen dazu erzieht, innerhalb dieser "Gesetze" ihre Rolle zu spielen. Vielleicht wollte Balzac darauf hinaus; vielleicht liege ich mit meiner Interpretation auch völlig daneben. :rollen:
Bin gespannt auf Eure Eindrücke.
Viele Grüße
ikarus