"Sie wollen sicher zu meiner Schwester" - diesen Ausruf Stines würde ich nicht so interpretieren, als sei Prostitution im Spiel. Waldemar ist ihr ja nicht unbekannt, sein erster Besuch bei Stine ist eine Fortsetzung seiner Teilnahme an dem feuchtfröhlichen Abend bei Pauline.
Gerade weil Waldemar für Stine kein Unbekannter ist, verwundert es, dass sie nicht in Erwägung zieht, er könne sie besuchen.
Dass Fontane Probleme mit den Sittenrichtern in der Presse bekam, liegt m. E. eher in der Behandlung gesellschaftlich relevanter Themen. .
Ist Prostitution kein gesellschaftlich relevantes Thema?
Wenn es auch entsprechende Indizien geben mag, wäre ich vorsichtiger bei einer Interpretation, die Prostitution bei weiblichen Gestalten des Romans nahelegt, bei Pauline und auch Wanda, die nicht der Vorstellung von einer "gefallenen Frau" entsprechen.
Ich bin ja nur froh, dass ich nicht der Einzige bin, der zu dieser Interpretation kommt. Auch Prof. Dr. Andreas Degen, der sich möglicherweise mit dem Roman „Stine“ mehr beschäftigt hat, als wir beide zusammen, spricht ja in seinem von mir verlinkten Aufsatz von der „koketten Gelegenheitsprostituierten Wanda“. Und was verstehst du unter einer „gefallenen Frau“, - ich dachte das Mittelalter wäre vorbei?
Waldemar wirkt wie eine preußische Variante dieses Adelstyps eines "überflüssigen Menschen".
Ich halte die Bezeichnung „überflüssiger Mensch“ für gefährlich und möchte sie schon überhaupt nicht auf Waldemar anwenden.