Was lest ihr eigentlich sonst noch?

  • Hallo zusammen!
    Ich schliesse mich gerne Hubert an: Genres sind nicht wirklich interessant und ich gebe Delta insofern recht, als die von ihm genannten Romane nicht ohne sind (kenne zwar nicht alle...). Ich möchte darauf hinweisen, dass ich nichts gegen Krimis geschrieben habe, sondern gegen Schund im allgemeinen und habe keinerlei Definition davon gegeben. Das ist natürlich ziemlich fahlässig aber naheliegend, denn eine Definition von Schund ist völlig persönlich. Für mich sind reine Liebes- und Unterhaltungsromane Teil dessen, was für mich Schund ist, verallgemeinernd gehört alles, was sich an Kiosken und ähnlichen Orten kaufen lässt, für mich erst einmal zum Schund und erst, wenn es Gründe gibt, die gegen diese Zuordnung sprechen, ändere ich meine Meinung (vielleicht)!


    nimue, richtet sich dein Angriff auch gegen mich??? Es müsste mich sehr verwundern, denn ich bin alles andere als ein Literaturwissenschaftler (ich habe es bisher versäumt, mich vorzustellen, werde dies aber in einigen Wochen noch nachholen), bezeichne mich selbst aber auch nicht als Schundleser, da ich wirklich keine Lust habe, Bücher zu lesen, von deren Wert ich nicht überzeugt bin. Nein, so hast du es ja bestimmt auch nicht gemeint und ich will hier nur noch meine Respekt vor der „webmistress“ ausdrücken. :sonne: Auf dem hohen Ross sitzen ist gefährlich, da man nur allzu leicht herunterfällt. Und im Übrigen habe ich ja auch geschrieben, dass Schund fesseln kann... Gegen historische Romane habe ich nebenbei bemerkt grundsätzlich nichts, „Der Erwählte“ von T. Mann z. B. hat mir ausgesprochen gefallen :smile: (ob die Bezeichnung historischer Roman wirklich zutreffend ist, mag zweifelhaft bleiben) aber auch andere hist. Romane konnten mich überzeugen.

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo alpha


    Ich bin jetzt zwar nicht die „webmistress“, aber wie ich nimue kenne, ist sie mir nicht böse wenn ich Dir antworte und ich hoffe Du auch nicht.


    Nimues „Angriff“ kann sich gar nicht gegen Dich richten, weil es gar kein Angriff war, auch nicht gegen Delta. (Was habt ihr alle nur für tolle Namen :zwinker: ), sondern nur eine Klarstellung. Nimue wollte, wie ich sie kenne, nur klarmachen, dass wir hier kein hochwissenschaftliches Literaturforum sind, sondern ein Forum für Alle, die Spaß daran haben Klassiker zu lesen und über das Gelesene sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und die meisten von uns lesen außerhalb dieses Forums auch andere Bücher und sehen diese keineswegs als Schund an. Außerdem gibt es auch Leute, die gewisse Klassiker als Schund ansehen.


    Im übrigen kann man hier im Forum durchaus verschiedene Meinungen äußern, wir zwei sind ja auch nicht immer einer Meinung, obwohl eigentlich immer öfter, aber ein Diskussionsforum lebt ja von gegensätzlichen Auffassungen. Ich denke, Du siehst das genauso. Also will ich mal provokant sein: Du sagst: Reine Unterhaltungsliteratur = Schund? Das vorletzte Kapitel des „Ulysses“ ist für mich köstliche Unterhaltungsliteratur und sag jetzt bitte nicht, das sei Schund. Schund ist für mich z.B. was die Schreiberin des Gitarristen von T.A. (den Namen will ich in einem Literaturforum nicht nennen) seit zwei Jahren regelmäßig zur Buchmesse veröffentlicht und obwohl ich es nicht kenne, bezweifle ich, dass mich das unterhalten könnte. Aber wie ich Dich einschätze, sind wir auch hier einer Meinung.

    Gruß von Hubert

  • Hallo alpha


    zu Huberts Antwort kann ich eigentlich nichts mehr hinzufügen. Es war tatsächlich nicht als Angriff gedacht, sondern eher als kleine "Maßregelung" von delta. Denn wenn jemand schreibt "aber warum werden hier so viele krimi gelesen, die sind echter schund, da lese ich viel lieber sf-romane" dann ist das für mich ehrlich gesagt nicht akzeptabel.


    1. Kann niemand hier in diesem Forum entscheiden, was Schund ist und was nicht. Die Entscheidung, was für einen selbst Schund ist, muss jeder selbst treffen, dies darf jedoch nicht für die Allgemeinheit geltend gemacht werden.


    2. Das Hauptziel, das ich für das Klassikerforum hier erreichen bzw. einhalten möchte, ist die Toleranz gegenüber jeglich gearteter Literatur. Und wenn jemand "meine" Literatur angreift, dann werde ich einfach zickig, weil es mich verletzt.


    Ich habe Deine Beiträge gelesen und auch Deinen Kommentar, dass auch "Schund" unterhalten kann (lassen wir mal die Definition von "Schund" beiseite, weil das nunmal nur jeder für sich selbst entscheiden kann), doch anscheinend ist Dir mein Sinn für ironische Bemerkungen wegen dem hohen Ross entgangen. Ich glaube kaum, dass mir irgendein Besucher einer meiner Webseiten / Foren das Sitzen auf dem hohen Ross vorwerfen kann :zwinker:


    Also, nichts für ungut, aber Dich hatte ich tatsächlich - wie Hubert bereits anmerkte - gar nicht angesprochen.


    Liebe Grüße
    nimue

  • hallo Markus,


    deiner Fähigkeit zur Systemtisierung und der Quantität deiner gelesenen Bücher habe ich ja schon in einem anderen Forum "gehuldigt"... Hat mich wirklich beeindruckt!!


    Ich denke, dass ich mich auch den Russen des 19. Jahrhunderts nahe fühle, kenne aber außer Dostojewskij und Tolstoi noch recht wenig. Kannst du mir ein oder zwei Bücher empfehlen? Was hat sich besonders begeistert?


    Und ich möchte so nach und nach auch von Dostojewskij alles lesen. Bis jetzt habe ich erst die Kurzerzählungen in "Weisse Nächte", "Der Idiot", "Strafe und Verbrechen" und "Arme Leute" gelesen. Und das gehört mit zum besten was ich an Literatur überhaupt kenne. Was ist noch ein absolutes Muss? Lohnen sich die "Dämonen" z.B.?


    Wäre Dir für ein paar Hinweise und Anregungen dankbar...
    Grüße,
    Lucien

  • Zum Thema "Was lest ihr sonst noch?" habe ich folgendes zu sagen : Ich lege mich bei meiner Lektüre nicht auf eine Epoche oder auf ein bestimmtes Genre fest. Ich lese mit großer Begeisterung Shakespeare, Goethe, Novalis, Schiller oder Fontane und bin auch nicht abgeneigt mich dem Fantasy-Bereich zuzuwenden. Anne Rice und Tolkien zählen schon seit langem zu meinen absoluten Lieblingen. Für mich bedeutetn die wenigen Stunden, die ich für das Lesen erübrigen kann(denn bei einem Germanistik-Studium kann man nicht immer lesen, was einen brennend interessiert) das ich für eine Weile aus meinem Leben ausbrechen kann und alles hinter mich lassen kann.
    Da ich sehr Geschcihtsinteressiert bin, lese ich zudem Fachliteratur der jeweiligen bereiche.
    Liebe Grüße noch an alle aus dem Forum! Und nachträglich ein gutes neues Jahr!
    Hekate
    [/i]

  • Hallo Hekate,


    herzlich willkommen hier bei uns im Klassikerforum. Skakespeare, Goethe, Novalis, Schiller und Fontane lesen wir hier auch mit großer Begeisterung und am liebsten gemeinsam. Du bist bei uns also genau richtig. Ab Februar lesen wir hier Grimmelshausen und der ist ja für Germanistik-Studenten sicher Pflichtlektüre. Also wenn Du willst, kannst Du dich noch uns anschließen.


    Liebe Grüße


    Hubert

  • Ich lese Klassiker abwechselnd mit Krimis und historischen Romanen, gern aber auch mal etwas Gesellschaftskritisches.
    NIE lese ich Liebes- und Heimatromane. SELTEN lese ich Bücher über Krieg. GELEGENTLICH lese ich Reiseführer/ Reiseberichte.


    Ach so, und Harry Potter sowie der Herr der Ringe habe ich zunächst links liegen gelassen. Wenn es einen solchen Run gibt, ist mir das immer unheimlich, und ich lese es entweder NIE oder VIEL SPÄTER.


    Gruß,
    Heidi

  • Hallo Heidi,


    Du hast gepostet:
    NIE lese ich Liebes- und Heimatromane


    Nun ich lese z.B. sehr gerne Liebesromane, und wenn ich mich recht erinnere hast Du mir vor kurzem noch gepostet, dass Du „Schuld und Sühne“ gelesen hast, für mich ein toller Liebesroman, sogar mit Happy End, oder wie würdest Du es nennen, wenn ein Mädchen (Sonja) einem Mörder in die Verbannung folgt? Ich nenn's Liebe.


    Gruß von Hubert


    PS: Alles eine Frage der Definition. „Nackenbeißer“ lese ich allerdings auch nicht, die zähle ich aber auch nicht zur Literatur.

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Hallo Hubert,


    Du hast gut aufgepasst, ich habe Verbrechen und Strafe gelesen und es auch sehr genossen. Gerade habe ich auch Wahlverwandtschaften abgeschlossen, da geht es ja auch um Liebe.
    Ich habe mich also unpräzise ausgedrückt.


    Meine Definition von Liebesromanen hat einen negativen Beigeschmack, ich verbinde damit Romane von Rosamunde Pilcher, Danielle Steel etc.


    Nix für ungut!


    Gruß
    Heidi

  • Hallo allerseits
    Hallo Hubert


    Zitat

    noch gepostet, dass Du „Schuld und Sühne“ gelesen hast, für mich ein toller Liebesroman, sogar mit Happy End, oder wie würdest Du es nennen, wenn ein Mädchen (Sonja) einem Mörder in die Verbannung folgt?


    In Schuld und Sühne/Verbrechen und Strafe werden sehr viele Facetten menschlichen Lebens behandelt, dieses Buch aber wegen der komplizierten Geschichte zwischen Sonja und dem Helden als Liebesroman bezeichnen zu wollen, finde ich doch etwas gewagt!! :breitgrins: ...


    Was sind aber Nackenbeißer??? :zwinker:


    :winken:


    Daniela

    &quot;Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde.&quot; - John Irving

  • Zitat von "elahub"

    Was sind aber Nackenbeißer??? :zwinker:


    :winken:


    Daniela


    Hallo Daniela


    Da musst Du Deine Mami fragen :redface: :redface: :redface:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo allerseits
    Hallo Sandhofer und nimue ...


    Vielen Dank Sandhofer ... wenn ich mich nur trauen würde :rollen:


    ja nimue, diese Bilder waren selbst für mich sehr aufschlussreich, ich lag also mit meiner Vermutung Richtung Dracula ziemlich daneben :zwinker:


    liebe Grüße
    und wascht schon mal Eure Hälse :smile:


    :winken:


    Daniela

    &quot;Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde.&quot; - John Irving

  • Hallo Daniela,


    Du hast gepostet:
    In Schuld und Sühne/Verbrechen und Strafe werden sehr viele Facetten menschlichen Lebens behandelt, dieses Buch aber wegen der komplizierten Geschichte zwischen Sonja und dem Helden als Liebesroman bezeichnen zu wollen, finde ich doch etwas gewagt!! ...


    Du weißt ja: Wer nichts wagt, ...., oder wie wir im Schwarzwald sagen: „no risk, no fun“.
    Nein, im Ernst, für mich ist das Hauptthema von „Schuld und Sühne“ die Liebe (Wenn es einen Menschen gibt, der uns liebt, sagt Dostojewskij, dann können wir alles (Schuld zweier Morde, Straflager in Sibirien) ertragen und überstehen, wenn nicht (Swidrigailow) dann können wir uns gleich erschießen). Manche Leser bezeichnen „Schuld und Sühne“ als Kriminalroman, das halte ich nicht nur für gewagter, sondern für falsch. Selbstverständlich können in einem Liebesroman der Literatur viele Facetten menschlichen Lebens behandelt werden, gerade das unterscheidet ja Literatur von Nackenbeißerromanen.


    MRR, den ich übrigens sehr schätze, wenn ich auch nicht immer mit ihm übereinstimme, hat einmal gesagt: „Ein guter Roman handelt immer entweder von der Liebe oder vom Tod“. Ich würde dem mit einem kleinen Zusatz zustimmen: Manchmal/meistens handelt er auch von beidem. Also auch die „Odyssee“ oder „Ulysses“ (um mal ein ganz altes und ein neueres Buch zu nennen) sind für mich letztendlich Liebesromane, obwohl selbstverständlich in diesen Büchern auch andere Themen vorkommen.


    Gruß von Hubert .

  • Hallo Daniela und Hubert,


    Ich halte Verbrechen und Strafe nicht für einen Liebesroman, denn die Liebesgeschichte spielt in diesem Roman zwar eine Rolle, ist aber nicht das Thema des Romans. Und ein Liebesroman ist nicht etwa ein Roman, dessen Thema die Liebe ist, sondern ein Roman, der eine Liebesgeschichte erzählt. Das ist nicht ganz dasselbe...


    Eine ähnliche Unterscheidung würde ich für den Begriff "Kriminalroman" machen wollen: Im landläufigen Sinne bezeichnet "Kriminalroman" nicht einen Roman, der die Geschichte eines Verbrechens beschreibt, sondern einen Roman, der die Geschichte der Aufklärung eines Verbrechens beschreibt. Das ist wieder nicht dasselbe...


    Warum muss man überhaupt ein so bedeutendes Buch in eine Kategorie einordnen? Das Thema von Verbrechen und Strafe ist m.E. die seelische (im weitesten Sinne) Entwicklung des Täters nach der Tat. Dieses ist so genial und vollkommen geschildert, dass mir kein Vergleich dazu einfällt (was natürlich nicht heißen muss, dass es nichts Vergleichbares gibt). Ich hätte also nichts dagegen, für "Verbrechen und Strafe" eine eigene Kategorie aufzumachen: "Bildungsroman des Verbrechens" ;-)


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo allerseits
    Hallo Hubert
    Hallo Harald


    Zitat

    Warum muss man überhaupt ein so bedeutendes Buch in eine Kategorie einordnen?


    Das denke ich eigentlich auch. Man kann natürlich in Huberts Sinn von einem Liebesroman sprechen :zwinker: und man könnte auch von einer Kriminalgeschichte reden, denn mit einer kriminellen Tat fängt die Geschichte an und zieht sich dann durch das gesamte Buch.


    Nur ist das denke ich nicht allgemeiner Sprachgebrauch. Wenn jemand zu mir sagt, dass er gern Krimis liest, meint er aller Wahrscheinlichkeit nach so etwas wie Hercule Poirot (im günstigsten Fall :smile: ) und bei Liebesromanen denke ich sofort an die Julia Romane/Heftchen meiner ausgehenden Kindheit, was natürlich ein Irrtum sein mag.


    Meiner Meinung nach wird in Schuld und Sühne dargestellt, dass es kein Verbrechen gibt, welches harmlos ist und auch wenn der Täter sich vorher genau seine Gründe für dieses Verbrechen überlegt hat und denkt, dass er schließlich niemandem schadet, im Gegenteil sogar vielen Menschen in gewisser Weise hilft (und ja auch nicht unbedingt zu seinem eigenen Profit handelt) er letztendlich immer wieder von seinem Gewissen eingeholt wird.


    Das setzt natürlich das Wissen um und den Glauben an ein solches Gewissen voraus und deshalb reicht für mich dieses Buch sehr tief in den mystischen/religiösen Bereich hinein, wie viele von Dostojewskis Büchern.


    wünsche ein schönes Wochenende!! :schmetterling:


    :winken:


    Daniela

    &quot;Kunst und Unterhaltung sind verschwistert und keine Feinde.&quot; - John Irving

  • Hallo Daniela und Harald,


    Harald hat gepostet:
    ein Liebesroman ist nicht etwa ein Roman, dessen Thema die Liebe ist, sondern ein Roman, der eine Liebesgeschichte erzählt. Das ist nicht ganz dasselbe...


    Da gebe ich Dir absolut recht – aber m.M. nach wird in ПРЕСТУПЛЕНИЕ И НАКАЗАНИЕ (Verbrechen und Strafe) eine Liebesgeschichte erzählt, und zwar die zwischen Sonja und Rodja.


    Eine ähnliche Unterscheidung würde ich für den Begriff "Kriminalroman" machen wollen: Im landläufigen Sinne bezeichnet "Kriminalroman" nicht einen Roman, der die Geschichte eines Verbrechens beschreibt, sondern einen Roman, der die Geschichte der Aufklärung eines Verbrechens beschreibt. Das ist wieder nicht dasselbe...


    Auch da hast Du recht. Die Unterscheidung zwischen Krimi und Verbrechensliteratur ist allerdings nicht landläufig (da wird sie öfter mal verwechselt) sondern literaturwissenschaftlich.
    Im Thread „Gibt es auch klassische Kriminalliteratur“
    http://www.klassikerforum.de/f…ewtopic.php?t=323&start=0
    habe ich am 25 Mai 2003 geschrieben:
    „Es gibt einen Unterschied zwischen Kriminalliteratur und Verbrechensliteratur: während erstere sich mit der Aufklärung eines Verbrechens beschäftigt, geht es bei der Verbrechensliteratur hauptsächlich um das Motiv der Tat. Bei „Schuld und Sühne“ steht, meiner Meinung nach, das letztere im Vordergrund, zumal zumindest für den Leser der Mörder von Anfang an fest steht.“


    Der Teil des Romans, der sich mit dem Motiv der Tat befasst, ist m.M. nach aber am wenigsten gelungen, ebenso wenig kann ich eine Entwicklung bei Rodja feststellen, wenn man mal von dem Einfluß der ihn liebenden Sonja absieht. Dagegen beginnt die Liebesgeschichte ja schon vor der Tat, Rodja kennt zwar Sonja noch nicht, ist aber schon durch die Erzählung ihres Vaters in der Kneipe, von ihr verzaubert und die Liebesgeschichte geht auch nachdem Rodja seine Strafe angetreten hat, also im Straflager, weiter, ist also bei weitem umfangreicher als die Verbrechensgeschichte.



    Elahub hat gepostet:
    Wenn jemand zu mir sagt, dass er gern Krimis liest, meint er aller Wahrscheinlichkeit nach so etwas wie Hercule Poirot (im günstigsten Fall ) und bei Liebesromanen denke ich sofort an die Julia Romane/Heftchen meiner ausgehenden Kindheit, was natürlich ein Irrtum sein mag.


    Ich habe weder den Namen Hercule Poirot je gehört, noch je einen Julia Roman/Heftchen gelesen, wenn ich von Romanen spreche, meine ich immer Literatur (und zwar Literatur ohne Zusatz wie Trivial- usw.)


    Meiner Meinung nach wird in Schuld und Sühne dargestellt, dass es kein Verbrechen gibt, welches harmlos ist und auch wenn der Täter sich vorher genau seine Gründe für dieses Verbrechen überlegt hat und denkt, dass er schließlich niemandem schadet, im Gegenteil sogar vielen Menschen in gewisser Weise hilft (und ja auch nicht unbedingt zu seinem eigenen Profit handelt) er letztendlich immer wieder von seinem Gewissen eingeholt wird.


    Ein Roman mit dem Thema „Kein Verbrechen ist harmlos“ fände ich ziemlich überflüssig; ich glaube auch nicht, dass sich Rodja seine Gründe vor der Tat sehr genau überlegt hat, und dass ein Verbrecher immer wieder von seinem Gewissen eingeholt wird, wäre einfach falsch, - das Gegenteil kann man fast jeden Tag in der Zeitung nachlesen. Also ohne die Liebesgeschichte wäre "ПРЕСТУПЛЕНИЕ И НАКАЗАНИЕ" ein ziemlich schlechter Roman.


    deshalb reicht für mich dieses Buch sehr tief in den mystischen/religiösen Bereich hinein


    Vladimir Nabokov, dessen literarischem Urteil ich zwar nicht immer zustimme, den ich bei russischer Literatur aber doch für eine/die Kapazität halte, hat im Zusammenhang mit „Schuld und Sühne“ von religiösem Kitsch gesprochen, - wenn die Liebesgeschichte nicht wäre, müsste man ihm zustimmen. Gerade die Liebesgeschichte (erinnert sei wieder mal an das Pauluswort: "...und hättet die Liebe nicht, ..."), macht aber tatsächlich aus "ПРЕСТУПЛЕНИЕ И НАКАЗАНИЕ" ein mystisch/religiöses Buch.


    Gruß von Hubert

  • Hallo Hubert,
    Hallo alle,


    Zitat von "Hubert"

    aber m.M. nach wird in Verbrechen und Strafe eine Liebesgeschichte erzählt, und zwar die zwischen Sonja und Rodja.


    Ich glaube, wir stimmen darin überein, dass wir "Verbrechen und Strafe" beide für einen bedeutenden Roman halten. Ansonsten habe ich eine andere Sicht des Romans, was aber kein Streitpunkt sein muss. Für mich ist die Liebesgeschichte ein Teil von Rodions geistiger/seelischer Entwicklung, nicht umgekehrt.


    Zitat

    Ein Roman mit dem Thema "Kein Verbrechen ist harmlos" fände ich ziemlich überflüssig; ich glaube auch nicht, dass sich Rodja seine Gründe vor der Tat sehr genau überlegt hat, und dass ein Verbrecher immer wieder von seinem Gewissen eingeholt wird, wäre einfach falsch, - das Gegenteil kann man fast jeden Tag in der Zeitung nachlesen.


    Es handelt sich hier ja auch nicht um irgendeinen Verbrecher und um irgendein Verbrechen, sondern um Rodion Raskolnikoff, einen intelligenten jungen Mann, der durchaus ein Gewissen und Einfühlungsvermögen hat. Deshalb kann man keineswegs sagen, dass der Roman irgendetwas beweist, so etwa wie "Jeder Verbrecher wird von seinem Gewissen eingeholt" - das kann kein Roman darstellen, und beweisen schon gar nicht - dann wäre ja auch durch Jules Vernes "Reise zum Mittelpunkt der Erde" bewiesen, dass eine solche Reise möglich ist. Ein Roman kann uns eine Geschichte anbieten, die uns mehr oder weniger überzeugt, aber beweisen kann er nichts.


    Um auf die Geschichte zurückzukommen, so meine ich, dass Rodion sich die Sache sehr wohl überlegt hat, und dass er vom rein rationalen Standpunkt vielleicht sogar irgendwie recht hat. An meiner Formulierung "vielleicht sogar irgendwie" merkt Ihr aber, dass es "irgendwie" nicht stimmt, und genau das merkt auch Rodion nach seiner Tat. Der Roman handelt von dem "wie", d.h. wie er das merkt - seine Benommenheit, sein Wunsch, noch einmal zum Tatort zurückzukehren, am Ende sein Delirium und schließlich der Wunsch, alles zu bekennen, weil er nur so von dem auf ihm lastenden Druck erlöst werden kann - dieses "wie" ist für mich einfach genial und auf beinahe unheimliche Weise überzeugend geschildert. Es geht für mich also darum, wie er merkt, dass seine "irgendwie" vernünftige Konstruktion zusammenbricht - wenn man so will, dass die Menschlichkeit eine Kraft ist, die durch alle Vernünftigkeit als auf sehr schwachen Beinen stehend erkennen läßt - aber dies ist schon wieder eine These...


    Ich würde auch überhaupt nicht sagen, dass der Roman eine "These" hat. Natürlich kann man aus der Geschichte, wenn man sie für real hält, eine Lehre ableiten, etwa so, wie es schon angedeutet war (dass das Gewissen einen Verbrecher immer einholt), aber hierin stimme ich Dir zu, dass das nicht unbedingt stimmt und möchte nur hinzufügen, dass der Roman das auch nicht hergibt, denn es ist ja nur die Geschichte eines bestimmten Verbrechers - Rodion ist ja nicht "irgendwer". Nein, der Roman enthält wie die meisten guten Romane keine These, sondern erzählt eine Geschichte.


    Dass diese Geschichte mystisch-religiös sein soll, kann ich nun gar nicht nachvollziehen. Sie ist für mich psychologisch überzeugend, d.h. vollkokmmen realistisch.


    Zitat

    Ich habe weder den Namen Hercule Poirot je gehört


    Jetzt bin ich wirklich schockiert... ;-) Sagt Dir auch Miss Marple nichts? 16.50 Uhr ab Paddington? Der Orient-Express? Hast Du mal den Namen Agatha Christie gehört? Die meistgelesene Schriftstellerin (und das schließt Schriftsteller ein) in englischer Sprache, und wahrscheinlich in jeder Sprache? Das ist natürlich kein Qualitätsmerkmal, aber wer Agatha Christie als "Trivial"-Schriftstellerin abtut, macht es sich etwas zu einfach. Das ist aber ein anderes Thema...


    Gruß, Harald

    Aktuell: Altägyptische Literatur. Kafka. Theater des Siglo de Oro. Gontscharow. Sterne, Fielding, Smollett.

  • Hallo Harald,
    hallo alle,


    Harald hat gepostet:
    Für mich ist die Liebesgeschichte ein Teil von Rodions geistiger/seelischer Entwicklung, nicht umgekehrt


    Ob die Liebesgeschichte ein Teil von Rodjas Entwicklung ist, oder umgekehrt, kann ja jeder sehen wie er will, die Tatsache, dass es eine Liebesgeschichte gibt, hast Du damit aber zugegeben, und mehr wollte ich auch nicht beweisen.


    Deshalb kann man keineswegs sagen, dass der Roman irgendetwas beweist, so etwa wie "Jeder Verbrecher wird von seinem Gewissen eingeholt" - das kann kein Roman darstellen, und beweisen schon gar nicht


    Da hast Du mich wohl mit Daniela verwechselt. Nicht ich habe geschrieben, dass „Jeder Verbrecher wird von seinem Gewissen eingeholt“ Thema des Romans ist, sondern Daniela. Ich hatte eigentlich die gleiche Meinung vertreten, die Du jetzt gegen mich stellst.


    Dass diese Geschichte mystisch-religiös sein soll, kann ich nun gar nicht nachvollziehen. Sie ist für mich psychologisch überzeugend, d.h. vollkokmmen realistisch.


    Der Mörder, der wochenlang plant und nach dem Mord vergisst die Tür abzusperren, die Zwei, die nach den Morden an der Tür klopfen, merken dass jemand in der Wohnung ist, aber kurz mal davon laufen, damit der Mörder fliehen kann, der Inspektor, der den Mörder überführt hat, ihn aber laufen lässt, damit der sich selbst stellt – da habe ich eine andere Vorstellung von Realität.
    Dass die Geschichte religiös sein soll, war eigentlich auch eine These von Daniela, aber da hat sie auch recht. Weil ich keine Lust auf eine Dostojewskij-Diskussion habe, gebe ich jetzt nicht meine Interpretation von „Schuld und Sühne“ wieder, sondern zitiere aus „Gott und Mensch in Dostojewskijs Werk“ von Prof. Martin Doerne:
    „In „Schuld und Sühne“, dem Raskolnikow-Roman, ist Dostojewskijs anthropologischer Grundentwurf mit dem christlichen Wesensbilde des Menschen zur Einheit zusammengewachsen. Die religiöse Integration, die sich hier vollzogen hat, steht im Zeichen des christlichen Gottesglaubens, und die Humanität, die sie bezeugten, bewahren und erneuern will, ist eine Humanität von Christus her. - ... – Als Raskolnikow zum erstenmal Sonja aufsucht, sieht er auf dem Tisch ein Buch liegen, es ist das Neue Testament, dasselbe, das der ermordeten Lisaweta gehörte. Gegen ihr heftiges Wiederstreben muß Sonja ihm aus diesem Neuen Testament die Geschichte von der Auferweckung des Lazarus vorlesen Denn am Nachmittag hat Petrowitsch ihn gefragt, ob er an diese Geschichte buchstäblich glaube, unmittelbar nach der Frage: „Glauben Sie an Gott?“ ... Für Dostojewskij kommt es eben auf diesen Zusammenhang an: Wirklicher Glaube an Gott ist Glaube an die Auferstehung. ... Weder der Tod noch die Sünde, .. können der Lebensgewissheit des Glaubenden
    Abbruch tun.... Mit der Geschichte zwischen Rodion und Sonja stellt der Dichter uns vor ein Gleichnis hin. Die schöpferische Liebeserkenntnis, Gottes Reservat, bildet sich selbst ab in Sonjas Liebe.... Sonjas Handeln ist „Nachahmung“ des schöpferischen Handelns Gottes. Darum ist die Geschichte zwischen Sonja und Rodion aus dem Bereich des Eros herausgenommen ... von der Lektion der Lazarusgeschichte her ist auch ihrer beider Geschichte unter das Zeichen des biblischen Wortes gestellt.“


    Vor allem in Russland wird Dostojewskij als religiöser Autor gesehen. Der russische Schriftsteller Dimitri Mereschkowski bezeichnete z.B. die fünf großen Romane Dostojewskijs, zu denen auch „Schuld und Sühne“ gehört, als „russischen Pentateuch“, wobei er auf die fünf Bücher Moses anspielt, für die Juden der wichtigste Teil der Heiligen Schrift. Wer Dostojewskijs religiöse Botschaft nicht erkannt hat, hat m.M. nach "Schuld und Sühne" umsonst gelesen.


    Sagt Dir auch Miss Marple nichts? 16.50 Uhr ab Paddington? Der Orient-Express? Hast Du mal den Namen Agatha Christie gehört? Die meistgelesene Schriftstellerin (und das schließt Schriftsteller ein) in englischer Sprache, und wahrscheinlich in jeder Sprache? Das ist natürlich kein Qualitätsmerkmal, aber wer Agatha Christie als "Trivial"-Schriftstellerin abtut, macht es sich etwas zu einfach. Das ist aber ein anderes Thema


    Von der Figur Miss Marple habe ich schon gehört, ich habe sogar die Filme „Death on the Nile“ und „Murder on the Orient Expres“ sowie in London das Theaterstück „Die Mausefalle“ gesehen, alles hat mich aber so gelangweilt, dass ich nicht auch noch ein Buch dazu lesen wollte. Dass Agatha Christie eine Trivial-Schriftstellerin ist, habe ich nie gesagt, ich denke sie ist eine gute Kriminalschriftstellerin, trotzdem interessieren mich ihre Bücher nicht. Das ein Schriftsteller viel oder sogar meistgelesen ist, ist für mich kein Argument ihn zu lesen, eher eins ihn nicht zu lesen. Sonst müsste ich ja auch noch Konsalik lesen. . Wer war jetzt eigentlich Hercule Poirot?


    Gruß von Hubert