Juli 2009 - De la Motte Fouqué: Der Zauberring

  • Hallo zusammen,


    hiermit eröffne ich feierlich die Leserunde zu Fouqués Zauberring.


    Mitlesen möchten:


    Giesbert
    Hastic
    Sandhofer
    Zola


    Ich wünsche uns viel Spaß und eine lebhafte Diskussion!
    Weitere spontane und ritterliche Mitstreiter sind natürlich noch herzlich eingeladen.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Gut, ich werde jetzt dann gleich noch beginnen. Meine Erwartungen sind klein: Arno Schmidts Empfehlungen aus seinen Radio-Features sind meist obksur, bestenfalls als Kuriosa zur Kenntnis zu nehmen. Schmidt hatte eine ungeheure Hochachtung vor der Masse an Text, so sind seine Empfehlungen meist Riesenwälzer. (Andererseits hielt er die Lyrik und die Lyriker für masslos überschätzt. Die paar Zeilen ... )


    Ok - starten wir. :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Meine Erwartungen sind klein [...]


    aber voll erfüllt worden *ggg*. Ich habe gestern dann nur noch die ersten beiden Kapitel gelesen. Auch dieser Text wird wohl einer sein, den man nur in homöopathischen Dosen lesen kann. Der Stil ist so hanebüchen, dass einem Tränen kommen - nur weiss man nicht, ob vor Lachen oder Heulen. Ein "enthelmtes Haupt" war bisher das schönste - das "Mühmchen" fehlt natürlich auch nicht. Und Zauberringe gab's bereits zwei.


    Das kann ja heiter werden ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    ich bin gestern bis ins vierte Kapitel gekommen und stimme mit dem was Sandhofer in seinem letzten Beitrag geschrieben hat voll überein. Langweilig ist es bislang jedenfalls nicht, wie der uns vorausgeeilte Giesbert in einem anderen Thread gemeint hatte.

  • Langeweile liegt im Auge des Lesers ;-). Mich jedenfalls ödet das ritterliche Rumgehampel, die platten Pappfiguren und der schwachbrüstige Tonfall doch eher an. Ich bin jetzt bei S. 225 und es ist eigentlich immer noch nichts passiert, was Arno Schmidts Diktum, dem Melancholiker Fouqué sei der Stoff unter der Hand zum Abbild der Welt geworden, irgendwie plausibel erscheinen lassen könnte.


  • Gut, ich werde jetzt dann gleich noch beginnen. Meine Erwartungen sind klein: Arno Schmidts Empfehlungen aus seinen Radio-Features sind meist obksur, bestenfalls als Kuriosa zur Kenntnis zu nehmen. Schmidt hatte eine ungeheure Hochachtung vor der Masse an Text, so sind seine Empfehlungen meist Riesenwälzer. (Andererseits hielt er die Lyrik und die Lyriker für masslos überschätzt. Die paar Zeilen ... )


    Sein erster Funkessay widmet sich immerhin dem Lyriker Brockes, der alles anders als obskur ist 8-)


    Auch die anderen Autoren (lassen wir Massenbach und Johannes von Müller mal außen vor): Cooper, May, Wieland, Klopstock, Moritz, Joyce, Stifter, Herder, Wezel, Tieck, Dickens, Bronte, Gutzkow, Collins oder Bulwer sind ja nicht wirklich "obskur".


    Bleiben: Pape, Schnabel, Oppermann, Schefer, Frenssen, Lafontaine und Spindler.


    Pape ist ganz nett, Schnabel imho nicht mehr lesbar, die "100 Jahre" von Oppermann habe ich gern gelesen, aber keine Erinnerung mehr daran, der vielgelobte "Waldbrand" von Schefer hat mich davon überzeugt, dass ich von dem Autor nichts mehr lesen möchte, den Frenssen habe ich eher angewidert abgebrochen, Lafontaine gelangweilt zur Seite gelegt und Spindlers "Vogelhändler von Imst" als ganz amüsant in Erinnerung (aber ich fürchte, heute fände ich den auch sterbensöde ;-))

  • Langweilig ist es bislang jedenfalls nicht, [...]


    Nun ja - vom Stuhl gehauen vor lauter Spannung und Interesse hat es mich bisher auch nicht. Und wie lange das Amüsement ob des Stils vorhalten kann?
    [hr]
    Das ist jetzt OT:


    Sein erster Funkessay widmet sich immerhin dem Lyriker Brockes, der alles anders als obskur ist 8-)


    Auch die anderen Autoren (lassen wir Massenbach und Johannes von Müller mal außen vor): Cooper, May, Wieland, Klopstock, Moritz, Joyce, Stifter, Herder, Wezel, Tieck, Dickens, Bronte, Gutzkow, Collins oder Bulwer sind ja nicht wirklich "obskur".


    Ja. Nein. Wer kennt heute denn noch Brockes? Bei den Autoren, die noch einigermassen bekannt und/oder lesenswert sind, versteift sich Schmidt dann gerne auf obskure Werke. Hauptsache, sie umfassen viele, viele Seiten. Als wirklich lesenswert habe ich nur die Buchtipps zu Collins und Bulwer Lytton in Erinnerung. (Brockes kannte ich schon vor ihm.)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ja. Nein. Wer kennt heute denn noch Brockes?


    Peter Rühmkorf nannte seine erste Gedichtsammlung "Irdisches Vergnügen in g.", was eine Anspielung auf Brockes ist.


    Zitat

    Bei den Autoren, die noch einigermassen bekannt und/oder lesenswert sind, versteift sich Schmidt dann gerne auf obskure Werke. Hauptsache, sie umfassen viele, viele Seiten. Als wirklich lesenswert habe ich nur die Buchtipps zu Collins und Bulwer Lytton in Erinnerung. (Brockes kannte ich schon vor ihm.)


    Wezel, Wieland, Herder, Tieck, Moritz -- Allesamt lesenswert, auch die Bücher, die Schmidt von ihnen empfiehlt ;-). Auch Dickens "Bleakhouse". Schmidt hat gar nicht allzu abgelegene oder obskure Werke ausgegraben, sondern es gut verstanden, sich als Entdecker zu präsentieren ;-).

  • Aber zurück zum Thema: Bis zum zehnten Kapitel im zweiten Buch (also da, wo ich gearde feststecke) taucht zwar gelegentlich Zauberisches auf, aber mit dem Familienring, um den es geht, hat das nichts zu tun. Dabei wird ja gleich am Anfang ein "Zauberring" genannt, was aber für die nächsten 200 Seiten erstmal folgenlos bleibt.

  • Dabei wird ja gleich am Anfang ein "Zauberring" genannt, was aber für die nächsten 200 Seiten erstmal folgenlos bleibt.


    Interessant. Ich habe das Gegenteil vermutet.


    Und wenn man mich jetzt fragt: Warum liest du das denn überhaupt, so muss ich mit Mephisto antworten: Von Zeit zu Zeit les' ich die alten Schwarten gern ... ;)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Vorbemerkungen:
    Ich lese eine digitale Version, die ich von Gutenberg (oder sowas ähnliches) runtergeladen habe. Ich kann also nicht mit Seitenangaben kommen.
    Zu der Diskussion um Schmidt kann ich nichts beitragen, meine Motivation den Zauberring zu lesen ist ja eine andere.
    Ich liege weit hinter den anderen. Habe zwar etwas gemogelt und hie und da gelesen, aber bin ernsthaft erst bei Kapitel 4.


    Zur Sprache haben ja schon einige kommentiert. Schon in der Einleitung geht es los: günstiger Leser und den lieben Gott mit rechter Inbrunst um Hülfe anrufen. Und so geht es weiter. Sprachlich ist das Buch in meinem Augen nicht gut gealtert.
    Imho ist auch die Lyrik etwas "gedrechselt", klingt fast so als ob ich mich an Gelegenheitspoesi versucht hätte (Dann, wo Christ gelitten, Wird ein Kampf gestritten; Wer da fällt, hat Gloria, Wer da lebt, Victoria! - reim dich oder schüttel dich).


    Zur Story (ja, ich weiss, es ist vermessen nach vier Kapiteln schon eine Meinung dazu zu haben, aber ich wage es eben dennoch). Auch hier kling einiges gedrechselt, unrealistisch:


    [li]Gabrieles Angel, die gerade passenderweise auftaucht.[/li]
    [li]Das Hin und Her mit dem Ring, als er das erste Mal auftaucht.[/li]
    [li]Folko klettert von einem Baum runter, da ist Gabriele schon auf und davon nach England. Überhaupt, die reinste Globalisierung, die Welt als Dorf, es klingt so als ob das europäische Parlement hin und her reist.[/li]
    [li]Ein Ritter im vollen Harnisch springt (!) vom Pferd, um zu fechten. Er konversiert natürlich galant, schlägt die Laute.[/li]


    Ich vermute, es geht so weiter.


    Das ist also nichts. Will sagen: weder die Sprache noch die Story können Anlass sein, das der Roman heute noch gelesen wird (wer weiss, vielleicht sind wir - und natürlich A. S. - die letzten Mohikaner :zwinker:). Was also?
    In Kapitel 2 wird Otto und Bertha die reinste Märchenwelt vorgeführt, die Gesellschaft mit der Dame und ihrem Ritter, die dann ihre fantastische Geschichte erzählt. Ende des dritten Kapitels ist dann der Spuk genauso schnell zu Ende, wie er aufgetaucht ist. Puff macht es, und Otto und Bertha stehen plötzlich alleine da auf ihrer Donauwiese.
    Eine Menge ist aber passiert: Otto, der absolut nicht weg wollte von seinem Mühmchen, will jetzt Ritter werden und auf und davon. Ein paar Personen sind uns vorgeführt, die offenbar - ja was eigentlich - irgendwas stimmt auf jeden Fall nicht. Selbst der greise Herr Hugh scheint ein tieferes Wasser zu sein, als der Anschein vorgibt.


    Ich glaube, es ist das, was den Roman ausmacht: eine Fantasy-Story (schauriges Wort, aber so heisst das wohl). Ich werde es ja sehen.


    Grüsse aus den hellen schwedischen Nächten,
    hastic

  • Ich liege weit hinter den anderen. Habe zwar etwas gemogelt und hie und da gelesen, aber bin ernsthaft erst bei Kapitel 4.


    Ich bin gestern Abend noch bis Kapitel 5 vorgedrungen. Soooo weit hinten liegst Du also nicht. Zumal das Buch wohl wirklich eines ist, das ich nur in hmöopathischen Dosen zu mir nehmen kann, wenn ich denn ganz bis ans Ende vordringen will.


    Ich frage mich nämlich jetzt schon, wenn ich die Zusammenfassung der ersten vier Kapitel von Dir lese, was denn nun eigentlich in Kapitel 5 neu war.


    Will sagen: weder die Sprache noch die Story können Anlass sein, das der Roman heute noch gelesen wird (wer weiss, vielleicht sind wir - und natürlich A. S. - die letzten Mohikaner :zwinker:). Was also?


    Ich vermute, diese Deine Frage wird uns noch des öftern beschäftigen in dieser Leserunde ...

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  • Wieder ein paar Kapitel weiter. Die Geschichte plätschert tatsächlich ein bisschen vor sich hin; als wirklich langweilig habe ich sie aber noch nicht empfunden. Etwas chaotisch scheint sie zu sein - aber das ist vielleicht auch nur romantisches Program ...


    Jedenfalls sind wir unterdessen in Frankfurt. Ich habe den Autor allerdings in Verdacht, dass es mit einer historischen Genauigkeit nicht so weit her ist bei ihm. Ein Kaufmann lädt einen Ritter zu sich nach Hause ein und startet dann als Reisiger mit ihm auf Tour? Ich weiss nicht, ich weiss nicht ...


    Aber im Moment noch immer recht amüsant, das Ganze.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,
    ich bin auch gestartet, bin bei Kapitel 6 und es geht mir ebenso:

    Zitat von sandhofer

    ...so muss ich mit Mephisto antworten: Von Zeit zu Zeit les' ich die alten Schwarten gern ...


    Ich habe ein 80-100 jähriges Exemplar ausgeliehen erhalten, in alter Schrift natürlich, was wunderbar zu diesem Werk passt. Erster Eindruck: es liest sich angenehm, zügig, unterhaltsam, und ich kann mir vorstellen, dass es zum Vorlesen geeignet war, was ja in dieser Zeit wohl immer noch eine verbreitete Rezeptionsform war. Ein Ritter Truchsess soll sich das Werk dreimal hintereinander haben vorlesen lassen (Einleitung des Hrsg.).


    Zitat von sandhofer

    Auch dieser Text wird wohl einer sein, den man nur in homöopathischen Dosen lesen


    Mir geht es gerade umgekehrt: Es scheint einer der Texte zu sein, die man in grossen Einheiten lesen sollte, um so richtig aus dem Alltag heraus und in die Geschichte reinzukommen! Möglichst drei, vier Stunden am Stück...


    In der Einleitung des Herausgebers wird auch erwähnt, dass Fouqué die Gestalt des Folko von Montfaucon besonders am Herzen lag und er ihn als Ahnherr seiner Familie bezeichnet (er teilte ihm auch die Farben seines eigenen Wappens, himmelblau und Gold, zu): Seine Familie habe in alten Zeiten Foulqué geheissen, abgeleitet von Folko oder Fulko, und eine Burg Montfaucon habe zu den Besitztümern der Familie gehört. Dadurch entsteht mE eine besondere Spannung, weil wir am Anfang als Leser bei der Gegenpartei sind und Falko als Widersacher erleben. Ausserdem scheinen sich Gabriele und Falko nicht gerade besonders abgeneigt zu sein?!


    Ist die Sprache bewusst archaisierend?
    Ich frage mich, ob das Werk das Rittertum auch schon ironisiert. Eine Stelle in Kapitel 3 Draussen im nächtlichen Dunkel hörte man am Gerassel der fallenden Rüstung, dass Archimbald am Boden lag. erinnert mich an die Stellen in Muschgs Rotem Ritter, wo er sich plastisch vorstellt, wie sich das in Wolframs Parzival immer wieder vorkommende "und setzte ihn hinters Ross" (wenn einer beim Lanzenstechen verliert) wohl in der Rüstung wirklich angefühlt haben muss.



    Bis zum zehnten Kapitel im zweiten Buch (also da, wo ich gearde feststecke) taucht zwar gelegentlich Zauberisches auf, aber mit dem Familienring, um den es geht, hat das nichts zu tun. Dabei wird ja gleich am Anfang ein "Zauberring" genannt, was aber für die nächsten 200 Seiten erstmal folgenlos bleibt.

    Offenbar hat Fouqué den ursprünglichen, recht passenden Titel "Waffenhallen und Minnelauben" auf den Vorschlag seiner Gattin hin in "Der Zauberring" geändert. Es würde also nicht überraschen, wenn der Ring eine geringere Rolle spielt als der Titel erwarten lässt.


    Die Aufnahme des Werks bei den Zeitgenossen reichte offenbar auch schon von höchster Bewunderung bis zu totaler Ablehnung. Somit sind wir hier eine repräsentative Runde!


    Grüsse, Maja

  • Hallo zusammen,


    ich habe jetzt die ersten 9 Kapitel gelesen. Ich finde das Buch sehr gut: Es ist unterhaltsam, kurzweilig, stellenweise durch seine Aneinanderkettungen von zufälligen Begegnungen verrückt, ironisch (inwieweit beabsichtigt oder nicht ist mir noch nicht ganz klar) und mysteriös. Von Seite zu Seite gibt es mehr offene Fragen zu den auftretenden Personen. Ich habe auch wie Maja den Eindruck, dass man das Buch am Stück lesen sollte. Die Sprache gefällt mir insgesamt auch sehr gut, sie ist es eigentlich was das Lesen interessant macht. In moderner Sprache verfasst würde ich das Buch vielleicht nur für einen langweiligen Fantasy-Schinken halten. Eine Verfilmung könnte ich mir auch gut vorstellen, entweder als schlechter Ritterfilm oder ironisch überspitzt im Stil von Monty Python.


    Viele Grüße,
    Zola

  • Giesbert hat einen Ausschnitt aus Arno Schmidts Interpretation in den Materialien gepostet, den ich sehr interessant finde. Für die Topologie bzw. Topografie der von ihm gelesenen Werke hatte Schmidt ja ein Auge.


    Die Sprache? Nun ja - ich habe mich daran gewöhnt. Ein wenig.


    Ironisch? Ich glaube nicht. Fouqué war's wohl todernst mit seinem Roman. Ironie kam in die Romantik erst mit Heine; und damit war's dann aber auch gleich aus mit der Romantik.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus