Juli 2009 - De la Motte Fouqué: Der Zauberring

  • Das erste Buch fand ich recht schön und unterhaltsam zu lesen, im zweiten hielt mich eine gewisse handlungsmässige Spannung über Wasser, und anstelle des dritten hätte ein kurzer Epilog für die romantisch notwendigen Zusammenfügungen und Kreisschlüsse genügt.


    Ja? Mich hat die sinnlose Klopperei schon im ersten Buch genervt (im dritten dann wieder, im zweiten eigentlich auch, wenn ich's recht bedenke ...); im zweiten war der Krieg im Norden ganz ok, die doofen Weiber allerdings hätte Fouqué sich und mir sparen können, besonders, nachdem er in einem Kapitel eine wirkich gelungene Differenzierung der drei und eine zart angedeutete Love Story gebracht hat, leider nur, um das Ganze im nächsten Kapitel dann wieder zu Mus zu hauen; das dritte hingegen hatte mit der Höhle und der Schlacht am Ende die besten Momente des ganzen Romans. Auf des Papstes geweihtes Wasser und die paarweise Zusammentreibung hätte ich dann wieder verzichten können.


    es ist doch schön zu wissen, dass es nach diesem Start nur noch besser werden kann! :winken:


    Du kennst ja das Standard-Prozedere in jeder US-amerikanischen Comedy-Show, wo eine Figur gerade seufzt: "Schlimmer kann es nicht werden!", und es dann an der Tür klingelt und die Schwiegermama steht davor?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Seltsames Christentum, bei Fouqué, btw. Unterscheidet sich vom haidnischen Zauberwerk nur durch seine höhere Wirksamkeit.


    Das Christentum als Heldenreligion. Dazu passt gut, dass Gerda das Kreuz in Gestalt des Schwertes anbeten sollte. Ich glaube aber, dass das von dem mittelalterlichen Glauben leider gar nicht allzu weit entfernt ist. In Gil Vicentes geistlichen Spielen kamen die Kreuzritter auch alle direkt in den Himmel (dafür aber mancher Papst in die Hölle).


    Ich bin 50 Seiten vor Schluß. Endspurt ;-)

  • Gerda


    Auch so eine verpasste Gelegenheit, wie ich finde. Welche Möglichkeiten hätten der Zwiespalt zwischen eigenem, überkommenem Glauben und der Liebe zu einem Andersgläubigen doch geboten! Und das einzige, was Fouqué in den Sinn kommt, ist, dass sie dieses depperte Schwert küssen soll. (Vielleicht hätte es sich ja, wenn sie es nur lange genug geküsst hätte, auch aufgerichtet und ...? :teufel: )

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  • So ein echter harter Ritter hätte doch nie vor seinen Waffenbrüdern das Schwert auf den Boden gelegt :zwinker:


    "(..) Tue nur noch das Eine, und ich bin fertig mit meinen Bedingungen allzumal. Da siehe!« Er zückte sein breites Schwert, und stieß es dicht vor ihr in die Erde - »das ist die heilige Kreuzgestalt. Knie nieder davor und bete sie an.«


    Gerda schauderte entsetzt zurück, und verschwand lautlos in das nahe Gebüsch.


    »Das ist recht sehr schade!« seufzte Archimbald aus ganzem Herzen, während er das Schwert wieder emporzog, und es in seine Scheide warf."


    Dahinter steckt auch wieder so ein Magie-Gedanke. Wenn sie das Schwert bzw. Kreuz angebetet hätte (kein Christ macht so etwas, davon abgesehen), wären wahrscheinlich die bösen Heidengeister aus ihr herausgefahren :rollen:

  • So ein echter harter Ritter hätte doch nie vor seinen Waffenbrüdern das Schwert auf den Boden gelegt :zwinker:


    Ich dachte mehr daran, dass er es ihr einfach hinhält ... :breitgrins:


    Dahinter steckt auch wieder so ein Magie-Gedanke. Wenn sie das Schwert bzw. Kreuz angebetet hätte (kein Christ macht so etwas, davon abgesehen), wären wahrscheinlich die bösen Heidengeister aus ihr herausgefahren :rollen:


    Das mit dem Kreuz bzw. Schwert will mir auch nicht so koscher erscheinen. Aber ich kein Theologe ...

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  • Auch hier meine Frage: Und? :teufel:


    Ich habe das Buch erst noch ein bisschen setzen lassen. Die ersten 50 Seiten haben mir sehr gut gefallen, danach kam mir die Geschichte doch etwas zu sehr an den Haaren herbeigezogen vor. Richtig langweilig wurde sie aber nie. Einen guten Klassiker zeichnet meiner Meinung nach schöne Sprache und/oder Tiefgang aus. Diesem Roman fehlte beides, einzig die etwas altertümliche Sprache gefiel mir manchmal, wobei sie oft viel zu schwulstig war, was manchmal zu einer ungewollten Komik führte.
    Die Auflösung am Ende des Buchs hat mir überhaupt nicht gefallen. Der ganze Plot entspricht überhaupt nicht meinem Geschmack.



    Mit dem Nachwort bin ich zwischenzeitlich auch fertig, Es hat mich ein bisschen mit dem Roman versöhnt. Ich werde demnächst noch ein paar interessante Stellen daraus hier zitieren.

  • . Einen guten Klassiker zeichnet meiner Meinung nach schöne Sprache und/oder Tiefgang aus. Diesem Roman fehlte beides, ...


    Zudem gehört für mich zu einem guten Klassiker, dass man ihn mit Gewinn mehrmals lesen kann, dass nach der ersten Lektüre Fragen offen sind. Das fehlt mir hier auch.

  • Zudem gehört für mich zu einem guten Klassiker, dass man ihn mit Gewinn mehrmals lesen kann, dass nach der ersten Lektüre Fragen offen sind. Das fehlt mir hier auch.


    Na ja, offene Fragen wären zu Hauf. Aber ich glaube, ich will die Antworten auch gar nicht wissen ... :breitgrins:

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  • Mit dem Nachwort bin ich zwischenzeitlich auch fertig, Es hat mich ein bisschen mit dem Roman versöhnt. Ich werde demnächst noch ein paar interessante Stellen daraus hier zitieren.


    Hier noch die versprochenen Auszüge aus dem Nachwort meiner Ausgabe:


    "Der Zauberring war Friedrich de la Motte Fouqués größter Erfolg und einer der größten Bucherfolge seiner Zeit. Friedrich Schlegel hielt das Buch für den besten Roman "seit dem Don Quijote", E.T.A. Hoffmann schwärmte von dem "über alle Maßen" "herrlichen und ergreifenden Zauberring" und Heinrich Voß fand in einer Rezension, daß ihm von der Lektüre des Zauberrings "die ganze Seele" durchgeglüht sei."


    Der Autor des Nachworts, Gerhard Schulz, weist darauf hin, dass 1816, drei Jahre nach dem Erscheinen des Romans, bereits eine neue Auflage herauskam, was zu dieser Zeit eher bei Trivialliteratur der Fall war. Der "Wilhelm Meister", "Hyperion" und "Heinrich von Ofterdingen" waren damals verglichen mit dem Zauberring Ladenhüter. Er bestreitet jedoch dass man den Zauberring deshalb als "banale Unterhaltungskunst" einstufen sollte. Die damals populären Ritterromane wären auf einem ganz anderen Niveau als der Zauberring gewesen, auch wenn er natürlich von dieser Romangattung beeinflusst worden war.


    Schulz meint, dass 1811, als Fouqué das Buch schrieb, die Idee eines christlichen Europas mit den Deutschen als Mittelpunkt ein aktuelles Thema für die deutschen Leser war. Napoleon befand sich auf dem Zenit seiner Macht über Europa, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war Geschichte und wurde verklärt und seine Wiederauferstehung u.A. von Novalis gefordert.


    Im Gegensatz zu Lessings "Nathan" gehe es bei Fouqué nicht um Toleranz und Gleichwertigkeit der Religionen, sondern um eine dominante Rolle des Christentums. Die Familienharmonie konnte erst endgültig hergestellt werden, nachdem alle andersgläubigen Halbgeschwister zum Christentum konvertiert waren.


    Weiter heißt es im Nachwort: "Dem Melancholiker Fouqué aber, so hat Arno Schmidt behauptet, sei im Zauberring mehr als nur ein Ritterroman gelungen; das Buch sei ihm zum "Bild der Welt überhaupt": "einer labyrinthisch verworrenen Welt, an deren Außenrändern wilde Länder und Völker als Übergang zum Chaos lauern. Im Süden die staubdunstene Wüste mit giftigem Zeug; im Norden in eisigen Felsklüften und verflochtenen struppigen Wäldern heidnische Zauberinnen; im Westen wellt sich das graue Meer. Und die Söhne des Herrn Hugh, Eines nur in vielfacher Brechung, dringen durch die Gänge des Labyrinthes, fallen aus nach allen Richtungen, verwirren sich im "Wald der Welt", wie es Fouqué später einmal formuliert."
    (...)
    Fouqués Abgleiten in das sprachlich Banale oder in eine überbürdete Sprache der Sentimentalität sollte allerdings den heutigen Leser nicht blind machen gegenüber den sprachlichen Schönheiten des Zauberrings, wie sie sich bei genauerem Lesen überall im Buche enthüllen, seien es nun die einer geradezu schon vom Zauber des Jugendstils umgebenen Szene wie Berthas Ankunft auf Hilldiridurs Burg, seien es manche der fesselnd erzählten Einlagen oder sei es schließlich eine so eindrucksvolle Romanze wie die von Don Gayseros, von der Heine tiefbewegt zu Eigenem angeregt wurde."
    [nämliche seine Romanze "Dona Clara von 1823 aus dem "Buch der Lieder", die unter unmittelbarem Einfluß von Fouqués Gedicht entstand]

  • Die damals populären Ritterromane wären auf einem ganz anderen Niveau als der Zauberring gewesen, auch wenn er natürlich von dieser Romangattung beeinflusst worden war.


    Dass es noch Trivialeres gab, will ja niemand bestreiten. Aber auf einem so hohen Niveau wie Schmidt oder Schulz wollen, ist der Zauberring dann wohl doch nicht einzuordnen ... :winken:

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  • Zitat

    "Dem Melancholiker Fouqué aber, so hat Arno Schmidt behauptet,


    ja eben: behauptet. Nach der Lektüre würde ich mal sagen, dass das eine ziemlich haltlose Behauptung ist.


    Sicher ist der Zauberring wg. seiner Rezeption ein wichtiger Roman der Zeit. Aber das macht ihn doch nicht lesbar oder gut. Und wenn deutschnationale Romantiker sich dafür so erwärmten, dann werde ich erst recht skeptisch.


    Auch von den "großen sprachlichen Schönheiten" habe ich bei der Lektüre nichts bemerkt. Mag sein, ich bin ein stumpfer Stoffel. Aber der Widerwillen gegen Konstruktion und Kitsch des Textes war mir halt doch deutlich im Weg.

  • Schulz meint, dass 1811, als Fouqué das Buch schrieb, die Idee eines christlichen Europas mit den Deutschen als Mittelpunkt ein aktuelles Thema für die deutschen Leser war. Napoleon befand sich auf dem Zenit seiner Macht über Europa, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war Geschichte und wurde verklärt und seine Wiederauferstehung u.A. von Novalis gefordert.


    Novalis, dies nebenbei, war 1811 schon seit 10 Jahren tot - eine lange Zeit in einer Epoche, die mindestens so schnelllebig wie die unsere war ... :zwinker:

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