Juni 2008 - Karl Gutzkow: Die Ritter vom Geiste

  • Hier geht's richtig zur Sache und die Handlung schreitet voran. Bin jetzt in III, 7, und selbst die politischen Kapitel sind recht kurzweilig gestaltet.


    Leider scheint es sich um das Ausnahmebuch zu handeln. Ich bin jetzt am Anfang von Buch 7 (und damit des dritten und letzten Bandes meiner Ausgabe). Anstatt sich um den soeben besprochenen Orden der Ritter vom Geiste zu kümmern, reisen die beiden Brüder Wildungen in die Provinz - jeder separat. Siegfried, weil er weder Mutter noch Tochter Wälsungen kompromittieren will und wohl auch Schiss vor der eigenen Courage bekommen hat; Roy, weil er den Prozess um sein Templer-Erbe in der ersten Instanz verloren hat und nun in der Provinz wohl auf neue Eingebungen hofft. Der Prinz wird unterdessen immer systemkonformer.


    Daneben weitere reisserische Enthüllungen von Figuren ...


    Nein, ich fürchte, Herr Gutzkow, so wird das nichts mit einem Agitprop-Roman ...
    [hr]
    Es scheint übrigens, als hätten wir ungefähr alle den gleichen Text, oder? Jedenfalls hat bisher keiner ein Ereignis beschrieben, das ich in meiner alten Ausgabe nicht gefunden hätte. :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Es geht im Moment weiter als "grosser Enthüllungs- und Rächerroman" fast wie bei Karl May. Nur der omnipotente Überheld fehlt (noch?) ... :rollen:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich bin im Augenblick im Kapitel II.10. Irgendwie langweile ich mich z.Zt. beim Lesen. :sauer:




    Es geht im Moment weiter als "grosser Enthüllungs- und Rächerroman" fast wie bei Karl May. Nur der omnipotente Überheld fehlt (noch?) ... :rollen:


    Ja, streckenweise erinnert das Buch mich auch an "Scepter und Hammer", das ich kürzlich las.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Ja, streckenweise erinnert das Buch mich auch an "Scepter und Hammer", das ich kürzlich las.


    Du solltest Das Waldröschen lesen ... :breitgrins:


    Aber, um Gutzkow nicht unrecht zu tun: Er hatte ja das Vorbild vor Augen. Sues Roman Les mystères de Paris war a) erfolgreich und galt b) als linke Kampfschrift. Warum sollte also das Rezept in Deutschland nicht aufgehen?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Unterdessen bin ich wieder ein Stück weiter gekommen. Noch mehr Enthüllungen, noch mehr Rache. Die Ritter vom Geiste sind völlig in den Hintergrund gedrängt worden. Und sogar so etwas wie der strahlende Held ist da: der junge französische Vergolder. (Immerhin nicht übel, dass zu jener Zeit, als, wenn ich mich nicht ganz irre, die Franzosen in Deutschland schon nicht mehr so unbedingt beliebt waren, ein Franzose eine derart positive Rolle zugesprochen bekommt. (Ok, ja: er hat (auch) deutsche Vorfahren ...).)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus


  • Das sollte man tatsächlich, immerhin der wohl erfolgreichste Kolportage-Roman des 19. Jhrds., den sollte man wenigstens mal zur Kenntnis genommen haben 8-)


    Nicht drängeln, Mays HKA steht griffbereit. Also wird auch das "Waldröschen" irgendwann drankommen.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Ich bin im Augenblick im Kapitel II.10. Irgendwie langweile ich mich z.Zt. beim Lesen. :sauer:


    Was ich übrigens voll und ganz verstehe. Wenn's nicht wegen der Leserunde wäre und wegen der Tatsache, dass in dem Werklein eine gewisse Exotik liegt, hätte ich wohl schon nach 100 Seiten aufgehört. Da ich aber gerade noch so schön in Form bin von der Lektüre Alexander von Humboldts her ... :lachen:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Und jetzt wird wieder politisiert. Da ist ein Freund ins Gefängnis gekommen, man hat versprochen, seinen Sohn zu finden - und jetzt wird wieder politisiert ... :grmpf: Na ja - typische Hinhaltetaktik der Kolportage halt ... Ich nähere mich Buch 8.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Anfang von Buch 8. Jetzt weiss ich, wer Egon in Wirklichkeit ist. Der unterdessen als Fürst und Minister ultralroyal handelt und seine besten Freunde verfolgen lässt. Ein im Grunde genommen recht ätztende Kritik von Gutzkow am "System", wenn deren härteste Verfechter welche sind, die eigentlich von diesem System ausgestossen würden, wenn das System wüsste, wen es vor sich hat ... :winken: Das gefällt mir nun wieder.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ich bin jetzt am Ende vom zweiten Buch. Die Nacht und der Morgen im Heidekrug brachten ja mal etwas Spannung in die Geschichte. Da hat das Lesen wieder etwas mehr Spaß gemacht. Ich hoffe, die offenen Fragen werden später noch geklärt.
    Und die letzten beiden Kapitel holen Schwung für das nächste Buch (nehme ich an).

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Halli hallo,
    so, ein Drittel habe ich nun bewältigt und bin in IV, 3. Gerade habe ich den Tee umgeworfen, weil das Balkontischbein so unpraktisch stand und mir meine schöne Silberschnittausgabe verdorben! :grmpf:


    Wie ihr bin auch ich immer so hin und hergerissen. Manchmal ist Gutzkow ein richtiger Könner, besonders wenn er die Frauen schildert, und manchmal geht es mir unheimlich auf den "Geiste" :breitgrins:, wenn er die Auflösung eines der vielen Geheimnisse wieder durch eine plötzliche Störung oder anfallsartige Skrupelhaftigkeit, die natürlich auf zehn Seiten ausgewalzt wird (jedenfalls kam es mir bei Siegbert angesichts des Portraitgeheimnisses der Fürstin Amanda so vor), um mehrere hundert Seiten aufschiebt.


    Aber immer wieder interessant finde ich doch die "Politisierungen", denn da stecken Hintergründe drin, die mir vieles aus dieser Zeit näher bringen.


    Die Verhaltensweisen einiger Personen sind auch zeitlos: Ich nehme an, wir kennen alle Franz Schlurcks, Gelbsattels und Paulines in modernem Gewand. Nur die "Guten" sind tatsächlich etwas übertrieben, vor allem was das entsagungsvolle blonde Schaf Siegbert angeht.


    Noch einen schönen Sonntag


    wünscht


    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Ich bin jetzt am Ende vom zweiten Buch.


    Dann hast Du den Leckerbissen von Buch 3 ja noch vor Dir. Freue dich!


    Die Nacht und der Morgen im Heidekrug brachten ja mal etwas Spannung in die Geschichte. Da hat das Lesen wieder etwas mehr Spaß gemacht. Ich hoffe, die offenen Fragen werden später noch geklärt.


    Keine Bange - in dieser Beziehung ist Gutzkow sauber (und das ist wohl mit, was Arno Schmidt gemeint hat, wenn er die Konstruktion des Romans lobt): Er hat - soweit ich selber den Überblick behalten habe - noch keines seiner Geheimnisse und seiner offenen Fragen vergessen. Auch wenn er manchmal tatsächlich


    die Auflösung eines der vielen Geheimnisse wieder durch eine plötzliche Störung oder anfallsartige Skrupelhaftigkeit, die natürlich auf zehn Seiten ausgewalzt wird (jedenfalls kam es mir bei Siegbert angesichts des Portraitgeheimnisses der Fürstin Amanda so vor), um mehrere hundert Seiten aufschiebt.


    :breitgrins:


    Aber immer wieder interessant finde ich doch die "Politisierungen", denn da stecken Hintergründe drin, die mir vieles aus dieser Zeit näher bringen.


    Mir nimmt er ein bisschen zu viel Rücksicht. Es ist die ganze Zeit dem Leser überlassen, zu mutmassen, in welchem deutschen Staat er sich aufhalten könnte, welches Herrscherpaar gemeint sein könnte usw. usw. Da lese ich für solche Hintergründe lieber ein bisschen in Karl Marx. Oder so. ;)
    [hr]

    so, ein Drittel habe ich nun bewältigt und bin in IV, 3. Gerade habe ich den Tee umgeworfen, weil das Balkontischbein so unpraktisch stand und mir meine schöne Silberschnittausgabe verdorben! :grmpf:


    Daran erinnere ich mich gar nicht. Habe ich das im Halbschlaf überlesen oder hast Du hier tatsächlich etwas, das in meiner Ausgabe weggelassen wurde? Kannst Du mir genauere Angaben machen, wer hier so tolpatschig agierte? Danke! :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Daran erinnere ich mich gar nicht. Habe ich das im Halbschlaf überlesen oder hast Du hier tatsächlich etwas, das in meiner Ausgabe weggelassen wurde? Kannst Du mir genauere Angaben machen, wer hier so tolpatschig agierte? Danke! :winken:


    Oder meintest Du jetzt wirklich Dich selber, nicht eine Figur des Romans? :?:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Daran erinnere ich mich gar nicht. Habe ich das im Halbschlaf überlesen oder hast Du hier tatsächlich etwas, das in meiner Ausgabe weggelassen wurde? Kannst Du mir genauere Angaben machen, wer hier so tolpatschig agierte? Danke! :winken:


    Man nennt mich auch finsbury Henning von Harderstein! :breitgrins: :breitgrins:

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • Ich bin gestern noch ins 9. und letzte Buch vorgedrungen. Mit rund 200 Seiten wohl auch eines der längeren - für mich immer ein unangenehmer Hinweis darauf, dass der Autor seinen Schluss nicht gefunden haben könnte ... :rollen:
    [hr]
    Der Schluss von Buch 8 hingegen war noch einmal richtig gut. Gutzkow hat die Willkür des Staates sehr schön geschildert, ohne ihn mit moralisierenden Mono- oder Dialogen zu verbrämen. Eine schlichte, gut nach vorne strebende Schilderung der Geschehnisse macht den Leser, wie ich finde, ja viel betroffener als all die mehr oder weniger gutmeinenden rhethorischen Ergüsse ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • So ich bin jetzt am Anfang von Buch 3. Sehr schön ist da die Schilderung der beiden Räume von Pauline, eins zum Repräsentieren und eins zum Leben und Arbeiten.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)


  • [quote='giesbert','http://klassikerforum.de/forum/index.php?thread/&postID=32388#post32388']
    [quote='sandhofer','http://klassikerforum.de/forum/index.php?thread/&postID=32376#post32376']
    Du solltest Das Waldröschen lesen ... :breitgrins:


    Nicht drängeln, Mays HKA steht griffbereit. Also wird auch das "Waldröschen" irgendwann drankommen.



    Unterscheidet sich der Text von "Waldröschen" stark von dem des Sternau-Zyklus, der in den gesammelten Werken mit "Schloss Rodriganda" beginnt ? Vor ca. 45 jahren bin ich mit Sternau schon durch um die Erde gehetzt ohne zu wissen, dass die Geschichten ursprünglich ein Kolpotageroman waren.

  • Unterscheidet sich der Text von "Waldröschen" stark von dem des Sternau-Zyklus, der in den gesammelten Werken mit "Schloss Rodriganda" beginnt ? Vor ca. 45 jahren bin ich mit Sternau schon durch um die Erde gehetzt ohne zu wissen, dass die Geschichten ursprünglich ein Kolpotageroman waren.


    die Bearbeiter haben sich einigermaßen am plot orientiert und versucht, das mäandernde Geschehen, das als Erzählprinzip ja immer nur das "Fortsetzung folgt" der Kolportage kennt, einigermaßen in die Formatforgaben der Gesammelten Werke zu kanalisieren. Dabei haben sie haben sehr großzügig geschnitten, neu hinzugeschrieben, umgestellt etc. Das Ergebnis hat mit dem Original kaum noch was gemeinsam.


  • die Bearbeiter haben sich einigermaßen am plot orientiert und versucht, das mäandernde Geschehen, das als Erzählprinzip ja immer nur das "Fortsetzung folgt" der Kolportage kennt, einigermaßen in die Formatforgaben der Gesammelten Werke zu kanalisieren. Dabei haben sie haben sehr großzügig geschnitten, neu hinzugeschrieben, umgestellt etc. Das Ergebnis hat mit dem Original kaum noch was gemeinsam.



    Danke für die Erläuterung. Wenn May wüsste was man heute für sein Waldröschen hinblättern muss ... :grmpf:


    Vor Jahren habe ich es mit Winnetou noch einmal versuchen wollen, bin aber nach wenigen Seiten an dem ganzen Schmalz der Sprache gescheitert. Dabei habe ich in meiner Kindheit W2 mindestens 5x gelesen. Da mich meistens bei einem Roman zuerst die Geschichte interessiert, versuche ich es vielleicht noch Mal mit dem Waldröschen.


    Gützkows "Der Zauberer von Rom" liegt turmhoch auf der Treppe und macht mir Angst vor dem Anfang.