DIE Erzähler

  • Hallo,


    von vielen großen Schriftstellern kennen wir auch ihre Erzählungen (oder leider auch nicht), was mich nun interessiert ist - gibt es auch DIE Erzähler, also Schriftsteller, die auf dem Gebiet der Erzählungen einsame Meister ihres Faches sind?
    Spontan fällt mir jetzt Tschechow (oder Chechov, wie auch immer) ein, ich las ihn begeistert und ausdauernd vor vielen Jahren, aber seit dem habe ich eigentlich dieses literarische Gebiet etwas vernachlässigt, nun habe ich vergangenen Wochen zwei Bändchen mit (wirklich lesenswerten) Kurgeschichten von Merimee und Leskow gelesen und jetzt möchte ich gerne mehr...


    Vielleicht hat einer von den Unentwegten hier ein paar gute Ratschläge für mich, dabei ist mir nicht wichtig aus welchem Land oder welcher Literaturepoche diese Schriftsteller dann kommen.


    Liebe Grüße


    Peter

  • Hallo Peter,


    dieser Thread ist eine schöne Idee. Ich lese auch erst seit letzter Zeit öfter Erzählungen, früher waren sie mir immer irgendwie zu kurz, um sich richtig darin einzuleben. Aber da meine Aufmerksamkeitsspanne mit zunehmendem Alter kleiner wird, sind mir Erzählungen inzwischen sehr lieb geworden.


    Meister ihres Faches? Hmm, evtl. Guy de Maupassant. Wobei ich von ihm bisher kaum etwas gelesen habe. Edgar Allan Poe würde mir dann noch einfallen, wenn man es etwas düsterer/grusliger mag.


    Ich habe vor, noch einiges von Henry James zu lesen, der allerdings durchaus auch für seine Romane bekannt ist.


    Viele Grüße
    thopas

  • Hallo,


    @ Lost,


    mein letzter "Tausendseiter" war Scholochows - Stiller Don, ich habe durchgehalten weil das ein typisches Buch eines richtigen Vollblutrussen ist, ob nun Plagiat oder nicht, so viel ich weiß wurde Scholochow von diesem Vorwurf freigesprochen.
    Nun steht mir der Sinn nach Kurzgeschichten und S. Maugham kommt auf meine Leseliste. Danke.


    @ thopas,


    wenn du planst einiges von H. James zu lesen, so schließe ich mich dann an! Ich bin gerade in den diversen Online - Läden um etwas (mir) zusagendes zu Finden, mal sehen was sich dann so anhäuft in der nächsten Zeit, denn mein SUB ist noch gut belastbar, noch jedenfalls.
    (Erst wenn ich, im sich zum Himmel türmenden Büchergewühl, genau das Buch nicht mehr finde, das ich vor wenigen Minuten beiseite legte um irgend etwas anderes (auch vergeblich) zu suchen, dann sind die Grenzen meiner Neuanschaffungen wieder erreicht.)
    Lieben Dank für deinen Hinweis.


    Liebe Grüße


    Peter

  • Hallo, Ihr Lieben,


    Eduard von Keyserling aus dem baltendeutschen Adel hat sehr schöne impressionistische Erzählungen über eine inzwischen untergegangene Welt geschrieben.


    By the way: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Erzählung, einer Novelle und einer Kurzgeschichte?


    Viele Grüße


    Sir Thomas

  • Guten Abend


    Paul Heyse ist für mich ein Meister dieses Fachs. Erzählungen wie Andrea Delphin und L'Arrabiata gehören für mich zum Schönsten dieses Genres, und natürlich auch Gottfried Kellers Leute von Seldwyla.


    Gruss


    Uhu

    Das Universum, das andere die Bibliothek nennen [...] (J.L. Borges, Die Bibliothek von Babel)

    Einmal editiert, zuletzt von uhu ()


  • Hallo Peter,
    Leskows "Meistererzählungen" (Manesse-Verlag) machen Lust auf mehr. Seine bekannteste Erzählung wird wohl "Lady Macbeth von Mzensk" sein.


    Ich lese gern Erzählungen/Novellen/Kurzgeschichte (wie auch immer sie definiert werden) von Siegfried Lenz (So zärtlich war Suleyken u.a.), Eduard von Keyserling, Katherine Mansfield. Neu entdeckt habe ich für mich die kanadische Autorin Alice Munro. "Himmel und Hölle" ist mein Lieblingserzählband von ihr.


    http://www.zeit.de/2006/13/L-Munro


    Zitat von "Sir Thomas"


    Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Erzählung, einer Novelle und einer Kurzgeschichte?


    Gabs hier nicht mal eine sehr kontroverse Diskussion über die Definition? boxen


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Hallo Peter,
    Leskows "Meistererzählungen" (Manesse-Verlag) machen Lust auf mehr. Seine bekannteste Erzählung wird wohl "Lady Macbeth von Mzensk" sein.


    Maria


    Wunderbar, Maria, denn diese Erzählung habe ich gerade beendet und nun folgt - Der ungetaufte Pope, neben vielen anderen Erzählungen. Dieser Leskow ist für mich wirklich eine große Entdeckung!
    Um die Kurzgeschichten von Lenz werde ich mich dann einmal "Kümmern", denn das Heimatmuseum gehört nicht unbedingt zu den schlechtesten Büchern die ich las (andere Bücher von ihm las dann wiederum nicht zu ende). Bei K. Mansfield sieht es dann ein wenig trübe aus, da habe ich keine Fundament, oder besser - keine Informationen, aber da gibt es dann ja auch noch Google.


    Liebe Grüße


    Peter


  • ...wenn du planst einiges von H. James zu lesen, so schließe ich mich dann an!


    Gerne. Beziehst du dich da nur auf Erzählungen, oder auch auf Romane? Ich hätte geplant, demnächst einmal The Aspern Papers (Erzählung) und Portrait of a Lady zu lesen. Wenn du einen anderen Vorschlag hat, ist mir das aber auch recht. Es gibt ja sehr viel zu entdecken bei Henry James.


    Viele Grüße
    thopas

  • Zitat von "Vult"


    Wunderbar, Maria, denn diese Erzählung habe ich gerade beendet und nun folgt - Der ungetaufte Pope, neben vielen anderen Erzählungen. Dieser Leskow ist für mich wirklich eine große Entdeckung!
    Um die Kurzgeschichten von Lenz werde ich mich dann einmal "Kümmern", denn das Heimatmuseum gehört nicht unbedingt zu den schlechtesten Büchern die ich las (andere Bücher von ihm las dann wiederum nicht zu ende). Bei K. Mansfield sieht es dann ein wenig trübe aus, da habe ich keine Fundament, oder besser - keine Informationen, aber da gibt es dann ja auch noch Google.


    Liebe Grüße


    Peter


    Hallo Peter,


    Katherine Mansfield:
    Tschechow war ihr großes Vorbild. Ich glaube, kurz vor ihrem Tod, traf sie Tschechow in diesem für sie so verhängnisvollen Institut in Fontainebleau bei Paris, das von einem Kaukasier gegründet wurde. Doch sie war bereits mit 34 Jahren so krank, dass sie dort an einem Blutsturz starb. Sie war die Cousine von Elizabeth von Arnim, doch eine größere Schriftstellerin als diese, obwohl ich auch E. v. A. gerne zwischendurch lese.


    Ihre Erzählungen sind melancholisch, aber ohne Bitterkeit, lebensnah bis grausam realistisch, jedoch auch humorvoll bis bizarr. Die Atmosphäre die sie verbreitet ist einmalig in meinen Augen.


    Bei Zweitausendeins gibt es eine Neuübersetzung von "In einer deutschen Pension" und ein Insel-Biographie. Es gibt auch diverse Sammelbände mit ihren gesamten Erzählungen.


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • By the way: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Erzählung, einer Novelle und einer Kurzgeschichte?


    Viele Grüße


    Sir Thomas


    Zitat von "Maria"

    Gabs hier nicht mal eine sehr kontroverse Diskussion über die Definition? boxen



    habs gefunden. Leider geriet die Diskussion aus dem Ruder ...:


    Novelle


    Gruß
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

  • Meister der Kurzprosa? So aus dem hohlen Bauch:


    Sicherlich der bereits genannte Gottfried Keller, der es verstand, nicht nur spannende Novellen zu verfassen, sondern der diese auch in einem ebenso gut erzählten Rahmen einbinden konnte.


    Ludwig Tieck.


    Boccaccio darf in diesem Rahmen natürlich nicht fehlen ;).

    Maupassant
    wurde bereits erwähnt; Schnitzler müsste ihm beigestellt werden.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Sir Thomas"


    By the way: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Erzählung, einer Novelle und einer Kurzgeschichte?


    aha, da hat jemand kein Literaturlexikon im Regal stehen. ;-)
    Deine Frage würde beispielsweise dieses Lexikon hier ganz gut beantworten:


    [kaufen='3150104599'][/kaufen]


    Zitat von "Vult"


    Bei K. Mansfield sieht es dann ein wenig trübe aus, da habe ich keine Fundament, oder besser - keine Informationen


    Katherine Mansfield lese ich sehr gerne -- sollte man mal reinlesen, da hat Maria ganz recht. :-) Was deutsche Übersetzungen angeht, so habe ich: "Sämtliche Erzählungen in zwei Bänden", übersetzt von Elisabeth Schnack. Eine recht solide Übersetzung in zwei fadengehefteten Leinenbänden, erschienen 1980 bei Kiepenheuer & Witsch. Das ist, glaube ich, die einzige Gesamtausgabe von K. Mansfield, die es auf deutsch gibt. Noch besser gefällt mir die Übersetzung von Ursula Grawe, sie hat 2001 einen Auswahlband als Taschenbuch bei <i>Reclam Leipzig</i> herausgebracht, der den Titel "Miss Brill" trägt. Das ist ein sehr guter Querschnitt durch das Werk von Katherine Mansfield. Außerdem habe ich aus der Bibliothek Suhrkamp den Auswahlband "Meistererzählungen", der wurde von Heide Steiner übersetzt. Das ist eine schöne leinengebundene Ausgabe, mit der Übersetzung bin auch zufrieden, dieses Buch eignet sich ebenfalls zum Einstieg. Nicht so gut gefallen hat mir dagegen die Manesse-Ausgabe: "Erzählungen und Tagebücher", übersetzt von Ruth Schirmer. Da hat mir erstens die Druckqualität nicht gefallen, der Kursivdruck wurde durch einfaches Schrägstellen des normalen Fonts erzeugt, das sieht wirklich billig aus. Auch die Übersetzung fand ich nicht so gut.


    Ein zeitgenössischer deutscher Autor, den ich gerne lese, ist Ror Wolf, der sehr eigenwillige Geschichten schreibt. Als Einstieg könnte ich das Buch "Mehrere Männer" empfehlen. Die Geschichten sind wirklich kurz, oft weniger als eine Seite. Meine Lieblingserzählung aus diesem Band ist die Geschichte vom Fotografen Schlegel und seinem Trinkspruch. Nur eine halbe Seite lang, aber gerade für Klassikerfreunde ein echter Brüller. :breitgrins:


    Auch eher unbekannt ist die Autorin Silvina Ocampo, von der ein Sammelband mit Erzählungen in der Bibliothek Suhrkamp unter dem Titel "Die Furie" erschienen ist. Ein Autor, dessen Namen ich gleich nennen werde, sagte über sie: »Silvina Ocampo ist eine der größten Dichterinnen spanischer Sprache, sowohl diesseits des Ozeans als auch jenseits. Ihr Rang als Dichterin erhöht ihre Prosa. In ihren Erzählungen steckt ein Zug, den ich noch nicht recht verstanden habe; es ist ihre sonderbare Liebe zu einer gewissen unschuldigen und indirekten Grausamkeit. Ich schreibe diesen Zug dem erstaunten und bestürzten Interesse zu, den das Böse in einer noblen Seele weckt.« Dieses Zitat stammt von Jorge Luis Borges, dessen eigene Erzählungen natürlich auch unbedingt gelesen werden sollten, wenn man sich für Kurzprosa interessiert.


    Eine andere, ganz entlegene Autorin, von der nur ihr(e) Pseudonym(e) bekannt ist: <i>El Hor</i> oder <i>El Ha</i> war eine deutsche Schriftstellerin, die Anfang des 20. Jh.s sehr beeindruckende Prosaskizzen verfaßt hat; 1991 der Vergessenheit entrissen und neu herausgegeben von Hartwig Suhrbier:


    El Hor - El Ha: Die Schaukel. Schatten. Prosaskizzen. Neu herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Hartwig Suhrbier. Göttingen: Steidl, 1991.


    Und wenn wir schon bei der expressionistischen Prosa sind, noch der Hinweis auf diese Anthologie, in der man einige Entdeckungen machen kann, und die auch eine Erzählung von der gerade erwähnten El Hor enthält:


    Die rote Perücke. Prosa expressionistischer Dichterinnen. Hrsg. von Hartmut Vollmer. Paderborn: Igel Verlag, 1996.


    Das sind alles kurze Erzählungen, die nur wenige Seiten lang sind. Die Titelerzählung "Die Rote Perücke" kann man übrigens <a href="http://flitternikel.onlinehome.de/holzer.html">hier im Netz nachlesen</a>.


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Gerne. Beziehst du dich da nur auf Erzählungen, oder auch auf Romane? Ich hätte geplant, demnächst einmal The Aspern Papers (Erzählung) und Portrait of a Lady zu lesen. Wenn du einen anderen Vorschlag hat, ist mir das aber auch recht. Es gibt ja sehr viel zu entdecken bei Henry James.


    Viele Grüße
    thopas


    Ja, thopas, wo beginnen? Vielleicht bei den Aspern Papers? Ich lese zur Zeit gerade Leskow und dann soll de Bruyn folgen und irgendwo lauert noch der Joseph Roth mit seinem - Hiob!


    Übrigens, Joseph Roth, seine Erzählungen (und selbstverständlich auch seine Romane) gehören für mich mit zu den besten deutschssprachigen Büchern die ich kenne. Den Radetzkamarsch brauche ich wohl nicht zu nennen, aber vielleicht Hotel Savoy, das falsche Gewicht und die Kapuzinergruft. Ein trauriger Mensch mit einer erschütternden Lebensgeschichte, dieser Joseph Roth.


    Ansonsten lieben Dank auch an Maria, Sandhofer, Wolf, Sir Thomas, Dostoevskij, Lost, Vult (kleiner Scherz zum Wochenende) und die vielen anderen Literaturbegeisterten, die hier so schöne und interessante Beiträge schrieben. Mein SUB wird sich dann wieder in gigantisch, titanisch und wohl schon monströse "Höhen" bewegen, und das ist doch gut so.


    Liebe Grüße


    Peter


  • Hallo zusammen,



    aha, da hat jemand kein Literaturlexikon im Regal stehen. ;-)


    Stimmt! Gehört das hier zur Grundausstattung auch für Laien, Nichtgermanisten, -romanisten oder -anglisten? :breitgrins:


    Es grüßt


    Sir Thomas

  • Stimmt! Gehört das hier zur Grundausstattung auch für Laien, Nichtgermanisten, -romanisten oder -anglisten? :breitgrins:


    Irgendwann, wenn man sich wirklich für diese Fragen interessiert - also, wenn man anfängt, sie in diesem Forum zu stellen :breitgrins: - wird man sich eines zulegen. Garantiert. :zwinker:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Ja, thopas, wo beginnen? Vielleicht bei den Aspern Papers? Ich lese zur Zeit gerade Leskow und dann soll de Bruyn folgen und irgendwo lauert noch der Joseph Roth mit seinem - Hiob!


    Hallo Peter,


    demnächst muß ja nicht direkt demnächst sein :zwinker:. Bei mir startet morgen erstmal die Leopard-Leserunde, danach wollte ich Huysmans lesen und dann kommt ja noch König Lear... bleibt also noch ein bißchen Zeit, bis ich die Aspern Papers in Angriff nehmen kann...


    Viele Grüße
    thopas

  • Es wurden bereits gute Namen genannt!


    Aber ich will noch einige hinzufügen: Bei E. T. A. Hoffmann wurde mir erst klar, wie gütig denn die Autoren eigentlich nicht sind! Denn sie wissen um ihr Talent zu erzählen, und für uns nehmen sie sich Zeit, sich hinzusetzen und zu schreiben, aus Freundlichkeit stellen sie ihr Können zur Schau! Damit wir Leser Anteil an der Sprachkunst und an den wunderlichen Handlungen und Gedanken haben! Und da fühlte ich also die größte Dankbarkeit, als ich den E. T. A. Hoffmann las.


    Dann schätze ich: Friedrich de la Motte-Fouque: Undine.
    Ich finde, dass er dort etliche Filmeffekte vorausgegriffen hat... und das sprachlich! Sehr beeindruckend, wie er die gewaltige Kraft der Wellen und des Wassers beschreibt!


    Usw.


    Lieben Gruß.