Deutsche Gegenwartsliteratur, deren Lektüre sich lohnt

  • Hallo Evelyne,
    Da fällt mir gleich der außerordentliche Roman "Flughunde" von Marcel Beyer ein. Mit Tieren hat das Buch allerdings nicht viel zu tun. Es gehört aber zu den ganz wenigen deutschen Büchern der Gegenwart, die sich wirklich lohnen zu lesen.
    Viele Grüße von der Leserin


  • Moin, Moin!



    Was bezeifelt werden dürfte. Ich halte keine Schreibepoche für weniger oder mehr geeignet, Klassiker hervorzubringen. Zeitgenössische Autoren haben ebenso das Zeug, lesenswerte Literatur hervorzubringen. Ich jedenfalls schätze eine Vielzahl von Nichtklassikern, so daß ich dem widersprechen möchte, daß nur wenige es wert seien, gelesen zu werden.


    Wieso? Die meiste Gegenwartsliteratur lohnt sich doch wirklich nicht. Der Auswahlprozess wie bei den Klassikern hat dort ja noch nicht stattgefunden. Liest du wirklich mehr als 20 DEUTSCHE Gegenwartsautoren regelmäßig in lohnender Weise?


    Griß, Thomas

  • Mensch, Dostoevskij, was für eine beeindruckende Liste! :klatschen:


    Ich habe nicht von jeder/jedem, der/die dort aufgeführt ist, etwas gelesen. Tortzdem hast Du Deine These, dass auch heutzutage noch recht ordentlich geschrieben wird, sehr gut untermauert. Von dem einen oder anderen würde ich kein zweites Werk lesen (z.B. Uwe Timm, ich erinnere mich nicht, was ich las, müsste es nachschauen ..), was aber nicht gegen den Autor gerichtet ist, sondern persönlichen Geschmack wiedergibt.


    Trotzdem: Ich halte es mit einigen Anderen hier im Forum, die einen Klassiker im Zweifelsfall vorziehen. :zwinker:


    Viele Grüße


    Sir Thomas

  • Die Liste unterschreibe ich.
    So schlecht sind die deutschen Gegenwartsautoren nicht, vermutlich hat man das gleiche von den
    Autoren vor 50, vor 100 Jahren gesagt.
    Also, wenn ich die deutsche Gegenwartsliteratur mit z.B den hochgelobten Amerikaner vergleiche,
    dann weiß ich was ich lesen werde, auf jedenfall nicht die Amerikaner.


    Gruß, Lauterbach


  • Also, wenn ich die deutsche Gegenwartsliteratur mit z.B den hochgelobten Amerikaner vergleiche,
    dann weiß ich was ich lesen werde, auf jedenfall nicht die Amerikaner.


    Hallo, Lauterbach,


    das geht mir jetzt ein wenig zu weit. Nichts gegen die deutsche Gegenwart, aber die amerikanische ist auch nicht schlecht. Mein persönlicher Favorit (auch wenn er nicht nur Goldiges, sondern auch lesbaren Edelschrott produziert hat) ist Cormac McCarthy, der hier übrigens einen eigenen Ordner hat.


    Liebe Grüße


    Sir Thomas

  • Diese Liste, lieber Dostoevskij, hat mich jetzt aber sehr beeindruckt.
    Mir sind nicht einmal alle Namen bekannt, und von den bekannten würde ich lediglich 2 zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht lesen wollen.
    Jedenfalls ist das mehr als nur ein Anhaltspunkt, die Gegenwartsliteratur betreffend. Damit muss ich mich noch näher befassen.


    Nun wünschte ich mir nur noch, dass sich weitere gute Geister herbeirufen ließen, die Deinem Beispiel folgend, eine ähnliche Liste für ausländische Autoren erstellten.
    Mit denen habe ich es noch schwerer, weil mir da die Namen noch weniger geläufig sind als bei den deutschsprachigen.


    Vielen Dank für Deine Mühe,
    liebe Grüße, Madeleine.

  • Hallo Dostojewskij (der du einen großen Namen gelassen trägst),
    Mit deinem Plädoyer für die Gegenwartsliteratur stößt du bei mir offene Türen auf. Klassik ist für mich (allen anderen Definitionen zum Trotz) keine Frage des Alters, sondern der Klasse.
    Nur die deutschsprachige Literatur gibt mir wenig Anlaß zur Hoffnung. In den letzten 20 Jahren sind fast alle lesenswerten deutschsprachigen Schriftsteller gestorben (Thomas Bernhard, Hermann Lenz, Gert Hofmann, W.G.Sebald). Die uns noch geblieben sind, kann ich bald an einer Hand abzählen ( Elfriede Jelinek, Peter Handke, Gert Jonke, Alain Claude Sulzer, Marcel Beyer, Edgar Hilsenrath). Vielleicht habe ich den einen oder anderen vergessen oder übersehen, aber viele sind es bestimmt nicht. Deine Liste ist völlig beliebig zusammengestellt und enthält jede Menge Überflüssiges und Überschätztes. Viele dieser Autoren würden im Ausland wahrscheinlich gar keinen Verleger finden. Vielleicht braucht es aber nur etwas Geduld und es wachsen welche nach. In der Zwischenzeit lese ich Dostojewskij und J.M. Coetzee (Kennst du seinen wunderbaren Dostojewskij - Roman "Der Meister von Petersburg"?)
    Gruß von der Leserin

  • Du sprichst mir vollkommen aus der Seele, Dostoevskij!
    Was habe ich als Leserin von einem Buch, das andere hochloben, während ich nichts damit anfange?!


    Und fast schon hätte man ein schlechtes Gewissen, wenn man den einen oder die andere nun einmal nicht ausstehen kann.


    Außerdem ist es doch schön, wenn man behaupten kann, dass sind MEINE Autoren, nicht weil sie anderen gefallen, sondern weil ich sie großartig finde.


    Ein schönes Forum, wo man nicht belehrt wird: Das MUSS Dir gefallen!
    Sondern wo man motiviert wird, eigene Vorlieben und Abneigungen zu entdecken.
    So macht Literatur Freude!!


    Liebe Grüße, Madeleine.

    Einmal editiert, zuletzt von Madeleine ()

  • Hallo Dostojewskij,
    Entschuldige bitte, wie konnte ich ahnen, dass dies "deine" Autoren sind? Bist du sicher, dass du gerne Thomas Bernhard u n d Luise Rinser (die ja beide nicht mehr zur Gegenwartsliteratur gehören) liest, und wenn ja, wie geht das? Wenn ich die Smileys mögen würde, hätte ich jetzt irgendeinen hier eingefügt. Ich habe nicht gemeint, die deutschen Autoren würden im Ausland keinen Verleger finden, sondern, dass es im Ausland bessere Autoren gibt, weil bestimmte Texte dort einfach keine Chance bekommen würden, Einzug in die Belletristik halten zu können. Die deutschen Verleger wollen einfach nicht begreifen, dass es momentan auf dem deutschsprachigen Markt keine Talente gibt, darum wird jedes neue Buch als Offenbarung gefeiert, obwohl es schon vor der Veröffentlichung in die Restposten-Ecke gehören würde. Mich hat neulich ein schwedischer Bekannter gefragt, welche deutschen Bücher der Gegenwart er lesen soll. Ich war ziemlich ratlos und habe dann gesagt: "Du liest am besten weiter euren begnadeten Per Olov Enquist."
    Gruß von der Leserin

  • Hallo,


    ein großes zeitgenössisches Talent ist ohne Zweifel (der schon erwähnte)Wilhelm Genazino. Thomas Bernhard sowieso.


    Demnächst möchte ich es auch mit Clemens Meyer versuchen. Ingeborg Bachmanns "Malina" steht auf meinem Juni-Leseprogramm.


    Großes Talent hat meiner bescheidenen Meinung auch Judith Hermann mit "Nichts als Gespenster" bewiesen (hoffentlich schreibt sie noch mal was :zwinker:).


    Zugegeben, meist lese ich Amerikaner oder Franzosen o.a.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Von Dostoevskijs Liste ist Wolfram Fleischhauer mein absoluter Favorit. Ich kaufe mir seine Bücher mittlerweile blind, auch wenn ich nicht weiß, worum es geht, denn er hat einen unvergleichlichen Schreibstil. Außer einem Buch von ihm habe ich alle mit Begeisterung gelesen.


    Katrin

  • Na,na, Dostojewskij, ein bisschen netter könntest du schon sein. Denke bloß mal an den großen Namen, den du trägst!
    Nun zu deinen Fragen: Zu 1) Das frage ich mich eben auch. Zu 2) Sie haben eben das, was die Deutschen nicht haben, nämlich Talent, aber auch Genie und Wahnsinn. Zu 3) Ich denke, sie haben zu viele schlechte deutsche Bücher nach 45 (die Dumpfbacken der Gruppe 47 z.B. oder gar literarische Produkte aus der schönen DDR) als Weltliteratur vorgesetzt bekommen, die sie sich zum Maßstab genommen haben. Dazu kommt der verheerende Deutschunterricht und vielleicht noch obendrein ein verschnarchtes Germanistikstudium. Und schon ist wieder ein kleiner potentieller in Deutsch verfaßter Ladenhüter oder wahlweise Bestseller (nicht selten merkt man den Unterschied beim Lesen kaum) geboren.
    Ich dachte, hier sollte es um Gegenwartsliteratur gehen, Bachmann, Bernhard, Schmidt, Böll, Rinser etc. (ich hätte beinahe Grass, Walser, Härtling, Siegfried Lenz geschrieben) gehören dann nicht mehr hierher.
    Wilhelm Genazino ist kein uninteressanter Autor, doch seine Bücher ähneln sich zu sehr, hat man eins gelesen, so hat man alle gelesen.
    Wolfram Fleischhauer hat zwar Bücher geschrieben, doch ist er deshalb auch ein Schriftsteller? Droemer Knauer verlegt Bücher, aber keine ( es sei denn manchmal aus Versehen) Literatur.
    Vielleicht muß ich noch anfügen, dass ich keine Leser beurteilen oder verletzen will, sondern nur meine eigenen Maßstäbe anlege. Ein Buch soll mich ruhig ratlos oder verzweifelt machen, aber bitte nicht dümmer.
    Grüße von Leserin zu Lesenden


  • Wilhelm Genazino ist kein uninteressanter Autor, doch seine Bücher ähneln sich zu sehr, hat man eins gelesen, so hat man alle gelesen.
    Wolfram Fleischhauer hat zwar Bücher geschrieben, doch ist er deshalb auch ein Schriftsteller? Droemer Knauer verlegt Bücher, aber keine ( es sei denn manchmal aus Versehen) Literatur.


    Na jetzt wirst du aber unfair. Droemer Knaur verlegt sehr wohl gute Literatur, die lesenswert ist. Und Fleischhauer ist ein sehr guter Schriftsteller. Egal ob Die Frau mit den Regenhänden, Die Schule der Lügen oder Die Purpurlinie. Alles sehr lesenswerte und tolle Bücher.


    Katrin


  • Hallo Dostojewskij (der du einen großen Namen gelassen trägst),
    Mit deinem Plädoyer für die Gegenwartsliteratur stößt du bei mir offene Türen auf. Klassik ist für mich (allen anderen Definitionen zum Trotz) keine Frage des Alters, sondern der Klasse.
    Nur die deutschsprachige Literatur gibt mir wenig Anlaß zur Hoffnung. In den letzten 20 Jahren sind fast alle lesenswerten deutschsprachigen Schriftsteller gestorben (Thomas Bernhard, Hermann Lenz, Gert Hofmann, W.G.Sebald). Die uns noch geblieben sind, kann ich bald an einer Hand abzählen ( Elfriede Jelinek, Peter Handke, Gert Jonke, Alain Claude Sulzer, Marcel Beyer, Edgar Hilsenrath). Vielleicht habe ich den einen oder anderen vergessen oder übersehen, aber viele sind es bestimmt nicht. Deine Liste ist völlig beliebig zusammengestellt und enthält jede Menge Überflüssiges und Überschätztes. Viele dieser Autoren würden im Ausland wahrscheinlich gar keinen Verleger finden. Vielleicht braucht es aber nur etwas Geduld und es wachsen welche nach. In der Zwischenzeit lese ich Dostojewskij und J.M. Coetzee (Kennst du seinen wunderbaren Dostojewskij - Roman "Der Meister von Petersburg"?)
    Gruß von der Leserin


    Hi Leserin


    Du schreibst so, als wärst Du vom Fach, oder könnte es sein, dass ein deutschsprachiger Schriftsteller zuerst tot, ein Klassiker oder Nobelpreisträger sein muss, bis er von Dir als Talent anerkannt wird? :breitgrins:


    Ich meine: Wer eine Ahnung von Literatur hat, braucht keinen Kanon oder sonst eine Liste. Er erkennt gute Literatur auch so, auch unentdeckte.


    Nur wer die ausländischen Werke nicht im Kontext versteht, glaubt, alles, was vom Ausland kommt, ist automatisch besser. Das ist wie bei englischsprachiger Musik, klingt alles toll, bis man es übersetzt. :breitgrins:

  • Da muss ich mich erst einmal sammeln, denn schließlich bin ich ein von der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (nicht nur der deutschen Gegenwartsliteratur) begeisterter Leser. Dostojevskij hat die Erweiterung in seiner Liste der toten und lebendigen Gegenwartsautoren ja schon so vorgenommen.


    Bevor ich den mir liebsten vergesse: Andreas Maier gehört für mich unbedingt dazu!


    Bis später, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10

    Einmal editiert, zuletzt von Friedrich-Arthur ()

  • Oh je, da denkt man nun - jetzt gibt es einen (wegweisenden) Wegweiser durch den Dschungel der modernen deutschsprachigen Literatur und statt dessen gibt es ein undurchdringliches Dickicht von - literarischen wasweißich!
    (Dostojewskis Versuch war sehr angenehm zu lesen, aber wo und mit wem beginnen?!?!?)
    Ich hätte mich gern so ein wenig orientiert, aber nun weiß ich, ehrlich gesagt, nicht genau was ich nun lesen soll, oder besser - was nicht, und wenn doch, warum.


    Hier steh ich nun..., aber vielleicht fällt doch noch ein Stern vom Himmel der neugermanischen Prosa, ansonsten verbleibe ich dann, bis auf weiteres, in meinem geliebten Elfenbeinturm der Klassiker und dem "was kurz danach kommt".


    Liebe Grüße


    Peter

  • Vielleicht noch ein kleiner Nachsatz, wegen der Eitelkeiten, der uns so lieb gewordenen, jedenfalls.
    Das da, auf dem Avatar, das ist der Peter, am Wochenende in einer mehrstündigen Sitzung vor sich hin gemalet, mit Unterstützung von einer großen Kanne Oolong und drei gut gestopften Pfeifen.
    Wie gesagt, so kleine Eitelkeiten...
    (Ich schrien diesen Beitrag eigentlich nur, damit nicht der eine oder andere User/In verzweifelt versucht, das Bildchen mit einem, mehr oder weniger, lebenden Klassiker zu Identifizieren.)


    Liebe Grüße


    Peter


  • Hallo Peter


    Es werden immer die Klassiker sein und die Zeit danach, denn was jetzt als moderne Hochliteratur gilt, wird später klassisch genannt, und was jetzt noch unbekannt ist, wird später moderne Hochliteratur sein. Und die derzeitigen Klassiker werden vielleicht vergessen sein, zumindest ein Teil davon.


    Bis dahin werden noch einige Autoren wiederentdeckt und andere wiederum in ihrer Bedeutung relativiert.


    Für viele bedeutende Autoren wird das Interesse erloschen sein, höchstens die Literaturwissenschaft wird sich noch (am Rande) damit beschäftigen. Sie werden nie in ihrem Wesen voll ausgelotet, weil gängige Interpretationen unbesehen übernommen werden. Oder dann werden sie uminterpretiert und mit aktuelleren Bezügen relativiert, woran der Autor nicht im Traum gedacht hatte. Und sie werden sagen: Der Autor wusste nicht, was er schrieb, wir wissen es besser. Wenn er Glück hat, werden sie ihn einen Visionär nennen. :zwinker: