Entscheidungslos

  • Hallo Dostoevskij!


    Um etwas unbekanntere Klassiker kennenzulernen (nicht nur, aber auch), ist Arno Schmidt mit seinen diversen Funkessays keine schlechte Anlaufstelle. Bulwer-Lytton hat er z.B. auch besprochen und dabei auch ganz sanft auf seine eigene Übersetzung von Was wird er damit machen? hingewiesen. Es ist ein recht spannender Roman, der in Bulwers eigener Zeit handelt; und auch Schmidts Übersetzung empfand ich als sehr angenehm zu lesen, und, wo ich es verglichen habe, auch korrekt. Leider ist diese Übersetzung m.W. nur noch antiquarisch erhältlich.


    Daneben, da ich in den seltensten Fällen den Hang habe, alles und wirklich alles von einem Autor gelesen zu haben, könnte ich Dir z.B. bei Wieland keinen weiteren Input geben. ;)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Dostoevskij,


    lies den <i>Kosmos</i> von Alexander von Humboldt. :breitgrins: Ich habe letztens den <i>Beowulf</i> in zwei Übersetzungen (Genzmer und Lehnert) gelesen sowie das <i>Gilgamesch-Epos</i> in der Neuübersetzung von Stefan M. Maul. Die Anregung dazu kam ebenfalls von Beiträgen im hiesigen Klassikerforum.


    Zitat von "Dostoevskij"


    Wieland zum Beispiel. Ich las die "Geschichte der Abderiten", die "Geschichte des Agathon", und "Das Hexameron von Rosenhain" und hänge nun fest.


    Von Wieland habe ich vor einiger Zeit den <i>Aristipp</i> als Hörbuch gehört (vollständige Lesung von Jan Philipp Reemtsma), sehr empfehlenswert, aber Deine erwähnte »Antike-Allergie« ist da natürlich ungünstig. ;)


    Zitat von "Dostoevskij"


    Jenseits der eindeutig prosaischen Literatur tappe ich ohnehin im Dunklen.


    Gerade die Verserzählungen von Wieland sind doch sehr angenehm zu lesen. <i>Klelia und Sinibald</i> könnte recht gut als Prosa durchgehen, wenn man die Verszeilen auflösen und das ganze fortlaufend drucken würde. In <i>Klelia und Sinibald</i> ist außerdem einiges los, eine sehr unterhaltsame Liebesgeschichte mit vielen Komplikationen und Verwechslungen. Gibt's übrigens auch als Hörbuch, gelesen von Jan Philipp Reemtsma.


    Was die unbekannten Klassiker betrifft: Wenn Dir der »interne Lesebefehl« fehlt, dann interessieren sie Dich halt nicht. ;-) Ich habe mir schon einige Male blind irgendwelche Bücher gekauft, nur weil ich wissen wollte, was da drinsteht. Ich habe hier beispielsweise »Neue Novellen« von Sophie Junghans, erschienen 1883 in Leipzig oder ein Buch von Henriette Hanke aus dem Jahr 1843, das laut Antiquariat den interessanten Titel »Tante und Richter« hatte. Tatsächlich hieß es viel prosaischer »Tante und Nichte«, der Antiquar hatte offenbar Schwierigkeiten mit der Frakturschrift, aber es hat nur knappe 10 Euro gekostet und war ganz nett zu lesen. Außerdem befindet sich das Buch bei mir in den richtigen Händen, wie ich einem alten Lexikoneintrag über Henriette Hanke entnehmen konnte: :breitgrins:


    Zitat


    Von ihren Schriften, die sich sämmtlich in den Händen des gebildeten Deutschlands befinden, dürften ihre jüngsten Romane »die Schwiegermutter,« »Vergeltungen,« »die Schwester,« »die Schwägerinnen« als vorzüglich zu erwähnen sein.


    Zitiert nach: http://www.zeno.org/DamenConvL…nke,+Henriette+Wilhelmine


    Oder vielleicht willst Du lieber »Spieltexte französischer Geheimbühnen aus dem 18. Jahrhundert« lesen, erschienen 1968 im Gala-Verlag. Darin geht es einigermaßen unzüchtig zu. ;-) Kuriose und unterhaltsame Texte aus alten Zeiten gibt es jedenfalls genug, ich habe keinerlei Probleme da etwas zu finden. :-)


    Zitat von "sandhofer"

    Um etwas unbekanntere Klassiker kennenzulernen (nicht nur, aber auch), ist Arno Schmidt mit seinen diversen Funkessays keine schlechte Anlaufstelle. Bulwer-Lytton hat er z.B. auch besprochen


    Die CD-Ausgabe mit dem zweiten Teil seiner Funkessays habe ich im Januar gehört. Da war Bulwer-Lytton dabei. Außerdem Frenssen, Carl Spindler, Schnabel (Insel Felsenburg), Herder, Johannes von Müller und Joyce (Finnegans Wake). Arno Schmidt macht einem wirklich Lust aufs Lesen, gerade auch dann, wenn er sich eher unbekannte Schriftsteller vorgeknöpft hat. Allerdings besteht die Gefahr, daß diese Schriftsteller dann doch nicht so prickelnd sind, wie sich das bei Arno Schmidt angehört hat. Gar nicht so selten geht es um Schriftsteller, die ein umfangreiches Werk verfaßt haben. Arno Schmidt hat das dann natürlich immer vollständig gelesen, das meiste sei zwar mehr oder weniger unbrauchbar, aber wundersamerweise findet sich dann doch immer der eine oder Band, der angeblich sehr lesenswert ist. Klar, wenn ich mich durch mehrere Dutzend Bände gequält hätte, dann würde ich hinterher auch nicht zugegeben wollen, daß mich mein literarisches Gespür in die Irre geführt hat, und ich mir einen Schriftsteller ausgesucht habe, der überhaupt nichts taugt. Allerdings würde ich auch nicht auf den bizarren Einfall kommen, einen Frenssen, Spindler oder Johannes von Müller komplett zu lesen. ;-) Die »Sämtlichen Schriften« der oben erwähnten Henriette Hanke sind übrigens auch sehr umfangreich, das sind immerhin 126 Bände. Wenn Arno Schmidt sie zufälligerweise gelesen hätte, dann hätte er da sicherlich auch irgendwelchen Honig daraus saugen können, und bei etlichen Leuten würde jetzt eine Henriette-Hanke-Neuausgabe im Regal verstauben, die irgendwann bei 2001 erschienen wäre. :breitgrins:


    Schöne Grüße,
    Wolf

  • Hallo zusammen, hallo Wolf!


    Du hast Schmidt sehr schön beschrieben ... :breitgrins: Neben vielem der Rettung nicht Wertem hat er aber auch ein ungerades Mal sehr interessante Autoren ausgebuddelt. Brockes z.B. oder auch Bulwer Lytton, selbst die Insel Felsenburg ...


    Übrigens ist mir neulich von Nicolai der Sebaldus Nothanker wieder in die Hände gefallen. Ich erinnere mich, dass ich mich damals bei der Lektüre nicht übel amüsiert habe ...


    Grüsse


    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Dostojevskij,


    deine zwischenzeitliche Unorientiertheit verlangt wahrscheinlich gar nicht nach neuen Lesetipps, denn "aus vielen Blüten kannst du saugen" und hast ja selbst mögliche Wege genannt.
    Wohl den meisten von uns geht es so, dass man, wenn man ein größeres Werk oder die Beschäftigung mit einem Autor oder Lektürethema abgeschlossen hat, in ein kleines Loch fällt, weil man bei dem großen Angebot gar nicht weiß, wo man weitermachen soll. Aber letztlich ist auch diese Melancholie der Entscheidungslosigkeit schön, denn sie zeigt ja die Endlosigkeit der Möglichkeiten. Um einen Romantitel von Marianne Herzog zu zitieren:
    "Nicht den Hunger verlieren"
    - aber diese Gefahr besteht bei dir wohl kaum.


    HG
    finsbury


    PS: Ich kann's aber natürlich auch nicht lassen mit den Tipps: "Der Sieg der Natur über die Schwärmerei oder Die Abenteuer des Don Silvio von Rosalva" ist eins meiner Lieblingsbücher nicht nur von Wieland - eine sanfte Parodie auf die Schäfer- und Ritterromane.

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • Übrigens ist mir neulich von Nicolai der Sebaldus Nothanker wieder in die Hände gefallen. Ich erinnere mich, dass ich mich damals bei der Lektüre nicht übel amüsiert habe ...


    Wäre es möglich, daß Du eine ganze Rezi dazu schreibst? :anbet:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym (2001)

  • Wäre es möglich, daß Du eine ganze Rezi dazu schreibst? :anbet:


    Vielleicht lese ich das Buch demnächst mal wieder. Ich habe den Text gelesen, lange bevor es das Klassikerforum gab - da sind meine Erinnerungen zu vage, um so was aus dem Ärmel zu schütteln. Aber aktuell warten bereits rund 4'000 bis 5'000 Seiten darauf, von mir gelesen zu werden. Da ist die zusätzliche freie Zeit um Ostern gerade mal ein Tropfen auf den heissen Lesestein ... :zwinker:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo Dostojevskij,


    manchmal geht es mir ähnlich, ich schaue mir meinen SUB an und auch meine notierten Lesetipps, aber nichts macht mich an. In so einem Fall stürze ich mich auf den nächstbesten Krimi, SF oder historischen Roman und schmökere nebenher in Vollmanns Romanverführer: Die wunderbaren Falschmünzer.


    So richtig außergewöhnliche Klassiker kenne ich leider nicht - Sealsfields Kajütenbuch fand ich ganz interessant, streckenweise aber auch langatmig, Karl Gutzkow " Briefe eines Narren an eine Närrin" fand ich da schon besser. Nach Bulwer-Lyttons Pompeji mag ich momentan kein anderes Buch mehr von ihm lesen, würd ich dir also auch nicht empfehlen können.


    Im übrigen, denke ich, ist deine Entscheidungslosigkeit bestimmt schon vorbei ? Naja, und sonst - ein "klassischer" Engländer/Engländerin (Virginia Woolf, Thomas Hardy, Henry James) geht immer.


    Gruß von Steffi

  • Man muss sich lediglich einen Samstagabend lang zu TV zu zwingen, dann fällt einem schon ein was man als nächstes lesen will ;-)


    Der Hinweis auf Vollmann ist aber gut und vorteilhafter !


    Gute Geschichtsbücher über die Neuzeit helfen auch weiter. Habe gerade von Blackburn "Die Eroberung der Natur" gelesen und schon ist dank booklooker ein neuer Roman im Schrank der ungelesenen Bücher :-(

  • Ich habe neulich Nabokovs "Ada oder Das Verlangen" gekauft und zu lesen begonnen. Und komme nicht rein ins Buch.


    Was mich persönlich nicht erstaunt. Im Gegensatz zu vielen finde ich Nabakov - mit Ausnahme seiner Lolita - eigentlich nur langweilig. Und oft auch ungewollt unrealistisch. (Ich weiss nicht mehr, wie sie heisst; aber da ist diese Geschichte von dem blinden Mann, dessen Frau einen Liebhaber hält, der sich im selben Haus aufhält - und der Blinde merkt es nicht! Entschuldigung, aber: Selbst ich als Sehender höre und rieche es, wenn da noch jemand im Zimmer herumschleicht.) Aber eben, es gibt valable Leser, die grosse Fans von ihm sind ...

    The Turning of the Screw
    von James ist hingegen ein absolutes Muss ... ;)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • Hallo !


    Was mich besonders erbost: wenn ich an einem Buch scheitere. Ich habe neulich Nabokovs "Ada oder Das Verlangen" gekauft und zu lesen begonnen. Und komme nicht rein ins Buch. Ziemlich langatmiger Beginn; und selbst nach 50 Seiten frage ich mich, ob ich mir das antun muß. Also lege ich das Buch beiseite und erteile Nabokov nach mehr als 10 gelesenen Büchern nun eine Abfuhr.


    Ich kenne nichts von Nabokov und wie es scheint, hab ich nichts verpasst :breitgrins:


    Wenn ich mir deine SUB-Liste so ansehe, hast du ein erstaunliches Lesetempo (oder waren das nur 100-Seiten-Werke :zwinker: ), ich muss auch sagen, dass mir das meiste auf deinem SUB bzw. den in letzter Zeit gelesenen Bücher nicht viel sagt. Von Fallada finde ich z.B. Fabian am besten, zu modernen Amerikaner/Kanadier fallen mir T.C.Boyle, Stewart O'Nan und Alice Munro ein.


    Viel Spaß mit deinen Käufen !


    Gruß von Steffi


  • Hallo !



    Ich kenne nichts von Nabokov und wie es scheint, hab ich nichts verpasst :breitgrins:

    Gruß von Steffi


    Hallo zusammen,


    ich kenne von Nabokov "Der Zauberer" und fand die Erzählung in ihrer Kürze sehr gut geschrieben. "Der Zauberer" gilt ja als Nabokovs erste Version des Lolita-Themas. Noch besser, sich die Geschichte von Christian Brückner vorlesen lassen.


    Doch das Bedürfnis "Lolita" zu lesen, habe ich allerdings nicht. Die "Kurzversion" genügt mir.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)


  • Und für die Jahre 2002 bis 2003 sah ich u.a. dies, was <a href="http://www.literaturschock.de/literaturforum/index.php?topic=11706.msg301684#msg301684">mehrere Neuerwerbungen</a> zur Folge hatte, um die Kluft nicht noch tiefer werden zu lassen:


    Hallo Dostoevskij
    du hast dir von Philip Roth: "Der menschliche Makel" gekauft. Hast du schon etwas von Philip Roth gelesen? Ich habe mich kürzlich dazu hinreissen lassen "Die Anatomiestunde" zu kaufen und habs nach ca. 100 Seiten weggelegt. Als ich über einen "Schlitz" las, der sich über ihn... usw usf *hüstel* ..., hatte ich bereits genug. Ich las zwar noch etwas weiter, doch der Stil liegt mir nicht.


    Viele Grüße
    Maria

    In der Jugend ist die Hoffnung ein Regenbogen und in den grauen Jahren nur ein Nebenregenbogen des ersten. (Jean Paul F. Richter)

    Einmal editiert, zuletzt von JMaria ()


  • Das sind ausgerechnet gerade diejenigen, die ich nicht kenne. Von Boyle las ich nur "Wassermusik". Bei der amerikanischen Literatur habe ich mich auf John Updike, Philip Roth, Raymond Carver, John Cheever und Paul Auster eingeschossen.


    Außer Updike, von dem ich die ganzen Rabbitt-Bücher hintereinander weggelesen habe und dann wohl etwas zuviel hatte, kenne ich von diesen nur noch Paul Auster "Stadt aus Glas", fand ich ganz interessant. Sind die anderen Teile der Trilogie empfehlenswert ?


    TC Boyle mag ich, weil er unglaublich frech und sarkastisch schreibt. Ich finde, da ich die amerikanische Kultur ein wenig kenne, dass er oft den Nerv trifft und auch deren Absurditäten. Ich kenne aber seine neuesten Bücher nicht.


    Von Hans Fallada habe ich so um meine Abi-Zeit herum einiges gelesen, er hatte ja ein sehr bewegtes Leben, vielleicht hat mich das damals auch fasziniert ?


    Gruß von Steffi