• Amour fou ist die Bezeichnung für eine Liebesbeziehung, die aufgrund ihrer Intensität und Leidenschaft zerstörerische Formen annimmt. Allgemeinere Bedeutung: Eine Liebe, die nach gewöhnlichen Maßstäben nicht vernünftig ist, da sie entweder keine Aussicht auf Bestand hat, oder nicht erkennbar ist, was die Verliebten auf Grund ihrer Gegensätzlichkeit (zum Beispiel Altersunterschied oder unterschiedlicher sozialer Status) miteinander verbindet.“


    Quelle: wikipedia


    Auf diesen Begriff wurde ich durch eine auf 3Sat laufende Filmreihe aufmerksam. Ohne bislang einen der Filme gesehen zu haben, fiel mir ein Beispiel aus der Literatur ein: die verzweifelte Liebschaft zwischen Catherine Earnshaw und dem finsteren Heathcliff aus Emily Brontes „Sturmhöhe“.


    Ich könnte jetzt die Bücherregale entlang spazieren oder im Gedächtnis nach weiteren Beispielen suchen, finde aber, dies ist ein schönes Thema für die guten Geister dieses Forums.


    Auf weitere „verrückte Liebschaften“ freut sich


    Sir Thomas

  • Hallo Sir Thomas,


    da fällt mir doch gleich Jean Pauls - Siebenkäs ein. Er und seine Lenette waren wohl auch nicht für einander geschaffen, aus vielen Gründen nicht. Und so "unmodern" ist das Grundthema dieses Romans auch heute noch nicht.
    Ich weiß nicht ob man den Tod in Venedig hier thematisch Einreihen kann, aber der Inhalt dieser wunderbaren Erzählung erfüllt eigentlich alle gegebenen Voraussetzungen, obwohl hier die Liebe sehr einseitig ist.
    Und wenn ich jetzt an den Bücherschrank gehe, fällt mir sofort Fontane ein, und dann noch ...


    Liebe Grüße,
    Vult

  • Lieber Sir Thomas,


    zum Thema "verrückte Liebesgeschichten" (ist ja sowieso ein Pleonasmus) fallen mir spontan sofort ein:



    Goethe:Wahlverwandtschaften/Werther (zeitlos schön)
    Yukio Mishima: Schnee im Frühling (sehr außergewöhnlich)
    Victor Hugo: Die Arbeiter des Meeres (gigantisch)
    José Saramago: Das Memorial (die schönste Liebesgeschichte überhaupt)
    Madeleine Bourdouxhe: Gilles Frau (sehr berührend)
    Julien Greene: Adrienne Mesurat (vollkommen wahnsinnig)


    Wenn ich noch länger darüber nachdenke, kommen bestimmt noch einige hinzu.


    Viele Grüße


    Die Leserin


    P.S.: Wo ich jetzt Vults Beitrag lese, natürlich Fontanes "Irrungen-Wirrungen".


    Übrgens Vult, jetzt also doch Thomas Mann?

  • Bevor ein Nicht-Engländer darauf kommt, erwähne ich lieber selbst ganz schnell Shakespeares "Romeo & Julia".


    Gruß von


    Sir Thomas (kein echter Engländer mehr :breitgrins:)

  • P.S.: Wo ich jetzt Vults Beitrag lese, natürlich Fontanes "Irrungen-Wirrungen".


    Übrgens Vult, jetzt also doch Thomas Mann?


    Ja, liebe Leserin, einiges bleibt für immer!
    (Und einiges werde ich niemals mehr lesen).


    :smile:


    Grüße,
    Vult


    Um noch einmal auf das Thema zu kommen, viele Novellen Theodor Storms behandeln die Threadthematik auf das Ergreifenste.

  • Ja, Theodor Storm, besonders Immensee.


    Aber auch Theodor Fontanes Effi Briest und Frau Jenny Treibel.


    Oder Friedrich Nietzsche und Lou Andreas-Salomé :zwinker:.


    Sicher auch Benoît Groults Das Salz auf unserer Haut.


    Auch Die Einsamkeit des Astronomen von Ulrich Woelk würde ich dazurechnen.


    Ich werde noch mal nachdenken. Diese allgemeinen Fragen kann ich immer garnicht so leicht beantworten, vergesse meist was... Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10


  • viele Novellen Theodor Storms behandeln die Threadthematik auf das Ergreifenste.



    Ja, Theodor Storm, besonders Immensee.


    Hallo Vult und Friedrich-Arthur,


    zu Storm fällt mir die Novelle mit dem schönen Titel "Aquis submersus" ein. "Immensee" habe ich noch nicht gelesen - ist hiermit notiert.


    Ob Fontanes "Effi Briest" eine Vertreterin der "amour fou" ist, habe ich vorsichtige Zweifel. Denn ihre Ehe war nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt (wenn ich mich recht erinnere). Für mich zählt "Effi B." zusammen mit (dem schrecklich kaltherzig erzählten Roman) "Madame Bovary" und "Anna Karenina" zu den klassichen Ehebruchdramen des 19. Jahrhunderts.



    Viele Grüße


    Sir Thomas

  • Hallo Sir Thomas,


    "Aquis Submersus" und auch "Viola Tricolor" sind als Reclam-Helftchen bestellt.


    "Effie Briest" von Fontane habe ich mir vor kurzem neu gekauft, sozusagen, um das Buch noch einmal frisch von vorne zu lesen und mein Urteil hier zurückzuziehen.


    Beim Einräumen unseres neuen Buchregals schöpfte ich aus den Bananenkisten auch einige ungelesene Novellen Storms und andere Schätze des SUB...


    Aber ich werde erst deinem Rat folgen und "Aquis Submersus" lesen. Die Reclam-Bücher sind ja ideale Begleiter für unterwegs.


    Grüße, FA

    Daß man gegen seine Handlungen keine Feigheit begeht! daß man sie nicht hinterdrein im Stiche läßt! - Der Gewissensbiß ist unanständig. - Friedrich Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Spruch 10


  • Aber ich werde erst deinem Rat folgen und "Aquis Submersus" lesen.


    Lieber Friedrich-Arthur,


    nun fühle ich mich ein wenig geschmeichelt ...


    Ein kleiner Tipp: Lies es, wenn möglich, ohne Unterbrechung. Deine anschließende Meinung interessiert mich wirklich sehr.


    Viele Spaß und viele Grüße von


    Sir Thomas

  • Hallo zusammen, hallo Sir Thomas,


    um nochmal auf Thomas Mann zurückzukommen: "Wälsungenblut" erfüllt das Thema auch auf das Schönste und -um auch noch so einen wunderbaren nominalisierten Superlativ zu verwenden - auf das Manierierteste, ist aber gerade deswegen besonders nett lesen.


    "Amor fou" ist wohl auch eines der Grundthemen der Literatur, da können wir noch viel zusammen stellen: Anna Karenina, mindestens zwei Bände der Suche nach der verlorenen Zeit, Lady Chatterley, Erec, der sich bei seiner Enite "verliegt" und damit zumindest für die damalige Ritterwelt einer amour fou erliegt, dann um im Mittelalter zu bleiben, Tristan und Isolde und und und ..


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)


  • "Wälsungenblut" erfüllt das Thema auch auf das Schönste und -um auch noch so einen wunderbaren nominalisierten Superlativ zu verwenden - auf das Manierierteste, ist aber gerade deswegen besonders nett lesen.


    Hallo finsbury,


    wunderbar, ich schätze diese kleine Erzählung aufgrund ihrer herrlichen Dekadenz!



    Tristan und Isolde


    Auch da gibt es etwas Schönes von Thomas Mann: "Tristan", eine der frühen Erzählungen. Auch sehr dekadent, wie überhaupt vieles aus dem Frühwerk T. Manns, das für mich erst mit dem "Zauberberg" abgeschlossen ist (darin finden wir übrigens auch eine "amour fou", und - in Gestalt von Clawdia Chauchat - eine wunderbare "femme fatale" ...).


    Liebe Grüße


    Sir Thomas

  • Hallo Sir Thomas,


    wunderbar, ich schätze diese kleine Erzählung aufgrund ihrer herrlichen Dekadenz!



    Auch da gibt es etwas Schönes von Thomas Mann: "Tristan", eine der frühen Erzählungen. Auch sehr dekadent, wie überhaupt vieles aus dem Frühwerk T. Manns, das für mich erst mit dem "Zauberberg" abgeschlossen ist (darin finden wir übrigens auch eine "amour fou", und - in Gestalt von Clawdia Chauchat - eine wunderbare "femme fatale" ...).


    Ja, die Erzählung und den Zauberberg kenne ich auch. Die frühen Erzählungen, mit ihrem dekadenten bzw. manieristischen Schreibstil lese ich recht gern: Es ist immer ein ironisches Zwinkern dabei, im Gegensatz zu vielen anderen Vertretern der Décadence.


    HG
    finsbury

    Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (Kafka)

  • "Madame Bovary". Irgendwie wurde der troll auch bei Anna Karenina das Gefühl nicht los, dass eine Frau, die nicht zu ihrem Mann aufschauen kann, für zerstörerische Liebesverhältnisse ziemlich empfänglich sind.
    :baden:
    Grüße vom troll


  • "Madame Bovary". Irgendwie wurde der troll auch bei Anna Karenina das Gefühl nicht los, dass eine Frau, die nicht zu ihrem Mann aufschauen kann, für zerstörerische Liebesverhältnisse ziemlich empfänglich sind.
    :baden:
    Grüße vom troll


    Hallo troll,


    ich stimme Dir zu und möchte darüber hinaus jeden an der Thematik "Amour fou" Interessierten darauf hinweisen, dass zur Zeit eine Leserunde zu Julien Greens "Leviathan" in Vorbereitung ist. Vielleicht geht es Anfang Mai los, es wird noch "verhandelt". Fühlt Euch bitte herzlich eingeladen!


    Liebe Grüße


    Sir Thomas


  • Amour fou ist die Bezeichnung für eine Liebesbeziehung, die aufgrund ihrer Intensität und Leidenschaft zerstörerische Formen annimmt. Allgemeinere Bedeutung: Eine Liebe, die nach gewöhnlichen Maßstäben nicht vernünftig ist, da sie entweder keine Aussicht auf Bestand hat, oder nicht erkennbar ist, was die Verliebten auf Grund ihrer Gegensätzlichkeit (zum Beispiel Altersunterschied oder unterschiedlicher sozialer Status) miteinander verbindet.


    Als ich diese Definition gelesen habe, musste ich sofort an "Faust" von J.W. v. Goethe denken. Die Beziehung Faust - Gretchen für mich der Inbegriff einer "amour fou"


    Liebe Grüße,


    Lara :winken:

  • Die Beziehung Faust - Gretchen für mich der Inbegriff einer "amour fou"


    Hm ... ist Faust in Gretchen verliebt?


    Die Definition von Sir Thomas lässt sich übrigens auch auf die Beziehung von Jahwe zum Volk Israel und umgekehrt anwenden ... :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen? - Karl Kraus

  • [quote]
    Hm ... ist Faust in Gretchen verliebt? [quote]


    Ist er nicht? Zugegeben ich war anfangs auch deiner Meinung, bis meine Deutschlehrerin mir unter meinen Aufsatz geschrieben habe, dass ich mit dem armen Faust zu hart ins Gericht gehe. Die Liebe zu Gretchen wäre echt.
    Nichts desto trotz ist die Liebe von Gretchen aber aufrichtig und echt! :zwinker:


    Liebe Grüße

  • Ich hab gestern extra nochmal nachgeschlagen und bin schon auch der Meinung dass Fasts Liebe aufrichtig und echt ist. Er hätte sie bestimmt auch nicht sitzen gelassen, wenn dieses Duell mit Gretchens Bruder nicht dazwischen gekommen wäre, so dass Faust nix übrig blieb als abzuhauen. Und dann will er sie ja auch aus dem Kerker retten, aber irgendwie is da nix mehr zu machen. Is aber auch wirklich ein Mist, dass mir andauernd irgendwelche Bücher in die Quere kommen, dass ich nicht endlich ma dazu komme, endlich meine kommentierte Faust Ausgabe zu studieren. Naja. Son Leben is lang, da will man in Zukunft schließlich auch was zu tun haben...
    Grüßerle
    zaehneputzen
    der troll

  • Hallo zusammen,


    ich finde "Gefährliche Liebschaften" ist ein schönes Beispiel für eine Amour fou. Was sag ich ein Beispiel, der Roman liefert ja gleich mehrere :breitgrins:. Zum einen die zerstörerische Beziehung zwischen Valmont und der Marquise de Merteuil, die eher auf sexueller Anziehung, Fazination und wohl auch Gewohnheit beruht. Dann die tatsächliche Liebe zwischen dem Vicomte und Madame de Tourvel, die nicht schlimmer hätte enden können. Die schwierige, junge Liebesbeziehung zwischen Cécile und Danceny kann man wahrscheinlich auch noch dazu zählen. Allein der Titel ist hier schon eine Amour fou.


    Etwas erstaunt bin ich, dass auch "Lady Chatterley" genannt wurde. Das habe ich nie als Amour fou gesehen. Eher als eine sehr schöne Liebesgeschichte, der ich durchaus Bestand zutrauen würde. Zwischen Constance und Oliver besteht eine gewissen sexuelle Attraktion, sie fühlen sich zueinander hingezogen und beginnen eine Affaire. Diese wird immer intensiver und leidenschaftlicher, die beiden können nicht mehr von einander lassen und verlieben sich. Ihre Geschichte endet (wahrscheinlich) in einer ernstzunehmenden Liebesbeziehung. Ich finde das alles nimmt eine ziemlich normale Entwicklung. Zur Definition passt natürlich schon, dass die beiden eigentlich durch ihren Stand getrennt sind. Im großen und ganzen habe ich die Beziehung aber immer eher als fruchtbar, denn als zerstörerisch betrachtet (gut, die Ehe mit Cliffort wird zerstört).


    Schöne Grüße
    Tia


  • Zur Definition passt natürlich schon, dass die beiden eigentlich durch ihren Stand getrennt sind.


    Ich hatte in Erinnerung, daß die beiden zum Schluß nach Kanada (?) auswandern, wo dieser Standesunterschied niemanden mehr interessieren würde. Jetzt kann ich diese Stelle aber auf die Schnelle im Buch nicht finden... täusche ich mich da? Verwechsle ich es etwa mit einem anderen Buch? (Meine Lektüre von Lady Chatterley´s Lover liegt schon einige Zeit zurück.)


    Viele Grüße
    thopas