James Joyce: Ulysses


  • Meine Zustimmung bezog sich auf den diskutierten Aspekt, in wie weit man über den Autor eines Werkes Bescheid wissen muss, nicht auf das kulturhistorische Umfeld in das ein Text eingebettet ist.


  • Joyce gehört "zu denen, die nur über sich geschrieben haben" - er war "ein Dichter seines Lebens". Falls die Beschäftigung mit klassischer Literatur in irgendeiner Weise zu einer differenzierten Sichtweise führen sollte, hat das hier augenscheinlich nicht gegriffen. Im Ulysses geht es also nur um Joyce? Das ist so zutreffend wie zu sagen, in "Anna Karenina" ginge es nur um Tolstoi, im "Odysseus" nur um Homer.


    Hallo Christian,


    dass Stendhal und Tolstoi Dichter ihres Lebens sind, stammt nicht von mir – ich habe es nur zitiert, eigentlich hätte ich gedacht, dass Du solche Zitate kennst, aber anscheinend habe ich Dich überschätzt. Dichter ihres Lebens heißt auch nicht, dass die nur über sich geschrieben haben, wir sprechen ja nicht von Ein-Personen-Romanen. Dass Du Homer in die Diskussion geworfen hast, zeigt mir, dass Du nicht diskutieren sondern polemisieren willst (weder hat Lost gesagt, dass Homer nur über sich selbst schreibt, noch ich, dass Homer ein Dichter seines Lebens ist) und deshalb habe ich auch keine Lust Dir den Unterschied zwischen diesen zwei Arten von Schriftstellern zu erklären, nur soviel: Homer, Balzac, Dostojewski und Zola sind keine Dichter ihres Lebens. Soviel Intelligenz, zu erkennen, dass eine Aussage die über einen oder zwei Schriftsteller gemacht wird, nicht für alle Schriftsteller gemeint ist, traue ich nicht jedem, aber Dir schon noch zu.


    In dem Roman „A Portrait of the Artist as a Young Man” beschreibt Joyce die Jugend von Stephen Dedalus, die eindeutig Parallelen zu seiner eigenen Jugend aufweist, aber auch manchmal freie Dichtung ist, es ist also keine Autobiographie, sondern ein biographischer Roman. Unterscheiden was Dichtung und Wahrheit ist, kann man imo nur wenn man Joyce Vita kennt.


    Wenn nun dieser Stephen Dedalus im Ulysses wieder auftaucht und zwar als einer der drei Hauptprotagonisten und in Fortsetzung des Portaits, warum soll dann der Ulysses nichts mit Joyce Leben zu tun haben?


  • Laut Fritz Senn heißt der Held von Ulysses weder Joyce noch Bloom noch Dedalus, der Held ist die Sprache selbst. Und auch Nabokovs Essay zum Ulysses kommt ganz ohne das aus, was Benn den "Anekdotenschleim" nannte, über den Literatur über biographische Parallelen erschlossen werden soll.


    Kannst Du mal die Fundstelle angeben, wo Senn das gesagt hat. Soweit ich mich erinnere hat er das über F’W gesagt und da hat er sicherlich Recht, weshalb mich dieses Buch auch nicht interessiert, - wenn ich etwas über Sprache wissen will, greife ich zu einem meiner 12 Duden-Bände, die auf meinem Schreibtisch griffbereit stehen und nicht zu einem Roman.


    Und selbst wenn Senn das über den Ulysses gesagt hätte, auch Experten geben nicht nur Gescheites von sich. Der Held im Ulysses ist die Sprache halte ich jedenfalls für noch dümmer als der Held im Ulysses ist die Stadt Dublin und einem, den ich bezüglich Ulysses für noch kompetenter als Senn halte, wird sogar das folgende Zitat zugeschrieben: „Wenn Dublin einmal zerstört wird, kann man es anhand des Romans Ulysses wieder aufbauen“ (sinngemäß zitiert) – dümmer geht’s nimmer!


    Hast Du eine Erklärung, warum Senn bei seinen Veranstaltungen „Reading Ulysses“ an der James Joyce Stiftung in Zürich drei Jahre braucht um einmal den Ulysses zu lesen, wenn es da nichts außer Sprache zu entdecken gibt und warum Senn neben seiner eigenen Sekundärliteratur zum Ulysses die Joyce-Biografie von Richard Ellmann enpfiehlt?


    Und warum denkst Du, hat Hans Wollschläger am 16. Juni 2004 bei einer Veranstaltung anlässlich 100 Jahre Bloomsday im Literaturhaus Frankfurt gesagt, dass man mit dem Ulysses erst beginnen sollte, wenn, man die Dubliner, das Portrait .. und eine gute Joyce-Biographie gelesen hat? Fehlte ihm da, die von Dir zitierte differenzierte Sichtweise?


  • Laut Fritz Senn heißt der Held von Ulysses weder Joyce noch Bloom noch Dedalus, der Held ist die Sprache selbst. Und auch Nabokovs Essay zum Ulysses kommt ganz ohne das aus, was Benn den "Anekdotenschleim" nannte, über den Literatur über biographische Parallelen erschlossen werden soll.


    In seinem Essay seiner als Buch erschienenen Vorlesung über Cervantes Don Quichotte, war sich Nabokov nicht zu blöd, die Siege und Niederlagen von Don Quichotte nachzuzählen und weil es ihm so passte, hat er sich sooft verzählt bis er zu dem Ergebnis kam Siege und Niederlagen halten sich die Waage und dieses Ergebnis dann so hingestellt, als hätte Cervantes das bewusst so gestaltet! Übrigens war dies fast die einzige Erkenntnis, die Nabokov dem Don Quichotte entnahm. Was ich sagen will: Nabokov mag noch soviel gute Romane geschrieben haben – als Literaturinterpret interessiert er mich nicht.


    Gruß


    Hubert


  • Hubert: Darf ich Dich bitten, Deinen Ton zu mässigen?


    Wenn ich nicht der Meinung wäre, dass mein Ton angemessen ist, hätte ich anders geschrieben, - zeige mir also bitte die Stellen auf, wo ich mich Deiner Meinung nach im Ton vergriffen habe?

  • Au fein, hier wird sich gleich intellektuell gedemütigt. Ich hol schon mal das Popcorn. :eis:

  • @FeeVerte: Eine engagierte Diskussion ist keine Demütigung


    sandhofer: Aus meiner Sicht hat Huber zwar mitunter was rechthuberisches, aber beleidigend fand ich ihn jetzt nicht...


    @Huber: Gute Vorlagen, diskutierenswert - "leider" geht es nun erstmal zwei Wochen in den internetlosen Urlaub - ich melde mich danach wieder.


    Und dass jemand hier glaubt, ich wäre Jesuit, hat mich herzlich lachen lassen! :winken:


    Schöne Zeit und bis in zwei Wochen


    Christian

    "Man träumt viel vom Paradies, oder vielmehr von verschiedenen, wechselnden Paradiesen, die doch alle verloren sind, bevor man stirbt, und in denen man sich selbst verloren fühlen würde." ("A la recherche du temps perdu")


  • sandhofer: Aus meiner Sicht hat Huber zwar mitunter was rechthuberisches, aber beleidigend fand ich ihn jetzt nicht...


    @Huber: Gute Vorlagen, diskutierenswert - "leider" geht es nun erstmal zwei Wochen in den internetlosen Urlaub - ich melde mich danach wieder.


    Hallo Christia,


    zunächst vielen Dank,


    ansonsten wünsche ich Dir einen schönen, interletlosen Urlaub und freue mich auf weiteere Diskussionen mit Dir - ich denke unsere Diskussionen tuen dem Klassikerforum ganz gut.


    Grüße


    Hubert


  • Nabokov mag noch soviel gute Romane geschrieben haben – als Literaturinterpret interessiert er mich nicht.


    Hallo zusammen,


    damit dieser Thread nicht ganz versumpft, bis Christia wieder aus dem Urlaub zurück ist, mal zur Auflockerung ein kleines Literaturrätsel, wie sie früher öfter im Klassikerforum zu finden waren.


    1940 war es auch für Franz Werfel so weit und er musste nach längerem Aufenthalt in Südfrankreich, das aber inzwischen von der Wehrmacht besetzt war nach Amerika emigrieren. Lange hatte er sich gegen Amerika gesträubt und auf die Frage warum er nicht nach Amerika will, soll er gesagt haben:


    1. „Was soll ich in einem Land in dem Nabokov Literatur unterrichtet?“
    2. „Was soll ich in einem Land in dem man Ketchup ans Rindfleisch schüttet?“


    Welche Antwort ist richtig?


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