Beiträge von Sir Thomas


    Diese Liste ist Teil eines vierteiligen Romankanon. Die Idee dazu ist wie folgt entstanden:
    http://www.klassikerforum.de/i…70.msg51621.html#msg51621


    By the way: Wenn man auf doppelte Autorenschaft verzichtet (insbes. bei Wieland, Goethe und J. Paul), dann enthält der Kanon bis zum Ende des 19. Jahrhunderts das eine oder andere mMn. recht zweifelhafte Werk, wie z.B. "Simplicissimus" und "Die Elixiere des Teufels". Anders sähe es aus, wenn wir nicht nur Romane, sondern auch Novellen und Erzählungen aufnähmen in einen erweiterten "Prosa-Kanon". Dann kämen auch Kleist und Storm zum Zuge - um nur zwei Beispiele zu nennen.


    Wenn ich noch zwei Vorschläge machen darf:
    1) Raus mit dem "Simplicissimus", denn Hölderlins "Hyperion" fehlt mir doch sehr.
    2) Hoffmanns "Serapionsbrüder" halte ich für würdiger als die "Elixiere", auch wenn es sich dabei "nur" um eine Sammlung von Erzählungen handelt, die aber durch eine Rahmenhandlung zusammengehalten wird (wenn ich mich recht erinnere).


    Es grüßt


    Tom


    <a href="http://www.cicero.de/salon/buchkultur-thomas-hettche-totenberg-das-ende-des-buches-und-was-wir-verlieren/51828">Das Ende des Buches und was wir verlieren</a> - Von Thomas Hettche.


    "Ein schleichender Prozess der Auszehrung ist im Gang, ... Der literarische Raum zerfällt, er verliert seine Gravitation, alle Kräfte streben hinaus."


    Danke für diesen Link, Dostoevskij!


    Zum Inhalt: Wer sich so kläglich über das "Absterben der Literarizität" (was für ein gebildetes Wort!) beklagt, dem sei zum Trost Thomas Mann empfohlen, der sein Alter Ego Tonio Kröger (sinngemäß) sagen lässt: Lieber Hans Hansen, lies nicht "Don Carlos" - und lach über den Künstler, denn Du hast als normaler und gesunder Mensch ein Recht dazu! Damit ist Thomas Mann der einzige mir bekannte Schreiber, der sich und seine Kunst nicht ständig überbewertete, sondern "Litteratur" geradezu "verdächtig" fand ...


    Diese Liste ist Teil eines vierteiligen Romankanon. Die Idee dazu ist wie folgt entstanden:
    http://www.klassikerforum.de/i…70.msg51621.html#msg51621


    Nette Fleißarbeit!


    Du gestattest einige Anmerkungen?


    Wielands "Agathon" ist o.k., aber bedeutender scheinen mir Goethes "Wilhelm Meister" oder Moritz' "Anton Reiser" zu sein.


    Bei den Erscheinungsdaten des "Grünen Heinrich" hast Du Dich auf die zweite, überarbeitete Ausgabe bezogen. Die Ursprungsfassung erschien 1853 (oder 54), was Deine Chronologie ein wenig durcheinanderbringt.


    Ebner-Eschenbach ist für mich nur ein Name, der heute fast vergessen ist. Was hat sie Deiner Meinung nach im Kanon zu suchen?


    Und über den "Simplicissimus" bzw. dessen "Kanonisierung" können wir uns gern auch noch einmal unterhalten ...


    Genug Klugsch... für heute.


    Es grüßt


    Tom


    ich habe Greenblatts Buch gerade gelesen und kann es ohne Einschränkung empfehlen.


    Moin Klaus,


    vielen Dank für diese Einschätzung.



    Was ich glaube (aber nicht beweisen kann): die Kritik mancher Rezensenten beruht auf dem bei manchen deutschen Intellektuellen immer noch existierenden Vorurteil, dass man über schwierige Themen nicht verständlich und zu einem breiten Publikum schreiben kann und darf.


    Schon möglich. Die angelsächsische Art der Präsentation komplexer Stoffe hat etwas latent Journalistisches, was hierzulande noch immer als Makel empfunden wird.


    LG


    Tom

    Ich muss leider passen. Da ich derzeit viel unterwegs bin, finde ich nur selten Zeit für konzentriertes Lesen. Sorry, aber das passiert, wenn man sich im Frühjahr auf ein Herbstereignis festlegt.


    Viel Spaß mit Dickens!


    Tom


    Wenn das keine Gefühle sein sollen: Wie sehnsuchtsvoll schmachtend hört sich die "Rosenarie" im "Figaro" an! Der tugendhafte Sarastro wiederum entfaltet in seinen Arien das freimaurerische Programm der josephinischen Aufklärung, wenn das keine Gestaltung von Ideen ist!


    Die o.g. Arien stammen von den Librettisten da Ponte und Schikaneder, nicht von Mozart. Der wird sich kaum darum gekümmert haben, welche Gefühle durch den sanglichen Vortrag im Zuhörer geweckt werden. Nebenbei: Die "Gefühlsästhetik" regierte vor Mozart (der sog. empfindsame Stil), und nach ihm die "Affektlehre" der Romantik. Beide haben zu vielen Missverständnissen geführt, daher sei abschliessend betont: Es handelt sich um musikästhetische Konzepte, die mit dem Verständnis von Musik nichts zu tun haben, sondern nur mit angenommenen Wirkungen.



    Inzwischen scheint so etwas wie eine Johann-Christian-Bach-Renaissance eingesetzt zu haben; man kann jetzt mehrere Einspielungen seiner Konzerte erwerben.


    Interessant. Hast Du einen Tipp?

    Ein weiterer Lektüreeindruck:


    Alfred Einstein - Mozart. Sein Charakter, sein Werk


    Das Werk des in die USA emigrierten Musikwissenschaftlers Alfred Einstein (ein Vetter Albert Einsteins) erschien 1945 zunächst in englischer Sprache, 1947 auch auf deutsch. Es gilt mWn. immer noch als ein Standardwerk der Mozartforschung und entstand quasi als Abfallprodukt der Beschäftigung Einsteins mit dem aus dem 19. Jahrhundert stammenden Köchel-Verzeichnis. Sein Mozartbild dürfte massgeblich zu dem Bild des ewigen Kindskopfs Wolfgang Amadeus beigetragen haben, das uns der 80er Jahre-Film „Amadeus“ so prägnant vor Augen führte.


    Neben all den präzisen, größtenteils nur für den Fachmann nachvollziehbaren Werkanalysen, steht der Mensch Mozart im Mittelpunkt des ersten Drittels der umfangreichen Abhandlung. Einstein beschreibt Mozart als das gehorsame Kind eines dominanten Vaters, der den Bub fördert und fordert wie ein human eingestellter „Tyrann“. Im Hause Mozart war man katholisch aus Tradition, wobei man die Amtskirche zutiefst verabscheute. Vater Leopold und Sohn Wolfang durchschauten die Verlogenheit der Salzburger Würdenträger, waren aber von ihnen abhängig, so dass es erst spät zum Bruch mit dem Fürstbischof Colloredo kam. Dem weit gereisten Wunderknaben Wolfgang impfte der Vater schon frühzeitig ein, keinen allzu großen Respekt vor Berühmtheiten, egal welcher Art, zu haben. Daraus resultierte eine gewisse Respektlosigkeit des erwachsenen Mozart gegenüber komponierenden Kollegen und anderen berühmten Zeitgenossen. Nur Joseph Haydn, Johann Christian Bach und dessen Vater Johann Sebastian werden niemals durch den Kakao gezogen.


    Einstein beschreibt Wolfgang als grundsätzlich lebensuntüchtigen Kindskopf, der sich zeitlebens um eine einträgliche und adäquate Anstellung bemüht – meistens vergebens. Auch mit Frauen hatte er wenig Glück, obwohl er seiner ständig über die Verhältnisse lebenden Konstanze wohl ein guter Ehemann war.


    Zum Musiker: Mozart war laut Einstein ein einseitiger Mensch, ein allen Zeitgenossen überlegenes musikalisches Genie, das aber letztlich an der engstirnigen und oberflächlichen Rokoko-Gesellschaft scheiterte. Er war kein musikalischer Revolutionär, aber ein perfekter Vollender wie J.S. Bach ein halbes Jahrhundert zuvor. Mozart beherrschte gleichzeitig das vokale wie das instrumentelle Komponieren – was eher selten ist. Einstein bescheinigt den Werken eine beiläufige und mühelose Eleganz, wobei Mozart mit der Präszision eines Feinmechanikers arbeitete und es verstand, dem Mechanischen soviel Charme wie irgend möglich zu verleihen. Seine Musik verkörpert keine Gefühle, keine Ideen oder gar Ideale; sie ist pure Mechanik, tönende Mathematik und damit letztlich inhuman, was ich nicht mit unmenschlich, sondern übermenschlich übersetze.


    Fazit: Wer sich für Mozart und die sog. Wiener Klassik interessiert, sollte dieses Buch keinesfalls ignorieren, auch wenn es natürlich keinen aktuellen Forschungsstand darstellt. Besonders interessant ist die Tatsache, dass Einstein viele Zitate aus dem umfangreichen Briefverkehr zwischen Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart einstreut.


    Blom habe ich schon gelesen. :winken:


    Ich auch, übrigens nach Deiner Empfehlung! :klatschen:



    Allerdings kommt hier Rousseau sehr schlecht weg und evtl. muß ich das hier geprägte Bild von ihm noch revidieren (oder auch nicht).


    Ja, er kommt schlecht weg. Ob verdient oder unverdient - je ne sais pas. Allerdings möchte ich H. Blom glauben - sehr gern sogar!


    Ich bin noch ziemlich am Anfang. Also kann ich noch nicht allzuviel dazu sagen. Es liest sich locker, leicht. Aber die richtige Begeisterung ist noch nicht aufgekommen. Aber das kann ja noch kommen.


    Ich hoffe, das Buch ist nicht der Versuch, im Kielwasser der "Bösen Philosophen" einen lauen Aufguss des Themas zugunsten des Felstgeldkontos zu liefern. Es wäre wirklich nett, wenn Du bei Gelegenheit ein Update Deiner Eindrücke liefern könntest.


    Schönes WE!


    Tom

    Da hier momentan viel über Fontane geschrieben und nachgedacht wird, erlaube ich mir, ein wenig Wasser in den Wein zu schütten.


    Nach der Fontane-Leserunde im vergangenen Jahr ("Unwiederbringlich") sowie nach der Lektüre von "Jenny Treibel" unmittelbar im Anschluss daran, habe ich jedenfalls beschlossen, von diesem Autor nichts mehr zu lesen. Die letztgenannten Romane sind von durchschaubarer Machart, das Personal eine Aneinanderreihung von Klischees, die viel gerühmten Dialoge werden irgendwann langweilig. "Effi Briest" und Teile des "Stechlins" möchte ich von dieser Kritik ausnehmen, denn mit diesen Büchern verbinde ich positive (vermutlich weil tiefer in der Vergangenheit liegende) Leseerlebnisse.


    Gottfried Benn schrieb 1949 über Fontane: Dieser Autor war immer gegen mein Empfinden. … Er hat Sicherheit, Kontur und Überlegenheit, er wird mit seinem Thema fertig, er ist innerhalb der deutschen Romaninferiorität eine große Leuchte. … Aber das Pläsierliche, ein Präservativ der Moral, ... entzieht ihm den Rang. Fontane als Kleinmeister unter den mittelmäßigen Autoren der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts? Ich halte das für einigermaßen zutreffend.


    Zum Schluss noch ein Arno Schmidt-Zitat über den literarischen Realismus (aus einem Rundfunk-Essay über Barthold Heinrich Brockes): Nicht dies ist das Kennzeichen des literarischen Realisten, dass er, in oft provozierender Rücksichtslosigkeit, Dinge beschreibt, die dem Bürger unangenehm sind. Dieses Verfahren führt nur allzu oft in eine Apotheose des Misstrauens. Das Verfahren des echten Realisten beruht auf der Erkenntnis, dass in Wirklichkeit viel weniger geschieht, als die katastrophenfreundlichen Dramatiker uns weißmachen wollen. Das Leben besteht, was Handlung anbelangt, aus den bekannten kleinen Einförmigkeiten. Also verweigert man sich als Realist ... der Fiktion pausenlos aufregender Ereignisse, wobei die radikalste Denkweise sehr wohl mit Handlungsleere gepaart sein kann. … Die Fabel einer Dichtung besteht nicht aus Aktion, sondern aus Zuständen und Denkweisen. … Alle Handlung hört auf. Nur die Denkweisen und die Befindlichkeit erzwingen das unvergessliche Bild.


    Schade, dass Fontane dieses Zitat nicht kannte.


    Es grüßt


    Tom

    Zwei Buchtipps, die das Thema "Wiener Klassik" in ein spannendes Licht rücken:


    1. Gerhard Anselm: London und der Klassizismus in der Musik - Die Idee der „absoluten Musik“ und Muzio Clementis Klavierwerk (2002)


    Das Buch kratzt erheblich am Lack des Mythos "Wiener Klassik". Die These: Von London, der Weltmusikhauptstadt des 18. Jahrhunderts, gingen die entscheidenden Impulse aus, die zu dem heranwuchsen, was wir heute als Wiener Klassik kennen (diesen Begriff gibt es übrigens nur im deutschen Sprachgebrauch). Als Beleg führt der Musikwissenschaftler G. Anselm die in London entstandenen Sonaten Clementis an, in denen das Verfahren der motivisch-thematischen Vereinheitlichung ab etwa 1790 zu höchster Reife gelangte und die großen Einfluss auf Beethoven hatten. Sein Fazit: Die Wiener Klassiker waren im europäischen Kontext weit weniger isoliert als bisher angenommen. Und erst die in London erprobten neuen Mechanismen musikalischer Öffentlichkeit erlaubten die europaweite Durchsetzung unseres Begriffs von klassischer Musik. Leider ist das Buch nicht mehr im Handel erhältlich (warum ist mir schleierhaft). Ich musste deshalb auf das Exemplar eines Freundes zurückgreifen.


    2. Mark Kroll: Johann Nepomuk Hummel – A musician's life and world (2007)


    Warum es keine vernünftige deutschsprachige Biografie des Mozart-Schülers und Beethoven-Konkurrenten Hummel gibt, hat sich mir nicht erschlossen. Macht aber nix, weil M. Kroll uns den Menschen Hummel und seine Zeit in zahlreichen, gut recherchierten Facetten darbietet. Gekonnt spielte Hummel mit unterschiedlichsten Rollen. Er war Klaviervirtuose (und als solcher ein gefeierter Popstar), Klavierlehrer und Komponist in einer Person (wie Beethoven auch). Er war aber vor allem ein genialer Kaufmann, was letztlich seinen Erfolg ausmachte. Heute kennt kaum jemand seine Musik, was kein Fehler ist, weil sie sehr dem Zeitgeschmack verpflichtet war und eher die Bedürfnisse des Salons befriedigte. Das dürfte ihn nicht gestört haben: Hummel war, im Gegensatz zu Beethoven, ein reicher Mann, als er 1837 starb - und damit vielleicht der erste, der von seiner musikalischen Kunst mehr als nur dürftig leben konnte.


    Einen Nachteil hat das Buch: Es ist sauteuer (weshalb ich auch in diesem Fall gern auf die Bibliothek meines Freundes zurückgegriffen habe).

    Noch entspannender wird's wenn du Gustav Mahlers Musik, die doch eher aufregend als entspannend ist, weg lässt und auch auf die Zigarre verzichtest, vor allem auf die von Noblego, den da regen einem ja schon die Preise auf. Und als Wein empfehle ich dir einen Spätburgunder aus Südbaden oder aus der Pfalz. Berichte doch bitte gelegentlich ob ich nicht Recht habe.


    PS: Und probier mal dich beim Entspannen nicht auf den Schaukelstuhl sondern in den Schaukelstuhl zu setzen. Nach meiner Erfahrung ist das entspannender. :breitgrins:


    Das nenne ich enormen Fleiß in Sachen Mobbing - chapeau! Deine überflüssigen Tiraden gegen den Neuling thmann (dieses Zitat ist nur ein Ausschnitt Deiner gestrigen Ausfälle), werter Monsieur Montaigne, werden sicher dazu führen, dass er sich hier nie wieder melden wird.