Beiträge von JHNewman

    Ich habe gestern den Roman "Das ist bei uns nicht möglich" von Sinclair Lewis beendet.

    Das Buch ist 1935 in den USA erschienen und beschreibt den kometenhaften Aufstieg eines populistischen Politikers names Berzelius Windrip zum Präsidenten und Diktator der USA.


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    Anfänglich habe ich mich mit dem streckenweise geschwätzigen Stil etwas schwer getan. Dann aber faszinierten mich die politischen Vorgänge immer mehr. Die Ironie und der Sarkasmus des Autors kommen in der Übersetzung nur teilweise zur Entfaltung. Windrip hat ein Buch verfasst, aus dem zu Beginn jedes Kapitels zitiert wird. Sein plumper und aufgeblasener Populismus könnten an vielen Punkten die direkten Vorlagen für Donald Trump gewesen sein, das ließ mir beim Lesen mitunter kalte Schauer über den Rücken laufen.


    Die Übersetzung von Hans Meisel, die der Aufbau Verlag jetzt neu aufgelegt hat, ist aus dem Jahr 1936. Leider merkt man ihr das Alter deutlich an. Eine Neuübersetzung wäre dringend angeraten. Trotzdem ist das Buch wegen der aktuellen Bezüge auch heute noch sehr lesenswert.

    Ich muss den 'Meister' unbedingt mal wieder lesen. Als ich ihn zum ersten Mal las, fand ich ihn nicht so gut, wie alle immer sagten. Mir gefiel seinerzeit die 'Weiße Garde' deutlich besser. Später habe ich es dann nochmal mit einer Hörspielfassung versucht, bin da aber nicht so weit gekommen..


    Die Dämonen von Dostojewskij haben mich da weitaus mehr beeindruckt. Vor allem bei diesem Kapitel mit der Beichte läuft es mir kalt den Rücken herunter... Erzähl doch mal, ob Du beim Lesen einen Unterschied der Übersetzungen bemerkst. Ich habe die Übersetzung von Marianne Kegel und beim Lesen nichts auszusetzen gehabt. Ich bewundere Svetlana Geier, fand es aber immer irgendwie übertrieben, meine Übersetzungen auszutauschen...

    Ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute oder eine schlechte Entscheidung ist... Einerseits braucht die Branche ein bisschen Aufmerksamkeit und ein bisschen 'Normalität'. Aber genau letztere wird es wohl kaum geben. Zudem schätze ich, dass viele internationale Verlage und Autoren nicht reisen wollen. Also wird es schon mal kleiner. Dann wird das Publikum sehr ausgedünnt sein, vielleicht kommt man auch gar nicht in die Hallen rein. Naja. In jedem Fall werden wir uns dann auf ein reichhaltiges Medienprogramm und viel Streaming freuen können. Ist ja auch schon mal was...

    Ich bin sehr sehr begeistert von Eugen Ruges Roman 'Metropol' - ich bin den Hauptfiguren atemlos durch die Schrecken des stalinistischen Terrors gefolgt. Das hat Ruge sehr gekonnt und mitreißend, beklemmend und erschreckend eingefangen. Allerdings bleibt nach der Lektüre die Frage immer noch etwas offen, wie dieser Terror so gut funktionieren konnte. Es war vollkommen offensichtlich, dass die Vorwürfe gegen die Angeklagten an den Haaren herbeigezogen waren. Aber offenbar gab es überhaupt keinen Widerstand gegen die Säuberungen? Es gibt im Roman eine Szene, in der sich eine der Hauptfiguren Gedanken darüber macht, wenn nur dreißig der oberen Funktionäre oder der Anwesenden im Gerichtssaal gegen diesen Prozess aufbegehren würden, könnten sie ihm ein Ende setzen. Es ist nicht geschehen.


    Jetzt lese ich Mairam Kühsel-Hussainis Buch 'Tschudi' und bin bisher etwas irritiert. Das Buch wimmelt von Fehlern - sprachlich, grammatisch, orthographisch. Die Handlung ist bisher ganz interessant, aber auch sehr viel name dropping. Bin noch nicht sicher, ob ich das bis zum Ende durchhalte.

    Wurde eigentlich schon Die Wahrheit über den Fall D. genannt? Ein Krimi von Fruttero & Lucentini, es geht um Dickens’ letzten, unvollendeten Roman "Edwin Drood". Der Dickens-Text wird kapitelweise in den Roman gemischt, drumherum gibt's dann eine Krimihandlung. Ich hab’s als sehr amüsant und pfiffig in Erinnerung, aber mehr weiß ich davon nicht mehr ;-).

    Oh, das habe ich seinerzeit sehr genossen. Die Rahmenhandlung war wirklich witzig, sie spielte in einer Konferenz zur Vollendung unvollendeter Werke, bei der in verschiedenen Arbeitsgruppen Musiker, Maler und Schriftsteller große Fragmente der Weltgeschichte vollenden sollten. Wenn ich mich richtig erinnere, traten dabei auch bekannte Figuren aus der Literaturgeschichte auf, etwa Porphyrij Petrowitsch, der Detektiv aus 'Schuld und Sühne', und Hercule Poirot und versuchten dann gemeinsam, den Fall des Edwin Drood zu lösen.

    Ich hatte mal wieder eine kurze Joseph Roth-Phase und habe neben den 'Juden auf Wanderschaft' und 'Hotel Savoy' die Novelle 'Leviathan' gelesen (angeregt vor allem durch den Bezug zu Ingo Schulzes 'Die rechtschaffenen Mörder').


    Jetzt bin ich äußerst angetan von Eugen Ruges Buch über das Leben seiner Großmutter: Metropol. Erzählt wird die unfassbar beklemmende Zeit der Stalinistischen Schauprozesse in den 1930er Jahren. Exzellent erzählt. Mir gefällt das Buch sogar bisher besser als sein Buchpreis-Gewinner-Roman 'In Zeiten des abnehmenden Lichts'.

    Was den Philosophen Bieri betrifft, höre ich da ein bisschen das Vorurteil, was verständlich geschrieben sei, könne nicht tief sein.

    Nein, da bin ich durchaus Deiner Meinung. Komplexe Sachverhalte gut und verständlich darzustellen, ist wirklich eine Kunst und eine Gabe, die besonders im deutschsprachigen Raum nicht so häufig anzutreffen ist und die ich hoch schätze.


    Ich habe seinerzeit "Wie wollen wir leben" von Peter Bieri gelesen.


    Ich merke beim Lesen dieser wenigen Sätze gleich wieder, warum ich Pascal Mercier nicht mag. Denn das, was er da präsentiert, sind keine Erkenntnisse. Das sind Banalitäten, Binsenweisheiten, die jedem halbwegs intelligenten Leser/jeder halbwegs intelligenten Leserin auch selbst einfallen könnten. Bei Mercier werden sie dann ein bisschen nett garniert und aufgeblasen. Aber am Ende habe ich als Leser nicht den Eindruck, etwas Neues über mich oder die Welt erfahren oder gelesen zu haben, sondern nur Bekanntes in einem neuen Aufguss.


    Es stimmt schon: hier fließen der Erzähler Mercier und der Philosoph Bieri ineinander. Mir ist es ja - Jahre nachdem ich einen Roman von Mercier wütend in die Ecke geknallt habe - passiert, dass ich ein Buch von Bieri las und zunehmend Unbehagen empfand, weil ich genau diesen Eindruck hatte: hier werden im Kern banale Gedanken als Philsophie verkauft. Dann fand ich heraus, dass Mercier und Bieri ein und derselbe sind. Da war mir dann klar, dass genau das mich auch schon beim Erzähler Mercier gestört hatte.


    Und zum Abwägen der Worte: vielleicht bin ein ungeduldiger Leser. Aber ich möchte einem Autor nicht dabei zusehen müssen, wie er hübsch nach Worten sucht. Diese Arbeit soll er geleistet haben, bevor ich das Buch lese. Am Ende soll er sich für ein Wort entscheiden und das hinschreiben. Und ich kann dann als Leser entscheiden, ob das treffend ist. 8)8)

    Ich hab gestern abend noch mit "Gesang der Fledermäuse" von Olga Togarczuk begonnen. Dann bin ich mal gespannt auf die Nobelpreisträgerin :)

    Oh, da bin ich gespannt, wie es Dir gefällt.

    Ich habe das Buch vor vielen Jahren gelesen (als es seinerzeit neu war) und fand es ein wenig seltsam, so eine Art Ökokrimi mit einigen mysteriösen Elementen. Damals hat mir 'Unrast' deutlich besser gefallen. Als ich jetzt 'Ur und andere Zeiten' von ihr gelesen habe, wurden mir einige Motive klarer und ich konnte Verbindungen auch zum 'Gesang der Fledermäuse' erkennen. Diese starke Erd- und Naturverbundenheit ist kennzeichnend für sie.

    Ich habe mal zu einem Unterhaltungsroman gegriffen. Ich mag ja kontrafaktische Geschichte ganz gerne: Anfang der 1950er Jahre dominiert Nazideutschland Europa, der Krieg gegen Frankreich ist gewonnen, Großbritannien ist zu einem Vasallen der Nazis geworden und wird von einer Marionettenregierung ruhig gehalten. An der Basis flammt immer wieder auch Widerstand auf. Die Amerikaner arbeiten an einer Atombombe - das Wissen darüber gerät in die Hände eines britischen Wissenschaftlers, der nun vor dem Zugriff der Nazis geschützt werden und in einer dramatischen Rettungsaktion auf ein amerikanisches U-Bott gebracht werden. Das Buch ist wirklich gelungen, insbesondere hat mich positiv überrascht, dass der Autor nicht nur ein historisch überzeugendes Szenario entwirft, das durchaus realistisch erscheint, sondern dass er auch plumpes Schwarz-Weiß-Denken vermeidet.


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    Danach der Roman 'Rivenports Freund' von Damiano Femfert. Spielt ebenfalls in den 50er Jahren, allerdings in Argentinien. Ein bewusstloser und schwer verletzter Mann wird an einer Straße gefunden. Er hat offenbar seine Erinnerung verloren und kann keine Angaben über seine Identität machen, außer dass er 'Kurt' heißt. Der verschrobene Arzt Rivenport nimmt sich seiner an und versucht die Herkunft zu klären. Trotz des interessanten Beginns und der eigentlich spannenden Anordnung bleibt das Buch ziemlich langweilig und weit hinter dem Potenzial zurück. Die Hauptfiguren sind einfach nicht interessant, aus dem Fall macht der Erzähler viel zu wenig und stilistisch hat das Buch auch Schwächen. Das hat mir nicht gefallen.


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    Jetzt habe ich zu Valerie Fritsch gegriffen: Herzkammern von Johnson & Johnson

    Das ist ein ganz anderes Kaliber. Schon die ersten 20 Seiten haben mich vollkommen fasziniert. Sätze wie gemeißelt. Jeden zweiten würde ich am liebsten einrahmen. Klasse!


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    Ja, Trump ist in seinem Extremismus ein besonderer Fall, aber er ist kein Einzelfall insofern, als der Typos des Mannes, der sich als Anti-Establishment geriert und keine Rücksichten nimmt, schon häufiger vorkommt: Bolsonaro, Erdogan, Putin, Johnson usw.


    Und genau dieser Typus Politiker tut sich interessanterweise im Umgang mit einer Krise wie der Coronakrise besonders schwer.


    Übrigens wird Trump zwar von den deutschen Medien negativ dargestellt, wenn man aber in den letzten Wochen die Pressebriefings im Weißen Haus verfolgt hat, dann stellt man fest: er wird noch gar nicht so auseinandergenommen, wie man das eigentlich tun müsste. Die Medien sollten sein tödliches Dummgequatsche einfach ignorieren. (Ich gebe zu, dass ich die Meldung bzgl. Lichttherapie und Desinfektionsmittelinjektion zunächst sogar für so abwegig hielt, dass ich sie noch nicht mal Trump zutrauen wollte, aber dann wurde ich beim Nachprüfen eines Schlechteren belehrt. Der Mann schafft es, noch immer seine eigenen niedrigen Standards zu unterbieten...)

    Danke für die Erklärung, Zefira.


    Ich hätte mich aber etwas deutlicher ausdrücken sollen, denn ich meinte eigentlich die mentale Anfälligkeit der Männer für falsche und unangemessene Reaktionen auf die Corona-Situation. Im Klartext: Kerle scheinen es einfach nicht zu kapieren, dass es nicht darum geht, den starken Macker zu markieren, sondern um eine andere Art von Reaktion. Und das schaffen Frauen ganz offenbar besser.


    Man muss ja nur Merkel und Trump vergleichen...

    Das mit der Kieler Woche wird sich sicher noch erledigen. Die findet zwar draußen statt, aber wenn das Gedränge denke, das ich dort vor vielen Jahren mal erlebt habe, dann wird das sicher nix in diesem Jahr.


    Danke für den Bericht aus dem UK, Fuzuli, ich verfolge recht aufmerksam auch den Guardian und habe einen ähnlichen Eindruck. Ich habe selbst ja längere Zeit im UK gelebt und verspüre daher immer noch eine ziemliche Verbundenheit.


    Mir scheint, dass es nicht nur mittelalte und ältere Männer sind, die gesundheitlich mit dem Virus Schwierigkeiten haben, sondern dass es gerade auch ältere Politiker sind, die größte Schwierigkeiten haben, sich auf diese Situation einzustellen. Frauen kriegen das ganz offenbar besser hin. Bei Männern scheint es einfach häufig so eine Rambo-Mentalität zu geben, die dazu führt, dass man dem Virus einfach nur mutig die Brust entgegenstrecken muss. Frauen haben offenbar eine besser Disposition für diese Lage, die stärker auf Schutz setzt...

    Nachdem heute das Oktoberfest für dieses Jahr abgesagt wurde, ist wohl davon auszugehen, dass auch die FBM 2020 nicht stattfinden wird.

    Diese Menschenmassen auf engem Raum werden ein Gesundheitsrisiko sondergleichen darstellen. Daneben ist davon auszugehen, dass ausländische Verlage nicht nach Frankfurt kommen wollen, womit der größte Teil des Handelsvolumens in Frankfurt wegfallen dürfte. Folglich ist die Messe gar nicht zu halten.


    Was meint Ihr?

    Hi MMMichael,


    herzlich willkommen! Einige der Bücher von Deiner Liste gehören auch zu meinen Favoriten (Stefan Zweig, Thomas Mann, Sascha Stanisic, Hermann Hesse...)


    Viel Spaß beim Diskutieren (und Lesen, natürlich),

    JHN