Beiträge von JHNewman

    Christa Wolf: Nachdenken über Christa T.


    Letzte Woche las ich in einem Text von H. Luther zu 'Identität und Fragment' ein Zitat von Christa Wolf, das in mir sofort den Wunsch auslöste, wieder etwas von ihr zu lesen. Hinzu kam meine Lektüre von Susanne Kerckhoffs 'Berliner Briefen' - auch dieses Buch beleuchtet ja die Zeit der entstehenden und frühen DDR. Nun also Christa Wolf. Es ist wirklich eine Freude, diese Prosa zu lesen. Dieser Klugheit zu folgen. Und auch ein wenig Wind der Geschichte zu spüren.

    Ja, das war auch wieder so ein Rohrkrepierer von Manesse. Nach den Barchester Towers war mit der Ausgabe der Barchester-Novels schon wieder Schluss. Früher gab es wohl mal auch eine Ausgabe von Dr. Thorne. Ist aber nur noch antiquarisch zu erhalten.

    ... konnte ich vor Lachen nicht weiterlesen. Ich habe nämlich das Wort "Flutschlamm" an der falschen Stelle getrennt. "Flutsch-Lamm".


    Es war richtig schlimm. Ich habe mich fast nassgemacht vor Lachen.

    Ging mir genauso - ich habe auch zunächst Flutsch-Lamm gelesen...:D


    Den gleichen Fehler habe ich neulich bei Altbaucharme gemacht. Da gab es bei mir erst Alt-Bauch-Arme, bevor ich auf Altbau-Charme gekommen bin.


    Deutsche Komposita sind die reinsten Lesefallen... :D:D:D

    Ich lese gerade die "Verborgene Chronik 1914" von Herbert Kapfer und Lisbeth Exner. Ist eine gute Ergänzung zu "1913: Der Sommer des Jahrhunderts" von Florian Illies.


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    Hast Du auch "1919. Fiktion" gelesen? Das hat mich im letzten Jahr sehr beeindruckt.

    So dachte ich auch JH, bis sich bei mir eine fiese Insektenplague eimstellte, wegen der ich auf alle meine "wirklichen" Bücher werde verzichten müssen, wenn ich umziehe. Meine Umzugspläne musste ich erstmal wegen Corona aufschieben, aber ich habe schon angefangen mir meine digitalen Bibliotheken anzulegen. Ohne Bücher kann ich nicht bleiben.

    Oh, ich hoffe, der Verzicht ist zeitlich begrenzt?

    Wie ich das kenne ... 8|=O:/

    Aber es ist so wenig akzeptiert. Ich hatte schon häufiger den Impuls, ein Treffen oder einen Termin abzusagen, weil ich stattdessen lieber lesen wollte. Aber das war absolut gegen die Konvention... Vielleicht wäre hier mal eine echte Akzeptanzoffensive vonnöten: so eine Art klinischer Test für Bibliomanie, der dann zu einem Attest führt. Trägern dieses Nachweises ist eine tägliche Lesezeit von mind. zwei Stunden zu garantieren. Sonst werden sie unleidlich. :saint::saint:

    Da ist natürlich was Wahres dran, ich bin eher ein Augen- als ein Ohrenmensch, aber das Hauptproblem ist wohl, dass mir das Tempo nie recht ist. Entweder ist es zu langsam oder zu schnell. Und zurückblättern kann man auch nicht ...

    Gelegentlich habe ich ein Hörbuch auch mal abgebrochen, wenn die Stimme der Vorlesenden oder ihre Art zu sprechen mir nicht gefallen hat. Das Tempo ist dabei auch wichtig. Und die Ungeduld kenne ich auch.

    Zurückblättern geht durch Zurückspringen in den einzelnen Tracks. Das war bei mir auch gelegentlich nötig, wenn ich plötzlich durch eine fordernde Verkehrssituation gefordert war und nicht richtig zugehört habe. Dann war ich plötzlich raus und musste zurückspringen.


    Übrigens habe ich einen Freund, der nach einem Schlaganfall zunächst nicht mehr lesen konnte. Er ist einer der belesensten Menschen, die ich kenne. Für ihn waren Hörbücher ein wahrer Segen, denn so konnte er wenigstens geistig aktiv bleiben, bis sich sein Sehvermögen wieder soweit regeneriert hatte, dass er selbst lesen konnte.


    Und bei manchen Hörbüchern ist es in der Tat so, dass sie dem Akt des eigenen Lesens noch etwas hinzufügen. Entweder durch eine wirklich gelungene Interpretation des Vorlesenden (etwa bei Gert Westphal, dessen Einspielungen von Texten Thomas Manns oder Theodor Fontanes wirklich herrlich sind) oder durch Dramatisierungen. Statt etwa ein Theaterstück zu lesen höre ich mir wirklich fast lieber eine Hörspielbearbeitung an...

    Ich bin sehr angetan von Susanne Kerckhoffs kleinem Briefroman 'Berliner Briefe' (Verlag das Kulturelle Gedächtnis).


    In 13 Briefen an ihren Freund Hans, einen jüdischen Emigranten, setzt die Briefschreiberin Helene sich mit der Zeit des Nationalsozialismus und des jungen Sozialismus in der DDR auseinander. Ihre Beschreibungen und Analysen sind so schonungslos wie differenziert. Sie vermeidet simples Schwarz/Weiß-Denken und nimmt sich die Freiheit, selbst zu denken und vorsichtig zu urteilen. Das ist so ungeheuer angenehm zu lesen in einer Zeit, die nur noch von Erregungszustand zu Erregungszustand taumelt und dabei häufig Differenzierungen und Abwägungen vergisst.


    Ein kluges und empfehlenswertes Buch!

    Da hat man nun all die Jahrzehnte über einem großen Laster gefrönt - und sich Bücher angeschafft. Ein Auto habe ich nie gefahren, (...) Hätte gar nicht die Geduld, mir ein Hörbuch anzuhören.

    Da sehe ich eine Korrelation. Die Geduld für Hörbücher bringe ich auch nur im Auto (bei längeren Fahrten) auf. Seit ich nicht mehr wöchentlich nach Westdeutschland pendeln muss, ist mein Bedarf an Hörbüchern auch massiv zurückgegangen. Für lange Autofahrten hingegen sind sie wundervoll.

    Oh, das ist eine traurige Nachricht. Ich habe mit der von ihm herausgegebene Nabokov-Ausgabe von Rowohlt eines seiner Lebenswerke im Regal (und auch häufiger in der Hand!). RIP!

    In der Süddeutschen Zeitung gab es gestern ein langes Interview mit Helga Schubert. Äußerst lesenwert, online allerdings derzeit noch nicht frei verfügbar. Danach ist mir die Autorin noch sympathischer als direkt nach dem Wettbewerb in Klagenfurt. Ich hoffe sehr, dass einige ihrer älteren Bücher jetzt noch einmal aufgelegt werden - und auch das neue Buch, von dem sie in Klagenfurt sprach, dann bald erscheint.

    Ich habe die Klagenfurter Tage nur ausschnittsweise verfolgt, aber gestern die Preisverleihung angeschaut. Helga Schubert war mir äußerst sympathisch, der Name war irgendwo in meinem Hinterkopf noch vorhanden, allerdings gibt es wohl derzeit keine lieferbaren Titel von ihr. In der Jury ist mir Philipp Tingler negativ aufgefallen - aber ich kann ihn schon im Literaturclub schwer ertragen. In der Süddeutschen heute ein sehr negativer Kommentar über ihn: "schreibt Unterhaltungsromane, hat sich mit der Position in der Klagenfurter Jury überhoben...". Das Ärgerliche bei ihm ist nicht nur, dass er weniger als andere Jurorinnen und Juroren begründet, sondern vor allem auch einfach laut und penetrant den anderen dazwischenquatscht. Bei einem Format wie dem digitalen heuer in Klagenfurt geht das einfach nicht. An Helga Schubert schmiss er sich mit einem unsäglich peinlichen: "Frau Schubert, ich liebe Sie!" ran.

    Kennt Ihr sicher auch: Die ganze Bude voller Bücher, aber man hat nichts zum Lesen... Ging mir vor drei Tagen wieder so. Fünf Bücher in die Hand genommen, aber nichts davon war richtig. Mein häufiger erprobtes Hausmittel ist dann: Nabokov. Hilft eigentlich immer. Zunächst einiges aus den Vorlesungen über westeuropäische Literatur, herrlich unkonventionell. Jetzt den frühen Roman "König, Dame, Bube", der im Berlin der 20er Jahre spielt. Wunderbar.

    Bei Daniel Kehlmann kam bei mir der Eindruck auf, daß es sich bei ihm um einen hochgehypten Autor handelte. Ein Bekannter beklagte sich, daß sein Roman „Die Vermessung der Welt“ sich lediglich dazu eigne, Schülern die indirekte Rede zu demonstrieren, das Buch ansonsten aber nichts tauge.

    Nun frage ich mich, ob „Tyll“ in dieselbe Kategorie fällt, oder es sich wirklich um einen Roman handelt, der in einer anderen (nämlich höheren) Liga spielt?

    Daniel Kehlmann ist zweifellos ein hochgehypter Autor, beliebt bei Kritik und Publikum und vor allem auch einer der wenigen deutschen Gegenwartsautoren, die im Ausland erfolgreich sind (was wiederum ein Beleg für seine Zugänglichkeit ist...)


    Das alles spricht nicht unbedingt für ihn, aber auch nicht völlig gegen ihn. Die Vermessung der Welt erfüllte einige Kriterien, die das Buch sehr erfolgreich machten: es war ein griffiges Thema, mit Gauß und Humboldt gab es zwei einigermaßen bekannte Protagonisten, das Buch war leicht zu lesen und bot durch die Exotik der Humboldt-Passagen auch genug Gelegenheit einfach faktisch zu erzählen ohne zuviel komplex zu reflektieren. Ich würde sagen: Der Roman war gut gemachte Unterhaltung mit überschaubaren Ansprüchen. Nichts, was man kennen muss, aber auch keine reine Zeitverschwendung.


    Danach ging es jedoch mit dem Autor eher bergab, und aus meiner Sicht war der Roman 'F' wirklich eine ziemliche Beleidigung der Leser. Deshalb wollte ich "Tyll" nicht lesen - zumal Kehlmann mit der Epoche des Dreißigjährigen Krieges eine gewählt hatte, mit der ich mich im Studium viel beschäftigt habe. Ich habe also tapfer widerstanden und erst nach hartnäckigen Empfehlungen vertrauenswürdiger Menschen und Erscheinen des Taschenbuches die Lektüre gewagt, immer mit der Befürchtung, das Buch nach 50 Seiten wegzulegen. Und ich wurde positiv überrascht. Der Roman ist deutlich besser als seine Vorgänger, sprachlich farbiger, gut erzählt und auch von der Erzälstruktur her nicht so eindimensional.