Bei Daniel Kehlmann kam bei mir der Eindruck auf, daß es sich bei ihm um einen hochgehypten Autor handelte. Ein Bekannter beklagte sich, daß sein Roman „Die Vermessung der Welt“ sich lediglich dazu eigne, Schülern die indirekte Rede zu demonstrieren, das Buch ansonsten aber nichts tauge.
Nun frage ich mich, ob „Tyll“ in dieselbe Kategorie fällt, oder es sich wirklich um einen Roman handelt, der in einer anderen (nämlich höheren) Liga spielt?
Daniel Kehlmann ist zweifellos ein hochgehypter Autor, beliebt bei Kritik und Publikum und vor allem auch einer der wenigen deutschen Gegenwartsautoren, die im Ausland erfolgreich sind (was wiederum ein Beleg für seine Zugänglichkeit ist...)
Das alles spricht nicht unbedingt für ihn, aber auch nicht völlig gegen ihn. Die Vermessung der Welt erfüllte einige Kriterien, die das Buch sehr erfolgreich machten: es war ein griffiges Thema, mit Gauß und Humboldt gab es zwei einigermaßen bekannte Protagonisten, das Buch war leicht zu lesen und bot durch die Exotik der Humboldt-Passagen auch genug Gelegenheit einfach faktisch zu erzählen ohne zuviel komplex zu reflektieren. Ich würde sagen: Der Roman war gut gemachte Unterhaltung mit überschaubaren Ansprüchen. Nichts, was man kennen muss, aber auch keine reine Zeitverschwendung.
Danach ging es jedoch mit dem Autor eher bergab, und aus meiner Sicht war der Roman 'F' wirklich eine ziemliche Beleidigung der Leser. Deshalb wollte ich "Tyll" nicht lesen - zumal Kehlmann mit der Epoche des Dreißigjährigen Krieges eine gewählt hatte, mit der ich mich im Studium viel beschäftigt habe. Ich habe also tapfer widerstanden und erst nach hartnäckigen Empfehlungen vertrauenswürdiger Menschen und Erscheinen des Taschenbuches die Lektüre gewagt, immer mit der Befürchtung, das Buch nach 50 Seiten wegzulegen. Und ich wurde positiv überrascht. Der Roman ist deutlich besser als seine Vorgänger, sprachlich farbiger, gut erzählt und auch von der Erzälstruktur her nicht so eindimensional.