Marthas Kinder sind nun auch gelesen.
Das Buch ist noch reifer und aktueller als "Die Waffen nieder". Ich möchte gar nicht so viel vom Inhalt erzählen.
Es ist die Fortsetzung vom 1. Band, aber auch der Vorgänger vom Radetzkymarsch von Joseph Roth. Die Morbidität des Systems kündigt sich an, der große Krieg liegt schon schwer in der Luft.
Rudolf verschreibt sich der Friedensbewegung, verzichtet auf sein Gut und die daraus ererbten Vorteile.
Er ist natürlich blauäugig und sehr theoriebehaftet. Wachgerüttelt wird er, als er einer Feier der "Deutsch-nationalen Partei" beiwohnt. Offener gewaltbereitet Antisemitismus gepaart mit sehr niedrigem Bildungsniveau erschüttern ihn zutiefst. Leider sind diese Mittel auch heute noch aktuell und werden von den Rechtsparteien schamlos angewandt. Die Christlich-Sozialen (Vorgänger der ÖVP) und Klerus und Adel stützen die Antisemiten sogar, weil sie Verbündete brauchen, um sich gegen die Sozis und Liberalen zu erwehren. Ein Pakt mit dem Teufel quasi, das fällt natürlich immer auf einen zurück.
Die "edle" Gesellschaft ist völlig abgehoben und versnobt. Beim Lesen war ich immer wieder froh, dass bei uns der Adel abgeschafft wurde, auch wenn es sicherlich immer noch gewisse Seilschaften gibt.
Einer seiner wichtigsten Punkte bei seinen Vorträgen ist das sinnlose Wettrüsten der damaligen Mächte. Wenn viel in die Rüstung investiert wird, und wenn viele Waffen da sind, werden sie auch irgendwann verwendet.
Dass die Bücher Bertha von Suttners ganz oben auf der Liste der Bücherverbrennungen der Nazis waren verwundert nicht.
Sylvia, Marthas Tochter ist unglücklich verheiratet, wird öffentlich betrogen und verliebt sich in einen Jugendfreund.
Als sie beginnt mit der Mutter über Scheidung zu sprechen, wird Martha bewusst, dass sie sich zwar immer sehr um die Friedensbewegung bemüht hatte, aber niemals an Frauenrechte dachte. Sie hat vieles hingenommen wie es war. Sylvia rüttelt sie da auf. Es sind einige Aspekte der Gleichberechtigungsdebatte vorhanden, wird aber nicht weiter ausführlich thematisiert. Sowohl Sylvia als auch Martha sind eigentlich keine Aktivistinnen, sondern nervlich nicht stark belastbar. Martha ist aber immer offen für neue Ideen, sie ist sich ihrer Eingeschränktheit bewusst und versucht diese aufzuweichen.
Für mich enthalten beide Bände tiefgründige Wahrheiten, die zeitlos sind.