Beiträge von lebenszeichen

    ich denke eher, man muss sich das leben wie ein tauziehen vorstellen. unsere zwei extreme kämpfen um die vorherrschaft, die art unserer gedanken und handlungen ist der mittelpunkt des seils. achtung: hiermit will ich nicht sagen, dass der mensch von zwei kräften gesteurt wird, die außenstehend sind, ich will ausdrücken, dass der mensch der wettkampf ist, er ist sowohl das seil als auch die beiden kräfte... dann ist das leben dreifacher unbesiegbarer schmerz, einerseits hat man die beiden kräfte, die um nichts in der welt aufgeben wollen (man müsste sich töten, um sie zur ruhe zu bringen) und sich selbstverzehrend um die übermacht bemühen, auch wenn man in gedanken zu einer einigung gelangt, und andererseits den schmerz des bis zum zerreißen gespannten seils... wenn man sich nun sagt: dies ist meine position, und sich damit abfindet respektive abzufinden glaubt, zerren die beiden seiten immer noch am unterbewusstsein, verausgaben sich noch immer...

    "sind sie eine persönlichkeit?" von tucholsky ist hier zu finden.


    tucholsky hat schon recht mit der behauptung, die hier schon formuliert wurde, das ist letztendlich genau dasselbe wie meine behauptung, oder vielleicht besser: die von einer reihe von menschen, zu denen ich gehöre, gestellte behauptung, wir könnten die sinnlosigkeit unseres lebens niemals vollständig einsehen.


    Manjula: das will ich nicht behauptet haben, ich habe formuliert, dass man als denkender mensch nicht glücklich sein kann, wenn die gedanken in eine bestimmte richtung gehen. selbstverständlich kann man sich auch eine vollkommen positive ansicht der welt zulegen, das funktioniert aber auch nur für kurze zeit. irgendwann wird es einstürzen, sich durch die eigene unmöchlichkeit oder vielmehr das nichtwissen um dessen möglich- oder unmöglichkeit selbst in schutt und asche legen.

    das stimmt, stellenweise wirkt der schreibstil wie eine karikatur des schriftstellertums des protagonisten. wenn man das ganze so betrachtet, ist es recht amüsant... ich konnte es aber auch so nicht mehr aus der hand legen, detailfülle fasziniert mich so gut wie immer.

    das buch habe ich bisher noch nicht gelesen, allerdings finde ich den ausdruck "plakativ" für christa wolf insgesamt nicht zutreffend. ihr stil ist eher leise, denkende personen, deren gedankengänge einfühlsam, verständlich und - wie soll ich sagen - einfach schön nachgezeichnet werden. ein musterbeispiel dafür ist "störfall", aber auch "kassandra" trägt diese züge, wenngleich es ein buch mit rückblick auf eine ganze reihe handlungsstränge ist, die aber trotzdem fast nebensächlich erscheinen.

    das denken an sich kann dem glück oder vielmehr der annäherung daran nicht zuträglich sein, wenn man beginnt, sich selbst und die welt in größerem kontext zu sehen. man kann sich nicht unmittelbar mit der sinnlosigkeit, winzigkeit, unwichtigkeit seiner existenz oder der unmöglichkeit von wissen anfreunden, man kann sie nicht aufnehmen, ohne sich damit selbst zu zerstören. man trägt ein etwas in sich, was sich entschieden weigert, diese tatsache aufzunehmen. man kann es vielleicht mental realisieren und damit leben, aber wenn man dies vollständig, also auch emotional versucht, ist man so gut wie verloren. denn dann beginnt man, sich selbst zu vergessen, sich selbst gleichgültig zu sein. und so ist man nicht überlebensfähig.

    Zitat

    Ich mag gerne Bücher, mit wenig tatsächlicher Handlung und vielen Gedanken. Besonders wichtig ist mir eine ausgefeilte Sprache; anspruchsvoll ohne langweilig zu sein.


    vielleicht interessiert dich christa wolf?

    so, heute hab ich wieder zugeschlagen: in der schulbibliothek mit "die anrufung des großen bären" von ingeborg bachmann, "geschichten aus dem wiener wald" von ödön von horváth und "kein ort. nirgends" von christa wolf, und im buchladen mit "die unerträgliche leichtigkeit des seins" von milan kundera.

    auch von mir ein herzliches willkommen! :winken:
    in welche richtungen gehen nun deine vorlieben für den inhalt der bücher?


    mit freundlichen grüßen,


    lebenszeichen

    stimmt, da fällt mir wieder etwas ein, mein vater hatte mir vom dachboden ein altes verstaubtes buch mit märchen aus der australisch-polynesischen gegend gegeben. zum größten teil waren das auch wirklich schöne geschichten, aber es gab auch einige, die mir sehr nahe gegangen sind, zum beispiel die von maui-tiki-tiki-a-taranga, die vielleicht etwas bekannter sein dürfte als die anderen, ich bin ihr jedenfalls schon mehrfach begegnet. es ist eigentlich nicht schlimm, maui, der große held, wird am ende letztendlich "bloß" von dem ungeheuer hine verspeist, aber trotzdem... angst hatte ich keine, es war bloß diese traurigkeit. ich habe auch recht früh angefangen, sagen zu lesen, beowulf zum beispiel, das war genau diese empfindung... und richtiggehend geliebt habe ich die gudrunsage und das nibelungenlied. und auch die griechische mythologie, obwohl da auch manches nicht ganz ohne war.

    gut, gut, offensichtlich ist es da durch mein gleichaltriges umfeld, in dem das meiste bekannt ist, zu einer maßstabsverschiebung gekommen... dann distanziere ich mich hiermit von meiner meinung und behaupte das gegenteil.


    sofies welt hat mich nicht dazu gebracht, mich für philosophie zu interessieren, dieses interesse war vielmehr schon vorher vorhanden. es bot mir, wie gesagt, einen überblick über die verschiedenen möglichkeiten, zu denken. es war zweifelsohne fördernd, aber nicht ausschlaggebend.

    Zitat

    Ich bin keineswegs ein Verfechter der Realisation von BNW, noch der Ansicht, man solle die Masse dumm halten, wirklich nicht. Ich will niemandem verbieten zu denken!


    das möchte ich auch in keinster weise behauptet haben! dieser nachsatz mit der verachtung bezog sich genau auf diese utopie... dass das denken nicht das heil der menschheit sein kann, weiß ich aus langjähriger erfahrung, trotz meines relativ "zarten" alters. man kommt sehr leicht zu schlüssen, die einem alles andere als gut tun. generell würde ich die existenz menschlichen heils/glücks entschieden dementieren, es gibt immer nur gewisse annäherungen.


    Ludolf: in den meisten punkten stimme ich dir zu, zum ausdruck derselben dinge habe ich allerdings zwei threadseiten gebraucht. :zwinker:

    ach ja, kassandra... die habe ich auch vor ewigen zeiten gelesen, und "störfall" erst vor kurzem. mich beeindruckt dieser leise schreibstil, der dennoch gehört werden kann, und, speziell bei "störfall", diese art, wie sie selbst einen ganz normalen alltag durch ihre inneren monologe und gedanken zu äußerst fesselnder lektüre macht.