Ich hab mich doch so gefuerchtet

  • die struwwelpetergeschichten haben mich eher fasziniert als gegruselt, die mit dem fliegenden robert am meisten, wobei ich das daumenabschneiden aber auch am makabersten fand. bei max und moritz hingegen habe ich mich regelrecht gefreut, das hatte ein etwas akkurateres verhältnis. den sonstigen buch mochte ich nur teilweise, in manchen geschichten ging es mir dann doch zu brutal zu. die fromme helene war schön, plisch und plum auch. grimms märchen waren am erträglichsten, es hat ja schließlich immer die "bösen" erwischt. ich habe allerdings recht früh begonnen, andersen zu lesen, und das hat mich dann doch ziemlich mitgenommen, so traurig teilweise...


    richtig angst hatte ich bei der "regentrude" von storm. die habe ich nicht gelesen, sondern besaß eine schallplatte (ja, tatsächlich) mit einer hörspielproduktion. diese geräusche... und die stimmenbesetzung... einfach grausam zum einschlafen.


    es gibt tatsächlich brutalere versionen der grimmmärchen: "...da zog das rotkäppchen seine kalaschnikov aus dem korb und erschoss den wolf..." :zwinker:

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • Zitat von "lebenszeichen"

    ich habe allerdings recht früh begonnen, andersen zu lesen, und das hat mich dann doch ziemlich mitgenommen, so traurig teilweise...


    :


    Allerdings, ich hab jedesmal geweint. :breitgrins: Der Struwwelpeter dagegen hat mich persönlich weitestgehend kaltgelassen. Ich glaube Kinder sind im allgemeinen nicht die kleinen, doofen, süßen Weichkekse, für die die meisten Älteren sie halten. Pure Erwachsenenarroganz. :zwinker:

  • Diejenigen, die sich vor Struwwelpeter und Co gefürchtet haben: Wie alt wart ihr denn damals?


    Mir sind die Geschichten so mit fünf, sechs Jahren begegnet, da haben sie mich nicht mehr erschreckt. Ich war schon abgehärtet durch mehrere Jahre mit Grimms Märchen. Aber acuh dort hat mich die Brutalität nie gestört. Wenn Rumpelstilzchen sich selbst mitten entzwei reißt, die bösen Schwestern sich die Ferse oder den Zeh abhacken, der böse Wolf die sieben Geißlein oder Rotkäppchen und seine Großmutter frisst - das waren ja alles keine Gefahren die mir drohten ud ich bin auch nicht rumgelaufen und habe mir vorgestellt, wi weh dieses oder jenes tun muss.


    Richtig gruselig fand ich dagegen die "Märchen aus aller Welt", v.a. aus Indien und Japan, die mir etwas später in die Hände gefallen sind. Oder das Mädchen vom bösen *ohwieheißterdochgleich* von Astrid Lindgren - überhaupt alles, wo böse, hinterhältige, unberechenbare Geister drin vorkamen.


    LG
    Nightfever

  • stimmt, da fällt mir wieder etwas ein, mein vater hatte mir vom dachboden ein altes verstaubtes buch mit märchen aus der australisch-polynesischen gegend gegeben. zum größten teil waren das auch wirklich schöne geschichten, aber es gab auch einige, die mir sehr nahe gegangen sind, zum beispiel die von maui-tiki-tiki-a-taranga, die vielleicht etwas bekannter sein dürfte als die anderen, ich bin ihr jedenfalls schon mehrfach begegnet. es ist eigentlich nicht schlimm, maui, der große held, wird am ende letztendlich "bloß" von dem ungeheuer hine verspeist, aber trotzdem... angst hatte ich keine, es war bloß diese traurigkeit. ich habe auch recht früh angefangen, sagen zu lesen, beowulf zum beispiel, das war genau diese empfindung... und richtiggehend geliebt habe ich die gudrunsage und das nibelungenlied. und auch die griechische mythologie, obwohl da auch manches nicht ganz ohne war.

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • Hallo !


    Ich finde es wirklich interessant, dass bei vielen die Geschichte vom fliegenden Robert die Lieblingsgeschichte war. Ich habe diese auch geliebt, auch die vom Hans-Guck-in-die-Luft, weil ich die Fische so fies fand, wohl auch, weil diese passive Schadenfreude immer allgengewärtig bei Kindern war. Alle Struwwelpetergeschichten haben mich irgendwie fasziniert, vielleicht, weil sonst nichts gruseligeres in Reichweite war damals.


    Auch meine kids haben diese Geschichten kalt gelassen - meine besorgten Erklärungen, dass das ja alles nur erfunden sei, haben sie mit einem "Ist ja klar !" weggewischt. Ich glaube, sie können ganz gut unerscheiden, was eben die Realität ist und was nicht. Es ist eben gerade nicht die heile Welt da draußen und davor kann man sie auch nicht schützen.


    Und den Struwwelpeter-Geschichten ist eine gewisse pädagogische Aussage ja nicht abzusprechen. Auch Grimms Märchen fand ich nicht sonderlich beeindruckend, jedoch sehr wohl manche (Kunst-)Märchen von Hauff, zum Beispiel das, wo "aus Versehen" der schönen Bianca der Kopf abgetrennt wird :entsetzt:


    Bei Andersen habe ich gemerkt, dass die Melancholie erst mit zunehmendem Alter kommt. Während ich also beim Mädchen mit den Schwefelhölzchen am Ende regelmäßig eine Träne verdrückte, schauten die Kinder ganz fröhlich und etwas unverständlich auf die Mutter: "Was soll da so schlimm dran sein, sie ist doch bei ihrer Oma !" Tja ...


    Dass die Märchen öfters verhunzt werden oder gar gleich die amerikanische Aschenputtel-Version erzählt wird, finde ich absolut unmöglich. Es war schwierig, ein ansprechendes Märchenbuch mit schönen Bildern und dem möglichst originalgetreuen Text zu finden für meine Kinder. Sämtliche Buchhandlungen habe ich abgeklappert und die Buchhändler hatten absolut kein Verständnis für mich. Man sollte auch nicht vergessen, dass die überlieferten Märchen auch eine Entwicklungsgeschichte darstellen, sozusagen vom Kind zum Erwachsenen. Diese Initiation findet in unserer Kultur so gut wie gar nicht mehr statt, man sollte also den Kindern dieses Chance durch vermeintlich gereinigte Märchen nicht nehmen.


    Gruß von Steffi

  • Etwas OT:

    Zitat von "Steffi"


    Dass die Märchen öfters verhunzt werden oder gar gleich die amerikanische Aschenputtel-Version erzählt wird, finde ich absolut unmöglich.


    In der neunten Klasse war ich als Gastschülerin in England / Wales und habe dort bei einem Woodworker/Storyteller gewohnt. Der hat mir erzählt, es gebe ein Buch (von einer Frau herausgegeben, Name weiß ich leider nicht) mit 356 Versionen der Aschenputtel-Geschichte aus aller Welt. Fast jedes Volk habe seine eigene Variante.


    Das hat mich schwer beeindruckt.

  • nun ja, in anbetracht der tatsache, dass es sich bei "aschenputtel" um ein volksmärchen handelt, ist das nicht verwunderlich... aber ein wenig die unterschiede zu erforschen ist sicher faszinierend.

    spring ihr doch nach! aber du hast angst, das glas zwischen dir und den anderen könnte zerbrechen. du hältst die welt für eine schaufensterauslage.

  • Zitat

    Und Die Märchen der Gebrüder Grimm werden wahrscheinlich auch nur noch in einer gereinigten Version herausgegeben?


    Die Märchen der Gebrüder Grimm sind ein literarischer Klassiker, der als Literatur keinen äußeren Zweck verfolgt. Der "Struwwelpeter" dagegen ist ein Buch, daß zu rein "pädagogischen" Zwecken verfaßt wurde. Wenn wir dieses Werk heute billigen, können wir auch bald wieder den Christian Gotthilf Salzmann rauskramen, der in seinen Büchern empfahl, Jungen die Genitalien mit Brennesseln auszupeitschen, wenn sie onaniert haben. Und jetzt sage keiner, die hätten das auch überstanden ...

  • Hier möchte ich doch noch erwähnen, dass die Märchen der Gebrüder Grimm im Excess ein ebensogrosses Schadenspotential haben, wie alle Struwelpeter-Geschichten - egal, was die Absicht war! - Ich denke, die Psyche eines Kindes kann von den Grimm-Märchen sogar eher leichter beeinflusst werden, als vom Struwelpeter, da alles viel unterschwelliger und unbewusster abläuft!



    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann

  • Hallo alpha,

    Zitat

    Hier möchte ich doch noch erwähnen, dass die Märchen der Gebrüder Grimm im Excess ein ebensogrosses Schadenspotential haben, wie alle Struwelpeter-Geschichten - egal, was die Absicht war


    es steht aber allen Eltern frei, diese Märchen von ihren Kindern fern zu halten, wenn sie sie für schädlich halten, genau wie die shakespeareschen Königsdramen oder andere blutrünstige Werke - der literarische Wert wird dadurch nicht geschmälert. Der Struwelpeter hat jedoch keinen literarischen Wert, und wenn man seine pädogogische Funktion leugnet, leugnet man damit seine ganze Existenzberechtigung.


    Gruß,
    R.

  • Zitat von "Roquairol"

    Der Struwelpeter hat jedoch keinen literarischen Wert, und wenn man seine pädogogische Funktion leugnet, leugnet man damit seine ganze Existenzberechtigung.


    Womit der Menschheit kein grosser Schaden zugefügt wäre :breitgrins:
    Als Zeitdokument für die damaligen Vorstellungen der Pädagogik dürfte er dennoch kostbar sein


    Grüsse
    alpha

    Genug. Will sagen: zuviel und zu wenig. Entschuldigen Sie das Zuviel und nehmen Sie vorlieb mit dem zu wenig! <br /><br />Thomas Mann