Hallo Maria,
sorry, für mein unvollständiges Statement von gestern abend. Aber nach drei Tagen ohne Internet musste ich spontan antworten. Hier der Rest:
Zitat: Mir hat es gefallen, daß hier mal von Joyce eine weibliche Szene dargestellt wurde.
Was meinst du? (zu „Eveline“)
Du hast an anderer Stelle geschrieben (und absolut richtig erkannt): „Mir scheint Joyce verfolgt gerne einer Schematik in seinen Werken.“ – Genau das trifft hier auch zu: So wie Jimmy in „Nach dem Rennen“ für den männlichen, unverheirateten Jugenlichen steht, repräsentiert Eveline die weibliche, unverheiratete Jugenliche und dem männlichen, unverheirateten Erwachsenen Mr. James Duffy in „Ein betrüblicher Fall“ steht Maria als weibliche, unverheiratete Erwachsene in „Erde“ gegenüber.
Zitat: Auf der anderen Seite haben die Irländer einen Anhang zu Dramatik und Trauer, das merkt man schon in ihren Volkslieder - kaum ein Happy-End
Leider bin ich kein großer Kenner der irischen Folklore – aber bei meinen bisherigen Besuchen von irischen Pubs hatte ich (wenn Live-Musik) einen anderen Eindruck. Aber ich will noch meine Plattensammlung befragen.
Zitat: Hunter? ein Jäger ist er in meinen Augen nicht. Bloom wirkt weicher und nachgebiger, vielleicht auch nicht so recht lebensfähig für die harte Welt. Aber vielleicht wären die Geschichten in Ulysses anders geworden, wenn Joyce bei Namen „Hunter“ geblieben wäre? Vielleicht ....
Namen sagen doch auch viel aus.
Du hast wieder ins Schwarze getroffen. – ich denke, da der Jude sich letzendlich anders entwickelte, als ursprünglich geplant, hat ihn Joyce richtigerweise auch umgetauft.
Zitat: Auch die Worte „Paralyse“, „Gnomon“ und „Simonie“ waren in der Ur-Erzählung noch nicht enthalten.
"Gnomon". Das war ein Stab zur Zeitmessung (Schattenmessung). Ereignisse werfen seine Schatten voraus für künftiges? oder die Zeit läuft ab?
Ich denke der Schattenstab (Gnomon) steht für einen „Schatten“ aus der Vergangenheit, der über der Gegenwart liegt, oder ein „Schatten“ aus der Gegenwart, liegt über der Zukunft.
Paralyse löst auch auch so ein negative Gefühl aus: vollständige Lähmung.
Irgendwo bei Joyce (ich glaube im Fragment „Stephen Hero“) habe ich mal den Begriff der „geistigen Paralyse“ gefunden.
Simonie? Handel mit geistlichen Sachen bzw. Kirchenämter, Sakramenten usw. Wie paßt das rein?
Ich denke, Joyce verwendet „Simonie“ für den Versuch eigentlich nicht käufliches (Anerkennung, Freundschaft, Liebe, Seelenheil), mit Geld zu erwerben.
Meine Theorie ist nun folgende:
Das 1905 entstandene Konzept sah 12 Erzählungen in 4 Gruppen mit je 3 Geschichten vor. Joyce hat nun in jeder Gruppe (Kindheit, Jugend ...) eine Erzählung genommen bei der „ein Schatten aus der Vergangenheit ....“, eine Erzählung bei der „geistige Paralyse“ und eine Erzählung bei der „Simonie“ der Grund für die Hoffnungslosigkeit ist.
Eine gewagte Theorie? – Aber wie Du geschrieben hast: „Mir scheint Joyce verfolgt gerne einer Schematik in seinen Werken.“!!!
Ich konnte eigentlich jeder Erzählung eines dieser „Schlüsselworte“ zuordnen, bin mir aber nicht sicher, ob ich da zuviel reininterpretiere. Deshalb will ich mein Ergebnis noch nicht verraten, sondern bin gespannt, ob Du zum gleichen Ergebnis kommst. Damit aber klar wird, was ich meine, drei Beispiele:
In der Kindheitserzählung „Die Schwestern“ liegt der zerbrochene Kelch als "Schatten aus der Vergangenheit" über Pater Flynn und wird vermutlich auch den Jungen verfolgen.
In der Jugend-Erzählung „Eveline“ hat das Mädchen die Möglichkeit mit Frank ihre Sehnsucht zu erfüllen, aber die Heimat und das Elternhaus bedrückt sie und "lähmt" ihre Lebenskräfte.
In „Gnade“ versucht Pater Purdon nicht die „Sünder“ zu bessern, sondern erklärt, dass auch "durch Geld, Seelenheil erworben" werden kann. Übrigens ist der Name des Paters sprechend (Purdon Street = Dubliner Bordellstraße) und zeigt die „Prostitution“ des Paters auf.
Zitat: Der letzte Satz in "Die Toten" bringt mich darauf:
Langsam schwand seine Seele, während er den Schnee still durch das All fallen hörte, und still fiel er, der Herabkunft ihrer letzten Stunde gleich, auf alle Lebenden und Toten.
Für mich ist dieser letzte Satz aus „Dubliner“ ein Satz, zum nieder knien.
Was Du über diese letzte Erzählung geschrieben hast, hat mir sehr gut gefallen. Von meiner Theorie zu dieser Erzählung - ein ander mal.
Da auch Steffi (Zitat: „Da muss ich ja wohl die Dubliner auch lesen!“) und Ikarus (Zitat: Auf meinem SUB liegen die Dubliner jedenfalls auch schon“) Interesse an „Dubliner“ bekundet haben, habe ich das Buch in die Lesevorschläge aufgenommen. Ich rechne dabei auch noch mal mit Dir. Oder denkst Du, dass man Dubliner nicht zweimal lesen kann?
Allerdings hatte ich auch bei „Effi Briest“ mit Dir gerechnet!
Zitat: ich lese Fontane auch sehr gern. "Jenny Treibel" und "Jenseit des Tweed" sind meine Lieblingsbücher von ihm. Es gibt auch noch einige die ich lesen möchte .... ????
Viele Grüße
Hubert