Beiträge von mombour

    Hallo,


    Eigentlich wollte ich kein Buch mehr von Margriet de Moor lesen. Ihr Roman "Die Verabredung" war fürchterlich, unlesbar, ein Lesemassaker. „Der Virtuose“ ist vom Thema an sich schon interessant. Der Roman spielt in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. Carlotta, eine Frau aus einem Dorf in der Nähe Neapels, verliebt sich in den Kastratensänger Gasparo Conti.


    Im Roman heißt es, dass kastrierte Jungen, wenn die Wunde geheilt ist, ihr normales Körpergefühl, und alle Lebenslust wieder erhalten. So sicher bin ich mir da aber nicht, wenn ich die Passagen lese, wo sie beieinander liegen, da glänzen zwar noch seine Augen, aber sein wirkliches sexuelles Interesse scheint entschwunden zu sein. de Moors krampfhafter Versuch, den sexuellen Akt mit Vokalen, Konsonanten und Gesangstechnik zu verbinden, ist recht lustlos. Und dann die fürchterlichen Sexratgebervorschläge auf unterem Coelho-Niveau, die Carlotta sich in Gedanken selber gibt, sind schon eine Beleidigung für den Leser:


    "Mach nicht so viel Trara, sei nett, aber bring nicht zuviel Technik ins Spiel...“ (ok., das langt).


    Am Rande erfahren wir doch, dass Kastraten einen Teil ihrer Männlichkeit eingebüßt haben: keine Körperbehaarung, „matte Befriedigung“ usw. Gasparo erscheint bleich und teilnahmslos, das mag auch daran liegen, das Margriet de Moor ihre Figuren nicht wirklich zum Leben bringen kann. Carlotta erscheint ja auch nur oberflächlich und fordernd. Sex scheint sich bei ihr hauptsächlich im Kopf abzuspielen, sie will dies, sie will das, aber mit so einer entlüsternden Kastratenerscheinung ist es ein Handicap. Ich vermute, de Moor wollte nicht so eine Wirkung erzielen, hat sie aber.


    Zugutehalten muss man der Autorin, wie sie die Geschichte in einen historischen Rahmen eingebettet hat, auch scheint sie sich mit der Barockmusik und der italienischen Oper auseinandergesetzt zu haben. Doch auch in ihren Musikbeschreibungen erblüht Margriet de Moor nicht als große Erzählerin, sondern diese Passagen wirken nur musiktechnisch überfrachtet und unelegant.


    Liebe Grüße
    mombour

    Hallo,


    "Donau" ist ein sehr lehrreiches und erhellendes Buch, hätte mir aber gewünscht, dass Magris nicht so eine überbordende Bildungssprache gewählt hätte, wo man gelegentlich überlegen muss, was er eigentlich meint. Ganz ohne Vorbildung der Kulturen an der Donau könnte die Lektüre teilweise erschweren. Trotzdem, es sind eine brillante essayistische Glanzstücke enthalten, außerdem, was mich sehr erfreut, sind die vielen Literaturempfehlungen auf die man bei der Lektüre stößt. Es gibt also auch eine Lektüre danach.


    Liebe Grüße
    mombour

    Das ganze basiert auf einem netten und verblüffenden Grundeinfall, der auch anfangs lesbar umgesetzt wird, für den der Autor dann aber keine befriedigende Lösung findet.


    Der Plot ist Ambrose Bierce' Erzählung " Die Brücke über den Eulenfluß" entnommen.


    man sollte meinen, dass man humbert humbert für abstoßend, ekelhaft eben pädophil hält aber irgendwie wird alles so "normal" geschildert, dass ich mir einfach keine schlechte meinung von ihm bilden kann :zwinker:


    Ich halte Humbert Humbert schon für pädophil (was für eine Erkenntnis :breitgrins:). In der zweiten Romanhälfte wird es noch deutlicher, wie fies der ist. In der ersten Hälfte habe ich mich durch Nabokovs herrlicher Prosa dermaßen verführen lassen, sodass ich Humbert noch sympathisch fand. :spinnen:


    Liebe Grüße
    mombour

    Hallo Sir Thomas,


    Mir hat "Zuflucht" besonders deswegen gefallen, weil Huysmans viele Jahre vor Sigmund Freud Theorien zur Traumdeutung darlegt, die teilweise heute auch noch Gültigkeit haben. Der medizinhistorische Aspekt des Romans hat für mich einen besonderen Reiz und ich bin mir sicher, Louise leidet an Hysterie, verschiedene Andeutungen, die Huysmans vorlegt, bezeugen dies. Offenbar war Huysmans über die Forschung zur Hysterie des Pariser Arztes Jean Martin Charcot (29.11.1825-16.08. 1893) unterrichtet und lies sich inspirieren. So wird der Roman u.a. auch ein Dokument damaliger Epoche.


    Joris-Karl Huysmans kann unheimlich gut schreiben. Die Beschreibungen des Schlosses, der Dorfkirche, der Träume, und der Spaziergänge von Jacques sind einfach großartig. Der Autor ist besonders an diesen Stellen sehr suggestiv, die Beschreibung des Schlosses geradezu unheimlich, als befänden wir uns in einer gothic-novel.


    Liebe Grüße
    mombour


    Da ich meine, es lohnt nicht, einen neuen Thread dafür aufzumachen, ein kurzes Wort (oder zwei bis drei :zwinker: ) zur Erstsendung "Die Vorleser"...
    Wer braucht denn so etwas? Ein Gerede, dem man die klaren Absprachen sowohl bei Zustimmung als auch bei der Ablehnung deutlich anmerkt, künstliche (nicht kunstvolle) Konflikte und Bücher auf der Liste, von denen kein einziges mich reizen würde, auch nur den Waschzettel zu lesen... - aber bei einer Amelie Fried, die selbst über seichten Familientratsch nie hinauskam war das vielleicht auch nicht anders zu erwarten; jedenfalls tue ich mir keine weitere Sendung an.


    Die Sendung soll ein Millionenpublikum ansprechen, darum muss sie unterhaltsam gestaltet sein, sonst sieht sich das kaum einer an. Darum setzt man als Moderatoren auch keine Literaturwissenschaftler hinein, sondern eine "seichte Familientratsch"-Tante und einen redegewandteren Literaturkritiker - diese Mischung finde ich garnicht so schlecht. Wenn man literaturwissenschaftliches hören will, dann gehe man in eine Univorlesung.


    Vielleicht ist diese Sendung ja nichts für Leute, die in erster Linie Klassiker lesen.


    Von Erich Kästner und Per Olov Enquist lese ich mehr als den Klappentext. :breitgrins:


    Liebe Grüße
    mombour

    Nun sagt mal. Wieviel "xlane" werden sich denn noch inkarnieren? Ihr, bzw. ein Mehrfachinkarnierer macht sich einen Spaß, gell?


    Zum Thema: Andorra in der Schule gelesen, dann auch im Theater gesehen. Inhalt vergessen, da schon so lange her.


    Liebe Grüße
    mombour

    Hallo,


    erst kürzlich habe ich die Genesis gelesen. Hilfreiche Literatur dazu war:


    Robert von Ranke-Graves: Hebräische Mythologie (rororo, antiquarisch)
    Altes Testament- Einführungen Texte Kommentare; (hrsg. Lutz, Timm, Hirsch), serie piper 347, antiquarisch)
    Kurt Schubert: Die Kultur der Juden im Altertum (antiquarisch)


    Speziell zu Thomas Mann:


    Jan Assmann: Thomas Mann und Ägypten: Mythos und Monotheismus in den Josephsromanen, Beck-Verlag


    wobei man sagen muss, Assmann kann man, was Ägyptologie angeht, immer empfehlen..


    Einen hervorragenden Überblick zur ägyptischen Kultur und Geschichte liefert
    Eberhard Otto: Ägypten - der Weg des Pharaonenreiches, Urban- Taschenbücher, Kohlhammer (antiquarisch)


    auch die Bücher von Erik Hornung zur Ägyptologie sind hier zu empfehlen.


    Liebe Grüße
    mombour

    Hallo,


    ich habe "Die Legende vom heiligen Trinker" von Joseph Roth gelesen. Hat mir sehr gefallen, wie liebevoll Roth mit der lit. Figur des "verwahrlosten" Trinkers Andreas umgeht. Dann habe ich gerade Roths Hotel Savoy beendet. Die zweite Romanhälfte hat mir sehr zugesagt, sehr lebendig wird in Bildern erzählt, wie die k.u.k.- Monarchie untergeht und eine neue Zeit beginnt. Zu anfangs wusste ich nur wegen des Klappentextes worum es eigentlich geht. Nun lese ich noch "Hiob"


    Liebe Grüße
    mombour

    Hallo klassikfreund,


    Ich habe zwar "Herzog" im Regal, aber noch nicht gelesen. Er war übrigens mit Philip Roth befreundet. Irgendwann lese ich ihn bestimmt, ich weiß bloß noch nicht wann. Mein Beitrag hier doch eher nichtssagend, ich persönlich gehe davon aus, dass sich die Lektüre lohnen würde. Er gilt schon als moderner Klassiker.


    Liebe Grüße
    mombour

    Die Rede ist von einem eher unbekannten und abseitigen Klassiker: dem sotadischen (erotisch-obszönen) Roman Den Teufel im Leibe (Le diable au corps) von Andréa de Nerciat (1739-1800).


    Ich habe deine Ausführungen über den Roman sehr gerne gelesen. Bemerkenswerterweíse habe ich zufällig gerade den anderen Roman gleichen Titels gelesen, also "Den Teufel im Leib" des Franzosen Raymond Radiguet, der im Alter von 20 Jahren an Typhus starb, von Jean Cocteau entdeckt wurde. Radiguet geht in seinem Roman mit Erotik allerdings äüßerst bescheiden um. Es geht um eine Beziehung, die jeglich gesallschaftliche Konvention ignoriert. Ein fünfzehnjähriger liebt eine etwas ältere Frau die erst verlobt ist, dann aber heiratet. Diese Beziehung geht nur eine gewisse Zeit gut, weil der Ehemann der Dame als Soldat im ersten Weltkrieg kämpft. Zwar weniger erotisch, dafür aber lesen wir von unbändigen Gefühlen einer Jugend.


    Z.Zt. lese ich "Das Verbrechen des Paters Amaro" des Portugiesen José Maria Eça de Queiroz Auch hier geht es um eine Liebe, die mit den Konventionen einer Gesellschaft nicht konform ist. Pater Amaro lässt seinen erotischen Fantasien freien Lauf. Bemerkenswert fand ich, das der Pater beim Anblick einer Marienstatue erotisiert wurde. Kein Wunder, dass der Roman 1875 ein einen Skandal hervorrief. Ein Roman gegen Kleinstadtbigotterie. Herrlich zu lesen dies.


    Liebe Grüße
    mombour

    Alfred Döblin: Wallenstein
    Albrecht Schaeffer: Helianth
    Hermann Broch: Die Schlafwandler
    Thomas Mann: Joseph und seine Brüder
    Lion Feuchtwanger: Josephus-Trilogie
    Thomas Wolfe: Schau heimwärts, Engel! / Von Zeit und Strom


    Was soll daran gut sein, nur dicke Schinken zu lesen.

    Gogols "tote Seelen", Puschkins "Postmeister", Turgeniews "Väter und Söhne" waren Volltreffer, Solchenytzin und Pasternak dagegen Reinfälle.


    Wenn ich es mit meiner bescheidenen Belesenheit formulieren wollte, dann klingt das so: Welche großen russischen Romane des 18. und 19. Jahrhunderts könnt Ihr mir empfehlen?


    Welche Autoren sind mir bislang entgangen?


    Entgangen ist dir


    Vladimir Odoevskij: Prinzessin Mimi, Prinzessin Zizi (gant allgemein: es um die spätaristoktatische Gesellschaft).


    Von Odoevskij (andere Schreibweise Odojewskij) gibt es noch die Erzählungen "Russische Nächte", die für bedeutsam gehalten werden, ich aber noch nicht gelesen habe. In einer Erzählung geht es um "Beethovens letztes Quartett".


    Es sind aber keine Schinken wie "Krieg und Frieden"!!!!


    Meiner Ansicht nach, alles von Puschkin, alles von Gogol lesen.


    Deine Frage richtete sich nach russischer Literatur aus dem 18. und 19. Jahrhunderts, erwähntest aber auch Solchenizyn und Pasternak. Was denn nun? Suchst du auch sowjetische Literatur?


    Falls du auch Sowjetliteratur suchst, empfehle ich aus zweiter Hand
    "Underground oder Ein Held unserer Zeit" von Wladimir Makanin Der Romantitel spielt bewusst auf Dostojewskijs "Aufzeichnungen aus dem Untergrund" an.


    Liebe Grüße
    mombour

    mombour
    Mit Thomas Mann, diesem Buchhalter seiner Seele, geht es mir ähnlich; deswegen lese ich aus dieser Epoche auch lieber René Schickele, Lion Feuchtwanger oder auch Heinrich Mann, die alle m.E. bessere Erzähler waren als der hoch gejubelte TM.


    ... ich fühle mich alt genug, weiterhin lieber Philosophie als Literatur zu lesen, bin "ü 50" :zwinker:


    Ich bin in ähnlichem Club...genau Fuffzig :breitgrins:


    ansonsten: Als ich behauptet habe, ich unterhalte mich gerne mit Thomas Mann, meinte ich das allerdings positiv, weil ich den Aspekt der Unterhaltung während des Lesens für wichtig halte. Das will ich noch mal festhalten. Auch Feuchtwanger unterhält mich. Ich meine ja nur, langweilige Romane, die mich nicht unterhalten, quälen mich nur. Natürlich weiß ich auch um andere schöne Aspekte des Lesens, wenn man sich mit einem Roman intensiver auseinandersetzt,wie ich das mit "Doktor Faustus" getan habe und mich immer wieder Dostojewskij reizt, auch philosophisch gesehen. Intensivere Beschäftigung mit bestimmten Literaturen sind für mich immer noch unterhaltend, weil sie meinen Geist inspirieren und zum Nachdenken anregen. Unterhaltung ist für mich etwas sehr positives und weitreichendes.


    Übrigens, da wir bei Harry Potter usw. waren. "Der Struwwelpeter" gilt auch als Klassiker,...obwohl...na,ja :breitgrins:


    Liebe Grüße
    mombour