Beiträge von Stoerte

    "The French Revolution" ist ein, von der Form her, konventioneller Roman, veröffentlicht via twitter. Nahezu jede Nachricht endet mit ... mitten im Satz, der dann in der nächsten Nachricht wieder aufgenommen wird.


    Dem Vergleich mit Briefromanen halten wohl auch "Handy"romane nicht stand. Auch nicht, wenn sich die Beschränkung der Nachrichtenlänge auf die Form auswirkt.


    Aber die Nachrichten der Gesprächspartner müssen nicht zu lesen sein, braucht also keine zwei Twitter-Nutzer, es genügt doch, wenn die weiteren Kommunikationspartner angenommen werden. Hölderlins Hyperion besteht, bis auf eine Ausnahme, auch nur aus den Briefen eines Absenders.

    Habe die Gläsernen Bienen nun beendet. Kann nicht sagen, dass ich bereue den Roman gelesen zu haben. Kurze Geschichte, nicht uninteressant, anständiger Aufbau und viel Einblick in die Gedankenwelt des Protagonisten. Zwischendurch findet man gute Beobachtungen und trotz der Ironiefreiheit kann man gelegentlich schmunzeln. Wenngleich der Protagonist von Jüngers Zukunftsroman einige absonderliche Dinge absondert. Z.B. das Loben der Medizin der Alten. Ökoromantik, wegen der hoffentlich niemand auf Errungenschaften der modernen Medizin wie beispielsweise Antibiotika zu verzichten bereit ist. Auch der nahegelegte Trugschluss verärgert: Dass weil dies und jenes heute schlechter als früher ist, war das Früher noch lange nicht gut. Krieg und soldatischer Gehorsam, also totale Selbstaufgabe für anderer Leute Interessen, war schon immer dumm. Aber das ist, genau wie auch das häufige Lamentieren, eben Rollenprosa - oder auch Jüngers Sicht auf die Welt. Schwamm drüber. Sein Mystizismus jedenfalls hat einen gewissen Reiz, allein schon weil er heute völlig unzeitgemäß und ungewohnt ist.

    Ich lese gerade Gläserne Bienen. Ist laut Umschlagstext kein Science Fiction, sondern ein "Zukunftsroman". Begründung dafür fehlt naturgemäß - selbstverständlich ist es Science Fiction. Zumindest in dem Maße, in dem auch Philip K. Dicks "Der dunkle Schirm" ("A scanners darkly", mit sehenswerter Verfilmung übrigens) Science Fiction ist. Ein Roman also, der wohl in den 1950er-Jahren spielt und ein, zwei Science-Fiction-Elemente enthält, die der Fantasie des Autors den benötigten Raum schaffen.


    Ein leichter Reiter, der früher ein Rabauke war und in der "Kriegsschule" dann "Zucht" gelernt hat, ist aufgrunde seines "Defätismus" in der Armee gescheitert. "Defätismus" will heißen, er schafft es nicht, wenn er A sagt auch B zu sagen, wenn er spürt, dass B falsch ist oder falsch sein könnte. Seine früheres Rabaukentum, das "in seinen Papieren" vermerkt ist, macht das Leben und die Jobsuche für ihn nicht leichter.


    Der Protagonist ist mit seinen, in abschweifendem Reflektieren dargebotenen Ansichten völlig aus der Zeit gefallen. Dieser Eindruck wird durch Jüngers, sicher auch schon zu Lebzeiten antiquierten, erhabenen und völlig ironiefreien Ton noch verstärkt. Wie auch durch den Umstand, dass es in der beschriebenen Welt, in der gleichsam gestern noch Pferde durch die Städte galoppiert sind, Filme mit Robotern, ähnlich denen aus Kleists "Über das Marionettentheater" oder ETA Hoffmanns "Der Sandmann", Alltag sind.


    Die titelgebenden Gläsernen Bienen - Honig sammelnde Automaten - scheinen mir ein Sinnbild für die reine Natur und die blasphemische Technik zu sein - aber ich hab das Buch noch nicht zu Ende gelesen.

    Sofern ich nicht behaupte, ich heiße Hiro Protagonist, sondern mir irgendwas alltäglicheres ausdenken, dann kommt niemand drauf, dass das nicht stimmt. Zumindest solange nicht, bis jemand mich belangen will, scheitert und die gleichen Wege einschlagen muss, die er auch gegangen wäre, hätte er meine Identität nicht vermeintlich gekannt. Und wer Böses im Schilde führt, oder mal schnell seinen Ruf aufbessern will, der wird das selten mit echtem Namen tun. Es würde mich zumindest verwundern, hätten die PR-Leute der Bahn bei ihrer letztens aufgeflogenen Aktion (fingierte Leserbriefe, Blogposts usw.) mit "cool dude" oder ihrem echten Namen gezeichnet.


    Zum Thema Foren passt ein Zitat aus dem Cryptonomicon: "Wenn man mit anonymen Fremden im Internet diskutiert, muss man auf alles gefasst sein, denn fast immer entpuppen sie sich als von ihrer Unfehlbarkeit überzeugte Sechzehnjährige mit unendlich viel freier Zeit - oder kommen einem jedenfalls so vor." Ebenfalls Simplifikation usw., aber oft hat er leider auch Recht.


    Ihr sprecht mir aus der Seele! So funktioniert auch der Erfolg etlicher anderer Bücher.
    "Und Nietzsche weinte" z.B. wurde auch hochgelobt und - war enttäuschend .


    Trivialliteratur mit einer Priese psychoanalytischer Fabel. Mit Nietzsche, Breuer, Lu Salome und viel Gemenschel. Zwischendurch fand ich es ganz nett, las sich in deutscher Übersetzung auch sehr einfach.


    Das Argument für eine Impressumpflicht (wegen leichterer möglicher Strafverfolgung bei Übertreten irgendwelcher Gesetze) halte ich für schwachsinnig; es stellt alle Leute unter Generalverdacht, ebenso könnte man jeden Bürger verpflichten, sich ein riesiges Schild mit Name und Adresse beim Verlassen des Hauses umzuhängen, weil er dann bei prospektivem Banküberfall oder Mord leichter zu verfolgen ist.


    Es gibt eine Impressumspflicht. Und zwar sobald ein Angebot geschäftsmässig ist. Um geschäftsmässig zu sein, muss es nicht gewerblich, sondern "nachhaltig" sein. D.h., wenn du ein Blog hast und regelmässig schreibst, was deine Katze wieder für lustige Geräusche von sich gegeben hat, dann brauchst du ein Impressum. (Das hat der Retter der Rezensionskultur irgendwie auch bei Telepolis geschrieben.) Davon abgesehen gibt es dann noch Bannerwerbung, die auch vom Hoster des Blogs geschalten sein kann usw. Mir ist das zu schwammig, als dass ich ein Impressum weglassen würde.


    Das scheint mir aus der analogen Welt zu kommen, von damals, als Flugblätter noch die am wenigsten offiziellen Veröffentlichungen waren und nicht jedermann der Welt alle paar Minuten via Twitter seine Befindlichkeit mitgeteilt hat.



    Google mal nach "Ausweispflicht" ;-)


    Das Beispiel mit der Ausweispflicht ist schief. Laut Gesetz muss man den Ausweis nur der Polizei und wenigen Behörden zeigen. Es gibt sogar ein Recht auf Privatheit.


    Diese Impressumspflicht dagegen gilt gegenüber jedem. Und untergäbt mein Recht: Nehmen wir die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft. Hätte ich eine, dürfte ich sie meinem nächsten Arbeitgeber verschweigen. Nur damit das Verschweigen auch was bringt, dürfte ich niemals im Internet darüber schreiben. Also Schere im Kopf.


    Meist ist es eh nicht schwer, die Identität hinter einem Pseudonym rauszufinden. Gibt Programme, die Ergebnisse in Suchmaschinen, Sozialen Netzwerken usw. abgleichen. Der durchschnittliche Personaler wird solch ein Programm aber aktuell noch nicht verwenden.

    Die Bundeswehrgeschichten empfand ich auch als realistisch. Wobei man da schwer übertreiben kann. Eine Parallelwelt, in der der frustriert wird, der einfach seinen Job machen will. Und man Tricks kennen muss, damit es läuft und irgendwie auch nach Vorschrift geschieht. - Man es andererseits aber auch nicht wirklich versauen kann. Außer natürlich, man folgt seinem Gewissen und haut ab.
    Auch die Wendung mit den Militärpolizisten ist realistisch. Das Dümmste, das man machen kann, ist mit dieser grünen Kluft die Kaserne zu verlassen. Dann wird man von eben diesen Irgendwiepolizisten vollgequatscht, wegen Kopfbedeckung, Ärmel hochgekrempelt, Hose nicht korrekt über den Stiefeln uswusf. Kann man auf jedem Bahnhof beobachten, an dem Wehrdienstgenötigte in Wochenendurlaub fahren. Menschen in Zivil werden auf Verdacht nicht belästigt, selbst wenn sie einen Bundeswehrrucksack dabei haben.


    begann ich "Neue Vahr Süd" vom Element-of-Crime-Sänger Sven Regener, das mit 630 Seiten doppelt so umfangreiche Prequel zum erfolgreichen Erstlingsroman "Herr Lehmann".


    Ist schon zwei Jahre her, hat mir damals aber gut gefallen. Lakonisch kommentierte Szenen aus dem Leben eines gerade Volljährigen, der zwischen seiner linken Studenten-WG und der Bundeswehr hin- und herpendelt. Und dabei die schrägsten Vögel aus beiden Milieus trifft.


    Erinnert mich daran, dass der dritte Roman, der zwischen Neue Vahr Süd und Herr Lehmann spielt, mittlerweile sicher auch als Paperback erschienen ist.


    (was war eigentlich Web 1.0?)


    Web 2.0 ist das interaktive Web. Sprich Mitmach-Web. Web 1.0 war der Zeitraum, als jeder Inhalte auf seiner eigenen Webseite publizierte. Scherzhaft gibt es auch den Begriff Web 0.5, der den Zeitraum vor AOL und dem großen Angebot an pornographischen Inhalten beschreibt, sprich als das Internet kein Massenmedium war, sondern einem elitären Kreis vorenthalten.


    Letztendlich ist Web-Zwo-Null ein Buzzword ohne viel dahinter. Sehr gerne von Aufschneidern ohne viel dahinter verwendet.


    "Kritiker gibt es, deren jeder vermeint, bei ihm stände es, was gut und was schlecht sein solle, indem er seine Kindertrompete für die Posaune der Farma hält." schreibt Schopenhauer. An anderer Stelle beschimpft er, wenn ich es recht erinnere, den Kritiker auch als feigen Hundsfott. Scheint also kein neues Phänomen zu sein, dass sich ein Autor über Kritiker ärgert.


    Davon abgesehen flösst es mir großen Respekt ein, dass der studierte Philosoph/Germanist die "Fachsprache, die wie die natürliche Sprache über Jahre erlernt werden muss" auch im Bereich der Wirtschaftsinformatik derart drauf hat, dass es zum Professor langt. Auch wenn seine Ausführungen darüber, wie das Internet reguliert sein müsste, von Verständnisproblemen zeugen. Anstatt juristische Fachbegriffe zu pauken, sollte sich der Mann mal die Realität anschaun. Und sich über die Massen der Anwender und also den nicht zu bewältigenden Aufwand klar werden.


    Web 0.5 war sicher im Durchschnitt qualitativ hochwertiger, nur eben mit viel viel weniger Angebot und für Otto Normalbürger sowieso unbezahlbar. Heute ist Internet glücklicherweise fast so etwas alltägliches wie Telefon. Durchschnitt hin oder her, heute gibt es mehr qualitativ hochwertige Angebote. Alles dank der Popularität und der damit verbundenen günstigen Preise, was beides letztendlich sicher nicht hochgeistigen Inhalten geschuldet ist. Heute ist eben Medienkompetenz notwendig, damals war es ein Privileg.


    Nebenbei hat der Autor das Thema Amazon nur aus seinem Blickwinkel betrachtet, dem des in der Ehre verletzten Autors. Ich habe dort schon Kommentare gelesen, die waren irgendwann nicht mehr vorhanden. Und das war meiner Ansicht nach keine Schmähkritik. Hier schreiben also nicht nur Amateure und Talentlose, sondern viel schlimmer, der Händler hat Kontrolle über die Kritik seiner Waren.

    Die falsche Kiste. Feiner Tipp. - Danke dafür, und für die Aufklärung der sechs Prozent!


    Horvath: Jugend ohne Gott


    Sonst in den letzten sechs Monaten nur ein paar Kurzgeschichten von Philip K. Dick, ein paar wenige kurze Erzählungen und Betrachtungen von Kafka. Und ganz viel über Technik.

    Ist wohl besser, als den Text nicht zu verstehen und sich blind auf eine Zusammenfassungen oder Interpretationshilfe zu verlassen. Aber warum wird aus dem wohlklingenden "Give me excess of it" ein laues "Give me too much of it"? Exzess ist doch nicht so schwer, soll doch wohl kein Kinderbuch sein.

    Vielen Dank für deine Antwort JMaria!


    Aus dem Kontext heraus klingt diese Vorliebe für "die vier Prozent" nach einer stereotypischen, bürgerlich-britischen Verhaltensweise zu dieser Zeit. Vielleicht vier Prozent des Tages mit Teetrinken verbringen, oder eben sein Geld auf der Bank anlegen, statt es für unvernünftige Dinge ausgeben o.ä.


    Ob damit die Verzinsung der Tontine-Einlage gemeint ist? Das, was der letzte Überlebende und somit Gewinner letztendlich bekommt, sind mehrere 100 Prozent des ursprünglich eingezahlten Geldes (das 37-fache + Zins + Zinseszins).


    Leider fördert eine Google-Suche nach vier Prozent nur Artikel zu Steuersätzen oder eben Bankzinsen zutage.



    LG!

    Habe mir auch die falsche Kiste geleistet. Und gleich auf den ersten zehn Seiten taucht schon eine Frage auf:

    Zitat

    "[...] because Masterman had led (even to the least particular) a model British life. Industry, regularity, respectability, and a preference for the four per cents are understood to be the very foundations of a green old age." (http://www.readbookonline.net/read/8391/20682/)


    Was ist mit den vier Prozent gemeint? Sind es die Zinsen der Bank?


    Es gibt einerseits dedizierte Geräte (Hardware) für E-Bücher, und andererseits Software, die man auf dazu geeigneten Geräten (Mobiltelefone, PDAs usw.) verwenden kann. Beim von Giesbert angesprochenen Stanza geht es um Software für ein Mobiltelefon. Beide Themen greifen aber ineinander über.


    Wobei ich denke, dass iPhone wohl noch eine Nische ist und eBooks auf dem iPhone eine Nische in der Nische sind. Jedenfalls kaufte Amazon wohl die innovative Software-Konkurrenz zu ihrer Kindle-Hardware.


    David Allen: Getting Things Done. The Art of Stress-Free Productivity. Penguin


    Ist zwar offtopic. Aber wie fandst du's? Wie so oft bei Dingen, die man mal intuitiv richtig macht und mal auch nicht, fand ich die Darlegung dazu im Buch wirklich hilfreich. Vor allem die eigentlich ganz banalen Tipps haben mir gefallen. Wie etwa einen Task ("Projekt") in diverse Subtasks aufteilen, diese dann Orten (bzw. Kontexten) zuordnen und somit, am jeweiligen Ort, einfach die Dinge, ohne abermaliges Überlegen, ausführen zu können. Aber auch den eher theoretischen Teil, mit Visionen usw., fand ich lesenswert. Auch wenn ich letztlich nicht die eigentliche Zielgruppe des Buches bin und mir wohl demnächst kein filling cabinet neben den Schreibtisch stellen werde.


    "Eine Bibliothek ist eine unverzichtbare Gebrauchsanweisung und der Wissenden der Schlüssel zur Seele. Mit Bibliotheken kann man sich auszeichnen und zu einem nassgeweinten Kissen verdammen, aber mit einem eBook ist man ein unbeschriebenes Blatt."


    Komischer Satz. Der ist zumindest der Unwissenden, wie mir, zu pathetisch.


    Klar ist eine Bibliothek geil. Aber das ist Luxus, wie auch der Kamin. Guter Rotwein ist ebenfalls Luxus. Letztendlich geht es um Bildung oder gute Unterhaltung, wobei ersteres leider auch Luxus ist.


    Buch ist ein Medium. Ein schönes Medium, aber eben nicht der Inhalt. Das einzige, was ich beunruhigend finde, ist der Wille der Gerätehersteller, wie z.B. Apple mit ihrem iPhone, die Inhalte auf den von ihnen hergestellten Geräten zu kontrollieren. Bei Apple sind es noch die Programme, aber ein E-Book-Reader für den chinesischen Markt wäre doch sicher ein tolles Projekt für die ganzen amerikanischen und europäischen Hightech-Unternehmen, die auch die Internet-Zensur dort technisch möglich machen.