Beiträge von Wolf

    Für all die Langeweiler, die immer noch Bücher lesen, ist das gut genug, denkt sich wahrscheinlich der Hersteller. :breitgrins: Das Innenleben eines Kindle kann man hier bewundern: <a href="http://www.mobileread.com/forums/showthread.php?t=8111">http://www.mobileread.com/forums/showthread.php?t=8111</a> Dort kann man ein PDF herunterladen, das einige Bilder eines zerlegten Kindle enthält.


    Ein Photo zweier anderer E-Book-Reader (Sony und Cybook) findet man in diesem Blogeintrag: <a href="http://delphidb96.blogspot.com/2007/09/it-arrived.html">http://delphidb96.blogspot.com/2007/09/it-arrived.html</a>. Wenn man auf das Bild klickt, bekomt man einen Eindruck von der Darstellungsqualität der E-Ink-Displays. Das "Papier" ist da eher grau als weiß. Außerdem sind Dinge, die es im Buchdruck schon seit Jahrhunderten gibt, bei E-Books noch keine Selbstverständlichkeit. Dazu gehört ein richtiger Blocksatz mit korrekter Silbentrennung oder auch Ligaturen. Wenn man Pech hat, werden griechische oder russische Wörter in einem Text nicht richtig dargestellt, weil es Probleme mit dem Zeichensatz gibt. Eine Volltextsuche gibt es bei den meisten Geräten schon allein wegen fehlender Eingabemöglichkeiten nicht.


    Ich bin mittlerweile ziemlich skeptisch, daß sich derartige E-Book-Reader in den nächsten Jahren wirklich durchsetzen werden. Papierbücher haben eine vergleichsweise hohe Qualität und sind einfach und billig herzustellen. Außerdem gibt's da keine Probleme mit dem Kopierschutz, weder für die Verlage noch für die Käufer.


    Was ich für wesentlich interessanter halte, das sind Textsammlungen wie die CD-ROMs der "Digitalen Bibliothek" oder in Zukunft vielleicht auch Projekte wie Google-Books, wo man riesige Bücherstapel per Volltextsuche durchsuchen kann, und so auf Dinge stößt, die man durch Blättern in Papierbüchern nie gefunden hätte. Diese Recherchemöglichkeiten sind etwas ganz Neues, diese Art von Zugriff auf Texte hat es früher so nicht gegeben. Aber dafür braucht man eben einen "richtigen" Computer, ein E-Book-Reader nützt einem da gar nichts.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo zusammen,


    ich habe jetzt gut zwei Drittel des Romanes gelesen.


    Zitat von "JMaria"

    mich faszinieren die "Bilder" die Kate Chopin heraufbeschwört. Dieses "Erwachen" hat auch etwas erschreckend animales in Edna geweckt.


    Als der Doktor die Pontelliers besucht, erinnert ihn Edna auch an ein Tier: <i>She reminded him of some beautiful, sleek animal waking up in the sun.</i> Außerdem ist da - wie so oft - vom "Erwachen" die Rede. Dabei sollte der Roman ursprünglich gar nicht "Awakening" heißen, sondern "Solitary Soul" (Einsame Seele), wie ich in Kindlers Literaturlexikon gelesen habe.


    Zitat von "JMaria"

    Man merkt die Krise bereits darin, wie sie ihrem Mann begegnet. Mit einer erschreckenden Kälte, würde ich mal sagen. Sie verwehrt ihm anscheinend das "gemeinsame Bett", denn Mr Pontellier spricht mit seinem Arzt über seine Frau und bemerkt, dass er seiner Frau erst am Frühstückstisch begegnet.


    Richtig, Mr. Pontellier offenbart sich hier seinem Arzt in einer etwas verschlüsselten Form. Wirklich nützlich war der Besuch beim Arzt allerdings nicht, denn der Doktor schlägt ja eigentlich nur vor, die Sache auf sich beruhen zu lassen, weil sich das nach einiger Zeit wohl wieder von selbst einrenken wird. Sehr optimistisch. ;-) Die beiden Eheleute haben offenbar keine gemeinsamen Interessen mehr, sie gehen ihre eigenen Wege, und Edna sagt im Gespräch mit Madame Ratignolle ganz offenherzig, daß sie froh ist, daß ihr Mann abends meist im Klub ist, weil sie gar nicht wüßte, was sie mit ihm reden sollte, wenn er zuhause wäre.


    Edna macht sich aber gar nicht bewußt, daß ihre Ehe in einer tiefen Krise steckt. Als ihr Mann eine längere Reise unternimmt, heißt es: <i>She cried when he went away, calling him her dear, good friend, and she was quite certain she would grow lonely before very long and go to join him in New York.</i> Dabei verstellt sie sich nicht etwa, sondern das sind offenbar ihre wahren Gefühle in diesem Augenblick. Kurz nach dem Abschied fühlt sie sich aber erleichtert: <i>When Edna was at last alone, she breathed a big, genuine sigh of relief. A feeling that was unfamiliar but very delicious came over her.</i> Das "Erwachen" von Edna geht nicht so weit, daß sie mit jemandem über diese neuen, ihr bislang unbekannten Gefühle sprechen kann, noch nicht einmal mit sich selbst. Sie setzt sich nicht mit ihren Gefühlen auseinander, sie macht sich nicht bewußt, was dies alles für ihr Leben bedeutet, sondern sie nimmt das einfach alles so hin und läßt es auf sich zukommen. Das kann nicht gutgehen.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Steffi, hallo zusammen,


    ich habe gestern auch schon zu lesen angefangen und habe jetzt die ersten fünf Kapitel hinter mir - das sind genau 10,30% des Textes, wie mir der E-Book-Reader auf meinem PDA anzeigt. :-)


    Interessehalber habe ich dann gleich mal in meinem papiernen Atlas nachgeschlagen, ob da die Insel "Grand Isle" zu finden ist: dort fand ich sie tatsächlich, wenn auch nicht so detailliert wie bei "Google Earth". ;)


    Zitat von "Steffi"

    Die äußere Realität (heiß) steht somit im Gegensatz zur inneren Realität (kalt).


    Zum Thema "heiß" fällt mir die Szene mit dem Fieber ein, das Ednas Mann bei einem ihrer beiden Kinder entdeckt haben will, und wo er seine Frau ganz gelassen und kühl an ihre Mutterpflichten erinnert. Er erscheint da als ein eher leidenschaftsloser Mann, was sich in dieser Szene auch in seiner Redeweise widerspiegelt ("He talked in a monotonous, insistent way"). Alles in allem wird die Ehe in den ersten Kapiteln zwar als einigermaßen harmonisch geschildert, es gibt keine größeren Auseinandersetzungen und keinerlei Mißtrauen, man achtet sich gegenseitig, aber von einer leidenschaftlichen Liebe ist da nicht viel zu sehn. Bezeichnend ist die Stelle im ersten Kapitel, wo angedeutet wird, daß Mr. Pontellier seine Frau gar nicht so sehr als einen geliebten Menschen betrachtet, sondern eher als einen wertvollen Besitz ("as one looks at a valuable piece of personal property").


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "sandhofer"

    Allerdings hegt wohl seine ganze Entourage den Verdacht, dass er halt eben doch seine Männlichkeit verloren habe ... ein Grund mehr, das Gegenteil beweisen zu wollen ;).


    Für andere wäre das vielleicht ein Grund, aber nicht für Onkel Toby. Das würde gar nicht seinem Charakter entsprechen.


    Außerdem erfahren wir im 28. Kapitel des neunten Buches, wie Korporal Trim der neugierigen Mrs. Brigdet die Stelle zeigt, an der Onkel Toby seine Verwundung empfangen hat. Trim ergreift sogar ihre Hand und führt sie an die betreffende Stelle ... und diese Stelle befindet sich in diesem Fall keineswegs auf dem vor den beiden liegenden Plan.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo zusammen,


    von mir aus können wir zum genannten Termin anfangen. Das Buch habe ich zwar noch nicht, weil das betreffende Antiquariat kurz nach meiner Bestellung Urlaub machte, aber ich habe mir "The Awakening" aus dem Netz heruntergeladen und auf meinen Taschencomputer übertragen. Dann lese ich es eben als E-Buch. :-)


    Den zweiten Roman, "Das Land der spitzen Tannen" von S. O. Jewett, besitze ich inzwischen in einer Manesse-Ausgabe von 1961 (Übersetzung von Elisabeth Schnack).


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo zusammen,


    Zitat von "Steffi"

    Lest ihr immer zuerst oder ist es euch egal, ob zuerst lesen oder hören drankommt ?


    <i>Moby-Dick</i> hatte ich vorher noch nicht gelesen, wenn man einmal von einer vermutlich stark gekürzten und bearbeiteten Jugendausgabe absieht, die ich in jungen Jahren gelesen habe. Auch "Stolz und Vorurteil" von Jane Austen habe ich erst gehört (ungekürzte Lesung von Eva Mattes). Allerdings hatte ich da auch das Buch mit derselben Übersetzung, wo ich bei Bedarf etwas noch einmal nachlesen konnte.


    Zitat von "JMaria"

    Kannst du mehr über Ror Wolf erzählen?


    Über Ror Wolf gäbe es vieles zu sagen. Er ist auch Hörspielautor, aber bislang habe ich von ihm nur einige seiner Fußball-Hörspiele oder -Collagen gehört. Sehr gut soll sein Hörspiel "Leben und Tod des Kornettisten Bix Beiderbecke aus Nord-Amerika" sein, das ich aber noch nicht kenne; vor einiger Zeit habe ich es bei Jokers gesehen.


    Unter dem Pseudonym "Raoul Tranchirer" hat er diverse "Ratschläger" verfaßt, das sind alphabetisch geordnete Nachschlagewerke im Stile der Hausväterliteratur des 19. Jahrhunderts. Das waren Sachbücher, in denen die "Hausväter" all das nachschlagen konnten, was sie als Familienvorstand wissen mußten. Darin ging es um Küche und Ernährung, Umgang mit Dienstboten, Kleidung, Möblierung, Krankheiten bei Mensch und Tier, gesellschaftliche Umgangsformen usw. usf. Ror Wolf hat diese Nachschlagewerke parodiert und fortgeführt. Er verwendet dazu Originalzitate, die er abwandelt oder mit eigenen Texten verschmilzt. Sehr kurzweilig zu lesen und außerdem meist mit wunderbaren Collagen illustriert. Für die Collagen hat Ror Wolf Figuren oder Teile von Bildern aus alten Lexika und Nachschlagewerken zu neuen bizarren und beindruckenden Szenerien zusammengesetzt, die man lange betrachten kann. Als Einstieg eignet sich beispielsweise <a href="http://www.amazon.de/Raoul-Tranchirers-vielseitiger-gro%C3%9Fer-Ratschl%C3%A4ger/dp/3895613150/">Raoul Tranchirers vielseitiger großer Ratschläger für alle Fälle der Welt</a>, der bei Schöffling erschienen ist. Das ist ein fest gebundender (Fadenheftung), auf gutem Papier gedruckter Band mit zwei verschiedenfarbigen Lesebändchen und vielen schwarzweißen und farbigen Illustrationen. Da bekommt man viel Buch für sein Geld. :-)


    Außer diesen Raoul-Tranchirer-Ratgeberbüchern hat Ror Wolf auch Erzählungen geschrieben, die teilweise nur wenige Seiten lang sind (manchmal sogar nur eine) und die sprachlich äußerst virtuos sind. Von Ror Wolfs Sprachduktus und dem Fluß seiner Prosa bin ich immer wieder begeistert. In den Geschichten passiert manchmal fast gar nichts, manchmal werden aber auch gewaltige Katastrophen und Umwälzungen beschrieben, und das alles in einem merkwürdig tastenden Erzählstil, nach dem man süchtig werden kann. Der Erzähler ist sich oft nicht sicher, wie er bestimmte Vorkommnisse beschreiben soll, manchmal vergißt er auch, wo er ist oder was genau geschehen ist. Schwierig zu erklären, aber sehr leicht und unterhaltsam zu lesen. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo zusammen, hallo Maria,


    berichte dann bitte darüber, ob Brückner seine Sache gut gemacht hat, das interessiert mich nämlich. Ich habe mir gerade auch ein Hörbuch bestellt, das von Christian Brückner gelesen wird. Zwar kein Klassiker, aber trotzdem gut. :breitgrins:


    <i>Ror Wolf: Zwei oder drei Jahre später. Die neunundvierzigste Ausschweifung. (2 CDs, Parlando).</i>


    Das habe ich entdeckt, als ich zufälligerweise einen Blick in die <a href="http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?key=standard_document_31292944&rubrik=3730">hr2-Hörbuch-Bestenliste vom Juni 2007</a> geworfen hatte. Die merkwürdigen Erzählungen von Ror Wolf gefallen mir ausgezeichnet, und da war es eine erfreuliche Entdeckung, daß es nun eine Ror-Wolf-Lesung von Christian Brückner gibt.


    Zitat von "JMaria"

    Klingt jetzt vielleicht seltsam, aber bei Geschichten die mir sehr gut gefallen, suche ich nach der besten Vortragsweise.


    Das klingt gar nicht seltsam, sondern sehr vernünftig. Ich finde, Hörbücher eignen sich sehr gut dafür, eine fällige Zweit-, Dritt- oder Viertlektüre eines bestimmten Klassikers zu ersetzen. Dies mal als Hinweis an die hier mitlesenden Nicht-Hörbuchhörer - probiert es ruhig mal aus. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo Maria,


    ja, ein Manga-Thread im hehren Klassikerforum, der fehlte uns noch. :breitgrins:


    "Grimms Manga" halte ich für einen guten Einstieg, um einmal in die Mangawelt hineinzuschnuppern. Der Band ist in sich abgeschlossen, es ist also ein "One Shot", wie das auf neudeutsch genannt wird. Die Bildsprache der Mangas ist anders als die der europäischen Comics, was man an diesem Manga sehr schön sehen kann, wobei es da natürlich je nach Genre und Künstler auch große Unterschiede gibt. Soweit ich das beurteilen kann, gehört "Grimms Manga" stilistisch zu den sog. Shôjo-Manga ("Mädchenmanga") mit märchenhaft-romantischer Thematik und ineinanderfließenden Panels. "Grimms Manga" wird wie die meisten ins Deutsche übersetzten Mangas in der original-japanischen Leserichtung gelesen, also aus unserer Sicht von "hinten nach vorn". Die einzelnen Panels liest man von rechts nach links und von oben nach unten. Für etwas ältere Leser ist das ein gutes Hirntraining. :breitgrins:


    Eine ausgezeichnete Einführung in die Comic-Kunst ist "Comics richtig lesen" von Scott McCloud (erschienen bei Carlsen). Das ist ein intelligent gemachter Comic über Comics. Darin werden auch die Unterschiede in der Bildsprache zwischen westlichen und japanischen Comics (= Manga) dargestellt. Viele Aspekte, die dort angesprochen werden, kann man in "Grimms Manga" wiederfinden.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo zusammen,


    ich habe gerade eine CD mit Auszügen aus <i>Zettel's Traum</i> von Arno Schmidt gehört, und ich war überrascht, wie gut sich das anhört. Die drei nebeneinanderlaufenden Textstränge dieses Romans wurden von drei verschiedenen Sprechern gesprochen (J. Kersten; B. Rauschenbach und J. Ph. Reemtsma). Manchmal sprachen da mehrere Stimmen gleichzeitig, trotzdem konnte ich dem ganzen sehr gut folgen. Schade, daß das nur Auszüge waren. Eine Komplettlesung würde ich mir auch mal gerne anhören. :breitgrins: Im Booklet steht, daß eine vollständige Lesung von <i>Zettel's Traum</i> ungefähr 80 CDs umfassen würde. Das wäre doch mal was. ;-)


    Zitat von "JMaria"

    Ich höre "Fiesta" von Ernest Hemingway, Sprecher Christian Brückner.


    Mein bislang einziges Hemingway-Hörbuch war <i>Der alte Mann und das Meer</i>, gelesen von Rolf Boysen, der das ganz ausgezeichnet vorgetragen hat.


    Zitat von "giesbert"

    * Moby-Dick, die Rathjen-Übersetzung, gelesen von Christian Brückner


    Von dieser Lesung war ich hellauf begeistert, ich habe dann auch noch eine neunstündige <a href="http://www.amazon.de/Moby-Dick-CDs-Herman-Melville/dp/3899402545/">Hörspielversion</a> gehört, die zwar sehr schön gemacht ist und auch gute Sprecher hat, die aber trotzdem mit der Brückner-Lesung nicht mithalten kann. Wenn man diese beiden Fassungen vergleicht, dann merkt man erst, wie gut sich Christian Brückner in den Roman und in die Figuren eingefunden hat. Allein schon wie er den Ahab spricht, ist unbedingt hörenswert.


    Von Christian Brückner gibt es auch eine Lesung von Melvilles Erzählung "Bartleby", die mir sehr gut gefallen hat (2 CDs). Er liest dort die Übersetzung von Elisabeth Schnack, die recht solide ist. Mir gefällt zwar die Übersetzung von Jürgen Krug besser (Insel-Taschenbuch), aber die gibt es wohl noch nicht als Hörbuch.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Das Gedicht von Archilochos, das sandhofer angesprochen hat, kann man im Netz beispielsweise hier nachlesen (mit zwei deutschen Übersetzungen):
    http://www.vox-graeca-gottinge…xte/Archiloc/6dschild.htm


    Außerdem gibt es eine Stelle bei Horaz, wo er schildert, wie er nach der verlorenen Schlacht bei Philippi unrühmlich seinen Schild verloren hat (carm. 2, 7). Im Netz beispielsweise hier:
    http://www.gottwein.de/Lat/hor/horc207.php


    Dieses freimütige Bekenntnis ist deshalb bemerkenswert, weil Horaz ja an anderer Stelle (carm. 3, 2) die berühmten Worte <i>"Dulce et decorum est pro patria mori"</i> von sich gegeben hat. :breitgrins:


    Auf diese beiden Dinge spielt Wieland im Musarion an, wo er in einer Fußnote schreibt:


    "Horaz, der, ungeachtet seines 'Süß ist's und edel sterben fürs Vaterland' in einem andern Gesang offenherzig genug ist zu gestehen, daß er in der Schlacht bei Philippi sogar seinen kleinen runden Schild von sich geworfen habe, um dem schönen Tod fürs Vaterland desto hurtiger entlaufen zu können."


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "Knabe"

    Ich bin glücklich, wieder etwas Wunderbares entdeckt zu haben: Salomon Gessners "Idyllen" (1756).


    Geßners Idyllen habe ich als E-Text auf meinem Taschencomputer gespeichert. Dank Deines Beitrages habe ich gestern abend wieder mal ein bißchen darin gelesen. Die Idyllen sind wirklich sehr schön, das fließt alles leicht und angenehm dahin, wie ein heller Bach durch ein blumiges Wiesental. :-) Deine Formulierung "therapeutisch-beruhigend" finde ich sehr passend, so etwas Ähnliches habe ich mir beim Lesen der Idyllen auch immer gedacht. Ich bin schon seit einiger Zeit auf der Suche nach einer schönen Buchausgabe der "Idyllen", denn die Reclam-Ausgabe sieht ja ziemlich prosaisch aus. ;-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "gantenbeinin"

    Ich wüßte zu gerne, ob das eine rein deusche Macke ist, alles "schicker" zu finden, als das eigene Idiom. Andere Völker ersetzen, soweit ich weiß, im Wesentlichen ihre eigenen Worte auch nicht seit Jahrhunderten durch fremde wechselnder Herkunft, sondern entlehnen nur bereichernde Begriffe, die sie selbst eben nicht haben -


    Nein, das ist keine deutsche Macke, so etwas gibt es auch in anderen Sprachen. Im Japanischen gibt es viele engl. Lehnwörter, auch für so alltägliche Dinge wie "Milch", "Gebäude", "Wippe", "Saft", "Messer" (jap. "naifu") oder "Tür" (jap. "doa"). Es geht dabei also gar nicht immer darum, daß es für irgendwelche Dinge noch keine einheimischen Wörter gibt. Das deutsche Wort "Kopf" ist ja auch entlehnt (von lat. cuppa) und hat das einheimische Wort (ahd. houbit, heute: "Haupt") beiseite gedrängt. Wenn eine Sprachgemeinschaft mit einer kulturell überlegenenen oder als vorbildhaft angesehenen Kultur in Kontakt kommt, dann werden da oft auch Wörter entlehnt, für die es bereits einheimische Wörter gibt (oder zumindest geben könnte, wenn man sie benutzen würde). Heutzutage hat das Englische weltweit einen großen Einfluß, früher war es bei uns das Französische oder Lateinische. Im Japanischen war es früher das Chinesische.


    In der heutigen Werbesprache werden sehr viele Anglizismen verwendet (vgl. das erwähnte "coffee to go"), aber die Werbesprache ist eben auch eine Sondersprache, die nicht mit der normalen Alltagssprache gleichzusetzen ist. Solche Wortblüten wie "Moonshine-Tarif" haben meist nur eine kurze Lebensdauer. Manche Fremdwörter dringen allerdings auch in die Alltagssprache ein, wie man es momentan bei "Job" erleben kann. Dieses Fremdwort gibt es zwar schon länger im Deutschen, aber früher bezeichnete es eine Gelegenheitsarbeit. Heute reden Politiker davon, daß man mehr "Jobs" schaffen müsse, und daß es zu wenige "Jobs" gebe. Vor 10 oder 20 Jahren hätte man in diesem Kontext nicht von "Jobs", sondern von "Arbeitsplätzen" geredet. Aber dieses Beispiel zeigt eben auch, daß die Fremdwörter meist die deutschen Wörter nicht verdrängen können, denn Wörter wie "Arbeitsplatz", "Arbeitsstelle" usw. kann man natürlich immer noch benutzen. Neben Fremdwörtern wie "Moment", "Autor" und "Computer" gibt es auch die deutschen Entsprechungen "Augenblick", "Verfasser" und "Rechner", die ungefähr dasselbe bedeuten, wenn sie auch nicht in jedem Kontext mit dem Fremdwort austauschbar sind. Fremdwörter können auch eine Bereicherung sein, wenn man sie nicht gedankenlos verwendet. Oft werden ja Fremdwörter nur deshalb verwendet, weil einem auf die Schnelle kein anderes (deutsches) Wort einfällt.


    In den zwanziger Jahren ist ein interessantes Wörterbuch erschienen, das "Verdeutschungsbuch" von Eduard Engel. Wie der Untertitel "Ein Handweiser zur Entwelschung" zeigt, war der Autor glühender Fremdwörterfeind. :-) Trotzdem ist dieses Wörterbuch auch heute noch lesenwert, denn es listet die Fremdwörter alphabetisch auf und bietet für jedes Fremdwort eine Menge deutscher Übersetzungsmöglichkeiten an. Man kann es also als Thesaurus benutzen. Für "düpieren" findet man dort 120 deutsche Ausdrücke, für "Hypochondrie" immerhin noch elf. Es kann natürlich trotzdem sein, daß "düpieren" oder "Hypochondrie" in einem bestimmten Kontext die beste Wahl ist, aber das kann man umso besser beurteilen, je mehr Wörter man kennt.


    Für heutige Fremdwörter gibt es dieses Wiki-Projekt: <a href="http://de.wikibooks.org/wiki/Fruchtbringendes_W%C3%B6rterbuch">Fruchtbringendes Wörterbuch</a>. Dort findet man manchmal etwas Brauchbares. Zitat aus dem Vorwort:


    <i>»Spaß ist ein gutes Stichwort, denn verbiesterten Purismus wollen wir anderen überlassen. Der Spaß am schöpferischen Wortspiel ist einer der Hauptgründe, warum dieses Projekt entstanden ist – und warum man daran mitwirken sollte.«</i>


    Schöne Grüße,
    Wolf

    [quote author=Knabe]
    http://www.reclam.de/programm/…ur/reformation_und_barock
    Und kann man eigentlich mit diesem Programm falsch liegen?
    [/quote]


    Die Reclams bieten in der Regel einen sehr guten Text, damit macht man normalerweise nichts falsch. Manche Barocktexte sind leider tatsächlich nicht so leicht zu bekommen, aber sandhofer hat ja schon auf die Antiquariate hingewiesen. :-) Meine Ausgaben von Zesens "Adriatischer Rosemund" und Weises "Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt" habe ich mir beispielsweise auch antiquarisch gekauft, und zwar in "Neudrucken", die Ende des 19. Jh.s erschienen sind. Die Reihe nannte sich "Neudrucke deutscher Litteraturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts" und ist bei Niemeyer erschienen. Einzelbände dieser Reihe bekommt man mitunter sehr günstig in Antiquariaten, es sind zwar keine "schönen" Bücher, die im Regal etwas hermachen, aber der Text genügt(e) auch wissenschaftlichen Ansprüchen. Die modernen Werkausgaben sind leider sehr teuer, der oben erwähnte Roman von Zesen kostet da, glaube ich, so um die 100 Euro.


    Was die Wörterbücher betrifft, so umfaßt das Grimmsche Wörterbuch natürlich auch den Wortschatz der Barockzeit. Da kann man nachschlagen, wenn man etwas genauer wissen will. In meinem Bücherregal steht auch ein Nachdruck des 1691 erschienenen "Teutschen Sprachschatzes" von Kaspar Stieler. Mit diesem dreibändigen Wörterbuch kann man unmittelbar in den Wortschatz dieser Zeit eintauchen. ;-) Und weil er so schön ist, hier noch der vollständige Titel dieses Wörterbuchs:


    Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs / oder Teutscher Sprachschatz / Worinnen alle und iede teutsche Wurzeln oder Stammwörter / so viel deren annoch bekant und ietzo im Gebrauch seyn / nebst ihrer Ankunft / abgeleiteten / duppelungen / und vornemsten Redarten / mit guter lateinischer Tolmetschung und kunstgegründeten Anmerkungen befindlich. Samt einer Hochteutschen Letterkunst / Nachschuß und teutschem Register. So Lehrenden und Lernenden / zu beider Sprachen Kundigkeit / nötig und nützlich / durch unermüdeten Fleiß in vielen Jaren gesamlet von dem Spaten.
    Nürnberg / in Verlegung Johann Hofmanns / Buch- und Kunsthändlers daselbst. Gedruckt zu Altdorf / von Heinrich Meyern / der löbl. Univ. Buchdruckern. Im Jahr des HErrn 1691.


    Die Worterklärungen sind in lateinischer Sprache. Ein Wörterbucheintrag im "Teutschen Sprachschatz" sieht beispielsweise so aus:


    <b>Vogelen / & Vögeln</b> <i>propriè est</i> aucupium facere, aucupari; <i>Sed obscenè sumitur à turpibus hominibus pro: </i>uti rebus venereis, rem cum aliqvâ muliere habere, stuprô coire. <i>Hinc:</i> <b>Sich vögeln lassen</b> / copiam sui facere alicui, corpus suum vulgare. <i>Phrases huc pertinentes qvàm plurimas studiô praeterimus, ut & composita:</i> <b>Abvögeln / ausvögeln / durchvögeln / ervögeln / einvögeln / fortvögeln / hin und wiedervögeln / mit- & nebenvögeln / vervögeln / zervögeln.</b>


    Man sieht: Kaspar Stieler hatte einen sehr umfangreichen Wortschatz. :breitgrins: Er hat in sein Wörterbuch auch Wörter aufgenommen, die er sich sehr wahrscheinlich nur ausgedacht hat, wie etwa "machsam" oder so etwas. Diese Freude an der Sprache und das Spielen mit der Sprache ist ja auch typisch für viele Barockautoren (Stichwort: "Spracharbeit"). Damals hat man auch so etwas wie "Nonsensgedichte" produziert, um auszuloten, was mit der deutschen Sprache alles möglich ist. Recht bekannt ist ja dieses Gedicht von Johann Klaj:


    <b>
    Der kekke Lachengekk koaxet / krekkt / und quakkt /
    Des Krippels Krükkenstokk krokkt / grakkelt / humpt und zakkt /
    Des Gukkuks Gukken trotzt dem Frosch und auch die Krükke.
    Was knikkt und knakkt noch mehr? kurtz hier mein Reimgeflikke.
    </b>


    Wenn man als heutiger Leser Barockliteratur genießen will, dann sollte man schon einen gewissen Sinn für Literatur haben, in der die Sprache im Mittelpunkt steht. Es ist zwar nicht so, daß Barockliteratur grundsätzlich handlungsarm wäre, aber die Sprache ist eben doch im gewissen Sinne der Hauptdarsteller, und wenn man dafür keinen rechten Sinn hat, dann wird einen diese Literatur wahrscheinlich eher langweilen.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo xenophanes!


    Zitat von "xenophanes"

    Eben bestellt:


    Littmann, Enno (Übertragen).
    Die Erzählungen aus den tausendundein Nächten. Vollständige deutsche Ausgabe in sechs Bänden zum ersten Mal nach dem arabischen Urtext der Calcuttaer Ausgabe aus dem Jahre 1830. Preis: EUR 45,00
    Frankfurt, Insel, 1968. 6 Bände. Dunkelblaue Orig.-Kunstledereinbände mit silbernen Rückentitel und -verziehrung. Tadellos.
    45 Euro


    Sehr gute Entscheidung, genau diese Ausgabe (blaues Kunstleder, 1968) habe ich auch. :-) Die sieht sehr edel aus, liegt angenehm in der Hand und ist auf gutem Dünndruckpapier gedruckt, das offenbar nicht vergilbt, denn meine Ausgabe sieht aus wie neu gedruckt. Die derzeit lieferbare Leinenausgabe kostet 128 Euro, da hast Du also einiges Geld gespart. Meine Ausgabe hat mich sogar nur knapp 30 Euro gekostet. :breitgrins: Das umfangreiche Nachwort der Littmann-Übersetzung fand ich übrigens auch sehr lesenswert.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo zusammen, hallo xenophanes,


    ich bin schon seit einiger Zeit fertig. Das war eine sehr unterhaltsame, bunte Mischung. Nach dem witzigen Geschichtenzyklus um den "Buckligen" kam zur Abwechslung eine sentimentale Liebesgeschichte, die vergleichsweise handlungsarm war. Darauf mußte ich mich erstmal einstellen. Die beiden Liebenden waren hauptsächlich damit beschäftigt, in Tränen auszubrechen oder in Ohnmacht zu fallen oder im Trennungsschmerz dahinzusiechen. ;-)


    Mit der Übersetzung von Claudia Ott war ich sehr zufrieden, obwohl ich mangels Arabischkenntnissen die Übersetzung nicht genau beurteilen kann, aber das Deutsch klang jedenfalls sehr flüssig und angenehm, was besonders auch in der Hörbuchversion deutlich wird. Mir sind nur ein paar Kleinigkeiten aufgefallen, wie die schon erwähnte Frau, die "fünf Spannen" groß war, irgendwo hieß es mal "die Gram" statt "der Gram". Außerdem fand ich folgenden Reim (S. 540) sehr gezwungen (die Übersetzerin brauchte einen Reim auf "-in"):


    "Früher hatt' ich einen Vater, der war treu um mich besorgt,
    Aber er verließ mich und ist nun der Gräber Nachbarin."


    <b>Er</b> ist eine Nachbar<b>in</b>? Na ja. :-)


    Aber sehr gut finde ich, daß die Gedichte möglichst getreu übertragen worden sind, besonders auch was die Form betrifft. Das bringt natürlich einige Zwänge und Schwierigkeiten mit sich. Aber so hat man als Arabisch-Unkundiger wenigstens eine ungefähre Vorstellung davon, wie das im Original aussieht.


    Zitat von "xenophanes"

    Außerdem möchte ich mir eine "Zweitausgabe" kaufen, in der die bei Ott fehlenden Geschichten (Sindbad ...) enthalten sind. Es wurden hier ja einige zitiert: Welche würdet ihr mir ans Hirn legen?


    um die Übersetzung von Enno Littmann kommt man eigentlich nicht herum. :-) Als Ergänzung zu Littmann kann man sich noch die zweibändige Ausgabe von Felix Tauer zulegen:


    Die Erzählungen aus den Tausendundein Nächten. Band 1 [und Band 2]. Die in anderen Versionen von '1001 Nacht' nicht enthaltenen Geschichten der Wortley-Montague-Handschrift der Oxforder Bodleian Library. Aus dem arabischen Urtext vollständig übertragen von Felix Tauer. Leipzig: Insel, 1983.


    Ich glaube, davon gab es später auch mal eine Taschenbuchausgabe. In der Wortley-Montague-Handschrift sind viele Geschichten mit erotischer oder zotiger Thematik enthalten. Die oben erwähnte Übersetzung von Tauer enthält nur die Geschichten aus dieser Handschrift, die <i>nicht</i> in der Übersetzung von Enno Littmann enthalten sind. Deshalb eignet sich das sehr gut als Ergänzung zu Littmanns Übersetzung.


    Bei Diederichs ist in der Reihe "Märchen der Weltliteratur" die zweibändige Sammlung "Arabische Märchen" erschienen (hrsg. und übersetzt von Max Weisweiler). Das wäre etwas, wenn man sich für arabische Märchen interessiert, die nicht in 1001 Nacht enthalten sind. Denn es gibt ja nicht nur diese eine sehr berühmte Märchensammlung, sondern noch andere, teils recht alte kleinere Sammlungen oder Einzelmärchen. Wenn ich das recht im Kopf habe, sind in der Übersetzung von Weisweiler auch einige Märchen, die aus einer Handschrift aus dem 14. Jh. stammen.


    Schöne Grüße,
    Wolf

    So kompliziert ist das doch nicht. Einen urheberrechtlich geschützten Text darf man nur dann vollständig oder auszugsweise vervielfältigen, wenn man dafür eine Erlaubnis hat. Diese Erlaubnis kann sich auch aus dem Gesetz ergeben (z. B. Zitatrecht). Der Satz auf der erwähnten Webseite:


    "Sämtliche hier wiedergegebenen Texte sind urheberrechtlich geschützt und dürfen ohne ausdrückliche Erlaubnis in keiner Form wiedergegeben oder zitiert werden."


    verbietet keineswegs Zitate, die durch § 51 UrhG ausdrücklich erlaubt sind. Denn in solchen Fällen wird ja ein urheberrechtlich geschützter Text nicht "ohne ausdrückliche Erlaubnis" zitiert. :-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Zitat von "Dostoevskij"

    Darf ein Autor oder Betreiber einer Webseite das Zitieren komplett untersagen?


    Vom Autor oder Webseitenbetreiber war doch gar nicht die Rede. Eine "ausdrückliche Erlaubnis" zur (teilweisen) Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Textes könnte sich ja beispielsweise auch aus einem Paragraphen des Urheberrechtsgesetzes ergeben. Man braucht also nicht unbedingt die ausdrückliche Erlaubnis des Rechteinhabers, aber irgendeine ausdrückliche Erlaubnis braucht man eben doch. ;-)


    Schöne Grüße,
    Wolf

    Hallo zusammen,


    im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek sind ja auch meist die Originaltitel verzeichnet:


    Titel: Die Kunst, seine Schulden zu bezahlen / Honoré Balzac. [Mutmassl. Verf.: Emile Marco de Saint-Hilaire.] Übers.: Margrit Diethelm
    Verfasser: Balzac, Honoré de
    Saint-Hilaire, Emile Marco de
    Verleger: München : Heimeran
    Erscheinungsjahr: [1953]
    Umfang/Format: 16 Bl. ; quer-8
    Originaltitel: L' Art de payer ses dettes et de satisfaire ses créanciers sans débourser un sou <dt.>
    Anmerkungen: Ausz.
    Einband/Preis: kart. : -.99
    Sachgruppe: 08a Schöne Literatur


    Ich habe jetzt nicht nachgeschaut, aber vielleicht findet man im Netz irgend etwas Genaueres dazu, wenn man nach dem Originaltitel oder nach "Emile Marco de Saint-Hilaire" sucht. :rollen:


    Schöne Grüße,
    Wolf