Beiträge von JMaria

    Hallo zusammen
    ich kann mich der Verwirrung euch nur anschließen. Da schmeißt er doch glatt auch das 20-Kopeken-Stück ins Wasser (vom beseitigen der Beute ganz zu schweigen).


    Zu dieser Szene der Text aus Verbrechen und Strafe:

    In der Tiefe, dem Auge kaum noch erkennbar, erschien ihm seine Vergangenheit von einst, seine Gedanken von einst, die Ziele von einst, die Fragen von einst, die Eindrücke von einst, dieses ganze Panorama und er selbst und alles, alles... Es kam ihm vor, als Fliege er auf, in die Höhe, und alles entschwinde seinen Augen... Als er eine unwillkürliche Bewegung mit dem Arm machte, fühlte er plötzlich in seiner Faust das Zwanzig-Kopeken-Stück. Er öffnete die Faust, betrachtete die Münze aufmerksam, holte aus und warf sie ins Wasser... Dann drehte er sich um und ging nach Hause. Er hatte das Gefühl, als hätte er sich eigenhändig, wie mit einer Schere, von allen und allem abgeschnitten.


    Traurig, nicht wahr. Ich finde das ist eine Selbstgeiselung. Er überlegt zwar die ganze Zeit wie er Fehler vermeidet, beseitigt Spuren und doch sieht es für mich so aus, als ob er auf ein Extrem zusteuert um erwischt zu werden.


    Deswegen auch immer wieder das Fieber...


    Im 2. Teil Kapitel III steht eine Passage, daß evtl. als ein weiteres Teil des Puzzles zu verwenden ist. Ist euch aufgefallen, daß in der Rede Rasumichin, als Rodja aus seinem Delirium erwacht, erwähnt wird, daß die Hauswirtin ihn früher eigentlich als Familienmitglied ansah, dann aber das Mädchen starb (die Tochter?) und somit den Schuldsein weiter gab?


    (S. 170 "Verbrechen und Strafe" / ca. in der Mitte)


    Was meint ihr? Könnte der Tod des Mädchen diese Selbstqual ausgelöst haben? Mal sehen ob der Aspekt nochmals erwähnt wird.


    Wie Rasumichin die Gemüter der Frauen im Haus mit seiner Art beruhigt hat, er flirtet sogar mit der Köchin *g* / natürlich hat das Geld der Mutter Rodjas auch dazu beigetragen.


    Ich glaube wenn Rasumichin nicht gewesen wäre, hätte dieses Geld auch seinen Zweck verfehlt. Rodja betonte ja, er wolle das Geld seiner Mutter nicht. Wie findet ihr Rasumichin?


    Komme nun zum 5.Kapitel (2. Teil)


    LG Maria

    Hallo Ikarus


    nun habe ich die Absätze gefunden :)


    Schuld und Sühne:
    Ein sonderbarer Gedanke begann sich in seinem Kopf durchzupicken, wie ein Küken, das aus der Eierschale will...


    Verbrechen und Strafe:
    Eine seltsame Idee regte sich in seinem Kopf, wie ein Küken, das aus seiner Eierschale drängte, und nahm ihn gänzlich gefangen.


    Schuld und Sühne:
    ...wie wenn ihn jemand an der Hand genommen und unwiderstehlich, blindlings, mit einer übernatürlichen Kraft nach sich gezogen hätte, ohne Widerrede, ganz als wäre er mit einem Zipfel seines Rockes in das Rad einer Maschine geraten und mitgerissen worden.


    Verbrechen und Strafe:
    Als habe ihn jemand bei der Hand genommen und zöge ihn hinter sich her, unabwendbar, blindlings, mit übernatürlicher Kraft, keinen Widerspruch duldend. Als wäre er mit einem Zipfel seiner Kleidung in das Rad einer Maschine geraten und würde nun langsam in sie hineingezogen.



    So groß sind die Unterschiede m. E. nicht. Vielleicht liest sich die neue Übersetzung auf die Gesamtlänge des Romans leichter, da moderner übersetzt?


    Wäre vielleicht nützlich, während unseres Lesens ab und zu weitere Texte zu vergleichen.


    Heute bin ich nicht viel weiter gekommen. Bin im 2. Teil 2. Kapitel.
    R. geht gerade nach seinem Aufenthalt im Revier nach Hause.
    LG Maria

    Hallo zusammen


    Zitat

    Ein sonderbarer Gedanke begann sich in seinem Kopf durchzupicken, wie ein Küken, das aus der Eierschale will..."


    "...wie wenn ihn jemand an der Hand genommen und unwiderstehlich, blindlings, mit einer übernatürlichen Kraft nach sich gezogen hätte, ohne Widerrede, ganz als wäre er mit einem Zipfel seines Rockes in das Rad einer Maschine geraten und mitgerissen worden."


    Ikarus kannst du mir auf die Sprünge helfen? Obwohl ich auch erst auf S. 137 bin finde ich die oben zitierte Stelle nicht. Ich hätte sie gern mit der neuen Übersetzung verglichen. War es vor oder nach dem Traum?


    Wie fandet ihr den Traum mit dem schwachen Pferdchen das zu Tode geprügelt wurde?


    Ich war ganz schön entsetzt und ahnte da bereits, daß die nächste Begegnung mit der Pfandleiherin brutal beschrieben sein wird. Aber so brutal hab ich es mir nicht vorgestellt, auch was er dann mit der Halbschwester tat. *schauder*


    Ich bin zwar auch ein Krimileser, trotzdem ging mir die Szene an die Nieren.


    Noch kann ich mir nicht vorstellen, daß Raskolnikow durch und durch Böse ist. Seine Gedanken, seine Träume, sein Fieber, seine Beweggründe sind für mich noch wie ein Puzzle, es fehlen noch die wichtigsten Teile um das Gesamtbild zu sehen. Bin schon gespannt, wie das Innenleben Raskolnikow sich weiter entwickelt.


    Wann wird ein Mensch zum Verbrecher?


    Viele Grüße
    Maria

    oder auch "Schuld und Sühne".


    Amazon-Text:


    Raskolnikow entstammt einer verarmten bürgerlichen Familie. In der schrankähnlichen Enge seines Zimmers ist der »euklidische Verstand«, der der Diener des Lebens sein sollte, zum Herrscher geworden. Raskolnikow ist Utilitarist. Um eines naturgemäß unklar gefaßten Begriffs des wissenschaftlichen oder sozialen Fortschritts willen, scheint es ihm erlaubt, eine alte Wucherin, die »nicht besser als eine Laus ist«, zu töten und mit dem geraubten Geld sein Studium zu finanzieren. Sein Herz wehrt sich ebenso wie sein Unterbewußtsein gegen die geplante Tat, doch von sozialer Not gedrängt und gefangen in lebensfeindlichen Ideen, wird er zum Mörder. Das Delirium und die grenzenlose Einsamkeit, die dem Verbrechen folgen, lassen ihn erkennen, daß die Funktionen des »euklidischen Verstandes« nicht die einzige bestimmende Dimension der menschlichen Persönlichkeit ausmachen. Leidvoll, aber bereichert durch die einfühlsame Scharfsicht des Untersuchungsrichters Porfirij und durch die frisch erwachte Liebe zu Sonja Marmeladowa, erfährt er, daß der Weg aus der Vereinsamung nur über Geständnis und Strafe führen kann. Auch wenn die »Reue« ihm eher fremd ist, die Liebe errettet ihn schließlich.


    Auszug
    Anfang Juli, es war außerordentlich heiß, trat gegen Abend ein junger Mann aus seiner Kammer, die er in der S.-Gasse zur Untermiete bewohnte, auf die Straße hinaus und ging langsam, als wäre er unentschlossen, auf die K.-Brücke zu.


    Glücklicherweise war ihm eine Begegnung mit seiner Wirtin auf der Treppe erspart geblieben. Seine Kammer lag unmittelbar unter dem Dach eines hohen, fünfstöckigen Hauses und glich eher einem Schrank als einem Wohnraum.
    ------------


    Hier ein Link zu der neuen Übersetzung von Svetlana Geier:
    http://www.klassikerforum.de/f…bfcfae28af01b8533a2d4#345


    -----------


    Ein link zu einer Kurzbiografie über Dostojewski:


    http://www.virtusens.de/dostoj…stojewskij_Biographie.php

    ich hab auch bereits angefangen und bin auf Seite 73 (Fischer-TB: Verbrechen und Strafe) oder man kann auch sagen 1. Teil Ende IV.Kapitel.


    Meine ersten Eindrücke:


    Ich war vom Erzählstil des Schriftstellers bis jetzt auch angenehm überrascht. Ich kann mir sehr gut vorstellen wie Rodja (sein Kosename) die Straßen entlang läuft, vertieft die K-Brücke überquert. Hungrig, verzweifelt.


    Gleich auf der ersten Seite wird angedeutet, wie er in dieses Fahrwasser kam.
    Erst schämte er sich, weil er die Miete nicht bezahlen kann und mied die Begegnung mit seiner Hauswirtin, dann aber wird er immer gereizter und angespannter und meidet nun auch allgemein die Menschen. Wenn es mal bergab geht, dann rapide.

    Rodja wird ja von seinen ehemaligen Kommilitonen "irgendwie hochmütig, stolz und verschlossen, auf sie herabsehend" beurteilt. So, daß er wenig Kontakte geschlossen hat. Nur zu Rasumichin. Ich frage mich warum er nicht wie dieser Freund irgendeine Arbeit annimmt und dann weiterstudiert. Dieser hat es ihm ja vorgemacht, dass es auch so geht. Mit Disziplin und eisernen Willen. Hier scheint mir Rodja noch nicht reif für die Arbeitswelt, ein Träumer?


    Er kann auch nicht mit Geld umgehen, das wenige dass er von der Pfandleiherin bekam hat er unbedacht für Bier ausgegeben, der Familie Marmeladow etwas aufs Fenstersims gelegt und dem Polizisten einige Kopeken für die Droschke gegeben um das Mädchen heimzuschaffen.


    Hier sieht man die andere Seite von ihm: eine "gute" und mitfühlende Seite.


    Irgendwie stelle ich mir die russische Seele so vor, wie in den wenigen Seiten bisher beschrieben: leidenschaftlich, dramatisch, einsam, unergründlich.


    Zitat


    Irgendwie kommen bisher die Männer schlecht weg, oder ?


    Ist bereits auffallend, du hast recht. Auf jeden Fall haben diese Frauen Geld/Erspartes. Die Mutter die Pension, die Schwester arbeitete als Gouvernante, Die Vermieterin hat Mieteinnahmen, die Pfandleiherin. Die Köchin der Vermieterin hat Mitleid mit ihm und sorgt sich wenigsten noch um ihn.

    Zitat


    Und wie Dostojewski schildert, wie Raskolnikow besessen von der Idee ist, die Pfandleiherin umzubringen - da wurde es mir eiskalt. Eigentlich habe ich doch das Gefühl, er hätte im Grunde Moral und Anstand, da bin ich gespannt, wie er vor sich einen Mord rechtfertigt.


    da bin ich auch schon gespannt. Im Herzen hat er es ja bereits beschlossen. Der Brief seiner Mutter könnte seinen Wahn wieder zum Ausbruch bringen.


    Viele Grüße
    Maria


    Gruß von
    Steffi[/quote]

    Hallo zusammen


    wollte noch erwähnen, daß es eine schöne Leserunde war. Viele schöne Gedanken und Eindrücke und Erkenntnisse haben wir gesammelt :)


    Ich bin startklar für eine neue Leserunde und könnte am Wochenende mit Dostoijewski anfangen.


    Viele Grüße
    Maria

    Hallo Steffi


    schön, daß du wieder da bist :-)
    Ich kann mich Ikarus nur anschließen, deine näheren Erklärungen waren sehr aufschlußreich für mich. Du hast recht, T. M. hat eine kleine Biografie geschrieben, was mir wieder mal beweist wie sorgfältig er immer für seine Bücher recherchiert hat.


    Viele Grüße
    Maria

    Hallo zusammen
    was lest ihr gerade oder wie überbrückt ihr die Zeit bis zur nächsten Leserunde?


    Ich habe von Carlo Goldoni: Der Diener zweier Herren angefangen zu lesen. Sehr heiter geschrieben. Ich glaube ich habe es mal als Theaterstück im Fernsehen gesehen :-)


    LG Maria

    Hallo
    ich möchte mich für euren Tipp 'Die Räuber' bedanken. Ich habe heute das Schauspiel gelesen und war sehr beeindruckt. Konnte es nicht aus der Hand legen bis ich durch war. Was für eine tragische, traurige Geschichte. Liebe und Wahnsinn gehen Hand in Hand, soviel Elend durch ein böses Herz. Ich war beeindruckt wie Schiller in kurzen Dialogen das Grauen so rüberbringen konnte. Unterschiedliches Böses, dargestellt durch Spiegelberg der brandschatzte wo es nur ging ohne Ehre und Franz von Moor der eher hinterrücks und hinterhältig sein Unwesen trieb. Wie er am Ende nach dem Pater rufen ließ, obwohl er mit Religion nichts am Hut hatte. Dann mußte er hören, daß Vatermord und Brudermord die höchsten Sünden sind. Ohne zu übertreiben, es ging mir unter die Haut.
    Am Ende Karls Einsicht, daß er die Rache Gottes vorweg genommen hat, und das dies falsch war und dann von dannen ging um sich zu stellen. *schauder*. Werde nun noch ein paar Gedichte lesen. "Der Eroberer" hat mir gut gefallen.
    Viele Grüße
    Maria

    Hallo Erika


    Zitat von "Erika"

    Hallo!


    Nach längerer Zeit melde ich mich auch mal wieder zu Wort. Ich bin ein wenig zurückgefallen :wink:


    Klasse, daß du trotzdem weiter liest. Du hast ja erwähnt, daß du gerade mehr Streß hast.


    Zitat


    Je länger die Erzählung dauert, um so gespannter bin ich auf die Begegnung mit Goethe.


    Vorher kommt noch eine Beschreibung des Alltags Goethes. Auch sehr interessant, aber anstrengend wie ich finde, weil sich auch die Sprache ändert. Das Treffen selbst... Naja - mal sehen was du dazu sagst. Es war doch recht kurz aber voller Spannung.


    Zitat


    An der Dostojewski-Lektüre bin ich immer noch sehr interessiert. Wisst Ihr schon, welche Übersetzung Ihr nehmen wollt?


    Ich habe die neue Übersetzung: Strafe und Verbrechen. Ikarus hat, glaube ich, noch eine ältere (Schuld und Sühne). Wird bestimmt interessant und vielleicht könnte man entscheidende Passagen vergleichen!


    Bis bald!


    Maria

    Hallo Ikarus


    Ich warte gerne. Steffi und Erika möchten bestimmt auch noch ihre Eindrücke zu 'Lotte in Weimar' schreiben. Es ist doch spannend, wie ein Buch auf jeden einzelnen wirkt und die Gedanken des anderen zu lesen :-)


    Bis zur nächsten Leserunde
    Viele Grüße
    Maria

    Hallo Ikarus


    Zitat von "ikarus"

    Ich bin heute mit dem Buch fertig geworden und habe eine etwas zwiespältige Meinung davon.


    Aus Adeles Schilderungen hatte ich eher den Eindruck, daß August mehr aus Kummer zu viel trinkt. Weniger des Genusses wegen. Trotzdem hast Du recht. seine Mutter konnte das Leben sehr genießen, weniger den Wein. Diesem war wiederum mehr sein Vater zugetan, was Thomas Mann im 8. Kapitel auch zum Ausdruck bringt. 2 Liter Wein pro Tag waren für Goethe normal.


    zwiespältig bin ich nicht gerade, denn mir hat der Roman sehr gut gefallen. Thomas Mann ist es gelungen mir die Charkteren sehr nahe zubringen und ich konnte sehr gut die Gefühle nachempfinden.

    Zitat


    Die lang erwartete Begegnung von Charlotte mit Goethe verläuft ja mehr als entäuschend. Das war allerdings zu erwarten nach Goethes Bemerkung zu August: "Konnt´ sie sich´s nicht verkneifen, die Alte, und mir´s nicht ersparen?" Goethe empfängt Lotte sehr kühl und steif bei einem offiziellen Mittagessen. Ich hatte den Eindruck, daß alle Beteiligten froh waren, als sie´s endlich hinter sich gebracht hatten.


    Makaber drückt es August aus, als er den Auftrag bekam die Einladung zum Essen Lotte zu überbringen:


    Eine sehr große Ehre wird es für mich sein, dich zu vertreten. Ich durft' es selten bei bedeutenderem Anlaß tun. Nur Wielands Begräbnis wäre allenfalls zum Vergleiche heranzuziehn.


    Aber doch auch typisch für Goethe, dies auf seinen Sohn abzuwälzen. Ich glaube bei dem Empfang war das ein Schauspiel das Goethe inszenierte. Die Hände im Rücken verschränkt, den Rücken gerade usw....


    Auf der anderen Seite war für Goethe das Thema Lotte vermutlich damals mit 'Werthers Leiden' beendet. Ein zurückbesinnen war ihm zu unangenehm. Kann ich auch wiederum verstehen, wenn er auch feinfühliger hätte sein können.


    Im Kapitel 8, als sich die Gesellschaft zu Tisch begab, erinnerte mich die Beschreibung der Sitzordnung (Goethe in der Mitte der langen Seite des Tisches) an 'Das Abendmahl' von Leonardo da Vinci, oder wie wir schon im Buch über Goethe lasen, den Begriff: Gottesozon. :-)



    Zitat

    Erst zum Schluß dann ein vertrauliches Gespräch in der Kutsche. Und auch dort wirkte Goethe eingebildet und hochnäßig. Mir sehr unsympathisch. Aber Charlotte sagt ihm auch die Meinung: "So sehr wohl und behaglich war mir´s nicht eben in deiner Wirklichkeit, in deinem Kunsthaus und Lebenskreis, es war eher eine Beklemmung und eine Apprehension damit, das laß mich gestehen, denn allzusehr riecht es nach Opfer in deiner Nähe...Diese Riemer, die immer mucken und maulen, und deren Mannesehr´ auf dem süßen Leime zappelt, und dein armer Sohn mit seinen siebzehn Gläsern Champagner uin dies Persönchen, das ihn also zu Neujahr heiraten wird und wird in die Oberstuben fliegen wie die Mücke ins Licht...-was sind sie denn als Opfer deiner Größe." Goethe sieht sich allerdings selbst als Opfer. Als Flamme, in die sich die anderen stürzen, aber auch als brennende Kerze, die ihren Leib opfert damit das Licht leuchte. Selbstmitleid?


    Nicht sehr sympathisch, seine Kälte. Er spricht ja Charlotte auch wegen ihres Kopfnickens an, nicht sehr charmant. Aber Selbstmitleid glaube ich nicht. Ich hatte durch Thomas Mann's Beschreibung eher den Eindruck von Manipulierung seiner Umgebung und wenn es ihm in den Kram passte, dann machte er auch auf "Opfer".


    Zitat

    Insgesamt hatte ich mit dem Buch oft enorme Verständnisschwierigkeiten. Eine Goethe-Biographie zu lesen, wie Steffi in ihrem Urlaub vor hat, ist sicher nicht die schlechteste Idee. So gut kenne ich mich aber im Leben und Werk Goethes beileibe nicht aus, wie es für das Verständnis des Romans notwendig wäre. Ich finde, Thomas Mann setzt beim Leser zu viel Wissen voraus. Besonders das 3. und 7. Kapitel waren schon harte Brocken.


    das 7. Kapitel fand ich schön in dem Sinne, einen ungefähren Tagesablauf Goethes zu erfahren. Durch die Selbstgespräche hat T.M. ein gutes Bild von Goethe dem Leser übermittelt. Im Kapitel 8 hätte ich mir auch mehr Hintergrundwissen gewünscht über Goethe und Newton / Goethe und Juden / Goethe und sein Hobby das Steinesammeln/ Goethe und die Politik usw. Das wäre sicherlich hilfreich gewesen und ich möchte das auch irgendwann aneignen, dieses Wissen :-)


    Falls jemand sich zu diesen Bereiche noch äußern möchte, wäre das sehr schön.


    Zitat

    Sehr schön fand ich das 2. Kapitel, in dem sich Charlotte an die Zeit mit Goethe zurückerinnert, und vor allem natürlich das 5. Kapitel "Adeles Erzählung". Ein Hochgenuß!


    Fand ich auch. Dazu kommt für mich noch Kapitel 9, der wehmütige Schluß. Meint ihr es hatte etwas zu bedeuten, daß Goethe Lotte gerade zu diesem Trauerstück einlud (Rosamunde von Theodor Körner)?



    Zitat

    "Lotte in Weimar" war für mich, trotz seiner Kürze, der bisher anstrengendste Roman von Thomas Mann. Das lag sicher auch an dem überaus gestelzten Sprachstil, mit dem er sich an Goethe anpassen wollte. Und ich glaube kaum, daß, wenn ich dieses Buch als erstes von Thomas Mann gelesen hätte, noch weitere gefolgt wären. Zum Glück war´s aber ja nicht so.


    mmh - das empfand ich nicht so. Gerade dieser erkennbare Wechsel der Sprache von Kapitel 1-6 zu Kapitel 7, als zum erstenmal Goethe erscheint, fand ich überragend. Aber auch anstrengend, du hast recht.


    Nun ist "Lotte in Weimar" zuende und kann zusammenfassen, daß mir viel Lebenserfahrung aus dem Buch strömen, dass man Vergangenes nicht wieder erwecken kann, meist folgt darauf die Enttäuschung. Mann und Frau sehen die Vergangenheit meist unterschiedlich, in diesem Buch war es doch so zu erkennen. Traurigkeit, aber auch Mut konnte ich aus dem Buch herausziehen. Denn es gehört schon Courage dazu sich quälenden Fragen aus der Vergangenheit zu stellen.


    Viele Grüße
    Maria
    PS: 'Verbrechen und Strafe' liegt bereit. Wann beginnen wir?


    Hallo Lucien
    willkommen bei uns Leseratten :-)


    Du klickst auf der Eingangsseite: "Lesevorschläge" an. Dann suchst du dir das Buch/ oder die Bücher aus, bei denen du gern mitlesen würdest, indem du den Beitrag anklickst (z. B. Jane Eyre) und dann auf "Postrepley" klicken und schon kannst du deinen Text schreiben.


    Bis dann
    Maria

    Hallo Ikarus


    Zitat von "ikarus"

    Ich bin nun auch mit dem 6. Kapitel durch und dort bekommt man von August ja ein sehr positives Bild. Ganz entgegen den Erwartungen nach Adeles Schilderung.
    Die Beziehung von Ottilie zu Goethe sehe ich weniger als Vaterkomplex, sondern eher als "Prominentenkomplex". Sie möchte über August an Goethe rankommen. Charlotte bringt es in ihrem Gespräch mit August auf den Punkt: "Kurzum, dies Persönchen Ottilie - liebt sie Sie, wie sie da sind, ohne Umstände, oder liebt sie Ihre Umstände, die die eines berühmten Sohnes sind, so daß sie eigentlich den Vater liebte?". Genau so sehe ich das auch.


    Ein beeindruckender Satz. Prominentenkomplex könnte es natürlich auch sein, oder vielleicht sogar beides? Vielleicht finden wir die Antwort ja im Buch selbst :)


    Adele befürchtet wohl, daß sich in Ottilie die Geschichte Lottes wiederholt, nur daß diesmal nicht die Vernunft siegt, denn sie sagt:

    Retten Sie Ottilien! Sie könnte Ihre Tochter sein, sie scheint es zu sein: eben darum schwebt sie heute in einer Gefahr, der Sie selbst einst die ehrwürdigste Besonnenheit entgegensetzten. Seien Sie Mutter dem Ebenbilde Ihrer Jugend, - denn das ist sie, als solches wird sie geliebt - von einem Sohn, durch einen Sohn. Behüten Sie das 'Persönchen', wie der Vater sie nennt- behüten Sie sie, gestützt auf das, was Sie diesem Vater einst waren, davor, das Opfer einer Fascination zu werden, die mir so unaussprechlich bange macht!


    mmh - Vernunft. Wie es Steffi letztens in einem Beitrag erwähnt, bin ich mir auch noch nicht klar, ob Charlotte zu ihren Lebensweg, den sie vernünftigerweise einging, steht. Auf diese Beantwortung bin ich auch schon sehr gespannt.


    Nochmals zurück zu der Ähnlichkeit zwischen Charlotte/Lotte und Ottilie, August von Goethe bestätigt dies in seinem Gespräch mit Charlotte:


    Ich bin nicht so dreist, Ihnen zu sagen, daß Sie aussehen wie ein jungen Mädchens, aber man muß nicht das zweite Gesicht haben, um durch die Hülle der Würde ganz leicht des jungen Mädchens, des Schulmädels, gewahr zu werden, das Sie einst waren, und alles, was ich behaupte, ist, daß dieses junge Mädchen Ottiliens Schwester sein könnte,... Ihre Tochter sein könnte. ...die Identität des Typus, dies allem Junonischen Ferne, dies Leichte, Liebliche, zierliche, Zärtliche...


    Hat August hier die Worte seines Vaters wieder übernommen, wie so oft?
    Denn er kannte Lotte nicht in jungen Jahren, außer aus dem Werther-Roman.


    Ansonsten ist mir August sympathisch. Er ist praktisch veranlagt und übernimmt gewissenhaft die Verhandlungen mit dem Verlag (Cotta) für seinen Vater, kümmert sich um die Steuern, streitet sich sogar mit der Stadt Weimar um Erlaß dieser. Er ist dem Weine zugetan, kann also genießen. Das hat er wohl von seiner Mutter :-)
    Humor hat er auch, wenn sie einen auch nicht direkt anspringt ;-)


    ...und beide Insassen (Goethe und Professor Meyer) purzeln übereinander auf die mit soviel Selbstbeherrschung gewählte Straße, wobei Meyer recht blutig an der Nase verletzt wurde. ..Aber es ist beschämend, obgleich es auch wieder zu einer peinlichen Heiterkeit reizt, sich die feierlich ihrer bewußte Größe vorzustellen, wie sie längst gewohnt, sich nur noch in bedachter Gemessenheit zu bewegen, mit besudelten Kleidern und aufgelöster Kragenbinde in einem Straßengraben krabbelt."


    Eine Szene im Kapitel 6 möchte ich auch noch erwähnen.
    Es ging um Lili Schönemann, die Exverlobte Goethes. Wie sagt sie da so schön?

    Arme Lili... Ist doch bei dem Verhältnis nicht gar viel herausgekommen. Einige Lieder, aber kein weltbewegendes Werk
    .


    Sie braucht also schon die Bestätigung, daß sie eine besondere Rolle im Leben Goethes gespielt hat und mißt die Wichtigkeit an seinen Werken.


    Wie fandet ihr das Einbinden dieser Liebe August zu Achim von Arnim in diese Geschichte? War das nicht typisch Thomas Mann? Egal ob kameradschaftlich oder homosexueller Art, Thomas Mann greift in seinen Geschichten gern darauf zurück, oder?


    Liebe Grüße
    Maria

    Zitat von "Steffi"

    Hallo !



    Aber manchmal kommt es mir so vor, daß sie sich selbst einredet, daß es die richtige Entscheidung war. Vielleicht hat sie diese Entscheidung auch ihr Leben lang bedauert ?


    Diesen Gedanke führe ich beim Lesen auch mit. Ob der Roman uns eine Antwort geben wird ?


    Zitat

    Ist euch eigentlich auch aufgefallen, daß Thomas Mann immer "Charlotte" und nie "Lotte" verwendet. Müsste dann der Titel nicht "Charlotte in Weimar" lauten ? Oder hat er den Titel nur wegen des besseren Verständnisses gewählt ?


    des Verständnisses wegen bestimmt. Der Titel spricht schon für sich.
    Aber vielleicht will er auch zeigen daß aus der Lotte eine Charlotte wurde. Reife.


    Zitat


    Die nächsten 2 Wochen bin ich getrennt von PC und www im Urlaub! Lotte reist natürlich mit, ebenso hoffe ich, dass ich dazu komme, eine Biografie über Goethe zu lesen.


    Wünsche dir einen schönen Urlaub :)


    LG Maria

    Hallo zusammen


    Zitat von "ikarus"

    Ja, fand ich auch. Obwohl Thomas Mann sehr viel Informationen in dieses 5. Kapitel hineingepackt hat, liest es sich sehr flüssig und spannend. Gerade die Geschichte mit dem verwundeten Soldaten trägt sehr zur Auflockerung bei. War wirklich schön zu lesen obwohl es letztendlich sehr traurig ist.


    Am Schluß sagt Adele "Und mit dieser Zeitung schließe ich mein Novelle..."


    Und das war sie wirklich, eine Novelle in einem Roman, die auch gut und gern extern betrachtet werden kann. Mir ähnelte sie der Geschichte "Tamar" aus der Joseph-Saga. Ich fand die Novelle als etwas besonderes und sehr wichtig für den weiteren Verlauf der Geschichte.


    Ich sehe jetzt, nachdem ich das Kapitel 5 zuende gelesen habe, August wie auch Ottilie als Opfer. Beide wissen, daß Goethe es nicht dulden würde, wenn die Verbindung gelöst wird und beide sind zu schwach dagegen anzugehen. (S. 179) Kann hier vielleicht Lotte helfen? Erhofft sich das Adele? Warum sonst erzählt sie die Geschichte?


    Irgendwie habe ich das Gefühl, daß auch der Weggang Ottiliens Vater etwas mit ihrem Gemütszustand und ihren Entscheidungen später zu tun hat. Die Einleitung von Adele fand ich sehr eindringlich. Hatte Ottilie vielleicht einen Vaterkomplex und ließ sich deswegen von Goethe beeinflussen?


    Bin nun im 6. Kapitel


    LG Maria

    Hallo zusammen
    ich bin auch mitten im 5. Kapitel. Eine große Last und Verantwortung setzt die Bevölkerung auf August von Goethe, dem Sohn des Meisters.
    Kein Wunder, daß er von Adele als Düster beschrieben wird.


    Die Worte des Philosophen Professor Fichte:

    Die Nation hat große Anforderungen an Sie, einziger Sohn des Einzigen in unsrem Zeitalter.


    Als er sich als Jäger einschreiben läßt, macht sein Vater ihm einen Strich durch die Rechnung und er hat den Mackel des Feiglings zu tragen :(
    Auch wenn seine Freunde wissen, daß August das Sprachrohr seines Vaters ist. Er hatte es wahrlich nicht einfach.


    Die Beschreibung des Krieges und das Abenteuer Adeles und Ottiliens mit dem verwundeten preußischen Soldaten hatte viel Schwärmerisches. Ob Ottilie diesen Ferdinand nochmals trifft. Mal sehen wie das 5. Kapitel zuende geht.
    Später wurden die Töne des Krieges ernster. Typhus und viel Trauer wurde von Adele beschrieben.


    Eine schöne Milieustudie der damaligen Zeit. Was meint ihr?


    LG Maria