Beiträge von giesbert

    Zitat von "Madicken"

    Ich weiss nicht, ob diese Frage hier schon mal diskutiert wurde, aber könnt Ihr mir vielleicht Tipps geben, welche Verlage gute Ausgaben von Klassikern anbieten?


    Der Klassiker unter den Klassikerverlagen ist zweifellos der Reclam-Verlag. Preiswert & zuverlässig, allerdings mitunter sehr klein gesetzt. Ansonsten sind Klassiker-Ausgaben bei Winkler und Hanser in aller Regel zuverlässig. Von beiden Verlagen gibt es Taschenbuchausgaben bei dtv und anderen Verlagen. Es lohnt sich, einen genaueren Blick ins Impressum zu werfen, steht da z. B. "Lizenzausgabe des Hanser-Verlages" oder ähnlich, kann man normalerweise zugreifen.

    Noch kurz zu Mahler & Freud:

    Zitat

    Als Gustav Mahlers Ehe 1910 nach Almas Begegnung mit Walter Gropius in eine schwere Krise stürzte, wurde ihm empfohlen, Sigmund Freud aufzusuchen, der sich auch bereit erklärte, ihn im niederländischen Kurbad Leyden zu empfangen. Die Konsultation dauerte höchsten vier Stunden und hatte trotzdem durchschlagenden Erfolg. In einem Brief an seine Schülerin Marie Bonaparte äußert sich Freud zu seiner Diagnose: «Mahlers Frau Alma liebte ihren Vater Rudolf Schindler und konnte nur diesen Typus suchen und lieben. Mahlers Alter, das er so fürchtete, war gerade das, was ihn seiner Frau so anziehend machte. Mahler liebte seine Mutter und hat in jeder Frau deren Typus gesucht. Seine Mutter war vergrämt und leidend, und dies wollte er unterbewußt auch von seiner Frau Alma.» Mit dieser Analyse gab Freud eine Art versteckte Lizenz zum Inzest und bescherte den beiden dadurch letzte gemeinsam glückliche Monate. Alma war empört, als Freud ihr kurz nach Mahlers Tod im Mai 1911 ungeniert die Rechnung für diese kurze analytische Sitzung in Leiden zusandte.
    http://www.alma-mahler.at/deutsch/almas_life/freud.html

    Zitat von "Roquairol"

    Zumindest hat Rilke 1911 eine Psychotherapie erwogen, dann aber wieder davon Abstand genommen aus Angst, er könne mit seinen Neurosen auch seine literarische Kreativität verlieren.
    Ich habe mal gehört, daß Freud diesen Zusammenhang bestätigt haben soll - leider kann ich dafür gerade keinen Beleg finden.


    Wie gesagt: Die Vorstellung, durch die Psychoanalyse würde Mann etwas verlieren (statt: gewinnen) scheint mir eine ebenso durchsichtige wie typische Projektion zu sein, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass Freud sie geteilt haben sollte.


    Immerhin: Freud und Rilke sind sich ein Mal begegnet, 1915 in Wien:

    Zitat

    Besuch von Rainer Maria Rilke
    Rilke, der über seine Freundschaft mit Lou Andreas-Salomè bereits Bekanntschaft mit der Psychoanalyse gemacht hatte, sucht Freud in Wien auf. Er war ein "reizender Gesellschafter", berichtet Freud Ferenczi über den Besuch. Besonders Anna bewundert die Poesie Rilkes, die wie sie später schreibt, ihr genauso viel Einsicht in die Psyche des Menschen vermitteln konnte wie die Psychoanalyse.
    http://www.freud-museum.at/freud/chronolg/1915-d.htm

    Zitat von "sandhofer"

    War es nicht Freud, der, als (ich glaube, es war) Mahler sich therapieren lassen wollte, sich weigerte und sagte: "Ich kann ihn heilen, aber ich nehme ihm sein Genie." (Na ja, sinngemäss ...)

    Das hab ich hier und da mal als Gerücht gehört, halte es aber für einen ausgemachten Unfug. Es ist schwer vorstellbar, dass Freud die typisch männliche Verlustphantasie, die Psy. könnte einem etwas weg nehmen, geteilt haben soll.


    Zur Begegnung von Freud & Mahler s. Jones, Freud, II, 103 f. Als Quelle für seine Darstellung nennt Jones eine "persönliche Mitteilung Freuds an Marie Bonarparte vom Jahre 1925". Andere Darstellungen hab ich gerade nicht greifbar; im Briefwechsel mit Jung wird Mahler nicht erwähnt.


    zum Thema: Dieses Posting schreibe ich bei einem Schluck Laphroaig.

    Zitat von "xenophanes"

    Der fulminante Briefwechsel zwischen den beiden ist sicher das beste Dokument dieser Freundschaft.


    Ich hab bei der Lektüre vor allem gelernt, was für ein Genie Goethe gewesen ist, Schiller schien mir da immer bemüht und viel zu theorielastig. Irgendwo schreibt G. an ihn, dass er nach der Lektüre seiner Briefe immer zuerst in den Garten laufen muss, um die Natur wieder in ihr Recht zu setzen. Oder so ähnlich. Ich find das jetzt gerade nicht, dafür bin ich aber mal wieder über eine meiner Lieblingsstellen in dem BW gestolpert:

    Zitat

    Es kann auch an meiner augenblicklichen Stimmung liegen, mir kommt aber immer vor, wenn man von Schriften, wie von Handlungen, nicht mit einer liebevollen Teilnahme, nicht mit einem gewissen parteiischen Enthusiasmus spricht, so bleibt so wenig daran, das der Rede gar nicht wert ist. Lust, Freude, Teilnahme an den Dingen ist das einzige Reelle, und was wieder Realität hervorbringt, alles andere ist eitel und vereitelt nur.


    Goethe an Schiller, 14. 6. 1796

    Zitat von "Leila Parker"

    Kann man das Haus besichtigen und an wen muss man sich wenden?


    Man kann: Nach Voranmeldung ist der Besuch des Schmidtschen Hauses und der jeweiligen Ausstellung mit Archivmaterialien im benachbarten Stiftungshaus möglich; gegenwärtig ist die Ausstellung »Schreiben als Handwerk« zu sehen.
    http://www.arno-schmidt-stiftung.de/


    Bargfeld ist übrigens etwas abgelegen, ohne Auto geht da nix, zumindest nicht im April. Im Sommer kann man da vom nächstgelegenen Bahnhof wohl hinradeln (ich weiß es nicht, ich war erst 2x da und bin beide Male im Auto mitgenommen worden)

    Zitat von "Leila Parker"

    in Sachen Arno Schmidt noch auf Entdeckungsreise, wirkt dein Urteil auf mich doch sehr ernüchternd, gerade bei deinem Engagement bezüglich des Eremiten in Bargfeld.


    Naja, ich les den schon seit rund 25 Jahren, da sieht man manches etwas nüchterner :zwinker:


    Zu meiner Schmidt-Faszination hab ich mal 2 Texte ins Netz gestellt:


    Der Fremdkörper. Fragmentarische Spekulationen zur Typoskriptform der späten Werke Arno Schmidts


    Und meine Antwort auf die Frage: Wie sind Sie zum Werk Arno Schmidts gekommen?


    Zitat

    Da habe ich mich wieder einmal sehr weit aus dem Fenster gelehnt und Hubert wird sich köstlich amüsieren.


    Es sei ihm gegönnt :smile: Es gibt weißgott schlimmeres als zur Erheiterung seiner Mitmenschen beizutragen.


    Zitat

    So bleibt für mich dann doch die Frage, wie kann Arno Schmidt im Jahre 2005 positioniert werden?


    Ehrlich gesagt ist mir diese Frage aber auch gleich sowas von wurscht. Das Große Ganze kann mir gestohlen bleiben. Wichtiger ist doch die Frage, was die Lektüre Schmidtscher Texte mit einem anstellt. Und warum sie das tut.


    Zitat

    Trotzdem, nach Bargfeld werde ich fahren. :smile:


    Hier schon mal ein paar Bilder von meinem Besuch 2003:


    [ bilder auf dem server entfernet ]

    Zitat von "Leila Parker"

    dann doch die Tatsache und die Erkenntnis, daß er die Literatur der 2. Hälfte des 20. Hahrhunderts entscheidend geprägt hat wie kein zweiter Autor.


    "wir haben ja alle von ihm gelernt" soll Günter Grass zu Alice Schmidt gesagt haben, aber das heißt ja nicht, dass Schmidt die Literatur entscheidend geprägt hätte; im Gegenteil, sein Werk bleibt doch, wenn ich das richtig sehe, eher folgenlos und wirkt eher unterirdisch.


    Was natürlich nichts daran ändert, dass er einer der bedeutensten Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist :smile:


    (Übrigens ist die Überarbeitung der GASL-Homepage jetzt vorerst abgeschlossen: http://www.gasl.org/)

    Zitat von "finsbury"

    Ist die von dir empfohlene Erzählung sprachlich ähnlich?


    Nein, das ist ein eher nüchterner Berichtstil, nur am Schluss holt Hawthorne zu einer wuchtigen Deutung aus, die einem den Boden unter den Füßen wegzieht.


    Wie gesagt, unbedingt lesen, ist nicht sehr lang (und ein klein wenig verwandt mit Melvilles unheimlichen Text Bartleby)


    Zu anderen Hawthorne-Texten kann ich nix sagen, es ist eine Ewigkeit her, dass ich das - in einer billigen, schlecht übersetzten Ausgabe - gelesen habe.

    Aktuell lese ich Afred Döblins Berlin Alexanderplatz. Das hab ich schon mal so mit ~20 gelesen und kann mich an kaum etwas erinnern.


    Aber das schreib ich nur um das hier hier los zuwerden: Es gibt mindestens 1 Text von Hawthorne, der völlig zeitlos und absolut umwerfend ist und den man unbedingt lesen sollte: Wakefield. Ein makelloses Meisterwerk mit einem wirklich erschütternden Ende.

    Um vielleicht ein wenig Klärung zu bringen:


    Es gibt die Arno Schmidt Stiftung mit Sitz in Bargfeld. Die wurde von Schmidts Witwe Alice Schmidt als Erbin eingesetzt und kümmert sich um das Werk und den Nachlass, also auch um das Wohnhaus:
    http://www.arno-schmidt-stiftung.de/
    (Obacht, die Webseite verkleinert und verschiebt das Fenster)


    Und es gibt die GASL, die Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser, die 1986 von Schmidt-Lesern gegründet wurde und ursprünglich "Arno-Schmidt-Gesellschaft" heißen sollte, dies aber aus rechtlichen Gründen nicht durfte und die im Gespräch mitunter fälschlich als "Arno Schmidt Gesellschaft" bezeichnet wird. - Die Webseite der GASL wird derzeit überarbeitet und am 18.1. (Schmidts Geburtstag) in neuer Form online gestellt. Das aktuelle Erscheinungsbild wird sich vollständig ändern:
    http://www.gasl.org/

    Zitat von "sandhofer"

    nenne ich nur den Namen Karl May. Den Du, Giesbert, bei Deiner Vorstellung schamvoll unterschlagen hast?


    "Karl May" fällt mir tatsächlich nicht als erster Name ein, wenn ich an Klassiker denke 8-). Den lese ich eher mit einem Gemisch aus lustvoll-dankbarer Regression in frühes Leseglück & Verwunderung über seine krude Prosa. Aber das ist ein Thema für sich.


    Um dann doch mal ein paar Namen zu nennen: Jean Paul, Wieland, Shakespeare, Fontane, Hoffmann, Tieck, Keller, Lessing, Lichtenberg, Storm.


    Was nicht heißt, dass ich Nicht-Genannte -- Cervantes! Dickens! -- nicht mit Begeisterung gelesen hätte.


    Aber das ist bekanntlich ein weites Feld :smile:

    Zitat von "Steffi"

    von Star Trek gefällt mir am besten Next Generation und DS 9, da habe ich keine Folge verpasst.


    Voyager rules 8-)


    Zitat von "Steffi"

    Und welche Klassiker, außer Raabe, den ich noch nicht kenne, aber ich nähere mich dieser literarischen Zeit langsam an :zwinker: magst du noch besonders ?


    Puh, gute Frage. Zu viele jedenfalls, als dass ich das jetzt einfach so aufzählen möchte. Generell Literatur des 18./19. Jahrhunderts, nicht nur deutsche, auch Dickens, Collins etc., mit einer gewissen Schwäche für triviale bzw. serielle Literatur.

    Zitat von "Leila Parker"

    nun habe ich mich auf die Suche gemacht und fand das Buch bei einem großen Versandbuchhandel. Es ist ein Fotoband unter dem Titel "Vier mal Vier" mit Fotos die Arno Schmidt zwischen 1964 und 1979 in und um Bargfeld gemacht hat. Ein zweiter Band soll folgen.


    Ach, das. Das ist allerdings kein Buch "über Arno Schmidt und Bargfeld", sondern von Arno Schmidt über Bargfeld, Schmidt als Fotograf.


    Ist aber auch ein sehr schönes Buch :smile:


    Das ist übrigens noch ganz normal lieferbar, ist ja erst vor kurzem erschienen (2003).

    Zitat von "Bulkington"

    Auch Giesberts damalige Unlust kann ich mir (da ich weiß daß der Mann nicht doof ist) eigentlich nur so erklären, daß er die Absurdität nicht ertrug, daß die, die beschrieben werden, über ein Buch sprechen, in dem sie beschrieben werden, und es nicht merken.


    Nein, ich fand es einfach nur unsäglich platt & penetrant. Und der von Dir zitierte Satz macht es nicht besser, da wird, finde ich, ein banaler Allerwelts-Gedanke banal formuliert.


    Dann doch lieber gleich Karl May :smile:

    Zitat von "Leila Parker"

    Vor einigen Monaten sah ich einen Foto-Bildband über Arno Schmidt und Bargfeld. An den Autor und Titel kann ich mich nicht mehr so recht erinnern.


    Michael Ruetz: Arno Schmidt, Bargfeld.


    Erschien vor einigen Jahren bei 2001, ein sehr schönes Bildbuch, aber wohl leider vergriffen.

    Zitat von "xenophanes"

    habe Hesse damals (im Gegensatz zu Giesbert) sehr gerne gelesen.


    Hm, mal überlegen, was hab ich damals so gelesen? Siegfried Lenz. Die 3 Bände Bibliotheca Dracula Reprint von 2001 (unglaublich, in diesem lesehungrigen Alter schrecken eine Tausendseitenschmöker wie Melmoth nicht die Bohne). Charles Bukowski. Henscheid. Chandler. Sommerset Maugham. Dostojewski. Jede Menge Edgar Wallace & Agatha Christie. Usw. Also "erzählende Prosa", mit starkem angelsächsischen Einschlag. Meine Lektüre richtete sich wohl nach 2 Dingen: Dem Merkheft von 2001 und dem Katalog des Diogenes-Verlags. Da tauchte Hesse einfach nicht auf ;-). -- Und in der Schule fand ich "Unterm Rad" einfach blöde anbiedernd. Aber Schullektüre ist ja auch so ein Thema für sich.

    Zitat von "Georg"

    Und wenn du der Meinung bist, dass du dich seit deiner Schulzeit nicht mehr weiterentwickelt hast, ist es in Ordnung, die Finger von Hesse zu lassen.


    och, ich hab gelegentlich während des Studiums immer mal wieder versucht, einen sehr kurzen Blick reinzuwerfen, aber ich muss gestehen, dass das stärkste Argument gegen Hesse der transzendentale Augenaufschlag derjenigen war, die ihn mir unbedingt zur Lektüre empfahlen (und wenn man damit beschäftigt ist, Arno Schmidt & Umfeld zu lesen (was ich damals überwiegend tat), dann hat man nicht wirklich viel Zeit für Hesse).


    Irgendwann les ich vielleicht doch mal den Steppenwolf oder Siddhartha (obwohl mich auch da die Rezeption bedenklich stimmt - an ihren Früchten soll man sie bekanntlich erkennen :zwinker: )


    Aktuell les ich allerdings lieber noch einmal "Berlin Alexanderplatz" als erstmals etwas von Hesse.