Beiträge von Rainer

    Hallo zusammen


    Ob Zweigs "Maria Stuart" nun eine Biographie ist oder (wohl weniger) ein historischer Roman, darüber hat sich der Autor, vermute ich, am wenigsten Gedanken gemacht. Ich würde es eher als eine historische Erzählung bezeichnen.
    Aber da sind wir wieder bei den berühmten Schubladen, über die man so trefflich streiten kann.
    Wenn Wahrheit und Dichtung so eng verwoben ist, Stefan Zweig der Wahrheit einen so hohen Stellenwert einräumt wie es einem subjektiven Individuum möglich ist, und durch die Kunst des Dichters eine solche Faszination erreicht wird, wie es bei "Maria Stuart" der Fall ist, dann ist es ganz große Kunst und etwas ganz besonderes!
    Etwas besonderes, weil der Unterschied zu "akademischen" Biographien (Langeweilig, Anhäufung von Fakten und Querverweisen, die nur den Experten interessieren) so eklatant ausfällt, dass der Stellenwert der "Maria Stuart" für den historisch interessierten Laien wie auch für den literarisch interessierten sehr groß ist.
    Stefan Zweig zeichnet uns ein Bild der Maria Stuart, das uns ein Historiker wohl nie hätte zeichnen können. Und darin liegt m.E. auch ein hoher Verdienst! Denn so kurzweilig unterhalten und gleichzeitig belehrt zu werden ist sehr, sehr selten.


    Angenehmes Wochenende
    Rainer

    Ja, Leute,
    ich hab´ keine Ahnung, wie weit ihr seid, aber es wird immer doller im Tollhaus Hollyrood!
    Sowas kann man sich gar nicht ausdenken. Musste gestern weiterlesen, bis mir die Augen zufielen (bis zum Schluss des 14. Kapitels). Unglaublich!
    Shakespeares Anspielungen (wenn sie denn gezielt gemacht wurden!?) im Hamlet b.z.w. Macbeth geben die wirkliche Tragödie Maria Stuarts nur ansatzweise wieder. Die Wirklichkeit ist nicht zu toppen!
    Werd´ mir danach wohl Schillers Maria Stuart vornehmen.


    Rainer

    Hallo zusammen


    Nele schreibt:" ...ich glaube, dass die Moral schon damals durchaus doppelzüngig war ..." (die beiden kleinen Wörter "schon damals" finde ich sehr gelungen) :smile: .
    Stefan Zweig zweig schreibt weiter hinten zur Moral:
    Denn jenes Jahrhundert ist keineswegs moralisch gesinnt und sonderlich heikel wegen eines einzelnen Menschenlebens.


    Gruß
    Rainer

    Hallo zusammen


    Ja, so manche Begebenheit aus dieser Zeit wird uns immer ein Rätsel bleiben. Der Lebensalltag der Angehörigen des Königshofes würde vielleicht etwas Aufschluss geben, einiges ein wenig klarer werden. Neben dem Aufstieg Rizzios, der ja geradezu unglaublich klingt, ist für mich auch sein blutiges Ende schwer nachvollziehbar:
    Lord Patrick Ruthven marschiert in voller Rüstung in ein Souper der Königin und greift sich einen der Gäste (Rizzio), weitere Rebellen kommen hinzu. Wie ist sowas möglich? An einem Königshof! Der König selbst ist zwar Helfer, hat aber bei Hofe selber keinen Rückhalt mehr! Was ist mit den Edelleuten, die mit Maria und Rizzio zusammen waren? Was mit all den anderen, die an so einem Hofe leben? Gab es da nur noch Bothwell und Huntly, die eh nichts ausrichten konnten, weil sie nicht mehr zur Königin vorrücken konnten?
    Wie bei einem Kaffeekränzchen in einem Damenstift, dass von Rowdies überfallen wird! Und nicht wie beim Souper einer Königin in ihrem eigenen Schloss!
    Spätestens hier kam mir der Gedanke, dass Steffi doch nicht so ganz Unrecht haben kann, wenn sie Maria als dumm bezeichnet.
    Aber es kommt ja alles noch viel schlimmer!
    Erika beschrieb Zweigs Haltung zu seinen Titelfiguren als "kritische Sympathie", aber was in Kapitel 11 und in den folgenden zum Mord am König geschrieben wird, grenzt an (Zweigs)Mittäterschaft :zwinker: .


    Stefan Zweigs Erzählweise ist wunderbar. Es wird nie langweilig, wie man es in manch anderen Biographien mit diesem Umfang erleben kann. Ob die eine oder andere Begebenheit nun tatsächlich sich so ereignet hat wie beschrieben, ist m.E. gar nicht mal so wichtig.
    Wenn neben der Freude am Lesen so viel Historie gelehrt wird: Was will ich mehr?


    Rainer

    Hallo


    Ob man tatsächliche Objektivität von jemanden erwarten darf, der eine Biografie schreibt, möchte ich bezweifeln. Speziell im Fall der Maria Stuart von Zweig hab´ ich da so meine Zweifel.
    Ein professioneller Historiker müsste sich dichter an belegbare Fakten halten, ansonsten er von seinen fachkundigen Kollegen demontiert wird.
    Zweig schreibt dicht an der Grenze zur Schwärmerei wenn es um Maria Stuart geht, zumindest sehr wohlwollend. Aber das möchte ich ihm, dem Künstler, gestatten.
    Was aber auffällt, und mich ein wenig irritiert, ist die Art, wie Zweig über die beiden Protagonistinen schreibt. Steffi sprach es bereits an. Und ehrlich gesagt, habe ich eine sollche Reaktion (wie die von Steffi zum Frauenbild) auch erwartet. Zweig´s Frauenbild zu kennen wäre in diesem Zusammenhang sicher interessant.
    Steffi´s "Zickenduell" ist eine sehr gute Beschreibung, wie Zweig mit dem Zwist dieser beiden Frauen umgeht. Von Oben herab, in einer Herr/lichen Art:" Sind doch nur Frauen! Ja, bei Männern, da wär´s ganz anders abgegangen!"
    Dazu nur ein Beispiel (deren gibt es mehrere):


    "Denn trotz ihrem überragenden Format bleiben diese beiden Frauen immerhin Frauen, sie können die Schwäche ihres Geschlechts nicht überwinden, Feindschaften, statt aufrichtig, immer nur mesquin und hinterhältig auszutragen. Ständen statt Maria Stuart und Elisabeth zwei Männer, zwei Könige einander gegenüber, es käme sofort zu scharfer Auseinandersetzung, zu klarem Krieg. ... Der Konflikt Maria Stuarts und Elisabeths dagegen entbehrt dieser hellen männlichen Aufrichtigkeit, er ist ein Katzenkampf, ein sich-Umschleichen und Belauern mit verdeckten Krallen, ein hinterhältiges und durchaus unredliches Spiel."


    Feindschaft: statt aufrichtig, hinterhältig!
    Soll heißen: statt auf die mänliche, auf die weibische Art???
    Wenn Könige sich gegenüber ständen, käme es "zu klarem Krieg"!!!
    Starker Tobak!
    Seh´ ich das jetzt Falsch? Oder zu Eng? Oder habe ich was verpasst?


    So weit, Maria als dumm und naiv zu bezeichnen, möchte ich (noch?)nicht gehen. Die Regierungsgeschäfte lagen bei ihrem Stiefbruder; lernen aus den Tagesgeschäften der Politik war also noch nicht angesagt.
    Für eine Königin grober Leichtsinn!? Wahrscheinlich.
    Das Treffen mit Knox war der Versuch einer friedlichen Lösung! Es war Marias erstes Treffen mit Knox, sie kannten sich bis dahin nur vom hörensagen, waren bis dahin auf Informationen dritter angewiesen. Auf Grund der Wichtigkeit war´s sicher einen Versuch wert.
    Vor Königen/Königinen sind sicher schon ganz andere in die Knie´ gegangen!

    Gruß
    Rainer

    Hallo allerseits


    Ja, ich glaube, dass die Jugendjahre in Frankreich Maria Stuart am meisten geprägt haben.
    Der französische Hof stellte in jenen Jahren einen der glänzendsten und großartigsten der Welt dar.
    Geradezu euphorisch wird die Entwicklung M.S. von Zeitgenossen beschrieben. Aber nur die "höfische" Entwicklung; das, was man von einer Hofdame seiner Zeit an diesem Hofe erwartete.
    Die "Privatperson" bleibt außen vor, mangels geeigneter Zeugnisse. Aus der Beschreibung ihrer Jugend in Frankreich gewinne ich den Schluß, dass es, zumindest bis zur Vermählung mit Franz II., ein recht sorgloses, genießendes Leben war.


    Gruß
    Rainer

    Hallo zusammen


    Steffi
    Nach deinem Beitrag habe ich die Einleitung nochmal gelesen. Ich verstehe es etwas anders. Was die zwei Jahre betrifft, meinst du wohl den Satz: Darum zählen in einer Lebensgeschichte nur die gespannten, die entscheidenden Augenblicke, darum wird sie nur in ihnen und von ihnen aus gesehen richtig erzählt .
    S. Zweig meint wohl, die Ereignisse in diesen zwei Jahren sind so bedeutend, dass die Jahre davor und danach nahezu als bloße Marginalien erscheinen. Historisch gesehen ist es vielleicht so!?
    Immerhin gab er diesen Jahren so viel Raum, dass sie die hälfte des Buches füllen.
    Ich meine, der Versuch, die Komplexität einer Person zu erfassen, die vor mehr als 400 Jahren lebte, ist eh zum Scheitern verurteilt.
    Die Jahre Maria Stuarts in Frankreich sind m.E. recht einfühlsam geschildert, weitere Ausschmückungen gingen sicher zu lasten der Genauigkeit. Andererseits sieht sich Zweig mehr als Künstler denn als Historiker.
    Aber dazu kommen wir sicher noch.


    Bis dahin,
    schöne Grüße
    Rainer

    Hallo Erika,
    und all die anderen :smile:


    Wie schon mehrfach erwähnt: nur kein Stress beim Lesen!

    Meine Ausgabe ist aus dem Fischer Taschenbuch Verlag, 34. Auflage.
    Die beinhaltet eine Einleitung des Autors, eine "Dramatis personae" und eine Nachbemerkung des Herausgebers. Nehme an, das wird in anderen Ausgaben ebenso vorhanden sein.


    Rainer :eis:

    Hi,
    hab´ mich in meinem Profil ja schon als Rock-Fan geoutet. Wohlgemerkt: Rock- nicht Metall oder gar Trash!
    Vorzugsweise Ende 70er, anfang 80er, Led Zeppelin, Deep Purple. Aber auch die Art-Rocker von Yes und Pink Floyd.
    Durch DEEP PURPLE wurde ich auf klassische Musik aufmerksam. Jon Lord, der Tastenmann bei Purple mit klassischer Ausbildung, betrieb in den 70ern die Fusion Rock-Klassik. Eigenkompositionen mit großem Orchester die ich von ihm hörte, verleiteten mich dazu, auch mal "richtige" Klassik zuhören.
    Mit der Zeit wurden es etwa 50 LPs (das sind die großen, schwarzen Dinger, die man früher statt CD gekauft hatte), die mit klassischer Musik bespielt sind. Ab und zu höre ich gern mal in die eine oder andere Platte rein. Im Moment dreht sich bei mir Vivaldi "Die vier Jahreszeiten" auf dem Plattenteller. Steht mir der Sinn mehr nach Düsterniss und Schwere bevorzuge ich Holst "Die Planeten".
    Bei alledem- ich bin weit davon entfernt, ein Kenner klassischer Musik zu sein!


    Schöne Grüße
    Rainer

    Hallo zusammen
    Im Moment steckt wohl der Wurm im Anfang einer neuen Leserunde :zwinker:
    Deshalb hab´ ich einfach mal angefangen.
    Heute "Maria Stuart" in der Buchhandlung besorgt, mich in die wirklich gemütliche Leseecke verzogen und bei einer Tasse Kaffee die Einleitung gelesen.
    Es wurde etwas mehr als nur die Einleitung!
    Wenn die letzten 400 Seiten halten, was die ersten 70 versprechen, dann wird´s (zumindest für mich) eine kurzweilige Angelegenheit!


    Schöne Grüße
    Rainer

    Hallo zusammen


    Hi, Steffi,
    Maugham wurde von Mira schon mal vorgeschlagen, im Okt. 2002.
    Siehe unter "Lesevorschläge".


    Gruß
    Rainer

    Hallo Steffi und alle anderen


    Ich bin hier :zwinker:
    Hab´mir nach Ulysses meine "Per Anhalter durch die Galaxis" Bände vorgenommen- hatte ich schon ewig vor!
    Noch ´n paar Seiten, und ich bin für Vorschläge wieder offen :smile:
    "Effi Briest" hatte ich bereits gelesen.
    Du, Steffi, hattest u.a. Shakespeare vorgeschlagen. Dafür bin ich immer zu haben!
    Steffan Zweig mit "Maria Stuart" steht auf der Liste, auch nich´ schlecht. Müsst ich mir aber erst noch besorgen.
    Ich lasse mich gern von Vorschlägen überraschen (hab´ ich eigentlich schon mal einen Vorschlag gemacht?), andererseits möchte ich W.S. Maugham "Der Menschen Hörigkeit" in den Ring schmeißen. Wurde vor einer Weile schon mal vorgeschlagen. Allerdings kein dünnes Bändchen!
    Also, jetzt mal Butter bei die Fische! Ich warte die nächste Woche ab. Sollte Zweig gelesen werden, bin ich dabei.


    Rainer :eis:

    Hallo zusammen


    Ich bin sicher, jedes Buch verändert mich ein wenig, ein ganz klein wenig, wahrscheinlich verschwindent wenig. Aber immerhin!
    Da ich ein soziales Wesen bin, mit all seinen möglichen Interaktionen, bin ich wahrscheinlich auch in der Lage ein wenig, wahrscheinlich verschwindent wenig, die Welt zu verändern :smile:
    Der erste Flügelschlag eines Schmettelings im Amazonasbecken fand vielleicht vor unendlicher langer Zeit statt. Ich bin möglicherweise der millionste Falter in einer Reihe von Billionen Faltern, der einen Stups von seinem direkten Vorgänger bekommt und diesen weitergibt an den Schmetterling, der nach mir kommt.
    Und eines Tages flattert einer unserer Nachfahren über diesem gewaltigen Staudamm und denkt sich:"Schau an! Ohne Rainer wär´ ich jetzt nich´ hier!"
    Aber wir lassen den Staudamm heile!
    Und in irgend einem Forum heißt es dann:" Seht! Ihr mit euren Zitronenfaltern! Nix passiert! Wust´ ich doch!"


    :zwinker: :zwinker: :zwinker:


    Rainer :bang:

    Hallo nochmal!
    Was vergessen!


    In meiner ganzen Unbedarftheit hab´ ich im Ulysses keine besondere Sinnlichkeit entdecken können. Womit ich nicht meine, dass da keine ist: ich sehe sie nur nicht!
    Über Empfindungen kann man nicht streiten. Enweder man hat besondere Empfindungen, oder man hat sie nicht.


    Rainer

    Hallo zusammen


    @ Fevvers
    Bin vielleicht leicht ins Straucheln geraten, war aber nie in "Gefahr" :zwinker:


    Nun, das letzte Kapitel hab´ ich seit einigen tagen hinter mir und bei diesem hatte ich keine Schwierigkeiten. Eine vom Leben sich vernachlässigt fühlende Frau gibt deutlich Laut. Ohne Punkt und Komma! Das passte!


    Was bleibt?
    Ich kann sagen: "Ulysses! Kenn´ ich!"


    Wieviel davon verstanden?
    Wenn ich die genaue Antwort wüsste, wäre ich schlauer als ich´s tatsächlich bin.
    Mit Hilfe eurer Navigation bin ich allerdings einigermaßen auf Kurs geblieben und konnte so einen mir angemessenen Teil mitnehmen :smile:


    Schöne Grüße
    Rainer

    Hallo zusammen


    Ich frage mich wirklich, wie die Beiträge in dieser Leserunde aussehen würden ohne Internet-Recherche, sek. Literatur, Biographien und ähnliche weiterführende Bücher.
    Dabei komme ich auch zu der Frage, wie Bücher wie "Ulysses" einzuordnen sind, die eigenständig, also ohne diese oben genannten Hilfsmittel, gar nicht lesbar sind- zumindest für mich!
    Eine eigene Kunstform? Vielleicht! Aber für mein Empfinden so weit vom "Roman" entfernt wie das "Tabellenbuch der Elektrotechnik"!
    Sicher übertrieben, aber ich möchte provozieren :zwinker:


    Gruß
    Rainer

    Hallo zusammen


    Ja,
    auch T. Fontane übersetzte Shakespeare. Laut einem Klappentext erfuhr die Öffentlichkeit erst nach seinem Tot von der Existenz dieser Jugendarbeit (Hamlet).


    Gruß
    Rainer