Beiträge von Volker

    das freut mich, Big Ben, und es zeigt mir, dass bei mir (leider offenbar) doch mehr mit dem Holzhammer gearbeitet werden muss. Ich fand die Sticheleien und Seitenhiebe im ersten Teil eher sanft; habe manche vielleicht gar nicht bemerkt(?!).

    zu Big Ben: Man MUSS es vielleicht nicht lesen. Die erste Hälfte war auch für mich,- wie für Zefira,- zeitweise eine Durststrecke. Es wird aber immer besser und wenn man dann danach ein Glas voll Segen liest rundet sich das Bild einer doch sehr eigenständigen, interessanten ironisch-sarkastischen, aber auch toleranten, liberalen Schriftstellerin. Ein Glas voll Segen fand ich lebendiger, farbiger. Das kann aber auch damit zusammenhängen, dass "Kindern" bunte Glasperlen besser gefallen als noh so raffiniert kombinierte Grautöne (Tee und die Geistlichkeit kommen auch hier nicht zu kurz, Giesbert!). Jetzt ist mir wieder Fontanes vor dem Sturm "in die Hände gefallen". Das ist denn doch wie Heimkehr.....Werde es, fürchte ich, wieder ganz lesen. Danach WIEDER Stechlin??

    Mit großem Interesse verfolge ich das hier. Leider bin ich nicht in der Lage, auf dem Niveau mitzudiskutieren ((zum kleineren Teil liegt das daran, dass ich das Buch (noch) nicht gelesen habe und die Mehrzahl der Rezensionen)). Was ich aber gerne mal loswerden würde, ist: Ich bin begeistert, wie zivilisiert die Diskussion hier in dem außerordentlich verminten Gelände abläuft. Das hat mir schon bei Munin gefallen.

    Nachtrag für Giesbert: Wenn Du nochmal in den Don Quichote einsteigen und Freude daran haben willst, dann lies zunächst mal die Fortsetzung. Die war für mich die "Beglaubigung" für die Genialität Cervantes. Danach liest man den ersten Teil anders. Die eingefügten Novellen hab ich beim zweiten Mal übersprungen. Ein sehr guter Einstieg für mich wäre Thomas Manns Meerfahrt mit Don Quichote gewesen, aber die habe ich erst danach in einer wunderbar illustrierten Ausgabe gelesen (Fotos der Schiffe, mit denen er den Antlantik überquert hat mit deren technischen Daten und kurzer Geschichte).

    Danke, Zefira und Giesbert,, für die Einblicke, die Ihr gebt. So ähnlich ging es mir vor Jahren mit der Strudlhofsteige auch. Ich merkte, dass es etwas sehr Gutes war, aber es wurde mir (zu) schwer. So war es auch bei Musil. Der Zauberberg, Giesbert, den ich erst mit etwa 40 Jahren gelesen habe, öffnete mir erst die Tür zum "richtigen" Lesen, vielleicht hat mich der dabei erhaltene Schwung dazu "befähigt", Joseph...zu lesen(?). Aber warum zweimal? Was ich ganz bewundernswert fand, war, dass Th. M. aus einer sehr kompakten Geschichte der Bibel einen "so dicken Wälzer" herausspinnen konnte, ohne dass ich damals an irgendeiner Stelle gelangweilt war. Ganz grandios fand ich, wie er die "Liebespein" der Frau Potiphars ins fast unerträgliche steigert, bis zum " schlafe mit mir". Ob ich es heute nochmal lesen könnte? Ich weiß es nicht. Es wäre mir vielleicht zuviel (deutlich merkbare) "Kunst" nach der (scheinbaren?) Selbstverständlichkeit, die ich an Fontane so liebe und die er bei den Buddenbrooks auch noch hatte.

    über Eure Leselisten und überhaupt über Eure Ernshaftigkeit bin ich voller Bewunderung. Das hat wohl auch dazu geführt, dass einige von Euch Germanistik studiert haben(?). Ihr seid alle Respektpersonen für mich, der ich erst mit etwa 40 Jahren angefangen habe, "richtig" zu lesen. Allerdings fast ausschließlich abends im Bett und auf der langen Zugfahrt von und zur Arbeit. Immer ganz unsystematisch. Allerdings hatte ich vor, und habe das auch gemacht, einige große Werke der Weltliteratur zu lesen, wie die Recherche von Proust (zwei bis dreimal), den Don Quichote dreimal, Tristram Shandy zweimal, Joseph und seine Brüder zweimal. Mit dem Ulisses und dem Mann ohne Eigenschaften bin ich nicht ganz klargekommen, obwohl ich in beiden Vieles gefunden habe, was mich "angesprochen" hat. Dann habe ich natürlich noch alles Mögliche gelesen; quer durch den Garten. Lange habe ich mich mit Schopenhauer beschäftigt und fast alles von ihm gelesen. Er wurde mein Guru. Wenn man selbt in einer schwierigen Phase ist, "zieht er einen nicht runter", wie einige offenbar vermuten, sondern man findet einen Verwandten, mit dem zusammen man durch Nebel und Unbill gehen kann. So ist es mir gegangen. IDas ganz Großartige an Schopenhauer ist, dass er sich kaum von irgendeiner Ideologie vereinnahmen lässt. Ich freue mich SEHR, Euch (wieder)gefunden zu haben, Es kann aber gut sein, dass ich mich nochmal ausklinke, hoffentlich nicht ohne Rückkehr.

    Nach den vortrefflichen Frauen habe ich jetzt auch ein Glas voll Segen von Barbara Pym gelesen, der Empfehlung von finsbury folgend, was ich auch in diesem Fall nicht bereut habe. (Der Titel geht auf eine Gedichtzeile zurück). Man begegnet ganz kurz Rocky wieder und die Zeit, in der die Ich-Erzählerin Wilmet, ihr Mann Rodney und Ihre Freundin im Krieg in Italien bei der Navy waren, scheint immer wieder mal als gute alte Jugendzeit auf. Auch das kirchliche Umfeld mit Pfarrern, Gottesdiensten und Gemeindeabenden und mausgrauen Frauen ist geblieben. Aber im Ganzen fand ich das Buch farbiger, "witziger" und kurzweiliger, vor allem in der zweiten Hälfte.

    Wilmets Mann ist Ministerialbeamter, die beiden leben in recht guten, gesicherten Verhältnissen im Hause der zunächst noch ledigen Schwiegermutter, die die "lebendigste" der drei ist. Als "Belohnung" bekommt sie am Schluss auch noch einen brauchbaren Mann und die jungen Leute müssen sich ein Haus suchen. Wilmet ist nicht direkt unzufrieden in der Ehe aber ihr ist doch etwas langweilig (ihrem Mann geht es ebenso, aber das erfährt sie, für sie überraschend, erst spät). Um es ein wenig prickelnder zu haben , peilt sie Piers, den gutaussehenden, gelegentlich charmanten, aber launischen, beruflich nicht sehr erfolgreichen (Fahnenkorrektor und VHS-Dozent) Bruder der Freundin an. Das Interesse wird offensichtlich und zur Freude Wilmets erwidert. Das ist eine LOGISCHE Schwachstelle der Handlung DRAMATURGISCH ABER UNVERZICHTBAR, denn es stellt sich heraus, dass Piers schwul ist. Wie das "langsam entwickelt wird" und wie das Verhältnis der beiden Männer und dann auch das von Wilmet zu den beiden dargestellt wird, ist, ja, das ist nicht zu hoch gegriffen, genial. Die einschlägigen Vokabeln fehlen gänzlich, alles läuft "normal" mit Respekt, Toleranz, ja Sympathie, ab. (Die beiden schönen Männer haben sich "gesucht" und gefunden). Auch in den Nebensträngen bekommt jeder sein Glas voll Segen: Mary, graue Maus und vortreffliche Frau im Kirchenumfeld mit Erbschaft bekommt den gutaussehenden jungen Pfarrer, der seinerseits eine Pfarrstelle bekommt. Bason (wohl auch schwul), der im Ministerium nicht zu halten war, weil er bei schönen Dingen die Hände nicht bei sich behalten konnte und den Jadebuddha einer Beamrin an sich nahm, später immer wieder mal das FabergéEi vom Pfarrer auslieh, wird Angestellter in einem Antiquitätengeschäft. Das späte Glück der Schwiegermutter wurde schon erwähnt. Wilmet merkt, dass auch sie es nicht schlecht getroffen hat. Es gibt viele sehr schöne Beobachtungen und ironische Anspielungen. Schön zu lesen!

    ob ich es fertigbringe, weiß ich noch nicht. Ich möchte hier einen Link zu einem Artikel in der FA Z setzen, der sich mit dem neuen Roman von Monika Maron, der Trennung vom S.- Fischer-Verlag und mit ihr selbst befasst: https://www.faz.net/aktuell/fe…onika-maron-16895836.html

    Na, dass scheint ja sogar geklappt zu haben(?)

    Ergänzung: Ich merke an mir, wie ich - wenn man die bisher üblichen Kategorien anwendet - immer mehr nach rechts drifte. Es ist eine schwirige Zeit, in der es schwer fällt, überzeugende, in sich stimmige Einsichten zu gewinnen.

    Stechlin und vor dem Sturm habe ich aus den von Euch genannten Gründen mehrmals gelesen. Ein Mal kurz hintereinander. Dabei hat sich mir eine ganz merkwürdige Parallelirät beim "Personal", ja, ich muss schon sagen "aufgedrängt": Der alte Dubslav und der alte Bernd, die Domina von Wutz und die hochgestochene Schwester von Bernd (Namen müsste ich nachgucken) Woldemar und der Sohn vom Bernd, es gibt auch parallele " Nebenrollen", die mir leider nicht mehr so gegenwärtig sind. Ich fand es verblüffend. Es gab sogar Handlungsparallelen, soweit man beim Stechlin von Handlung sprechen kann (die Armut an spektakulärer Handlung ist ja mit das Schönste beim Stechlin)

    Zefira, Du musst - glaub ich - ab und zu mal aus Deinem Korstt rausspringen und ein bisschen Sponti sein. Wenn der Doderer Dir hier von allen Seiten serviert wird und Du hast Lust drauf, solltest Du Deine Liste warten lassen. Die Umwege und Abschweifungen sind meist sowieso das Beste.

    Dann könnte ICH ja beruhigt sein, aber, sei unbesorgt, ich werde Dich nicht Mädel nennen, dafür hab ich viel zu viel Respekt vor Dir. Jetzt nochmal nachgehakt: Ist das Wort hiesig in Österreich noch in "normalem" Gebrauch?

    Treibt die Hiesige eigentlich auch in Österreich ihr (Un?)wesen? Schön zu erfahren, dass der dösige Deutsche einen dasigen Bruder dort hat.

    Zefira, hat(te) hiesig auch in Hessen ein Geschmäckle? In meiner Kindheit im Westerwald hat man das nach meiner Erinnerung nicht geschmeckt. Wenn ich aber nachdenke: Ob ich es in 10 Jahren im Oberbergischen, in 10 Jahren in Berlin und in über 50 Jahren in der Pfalz nochmal gehört habe, kann ich nicht sicher sagen.

    Kleine Kostprobe aus "meine Ķinderjahre" (zugegeben, eine BESONDERS schöne Stelle):

    Vater und Sohn spielen eine Szene aus den napoleonischen Kriegen nach:

    "Kennst Du Latour d'Auvergne?"...

    "Gewiss, er war le premier grenadier de France".

    "Gut, Und weißt Du auch, wie man ihn ehrte, als er schon tot war?"

    "Gewiss".

    "Dann sage mir, wie es war."

    "Ja, dann musst Du aber erst aufstehen, Papa, und Flügelmann sein; sonst geht es nicht."

    Und nun stand er auch wirklich von seinem Sofaplatz auf und stellte sich als Flügelmann der alten Garde militärisch vor mich hin, während ich selbst, Knirps, der ich war, die Rolle des appellabnehmenden Offiziers spielte. Und nun, aufrufend begann ich:

    " Latour d'Auvergne!"

    "Il n'est pas ici.", antwortete mein Vater in tiefstem Bass.

    "Ou est-il donc?"

    "Il est mort sur le champ d'honneur".

    Es kam vor, dass meine Mutter diesen eigenartigen Unterrichtsstunden beiwohnte - nur das mit Latour d'Auvergne wagten wir nicht in ihrer Gegenwart - und bei der Gelegenheit durch ihr Mienenspiel zu verstehen gab, dass sie diese ganze Form des Unterrichts, die mein Vater mit einem unnachahmlichen Gesichtsausdruck seine "Sokratische Methode" nannte, höchst zweifelhaft finde.

    Jaqui, ja, Fontane wunderbar. Stechlin ganz herrlich. Wenn Du noch was Schönes außerhalb seiner berühmten Romane lesen willst, dann versuchs mal mit meine Kinderjahre und von 30 bis 40 (Titel aus der Erinnerung). Was Besseres kann man sich nicht antun.

    edit wg. Tippfehlern müsste ich auch machen. Habs aber nicht hingekriegt: SIBYL UND DIE ÜBERSCHRIFT LITTLE GRANDMA UND ANDERE.

    Kleine Ergänzung zur Little Grandma:

    Zefira, ER war ja immerhin lernfähig, hat sich sehr beknirscht, aber ganz konnte er die Scharte nicht auswetzen. Alle vier Schwiegersöhne hatten einen schweren Stand, wie aus dem Text hervorgeht, schon weil sie die Töchter daran hinderten, zu dem zu werden, was sie ohne sie hätten werden können.

    Im Netz lese ich, dass "Manfred Flügge in seinem Buch, das Jahrhundert der Manns, meint:

    Thomas Mann schrieb Jahre später (ca. 20J. Einfügung von mir) ein etwas herablassendes Portrait über die Ur-Feministin, nannte sie Little Grandma und nahm sie als Autorin nicht sonderlich ernst." Letzteres ist zutreffend, aber, dass das Portrait herablassend wäre, ist ganz und gar nicht der Fall. Mich wundert sehr, wie ein namhafter Schriftsteller so am Kern der Sache vorbeilesen konnte: Der gesamte Text zeugt von Hochachtung vor der Persönlichkeit und Zuneigung, ja Liebe. Dass dabei ironisch über kleine Eigenheiten und Schwächen geschmunzelt wird, hat mit Herablassung nichts, aber auch gar nichts zu tun.

    Es lohnt sich sehr, den Text (Little Grandma) zu lesen, auch wg. des gesamten kulturellen und gesellschaftlichen Umfelds

    Hab den Text von Thomäs Mann gefunden, in dem er der Großmutter seiner Frau ein würdiges Denkmal setzt. (leider unter den Würdigungen in Wikipedia nicht aufgeführt.

    Überschrift:

    "Lttle GrLitlandma"

    "Ĺittle Grandma war nicht meine little Grandma, aber sie wurde es gewissermaßen, da ich ihre Enkelin heiratete............Es war eine der denkwürdigstn Bekanntschaften meines Lebens, vielleicht die denkwürdigste. Der Zauber von Little Grandmas Erscheinung und Persönlichkeit war unbescheiblich......Ihre Enkelin und ich erwarteten damals unser erstes Kind und ich hatte dem Wunsche Ausdruck gegeben, es möchte ein Knabe sein......es sei mit einem Mädchen doch keine rechte ernsthafte Angelegenheit. Diese schreiend unreife Äußerung war Little Grandma leider hinterbracht worden........." Er musste sich"rechttfertigen". "Es war keine Kleinigkeit. Ich habe nie einen schwereren Stand gehabt. Von Rechtfertigung konnte natürlich keine Rede sein, sondern nur von reuiger Zurücknahme und Deprekation."

    Diese Schwieger-Großmutter ist bekanntlich eine große Vorkämpferin der Gleichberechtigung gewesen.

    Sie versprach sich sehr viel vom technischen Fortschritt; von der Befreiung von der Sklavenarbeit bis zum Weltfrieden. Das führt Thomas Mann sehr schön aus. Sie verstand aber nichts von der Technik, auch das bescheibt Th. Mann und jetzt folgt die herrliche Stelle, an die ich mich erinnerte: "und schraubte jemand eine Glühbirne ab, so konnte sie zur Erheiterung der Jugend warnen: Was tust du? Du lässt ja die gute Elektrizität ausströmen!"