Beiträge von finsbury

    Da werden Erinnerungen wach ... mein großer Bruder hatte eine TB-Ausgabe "für die Jugend", die ich gelesen habe, als ich ungefähr zehn war, evtl. auch noch jünger.
    Ich weiß nicht, ob es mir damals schon auffiel, jedenfalls erinnere ich mich, dass mir - damals oder evtl. später - doch erhebliche Zweifel an einer solchen Verwechslung kamen. Mit einem einfachen Kleidertausch ist es wohl kaum getan. Haare, Fingernägel ... na ja. Beeindruckt war ich trotzdem.
    So lange es her ist, ich habe noch den Satz im Kopf: "Eines Morgens stand Tom hungrig auf und verließ das Haus mit knurrendem Magen."

    Das denke ich auch: Die Verwechslung ist etwas an den Haaren herbeigezogen. Denn die Bediensteten hätten ja den Prinzen mit dem Jungen zu seinen Zimmern laufen sehen und sich später über diesen Umstand Gedanken gemacht . Und sie kennen den Prinzen von klein auf in jedem Detail. Aber so ist nun mal Romanliteratur ..., gerade im Jugendbereich.

    In meiner Übersetzung lautet der von dir erinnerte Satz zu Beginn des 3. Kapitels: "Tom erhob sich hungrig, und hungrig machte er sich davon."

    Ich kenne ihn nur als wichtigen niederländischen Roman, habe ihn aber noch nicht gelesen. Von Multatuli habe ich hier noch die "Minnebriefe" stehen, aber nicht gelesen, die ich mal von irgendeinem Krabbeltisch gegriffen habe.

    Ich habe derweil einen weiteren Klassiker der Jugendliteratur für den 1880er Zeitraum gelesen, Mark Twains Roman "Der Prinz und der Bettelknabe". War unterhaltsam, aber nicht weltbewegend.

    Mark Twain: Der Prinz und der Bettelknabe (1881)


    Mark Twains (d.i. Samuel Langhorne Clemens, 1835-1910) historischer Roman behandelt eine angebliche Verwechslung des jungen Prinzen und nachmaligen Königs Edwards VI. von England, Sohn Henrys VIII., mit einem Betteljungen, wonach beide für längere Zeit in den angenommenen Rollen bleiben müssen.


    Inhalt

    Tom Canty lebt in einem Armenviertel Londons als Sohn eines Säufers, Diebes und Schlägers mit seiner Mutter, seinen beiden Schwestern und der ebenfalls gewalttätigen Großmutter von Bettelei. Nur der dort ebenfalls lebende Vater Andrew, ein ehemaliger Mönch, der Heinrichs Klosterauflösung zum Opfer fiel, kümmert sich um die Bildung des Jungen, bringt ihm Lesen, Schreiben und ein wenig Latein bei. Außerdem leiht er ihm Bücher insbesondere über die Geschichte der englischen Könige. Tom träumt sich in die Rolle eines königlichen Prinzen hinein und spielt mit den Kindern seines Viertels entsprechende Rollenspiele. Als er eines Tages sehnsüchtig am Parkzaun des Westminster-Palastes entlangstreift, wird er von der Wache festgenommen, aber von Prinz Edward befreit, der wegen dieser Übergriffigkeit seiner Soldaten erbost ist. Er nimmt Tom mit in seine Zimmer, die Jungen tauschen zum Spaß ihre Kleidung und erkennen beim Blick in den Spiegel, dass sie sich extrem ähnlich sehen. So kommt es, wie es kommen muss. Als der Königssohn in Toms Kleidung hinunter zur Wache eilt, um sich wegen eines Schlags auf Toms Hand zu beschweren, wird er von den Soldaten weggejagt. Tom dagegen halten die adeligen Bediensteten für Edward und sind sehr besorgt, dass dieser plötzlich wahnsinnig geworden sei, weil er sich an keine Umstände seines Lebens erinnert und ständig behauptet, der Betteljunge Tom zu sein. Sie versuchen dies aber gegenüber der Öffentlichkeit zu verbergen, und Tom lernt mit den Wochen dazu, so dass er unauffällig sein Amt versehen kann, obwohl er zunächst gerne zu seinem früheren Status zurückkehren würde. Der König stirbt und der „Prinz“ wird nunmehr auf seine Krönung vorbereitet.


    Währenddessen lernt Edward die Härten des Lebens der Armen kennen, wird von seinem angeblichen Vater geschlagen, soll zum Betteln gezwungen werden, kann ihm aber entfliehen und lernt dabei den adeligen Soldaten Miles Hendon kennen, der sich fortan um ihn kümmert und ihm auch seine Rolle als Prinz gönnt, auf der Edward hochfahrend besteht. Hendon nimmt Edward nach allerlei Abenteuern mit in seine Heimat, die er jahrelang aufgrund seiner Soldatenkarriere nicht gesehen hat, doch im Herrenhaus regiert jetzt sein jüngerer Bruder, ein Bösewicht, der Vater und ältere Bruder sind gestorben. Dieser jüngere Bruder hat Miles‘ Jugendliebe geheiratet und bringt sie wie die Dienerschaft unter Drohungen dazu, Miles‘ Existenz zu leugnen. Dieser wird sogar mit Edward ins Gefängnis geworfen, nach einer Prügelstrafe aber wieder frei gelassen. Beide kommen rechtzeitig zur Krönung in London an, um ihre jeweiligen Identitäten einzuklagen. Sie verschaffen sich Zugang zur Krönungszeremonie, Edward kann mit Toms williger Hilfe seine Identität klären und wird nun richtig gekrönt. Aufgrund seiner Erfahrungen der Armut und Hilfsbedürftigkeit, auch der Willkür von Verwaltung und Justiz wird Edward VI. in seiner kurzen Regierungszeit ein milder König, der einige Reformen anstößt, aber aufgrund seiner Minderjährigkeit und seines frühen Todes nicht viel erreichen kann. Miles und Tom werden in ihrem Rang erhöht und führen ein glückliches Leben.(Auf Edward folgte die katholische Maria, die Tochter aus der ersten Ehe Heinrichs, die unter dem Namen „Bloody Mary“ berüchtigt wurde, das gehört aber nicht mehr zum Inhalt des Romans.)


    Stil und meine Meinung

    Der Roman wird linear, aber mit Perspektivwechseln zwischen den beiden Protagonisten in der Er-Perspektive erzählt, ist auch für Kinder und jugendliche Leser gedacht, bei denen allerdings einiges an Kenntnissen der englischen Geschichte und Gesellschaftsstruktur vorausgesetzt wird. Twain erzählt hier „englischer“ als in seinen berühmten Romanen um Tom Sawyer und Huckleberry Finn, ist stark darum bemüht, in fast dickensscher Weise die Armut und ungerechte Behandlung der unteren Bevölkerungsschichten zu schildern. Der Roman ist spannend und farbig erzählt und in meiner Ausgabe (Insel-Taschenbuch Werkausgabe in zehn Bänden) mit zahlreichen zeitgenössischen Illustrationen geschmückt.


    Mir persönlich gefallen Twains amerikanische Romane und seine Reiseerzählungen besser, aber gut unterhalten habe ich mich allemal gefühlt.

    Zustimmung. Vom inzwischen fast 65jährigen.

    Und das scheint mir ein Grund zu sein, warum Wiederlektüren öfters enttäuschend sind.

    Es ist der Wunsch, ein Madeleine-Erlebnis zu erfahren. Was dann nicht klappt.

    Das gilt wohl für die ganz frühen Lektüren. Aber so ein Leserleben ist ja lang ... . Und das, was man so ab Mitte zwanzig gelesen hat, behält - für mich zumindest - bei einem Reread meist seinen Wert.

    Zu Hardy habe ich nie den richtigen Zugang gefunden. Am ehesten hat mir noch "Der Bürgermeister von Casterbridge" gefallen, aber nicht vergleichbar mit anderen englischen AutorInnen, die ich mag.

    Seine Art zu schreiben erinnert mich eher an die großen französischen Realisten. Ist also keineswegs eine Wertung, sondern nur Geschmackssache

    Den Lese-Alzheimer kenne ich auch! Je länger eine Lektüre her ist, aus der Jugend oder jungen Erwachsenenzeit, desto besser erinnere ich mich, aber viele in den letzten dreißig Jahren gelesenen sind mir aus dem Gedächtnis gewichen, allerdings vor allem Unterhaltungsliteratur, weil ich zu denen nichts schreibe. Schreiben hilft mir wirklich, mich besser zu erinnern.

    Zefira, ich kann gut nachvollziehen, was dich zu den Zweitlektüren treibt. Bei mir soll der Anteil auch höher werden, aber ich habe auch noch so viele ungelesene "Klassiker" (dem Alter nach) in meinen Regalen, dass die Zweitlektüren sich doch in Grenzen halten. Und meine geliebtesten Romane sind allesamt dicke Brummer: die Dostojewskijs, Doderers, Stifters, Thomas Manns, Dickens, Tolstois usw. usw. Da geht schon viel Zeit flöten, wenn auch in angenehmster Gesellschaft.

    Ja, das ist ein Problem! Wahrscheinlich würde er heute auch den Kickl gut finden. Ach, es ist schon schade, wenn solche genialen Autoren politisch so kurzsichtig und undemokratisch sind.

    Ich musste auch direkt an den "Herrn der Fliegen " denken, als ich das Thema des Verne-Romans erlesen habe. Aber das sind eher Antagonisten, diese beiden Romane. In Verne geht es darum, wie Zivilisation trotz Gefährdung auch in einer kleinen Gruppe sehr junger Menschen entstehen kann, und in Goldings Roman, den ich aber noch nicht , sondern nur über ihn gelesen habe, scheint ja genau das Gegenteil thematisiert zu werden, wie sich eben kaum erlernte Zivilisation auflöst und einem aggressiven "Natur"zustand weicht.

    Jules Verne: Zwei Jahre Ferien (1888)

    Dieser Roman um eine Gruppe von Jugendlichen und Kindern des berühmten französischen Romanciers Jules Verne 1828-1905) ist eine Robinsonade, wie auch einige andere Bücher des Autors (z.B. Die Schule der Robinsons, 1885).

    Inhalt:
    1860 schiffen sich 15 Jungen zwischen acht und vierzehn Jahren des Internats Chairman, Auckland, Neuseeland, in den Sommerferien als Belohnung für ihre guten schulischen Leistungen auf dem Schoner „Sloughi“ ein, um eine Rundtour um die beiden neuseeländischen Inseln zu machen. Am Abend vor dem Start sind die Kinder allein auf dem Schiff, da die Mannschaft sich noch einen feuchtfröhlichen Abschiedsabend an Land macht. Durch einen zunächst ungeklärten Vorfall löst sich das Schiff von der Mole und treibt in den offenen Pazifik ab. Ohne einen Erwachsenen an Bord müssen die Jungen einen mehrtägigen Sturm aushalten, der sie schließlich an ein unbekanntes Ufer wirft. Selbst unbeschadet müssen die Jungen den Verlust des zertrümmerten Schiffes hinnehmen, können aber das Wrack ausräumen und auch alles retten, was ihnen das Überleben leichter macht, neben Konserven vor allem Kleidung, Waffen und Baumaterial.

    Die Jungen erkunden das Land und müssen nach einiger Zeit des Erforschens feststellen, dass sie auf einer zwar großen, aber unbewohnten Insel gelandet sind, von der aus man nur in weiter Ferne weiteres Land vermuten kann. Dennoch bietet ihr neuer Lebensraum alles, was das Überleben möglich macht: Es gibt einen großen See in der Inselmitte, zahlreiche Tiere, essbare Pflanzenteile und sie finden eine Höhle in der Nähe des Sees, die von einem früheren schiffbrüchigen Franzosen angelegt worden war, der auch eine Karte und Aufzeichnungen hinterlassen hat.

    Das Leben auf der Insel wird durch die harten Winter beeinträchtigt, da die Insel, wie die Jungen richtig vermuten, vor der südwestlichen Küste Südamerikas, also im Einzugsgebiet antarktischer Luftströmungen, liegt. Mehr noch leidet die Gemeinschaft unter der Rivalität unter zwei älteren Mitgliedern der Gruppe, dem stolzen, aus einer reichen englischen Familie stammenden Boniphan und dem französisch stämmigen Briant, den Jules Verne seinem jugendlichen Freund und späteren französischen Ministerpräsidenten Aristide Briand nachgezeichnet hat. Briant und sein drei Jahre jüngerer Bruder Jacques tragen neben dem 14jährigen Amerikaner Gordon und dem Schiffsjungen Moko viel zum Überleben auf der Insel bei.

    Im zweiten Jahr landet eine Schaluppe voller Piraten an der Ostküste der Insel, und die Jungen müssen diese mithilfe zweier erwachsener Gefangener, die sich aus der Gewalt der Piraten befreien konnten, besiegen, da die Piraten ihre Schaluppe mit den Vorräten der Jungen reparieren und beladen und dafür die Kinder töten wollen. Es gelingt, die Feinde zu beseitigen. Nach der Reparatur der Schaluppe reist die Gruppe Richtung Südamerika, begegnet auf dem Weg einem australischen Dampfer, wird von diesem nach Auckland zurückgebracht und von den Eltern und der ganzen Stadt, die sich das unerklärliche Verschwinden der Jungen nie erklären konnte (Jacques hatte aus Spielerei die Taue gelöst) , begeistert wieder in Empfang genommen.


    Stil und meine Meinung

    Der Roman ist von seiner Thematik und seinen Protagonisten her ein typischer Jugendroman. Allerdings benutzt Verne wohl in der Originalausgabe sehr viele botanische und zoologische Fachbegriffe, was die Lektüre einer unbearbeiteten Ausgabe für Jugendliche etwas anstrengend machen könnte. Ich habe mir meine Ausgabe auf einem Bücherflohmarkt in Frankfurt an der Oder gekauft, wo Bestände der Stadtbibliothek veräußert wurden. Diese Ausgabe verzeichnet keinen Übersetzer und ist bearbeitet, so dass ich keine Schwierigkeiten mit lateinischen Fachbegriffen hatte. Dennoch finde ich, dass dieser Roman einer der schwächeren von Verne ist, weil er sich einerseits minutiös mit dem Aufbau einer sowohl materiell als auch sozial funktionierenden Kleinstgesellschaft beschäftigt, was sicher interessant ist, aber wenig für Spannung sorgt. Auch der Konflikt zwischen Boniphan und Briant und der Sieg über die Piraten werden zu wenig ausgeführt, als dass sie für atemlose Spannung sorgen. Zusätzlich machen einige Bemerkungen zum Umgang mit Moko, der als Farbiger kein Mitspracherecht hat und ganz selbstverständlich mit dienenden Aufgaben betraut bleibt, dem heutigen Leser wenig Freude. Kann man lesen, aber es gibt Besseres von Verne.

    Vult, darüber haben wir weiter oben etwas diskutiert: Gustav Meyrink, der Prager Autor, der den "Golem" geschrieben hat, übersetzte sechs Romane bzw. Erzählbände von Dickens, u.a. den Copperfield. Ich finde diese Übersetzung, ohne das englische Original zu kennen, in sich stimmig und auch heute noch gut zu lesen. Die Ausgabe von Melanie Walz ist noch irre teuer. Für mich ist auch immer die Frage, ob es einem älteren Roman immer so gut tut, ihn auf ein zeitgemäßeres Sprachniveau zu bringen. Der Roman stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, da kann eine Übersetzung ruhig auch ein bisschen "altmodisch" sein, solange sie nur den Geist der Vorlage nachempfindet und natürlich dicht an der Vorlage bleibt.

    Nun habe ich eine Schnitzler- Biogafie gelesen, die mich etwas ratlos zurücklässt.


    Hartmut Scheible: Schnitzler (Rowohlts Bildmonografien, 1976)


    Inhalt

    Arthur Schnitzler wurde 1862 in Wien als Sohn des jüdischen Arztes und Klinikchefs Prof. Dr. Johann Schnitzler und seiner Frau Louise Schnitzler geboren. Vom Vater für die Nachfolge bestimmt studierte er Medizin und arbeitete auch lange in diesem Beruf. Nebenbei baute er sich aber auch eine schriftstellerische Karriere auf, bei der in den ersten Jahrzehnten seines Schaffens die Dramatik in ihrer öffentlichen Wirkung überwog. Schnitzler verarbeitet in seinen Werken die grundlegende Unstimmigkeit seiner Epoche, die einerseits an den überkommenen patriarchalischen Machtverhältnissen mit ihrer monarchisch - feudalen Struktur sowie dem aufklärerischen Gestus des liberalen Bürgertums festhielt und andererseits aber durch die Industrialisierung und Verstädterung, das Aufkommen neuer Gesellschaftsschichten und die explosionsartige Entwicklung der Wissenschaften zu einer Orientierungslosigkeit bzw. zu einer Flucht in Ideologien führte, seien diese nun nationalistisch-rassistisch oder positivistisch, weil viele Menschen die Diskrepanz nicht anders verarbeiten konnten. Schnitzler nahm sich nun in diesem Umfeld sehr oft literarisch der Geschlechterbeziehung an und enthüllte in seinen Dramen und seiner Prosa die Hohlheit der überkommenen Beziehungen in Ehe und Liebschaft, innerhalb und zwischen den Gesellschaftsschichten. Dabei gelingen ihm gekonnte Portraits gebrochener Persönlichkeiten, wie zum Beispiel „Leutnant Gustl“ und „Fräulein Else“. Vor allem bei den Frauencharakteren stellt er einfühlsam die Einwirkung der gesellschaftlichen Verhältnisse auf das Leben und die Psyche der Protagonistinnen dar, denen meist die Möglichkeit des selbstbestimmten Lebens versagt ist. Die tiefgehende Analyse der psychischen Persönlichkeit weisen Schnitzler als einen Zeitgenossen Freuds aus, der aber sich weigert, das Unbewusste als schicksalhaften Einflussfaktor zu akzeptieren. Schnitzlers große Zeit der öffentlichen Anerkennung liegt in dem Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg, wo die Aufführung seiner Werke, insbesondere des „Reigens“ und der „ Liebelei“ zu regelrechten Theaterskandalen führt. Nach dem Krieg kann Schnitzler, obwohl hier entscheidende Prosawerke - wie „Fräulein Else“ und die „Traumnovelle“ – entstehen, nicht mehr an frühere Erfolge in der Öffentlichkeit anknüpfen. Vom Selbstmord seiner Tochter Lilli 1928 zutiefst erschüttert, erholt er sich davon nicht mehr und stirbt 1931 an einer Gehirnblutung.


    Zur Gestaltung und meine Meinung

    Scheible ist ein beinharter Literatursoziologe, der in seiner Darstellung Schnitzlers weniger dessen Lebensereignisse und -eindrücke als die Analyse seiner Stücke aus der entsprechenden Richtung zugrunde legt. Ich halte die Literatursoziologie – in Kombination mit anderen Interpretationsansätzen – für eine legitime und sinnvolle Art der Herangehensweise an literarische Werke, aber in dieser Biografie fehlt mir so ziemlich das Biografische, das ja nun jenseits der gesellschaftlichen Verhältnisse auch Einfluss auf das Werk nimmt. Zusätzlich erschwert wird die Lektüre durch den typischen literatursoziologischen Duktus, der zwar auch mein Studium bestimmte, aber dennoch ziemlich anstrengend war und ist. Ich schätze diesen Band trotzdem, weil ich ihn nach der Lektüre weiterer Werke Schnitzlers bestimmt noch öfter in die Hand nehmen werde, um Scheibles Interpretationsansätze mit meinen eigenen Leseeindrücken zu vergleichen, aber er lässt mich in Bezug auf die sehr interessante Persönlichkeit Schnitzlers und seine privaten Lebensumstände etwas orientierungslos zurück.

    Sag ich doch! Wir haben schon tolle Übersetzer, die selber gute Schriftsteller waren. Man denke auch an Voss mit seinen Homer-Übersetzungen, den ich gerade erst als eigenständigen Autoren entdeckt habe. Oder der hier erfreulicherweise allseits geschätzte Wieland oder die Shakespeare-Romantiker ... .

    "Little Dorrit" habe ich noch ungelesen vor mir, wobei ich meine, gehört zu haben, dass dieses Werk ein bisschen sehr viel Taschentuch-Verbrauch erfordert, was ihn etwas nach hinten rückt.
    Zu der Band "Uriah Heep" bin ich auch in der gleichen Zeit gekommen wie zu der Lektüre des David Copperfield, und ich höre hin und wieder immer noch gerne die Stücke dieser tollen Band.
    Meine Auswahl-Dickens-Ausgabe ist die vom Manufactum Verlag lizensierte sechsbändige Zweitausendeins-Ausgabe der Meyrink-Übersetzungen, auch sehr schön in Leinen gebunden und mit Fadenheftung.