Hallo,
Thomas Mann ist einer meiner erklärten Lieblingsautoren - und das schon seit vielen Jahren. Deshalb freut es mich umso mehr, dass ich endlich Zugang zu den Joseph-Geschichten finde. Damit wäre dann meine TM-Lektüre vollständig (abgesehen von Briefen, Tagebüchern etc.).
so ähnlich geht es mir auch, die Joseph-Tetralogie ist das einzige literarische Werk von Th. Mann, das ich noch nicht gelesen habe, aber im Gegensatz zu dir, Tom, ist es mein erster Versuch und er droht fast zu scheitern, aber so weit will ich es nicht kommen lassen.
Ich habe die Lektüre wieder aufgenommen, aber weiterhin große Schwierigkeiten mit den ermüdenden Wiederholungen dieser grundsätzlichen Aussage, dass sich im Mythos alles mische und zerfließe, dass zeitliche Abstände und verwandschaftliche Grade nur relativ seien: Dies walzt Mann in den ersten vier Hauptstücken bis zur Ermüdung aus.
Auch finde ich das Hin- und Herwechseln zwischen unterschiedlichen Orts-, Personen- und Götterbezeichnungen übertrieben und maniriert: Es stellt den Leser vor unnötige Komplikationen, ohne einen Erkenntnis- oder literarischen Gewinn darzustellen.
Nun jedoch schreitet die Geschichte Jaakobs etwas ballaststofffreier voran und ich schöpfe wieder Hoffnung.
Jaakob ist nun bei dem ganz köstlich geschilderten Laban angelangt, der mich ein bisschen an die gnadenlosen Bauern aus Zolas "Die Erde" erinnert. Hier kommt wieder Manns Erzähltalent zu seiner besten Entfaltung: Vor unseren Augen entsteht dieses Gehöft im oberen Zweistromland in seiner ganzen zwiespältigen Ausstattung: Die luftige Essgalerie, der enge und bedrückende Andachts- und Dokumentenaufbewahrungsraum, die Fenster, die Jaakob zwar mit fein geschnitzten Gittern ausstatten, diese und die Wände jedoch nicht anstreichen darf, weil hier Labans Geiz sein wenig entwickeltes ästhetisches Gefühl überdeckt.
Dagegen wird die armen Lea uns immer wieder madig gemacht, sie schielt ständig mit ihren grindigen Augen an der hässlich geröteten Nase herab: Das ist schon fast literarisches Mobbing!
Fällt euch auch die merkwürdige Antisteigerung der Attribute von Joseph und Rahel auf? "Schön und hübsch": Benutzt Mann diese falsche Steigerung extra, um die Aufmerksamkeit des Lesers darauf zu lenken oder benutzt er "schön" in Bezug auf das Aussehen und "hübsch" in Bezug auf das Verhalten, etwa im Sinne von "gefällig", "charmant" (oder gar "kapriziös")?
Bin nun im Kapitel "Jaakob tut einen Fund" im fünften Hauptstück und hoffe, nun ohne Unterbrechungen, wenn auch langsam weiterzukommen.
Einen schönen Sonntag
finsbury