Beiträge von finsbury


    Ob uns der Schnitter Tod dann auch in eine Vase stellt oder Kränze aus uns flicht?

    Ich habe die "Reise nach dem Westen" als fünfbändigen Comic. Ende der Nullerjahre, als ich mich besonders für chinesische Literatur interessierte, gab es im Deutschen keine andere Ausgabe. Deshalb bin ich froh, wenn du ein bisschen von deiner Lektüre berichtest, giesbert.


    Die schöne Ausgabe der "drei Reiche" steht hier auch noch ungelesen herum, weil die chinesische Literatur zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Übersetzung zwar noch nicht aus meinem Focus, aber aus meinem vordergründigen Leseinteresse gerückt war. Hoffe ich mal, dass mich die Lust an diesen dicken Schinken wieder überkommt.

    Brendel war ein hervorragender Pianist und streng bei seinen Auftritten. Bei einem Konzert erlebte ich mit, wie er inne hielt, weil einer vernehmlich hustete. Nachdem allgemeines Schweigen herrschte, ging es dann weiter.

    Magst du (gerne auch an anderer Stelle) deine Island-Literatur verraten?

    Ach, das kann ich auch gerne hier machen. Aus einem öffentlichen Bücherschrank entnommen, habe ich vor kurzem von Kristin Marja Bogardottir "Die Eismalerin" gelesen, nehme von Jon Kalman Stefansson "Fische haben keine Beine" mit und werde nach dem Urlaub nach und nach die beiden dicken "60 Kilo ..." Romane von Hallgrimur Helgasson lesen. Von Laxness hatte ich schon früher so einiges gelesen, auch viele der Sagas und die Edda. Nun ist die zeitgenössische Literatur dran. Daneben natürlich auch gerne noch isländische Krimis, da gibt es ja sehr interessante Reihen.

    August Strindberg: Fräulein Julie (UA 1889)


    Der Schwede August Strindberg (1849-1912) ist besonders als Dramatiker berühmt geworden. In Schweden gilt er als wichtigster Autor seiner Epoche. Er war zunächst dem Naturalismus verbunden, in seinen späteren Werken ließ er sich aber auch von anderen Strömungen beeinflussen. Seinen hier vorgestellten Einakter „Fräulein Julie“ begleitet er in der Erstausgabe mit einem Vorwort, das dem Stück einen Beispielcharakter für das moderne, naturalistische Theater beimisst.


    Inhalt

    Fräulein Julie ist Tochter eines Grafen und mit damals sehr unorthodoxen Methoden erzogen worden. Ihre Mutter glaubte daran, dass Frauen gleich große Fähigkeiten wie Männer haben und gleiche Rechte haben sollten und erzog sie daher wie einen Jungen, was auch ihr Vater unterstützte.

    Dies auch auf das Gesinden angewandte Verfahren führte aber zu einem Niedergang der gräflichen Wirtschaft. Julie ist nun 25 Jahre alt und hat sich gerade von ihrem Verlobten, einem Landrat, getrennt. In der Mittsommernacht trifft sie in der Schlossküche auf Jean, den Kammerdiener ihres Vaters, der letztere befindet sich außer Haus, was aus der Mutter geworden ist, wird nicht klar. Julie will, dass Jean mit ihr zum Mittsommertanz geht, was er nur ungern tut, weil er es als nicht standesgemäß ansieht. Beide kommen nach dem Tanz zurück in die Küche, aus der sich Christine, die Köchin und Geliebte Jeans, alsbald müde zurückzieht. Jean und Julie teilen sich gegenseitig ihre Ansichten vom Leben mit und beim Leser / Zuschauer entsteht der Eindruck, dass Julie auf dem absteigenden Ast der Lebensform des Geburtsadels und zudem noch ein schwaches, von unverstandenen Emotionen gepeinigtes Geschöpf ist, während sich Jean im Folgenden immer mehr als Protagonist des aufkommenden führenden Standes aus Fähigkeit und sozialdarwinistischem Überlebenswillen entpuppt. Julie und er treiben sich gegenseitig in den Beischlaf, wonach bei Julie die Reue eintritt und auch Jean, nachdem er noch Träume über eine Karriere als Hotelier mit Julie an seiner Seite fabuliert hat, bald erkennt, dass diese zu schwach ist, um seine Karriere zu unterstützen und durch den möglichen Skandal ihrer bekanntwerdenden erotischen Beziehung eher eine Gefahr für ihn ist. Deshalb unterstützt er ihren Wunsch, aus dem Leben zu scheiden, und gegen Morgen, nachdem Christine von dem Verhältnis erfahren und zum Gottesdienst verschwunden ist, der Graf wieder zu Hause ist und nach seinem Kammerdiener läutet, überlässt Jean Julie sein Rasiermesser, mit dem sie sich in Selbsttötungsabsicht in eine Scheune zurückzieht.


    Fazit

    Strindberg will hier ein exemplarisches Stück naturalistisches Theater geschaffen haben, was er in dem bereits oben angesprochenen Vorwort detailliert ausführt. Allerdings gilt das meiner Ansicht nach nur – und auch hier eingeschränkt - für die Technik, nicht für den Inhalt. Die Protagonisten sprechen nicht vollendete Gedankengänge aus, wie das in den meisten früheren Dramen der Fall ist, sondern es werden natürliche Gesprächssituationen dargestellt, mit Gedankensprüngen, Rückbezug auf zuvor Gesagtes, Widersprüchlichkeiten und spontanen Assoziationen. Auch die Einhaltung von Zeit und Raum mag natürlich wirken. Aber Strindberg baut selbst Elemente ein, die dem Naturalismus widersprechen, wie Pantomime und Ballett. Vor allem will er einerseits den mündigen Zuschauer, der nicht mitfiebert im Sinne der klassischen Katharsis, sondern das Geschehen analytisch betrachtet, andererseits beschäftigt er sich in seinem Vorwort ausführlich damit, wie er die Zuschauer am besten in der Illusion des Bühnengeschehens halten kann.

    Und was nun den Inhalt angeht, so stellt Strindberg hier seine Ideologie exemplarisch dar: Das schwache, weibliche Element zerstört mit seinen Handlungen die Existenz des ohnehin überkommenen Geburtsadels. Der starke, von moralischen Werten wenig beeinflusste neue Mensch (vgl. Nietzsche) Jean befreit sich aus seiner niedrigen Stellung und schreitet über den Suizid Julies in eine selbstbestimmte Zukunft.

    Das Stück hat seine magischen Momente, wenn die Atmosphäre der Mittsommernacht die Handlung bestimmt, es gibt mir aber weder in seiner Aussageabsicht noch in der Umsetzung sonderlich viel. Ich kann mir kaum vorstellen, mit welcher Berechtigung und wie man dieses Stück heutzutage noch aufführen kann.

    Oates ist eine interessante Autorin, die das Frauenbild und -leben in unterschiedlichen Zeiträumen sehr eindringlich darstellt. Ich habe " Bellefleur" und "Die Schwestern von Bloodsmoor" gelesen. Beide haben mir gut gefallen.

    "Blaupause" habe ich tatsächlich nicht gelesen, Lauterbach und sehe nach der Lektüre von "Auf See" auch keinen Anlass dazu. Zu dem, was ich in der Besprechung geschrieben hatte, kommt, dass das Buch weitestgehend humorfrei ist. Gerade solche Dystopien brauchen - wie ich finde - um erträglich zu werden, so eine leichte ironische Distanz. Die kann ich in dem Roman nicht erkennen. Die handelnden Personen sind zumeist furchtbar in sich hinein verzwiebelt.

    Ich habe meine Lektüre von Theresia Enzensbergers "Auf See" beendet und verlinke hier meinen Beitrag dazu im Mutterforum.


    Weiter geht es mit einem isländischen Roman: Kristin Baldursdóttir: Die Eismalerin.

    Willkommen zurück, @ Bluebell, viel Lesefreude und guten Austausch hier.

    Ich bewundere Zola durchaus, kann ihn aber nur in kleinen Dosen lesen. Wenn du Frauenfiguren im Mittelpunkt magst, wäre vielleicht " Nana" etwas für dich. Da geht es um eine Kurtisane.

    Besonders gnadenlos, was den Umgang der Menschen miteinander angeht, aber auch sehr gut fand ich " Die Erde", das die Verhältnisse unter der Landbevölkerung analysiert.

    Und der schon von Leibgeber erwähnte Bergbau-Roman "Germinal" ist ohne Frage ein großartiger Klassiker des Naturalismus.

    Was das Oberthema " Rougon- Marquat" angeht, stimmt völlig, was @ Leibgeber schreibt: Man erhält wohl eine zusätzliche Dimension, wenn man alle Romane des Zyklus und in der richtigen Reihenfolge liest, aber die genannten Romane und viele andere stehen ganz losgelöst für sich in ihrer Aussage da.

    Joseph Conrad: Almayers Wahn (1894)


    Joseph Conrads (d.i.  Józef Teodor Konrad Korzeniowski, 1857-1924) hier vorgestellter Roman ist sein erstes Werk, das einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurde. Davor hatte Conrad nach seiner Kindheit und frühen Jugend in Polen bei der britischen Handelsmarine gearbeitet und es bis zum Kapitänspatent gebracht. Er war viel in Afrika und Südostasien gewesen und hatte den Ort Sambir (d.i. Berau) in Ost-Borneo selber bei vielen Fahrten und auch einigen Wochen vor Ort kennen gelernt.
    Sambir ist Handlungsort mehrerer Romane und Erzählungen Conrads geworden.


    Inhalt
    Almayer, ein ca. 50jähriger, holländischstämmiger Handelsvertreter, lebt in dem kleinen, küstennah gelegenen Ort Sambir am Zusammenfluss zweier Flussarme auf einem schäbigen Gehöft. Vor ca. zwanzig Jahren hatte er die malaiische Adoptivtochter seines Chefs, des in der Gegend immer noch hoch angesehenen Kaufmanns Lingard, geheiratet und dieser hatte ihm große Reichtümer versprochen, war dann aber auf einer Expedition im Landesinneren verschollen. Almayers Tochter Nina hatte Lingard zuvor noch nach Singapur zu „weißen“ Geschäftspartnern in Pflege gegeben, damit sie eine europäische Erziehung erhalte. Als sie aber zu einer schönen jungen Frau heranwuchs, schickte die Familie, die in ihr eine Konkurrentin ihrer eigenen Töchter und eine Versuchung ihrer Söhne sah, sie unter beleidigenden Unterstellungen und rassistischen Anwürfen wieder zu den „Wilden“ nach Borneo zurück.

    Nun lebt sie mit dem zunehmend frustrierten Vater und ihrer intrigant-aggressiven Mutter zerrissen zwischen den zwei Kulturen, für die die beiden stehen, die sie aber beide sehr schlecht vertreten. Almayer träumt davon, einen Schatz im Landesinneren zu heben, von dessen angeblicher Entdeckung Lingard ihm erzählt hatte. Als der malaiische Händler Dain, Sohn des Rajas von Bali, ihn besucht, sieht er eine Chance, mit diesem und dem Raja von Sambir als Geldgeber eine Expedition ins Landesinnere auszustatten und baut ein neues Haus für die zu erwartenden Schätze, das die malaiischen und arabischen Dorfbewohner nur abschätzig „Almayers Wahn“ nennen. Mit dem auf diese Weise erreichten Reichtum will Almayer mit seiner Tochter zurück nach Holland und sie dort glanzvoll in die Gesellschaft einführen, weil er denkt, dass das viele Geld ihr „Mischblut“ schon ausgleichen würde.

    Nina und Dain verlieben sich aber ineinander, und nach einem Attentat Dains auf ein holländisches Schiff flieht Dain nach Sambir, um Nina abzuholen und bei seinem Vater auf Bali Schutz zu suchen.

    Die Mutter hatte zur Unterstützung der Werbung Dains um Nina sehr viel Geld erhalten, verlässt Almayer und siedelt zum Raja über. Almayer ist völlig außer sich, dass Nina einen „Wilden“ liebt und mit ihm weggehen will, verstößt und beschimpft sie daher. Nina aber besteht auf ihrer Entscheidung, denn zum ersten Mal fühlt sie sich als Person bestätigt, anerkannt und ist mit sich einig. Der Verlust Ninas führt dazu, dass Almayer jeden aktiven Lebenswillen verliert, zum Opiumraucher wird und ein Jahr später stirbt, gerade als er die Nachricht erhalten hat, dem Raja von Bali sei ein erster Enkel geboren.

    Darstellung und meine Meinung
    Dieser Roman ist Conrads erstes längeres Werk. Man merkt neben sehr gelungenen Passagen mit hoher impressionistischer Intensität und einer ausgeprägten Distanz zum Rassismus seines Protagonisten und dem Konzept des Kolonialismus an sich, dass Conrad hin und wieder noch in Klischees verfällt, insbesondere bei der Schilderung der Liebesbeziehung zwischen Dain und Nina. Auch seine Äußerungen über die Gefährlichkeit der Frau als Verführerin lesen sich in unseren Tagen doch etwas befremdlich.
    Andere Bücher Conrads wie „Herz der Finsternis“ oder auch „Lord Jim“ haben mir mehr gefallen, aber das Grundproblem der Hybris der kolonisierenden Europäer und dem darin liegenden Scheitern ihrer Absichten ist hier schon sehr gut in Gestalt Almayers dargestellt.

    Vielen Dank für dein Angebot, Zefira. Aber ich habe das Buch selbst. Bei mir muss ja alles gut abhängen, bevor ich es lese, und ich habe mich lange nicht mehr mit russischer Literatur beschäftigt, nicht wegen Putin (für den können die russischen Klassiker ja wirklich nichts), sondern weil einfach anderes sich vordrängte. Schade, dass der Johannsen keinen Humor hat und schon komisch, dass er sich dann ausgerechnet mit Gogol beschäftigt. Aber Gegensätze ziehen sich ja an, wobei der arme Gogol sich diese Beziehung ja nicht aussuchen konnte :elch:.

    Toll, dass du dich um einen Bücherschrank kümmerst. Ich kann mir gut vorstellen, dass du da einen guten Eindruck der Nutzerklientel bekommst. Ich schaue auch recht regelmäßig bei unserem hier beim Rewe vorbei, der recht gut gewartet wird . Da liegen oft die eher "gehobenen" Werke auch länger als die Krimis, Thriller usw. Da kommen die gleichen fast wöchentlich und sind trotzdem nach wenigen Stunden oder ein paar Tagen weg.