Ich habe mal überlegt, warum ich, mal abgesehen von ihrem passiven Charakter und ihrer ikonischen Darstellung - mit Irene nicht so warm werden kann: Meines Erachtens ist sie die einzige Hauptperson, über die ausschließlich in der Außensicht geschrieben wird. Bei allen anderen - alter, junger Jolyon, James, Soames, Winifred, Fleur, Jon, ja sogar June, Holly und Val - wechselt Galsworthy zwischen Innen- und Außenperspektive.
Beiträge von finsbury
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Das finde ich auch. Eine sehr intensive Geschichte darüber, wie Menschen aneinander vorbei anstatt miteinander leben.
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Schullektüre war und ist auch die starke Kurzgeschichte "Die Tochter", die das Unverständnis zwischen den Generationen und oft einsame Zurückbleiben der Eltern sehr schön veranschaulicht.
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Gegen das Scheidungsrecht, das für alle Beteiligten und insbesondere die Frauen schädlich war, wendet sich Galsworthy auch in seinem frühen Roman "Das Landhaus", den ich letztes Jahr hier vorgestellt habe.
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Bin mit dem zweiten Buch fertig. Man hat solch ein Lesevergnügen dabei, Genau, Zefira, der alte James ist wieder eine köstliche Figur. Bei Irene springt auch im zweiten Buch bei mir nicht der Funke über, sie wird mir von Galsworthy zu sehr ikonisiert und auf ein Podest gestellt, für mich strahlt sie wenig Leben aus. Auch in der ansonsten schönen Novelle am Ende des zweiten Buches - parallel zu der nach dem ersten Buch - wird sie von ihrem eigenen Sohn ebenfalls idealisiert, er entdeckt an ihr das Prinzip der Schönheit.
Soames' Verhalten gegenüber seiner Ehefrau bei der Geburt von Fleur ist schon ein Höhepunkt seines Besitzbürger-Verhaltens. Erst entscheidet er sich gegen seine Frau und für den vermeintlichen Sohn, dann kommt er ewig nicht, um ihr zu danken und sein Kind zu begrüßen. So ein Verhalten kann man sich heute gar nicht vorstellen!! Und da hilft es auch nicht, dass gerade sein Vater gestorben ist.
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Ich habe noch 60 Seiten bis zum Ende von Buch 2. Ja, diese Art, auf der einen Seite Gesellschaftskritik zu üben, aber dennoch ein Herz für das Personal zu haben, sogar für den von der Besitzgier zerfressenen, aber einsamen Soames, das ist eine große Stärke Galsworthys, die er auch mit vielen seiner britischen SchriftstellerkollegInnen teilt. Gerade dafür schätze ich die englische Literatur so sehr, dass sie kaum je schwarz-weiß malt, sondern bei aller Kritik immer mit einem Augenzwinkern auf die menschlichen Schwächen sieht. Im Kapitel 14 "Eine fremdländische Nacht" ist mir aber wieder sehr aufgefallen, dass dieser Roman eben nur den Typus einer Klasse zeigt, den des Besitzbürgertums und dessen völliges Unverständnis für das breite Volk, dass nur als latente Bedrohung und von Trieben beherrscht wahrgenommen wird.
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Der Roman fesselt mich noch genauso wie früher. Bin jetzt etwas über die Mitte hinaus und habe gerade den zweiten Teil des zweiten Buches begonnen. Das nächste Verhängnis mit den Hauptpersonen Soames - Irene - der junge Jolyon naht, und auch durch die Beziehung zwischen Val und Holly kommt es zu neuem Konfliktpotential zwischen dem Jolyon- und James-Zweig. Die zahlreichen Anspielungen auf den Burenkrieg haben mich erstmal durch die Weiten des Internets und meiner Geschichtsnachschlagewerke geführt. Auch hier wieder der typische Forsyte-Blick: Wenn es um Besitz geht, ist fast jedes Mittel recht, ihn zu erhalten und möglichst zu erweitern.
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Ich lese gerade die eingefügte Erzählung "Nachsommer", ganz anders als der Hauptroman, fast impressionistisch Landschaft und Stimmungen einfangend, dabei manchmal knapp am Kitsch vorbei schrammend und doch von ganz eigenartigem Charme. Dem alten Jolyon verzeiht man seine leicht lüsterne, aber völlig harmlose Sehnsucht nach Schönheit und Irenes Passivität, die mir im Hauptroman ziemlich auf den Wecker geht, passt hier schön zur lyrischen Stimmung.
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Na, dann ist es wohl Soames. Er ist ja auch die konsequenteste Inkarnation des Forsyte an sich.
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Den zweiten Teil des ersten Bandes habe ich auch fertig und erfreue mich an den Schilderungen aller Facetten des Forsytismus. Ich überlege, auf wen sich der Titel "Der reiche Mann" bezieht und denke, dass damit eigentlich alle Forsytes - pars pro toto - gemeint sind. Zunächst dachte ich, dass Soames dahinter steckt, aber eigentlich ist ja der alte Jolyon laut Selbsteinschätzung der reichste, und alle wollen ihren Reichtum weiter anhäufen und - aber "solide" - zur Schau stellen.
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Bleakhouse finde ich auch besser und so einige andere, aber bis auf die Weihnachtserzählungen möchte ich alles nochmal lesen.
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Habe ja vor kurzem den "Copperfield" gelesen und werde sicher auch den "Oliver Twist" nochmal lesen. Wünsche dir viel Freude dabei. Der wurde übrigens auch von Gustav Meyrink übersetzt. Wir haben in unserer Lesegruppe mehrere - ältere - Übersetzungen mit dem Original verglichen und fanden Meyrink am nächsten dran. Allerdings kürzte er an manchen Stellen etwas aus dem Erzählerkommentar zu Sachthemen, nicht zur Handlung oder Personen, heraus.
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Kapitel 1.2: Diese unspektakuläre Versöhnung hat mich sehr überrascht, weil sie gerade zu Beginn des Romans kommt. Dramaturgisch betrachtet wäre doch da ein längerer Prozess zu erwarten gewesen...? Da bin ich ja mal gespannt, wie es weitergeht und wozu der Sohn im weiteren Verlauf der Geschichte "gebraucht" wird.
Der Anfang von Kapitel 1.3 hat mich etwas verwirrt. Schon wieder ein Familientreffen anlässlich Junes Verlobung? Und dann sagen noch die einen zu den anderen, sie hätten sich lange nicht gesehen? Da war ich wohl gestern Abend zu müde zum Lesen und muss das nochmal anschauen...
Na, da wird noch so viel passieren, dass Galsworthy den jungen Jolyon recht bald mit ins Spiel bringen muss. Er ist schließlich der Gegenspieler von Soames und einer der wichtigsten Protagonisten der Geschichte. Die "Forsyte Saga", also der Romanzyklus, den wir hier miteinander lesen, ohne die Nachfolger, umfasst ja schon locker drei Generationen.
Ich habe auch nochmal in 1.3. nachgeschaut und kann dich nur bestätigen, Vogelbeere: Mrs. Small -Tante Juley - ist bei beiden Verlobungseinladungen dabei, und es ist immer noch Sommer, so ewig kann es also nicht her sein, dass sie ihren Bruder Swithin nicht gesehen hat. Aber bei den drei alten Schwestern, die bei Timothy wohnen, ist ja anscheinend die Tratsch- und Klatschbörse der Familie, so dass sie vielleicht erwarten, die Geschwister in kürzeren Abständen zu sehen.
Ich bin mit dem ersten Teil fertig und habe immer noch das Gefühl, als hätte ich das Ganze gestern erst gelesen.
Galsworthy geht ziemlich hart mit den Forsyte-Männern ins Gericht, was deren Haltung zu den Frauen angeht, insbesondere der James -Soames-Arm des Stammbaums. Zitat aus der Sicht von James, als er Irene und Soames besucht (1.6) über Irene:
Sie war wirklich ein recht einnehmendes kleines Ding. ; sie hörte einem zu und schien zu verstehen, was man sagte.Kein Wunder, dass Irene sich unter diesen Vorzeichen der Verdinglichung als Mrs. Soames Forsyte nicht wohlfühlt. Für Soames ist sie ja auch nur Teil seiner Besitzmasse, und er ist erstaunt, dass sie ihn nicht liebt, da er doch sauber und reich ist und sie (bisher) nicht gewalttätig behandelt.
Das neue Haus in Robin Hill ist für Soames einerseits eine Möglichkeit, Irene abseits der Fährnisse Londons und ihrer aufmüpfigen Freundin June zu kasernieren, andererseits eine Möglichkeit, seine Wohlhabenheit nach außen hin mit einer kleinen Prise Exklusivität zu repräsentieren. Bosinney spielt raffiniert mit den letzteren Gefühlen, als er Soames seinen modernen Entwurf, der eigentlich nicht zu dessen konservativer Einstellung passt, schmackhaft macht. Der erste Teil endet mit dem Tod und der Beerdigung von Tante Anne, der ältesten Forsyte, und macht daher nun symbolisch Platz für die mittlere Generation, die bis auf Soames und Bosinney bisher wenig in Erscheinung getreten ist.
Jetzt mache ich langsamer weiter, weil ich nebenher noch eine andere Leserunde habe. Aber die Lektüre macht mir großen Spaß!
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Auch ich habe das Gefühl, als hätte ich das Buch erst gestern zum letzten Mal zugeschlagen. Das erste Kapitel ist sicherlich ein wenig herausfordernd aufgrund des Familiengemäldes mit den charakterisierenden Pinselstrichen, das Galsworthy vor uns entstehen lässt. Du hast Recht, Zefira, wenn du von "einer furchtbar bornierten, dünkelhaften Sippe" sprichst. Das ist ja gerade der Spaß daran, diese Eigenschaften in den kleinen Pinselstrichen wiederzufinden, so wenn James zum Beispiel dem Porzellan die Echtheit streicht oder alle den jungen, mittellosen Architekten neugierig, aber abfällig beäugen. Gegenseitig sind sie auch keineswegs freundlich zueinander, sondern sehen sich wohl als Zusammenschluss gegen die Nicht-Besitzenden dieser Welt, können es aber nicht ausstehen, wenn der eine Bruder erfolgreicher ist als der andere und versetzen einander ständig kleine Nadelstiche.
Im nächsten Kapitel sehen wir dann aber auch die Menschen hinter den Karikaturen. Der alte, verwaiste Jolyon, der seinen Sohn seit fünfzehn Jahren nicht gesehen hat, weil er sich aus Gründen der Sittlichkeit für seine Enkelin und gegen seinen ehebrechenden Sohn entschieden hat. Ein aufrechtes Denkmal seines gewinnorientierten Lebens, der daran gewöhnt ist, alles mit materiellen Maßstäben zu messen, dem aber die Einsamkeit über dem Kopf zusammenschlägt. Aber er findet am Ende des Kapitels zu seinem Sohn zurück, ganz unspektakulär und nüchtern, wie es für die Kaufmannsfamilie typisch ist. -
Stevenson hat meines Wissens noch mehr unheimliche Geschichten geschrieben, z.B. Der Selbstmörferclub.
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"Die Strudlhostiege" gehört auch zu meinen absoluten Lieblingsromanen. In der Sprache kann man sich verlieren.
Habe gerade für mein Projekt ein Sachbuch ausgelesen, das mir viel Vergnügen und einiges Wissen eingebracht hat:
Günter Ogger: Die Gründerjahre - Als der Kapitalismus noch jung und verwegen war.Das passt auch ganz gut zum Geschlecht der Forsytes, von denen z.B. Soames ja ein wahres Prachtexemplar des Kapitalisten ist.
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Den habe ich auch. Aber Galsworthy lässt sich Zeit und führt uns in Ruhe durch den Clan. Keine Sorge! Ich habe gerade erstmal den Schutzumschlag repariert. Viele Seiten sind auch lose. Dieses Buch habe ich wohl sehr gemocht.
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Vielen Dank für die Einrichtung der Fäden. Ich freue mich auf Samstag. Grundlage meiner Lektüre ist meine Uralt- Ausgabe aus den 70ern mit der überarbeiteten Übersetzung von Luise Wolf. Laut Eintrag habe ich den Roman 1974 zum ersten und bis jetzt letzten Mal gelesen. Aber einzelne Szenen habe ich damals öfter gelesen.
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Ich denke, es kommt immer darauf an, w i e ein Schriftsteller das tut. Wenn er die spannende Handlung sich nur ausdenkt, um jemanden anderen bloßzustellen und dabei Realität und Fiktion verstrickt, um damit eine angebliche Wahrheit auszudrücken, ist das sicherlich problematisch. Aber man denke an Proust, an Goethes "Römische Elegie", übrehaupt an die Lyrik und an hunderte andere Werke, da hat persönliche Betroffenheit sehr oft auch zu großen und auch künstlerisch gültigen Leistungen geführt.
Das laute mehrmalige Vorsprechen halte ich auch für eine gute Methode. In meinem früheren Beruf musste ich hin und wieder Vorträge halten, das habe ich immer durch lautes Vorsprechen zu Hause vorbereitet und bin dabei manch einer unglücklichen Wendung noch rechtzeitig auf die Spur gekommen. Das ist aber natürlich fern jedes künstlerischen Anspruchs gewesen
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