Beiträge von finsbury

    Richard Dehmel: Blinde Liebe (1912)


    Richard Dehmel (1863-1920) galt vor dem Ersten Weltkrieg als einer der bedeutendsten deutschen Lyriker, beeinflusste die jungen Dichter seiner Zeit, wie Rilke, Hofmannsthal und auch die Expressionisten. Viele seiner Gedichte wurden von berühmten zeitgenössischen Komponisten wie Richard Strauss, Jean Sibelius und Anton Schönberg vertont oder regten deren Kompositionen an.


    Das vorliegende Kunstmärchen behandelt wie viele seiner Gedichte Liebe und Leidenschaft und deren Kollision mit gesellschaftlichen Konventionen.


    In „Blinde Liebe. Eine Geschichte aus den höchsten Kreisen“ verliebt sich eine schöne, aber böse Fee in König Ammibauba, der in zärtlicher, aber kinderloser Ehe lebt. Eines Nachts kommt die Fee nach vielen vergeblichen Versuchen, sein Interesse zu erregen, in sein Bett, wird aber von ihm abgewiesen, indem er sie beleidigt, sie würde sich wie eine Dirne benehmen. Daraufhin verflucht sie seine Frau und ihn, es werde ihnen eine unsichtbare Tochter geboren, die erst dann sichtbar würde, wenn sie sich wie eine Dirne benommen hätte. Die unsichtbare Prinzessin Ili, die neun Monate später geboren wird, macht auch die Kleidung und alles, was sie trägt, durch ihre Körperwärme unsichtbar und kann nur gehört oder an einem Flämmchen gesehen werden, wenn sie es will. Als sie siebzehn wird, lädt der König mehrere Prinzen ein, damit die Tochter verheiratet wird, bevor sie sich daneben benehmen kann. Aber sie verliebt sich in den fröhlichen, wenn auch erfolglosen Leutnant der Königsgarde Freiherr von Rily . Als die beiden beim Küssen erwischt werden, wird der Offizier ins Gefängnis geworfen und zum Tode verurteilt und Ili, die nun von einem ältlichen Herzog geheiratet werden soll, da alle anderen Bewerber um die unsichtbare Prinzessin abgesprungen sind, soll noch vor ihrer Hochzeit vom Herzog entjungfert werden, damit der Fluch der Fee abgewendet wird. Sie aber flieht durchs Fenster aus dem verschlossenen Zimmer, zu dem nur der Herzog den Schlüssel hat und schleicht sich ins Gefängnis, wo Rily auf seine Hinrichtung wartet. Durch ihre Unsichtbarkeit gelingt es ihr, in seine Zelle zu dringen und, ihn, indem sie sich auf ihn legt und ihn durchwärmt, ebenfalls unsichtbar zu machen. Als die Garde, die ihn zur Hinrichtung abführen will, die Zelle leer vorfindet, zieht sie ab. Am nächsten Morgen findet der König seine Tochter dort, infolge der gemeinsamen Liebesnacht sichtbar geworden, zusammen mit ihrem Liebhaber vor, und da der Vater ihr vor dem Plan mit dem Herzog versprochen hatte, ihr nach der Entjungferung jeden Wunsch zu erfüllen, dürfen die beiden nun heiraten.


    Das Hübsche an diesem Märchen ist weniger der Inhalt als die Anspielungen auf die von Dünkel und gegenseitigem Misstrauen durchdrungenen Monarchien des Vorkriegs-Europas. Trotz der im Wesentlichen gewahrten märchentypischen

    Zeit- und Raumlosigkeit gibt es doch einige Anspielungen auf europäische Befindlichkeiten, z.B. bezüglich der Heiratspolitik, und zeitgenössische Modetrends wie zum Beispiel die Behandlung des rheumatischen Herzogs mit Elektrostößen. Eine nette kleine Lektüre für zwischendurch.


    Zur Quelle: Ich habe das Märchen in einer Sammlung deutscher Erzählungen gefunden, es gibt den Text aber auch gemeinfrei bei Projekt Gutenberg oder als Taschenbuch bei den einschlägigen Händlern.

    Was haltet ihr von Profond? Ich sehe da immer Hercule Poirot vor mir. Er spricht genauso gewollt-geheimnisvoll. Allein dieser Name !

    Ich habe gerade nachgesehen: Die Hercule Poirot- Figur erschien erstmalig 1920 im Roman "Das fehlende Glied in der Kette". Der dritte Teil der Forsyte-Saga "Zu vermieten" ist 1926 erschienen. Es ist also durchaus möglich, dass Galsworthy eine augenzwinkernde Parallele zwischen Prosper Profond und Hercule Poirot angelegt hat. Wobei mir HP um vieles sympathischer ist. Diese Haltung der "Ennui", des "Je m'en fiche" finde ich sehr abstoßend, gerade im Zusammenhang mit seinem Reichtum. Da finde ich tatsächlich Soames sympathischer , der wenigstens Ziele und Leidenschaften hat.


    Ich bin inzwischen fertig. Das kleine Nachwort des Autors bringt nochmal gut auf den Punkt, worum es ihm bei Irene geht, die "eine Verkörperung verwirrender Schönheit [ist], die auf eine Welt des Besitzes einwirkt."

    Das war wieder eine ganz große Lesefreude und ich freue mich darauf, später -wohl nicht mehr in diesem Jahr - die anderen beiden Trilogien auch nochmal zu lesen. Vielen Dank daher für deinen Vorschlag, Vogelbeere!

    Zu meinem persönlichen Abschluss der Leserunde hier meine Besprechung:


    John Galsworthy: Die Forsyte-Saga (1906-1921)


    John Galsworthys (1867-1933) berühmter Familienroman, für den vor allem er 1932 den Literatur-Nobelpreis bekam, erschien in drei Teilen mit zwei dazwischen geschobenen Erzählungen von 1906 bis 1931. Die Saga fand später ihre Fortsetzung mit den ebenfalls dreiteiligen Romanen „Moderne Komödie“ und „Das Ende vom Lied“.


    Inhalt
    Die Geschichte beginnt 1886 mit der Verlobung zwischen June Forsyte und Philipp Bosinney, einem jungen Architekten. Zu diese Feier erscheint die ganze Familie, bestehend aus den sechs Söhnen und vier Töchtern des Begründers des Forsyte-Vermögens, des ersten Jolyon, des „großen Baumeisters“, der sein Vermögen als Bauträger bem Ausbau des immer weiter wachsenden Londons gemacht hatte. Die sechs Brüder, von denen Jolyon, der älteste und sein ihm im Alter nächster Bruder James die größten Rollen innerhalb ihrer Generation im Roman spielen, bauten diesen Reichtum alle weiter aus, ob als Rechtsanwälte, Kaufleute, Verleger oder anderes. Eigentum ist ihr eigentlicher Glaube, und danach streben sie. Wobei das nicht nur Geld und Dinge, sondern auch Frauen anbetrifft. Und damit ist schon der Antrieb der Handlung benannt. Soames, der Sohn von James, hat Irene Heron, ein ungewöhnlich schönes Mädchen, das in einer unglücklichen häuslichen Umgebung lebte, geheiratet, obwohl sie ihm offen bekannte, dass sie ihn nicht liebe und ihn nur unter seinem Schwur heiratete, er würde sie freigeben, wenn sie sich nicht in die Ehe finden könne.


    Beide führen nun seit vier Jahren eine unglückliche Ehe, als sich Irene und Bosinney, der Verlobte von June und Architekt, der für Soames ein Haus im nahe gelegenen Richmond baut, leidenschaftlich verlieben. Soames erfährt von dem Verhältnis und vergewaltigt - rasend vor Eifersucht – seine Frau. Als Bosinney davon erfährt, ist er so verstört, dass er unter ein Londoner Fuhrwerk gerät und stirbt.


    Irene flieht und lässt sich als Klavierlehrerin in einem ärmeren Stadtteil nieder. Nach zwölf Jahren verspürt Soames immer stärker den Wunsch nach einem Sohn, der sein angehäuftes Vermögen erben soll und sucht Irene auf, um sie entweder dazu zu überreden, zu ihm zurückzukehren oder sich von ihm scheiden zu lassen. Irene schreckt vor ihm zurück, kann ihm aber auch keinen aktuellen Scheidungsgrund in Form einer Affaire bieten. Kurz zuvor hat der alte Jolyon, das Oberhaupt der Familie, Irene zufällig näher kennen gelernt und berücksichtigt sie in seinem Testament mit einem großzügigen Legat, das ihr ein sorgenfreieres Leben ermöglicht. Zum Testamentsvollstrecker ernennt er seinen Sohn – den jungen Jolyon – der früher in Ungnade gefallen war, weil er seine Frau, die Mutter von June, für die Gouvernante seiner Tochter verlassen hatte. Vater und Sohn haben sich aber inzwischen versöhnt. Der alte Jolyon kaufte das Haus in „Robin Hill“, das Soames durch Bosinney hatte bauen lassen und nie bewohnte, weil sich Irene von ihm getrennt hatte. Die Jolyons wohnen dort nun mit der Familie des Sohnes. Nach dem Tod seiner Frau verliebt sich der junge Jolyon in Irene, die beiden nehmen den Scheidungsgrund für Soames auf sich und heiraten.


    20 Jahre später begegnen sich die Kinder von Soames, der eine Französin geheiratet hatte, Fleur und Jon, der Sohn von Irene und dem jungen Jolyon, und verlieben sich ineinander. Fleur, die das Eigentumsdenken ihres Vaters geerbt hat, will Jon unbedingt haben. Dieser aber erfährt schließlich von seinem sterbenden Vater, was Soames Irene angetan hat und beendet die Beziehung zu Fleur. Aus Verzweiflung heiratet diese den jungen Adeligen Michael Mont, der ihr schon länger den Hof macht.


    Stil und meine Meinung

    Galsworthy macht dem Leser von Anfang an klar, dass der Forsyte-Clan paradigmatisch für das Besitz-Bürgertum steht, das während der viktorianischen Ära seine Macht ausbaute und schließlich – symbolisiert durch die Heirat zwischen Fleur und Michael am Ende des Romans – zum Land besitzenden Adel aufschließen kann. Die einzelnen Familienmitglieder spiegeln unterschiedliche Seiten dieses Charakters, der auf das Anhäufen von Vermögenswerten ausgerichtet ist und diesem Geschäft alles andere, insbesondere Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen, unterordnet. So findet man sich zwar regelmäßig bei dem jüngsten Bruder – Timothy - und den bei ihm wohnenden unverheiratet gebliebenen Schwestern zusammen, aber nicht aus emotionaler Bindung heraus, sondern um sich in den Ansichten der anderen widerzuspiegeln und Fühlungsvorteile zu nutzen. Gerne nutzt Galsworthy das Tableau gesellschaftlicher Zusammenkünfte, um die Facetten des Forsyte-Tums ironisch beleuchten zu können. Die Hauptpersonen des Romans – der alte und junge Jolyon, James und Soames sowie Fleur werden in Innen- und Außensicht dargestellt, allein Irene bleibt ausschließlich die Außensicht vorbehalten, obwohl sich die innere Handlung fast ausschließlich um sie dreht. Sie verkörpert für Galsworthy, wie er auch im Nachwort herausstellt, die Idee der Schönheit, die sich nicht besitzen lässt und sich nur in Freiheit entfalten kann. Dass Soames als reinste Verkörperung des Forsytetums, sie trotz seiner Leidenschaft für sie nicht besitzen und halten kann, macht seine Lebenstragik aus und legt den emotionalen und beziehungspsychologischen Mangel der besitzenden Klasse offen.


    Dieser Roman ist sehr gut lesbar, spannend, witzig und analytisch, auch nach 100 Jahren immer noch einer der großen Klassiker der englischen Literatur des 20. Jahrhunderts.

    Das habe ich mir tatsächlich 1978 extra im Prado als Postkarte besorgt, als ich in Spanien auf Interrail-Tour war. Da war ich wohl noch voll im Forsyte-Flash drin ^^. Es liegt jetzt noch in meiner Ausgabe an der Stelle, wo es zum ersten Mal erwähnt wird.
    Später kommt eine komische Stelle damit: Als sich Fleur und Jon bei Holly und Val das erste Mal länger begegnen, hat Fleur extra das Kostüm, in dem sie sich passend zu dem Bild präsentieren kann, dabei. Für einen Kurzaufenthalt ein ganz schöner Aufwand!
    Dieses Kostümieren mag sie sowieso. Bei einer Soiree bei sich zu Hause kommt sie zum Souper in einem goldfarbenen Harlekin- Kostüm. Ich denke, Galsworthy will damit ihre kapriziöse, verspielte Seite präsentieren, die eben auch darauf hinweist, dass sie ein eher äußerliches, wenn auch - wie bei allen Forsytes - zwanghaftes Verhältnis zu Besitz hat und auch eine entsprechende Haltung zu ihren Nächsten. Sie liebt ihren Vater, aber nur, solange sie sich als sein Kostbarstes wahrnimmt und er ihren Wünschen entgegenkommt.

    Da wird viel Gewicht auf die Schilderung gelegt wie Dartie auf Irene reagiert. Er ist zwar, wie ausdrücklich betont wird, kein Forsyte, unterscheidet sich ja aber nicht allzu sehr von diesen.

    Oh, das denke ich aber doch! Dartie sieht in dem Geld ein Mittel, sich das Leben schön zu machen und es dafür mit vollen Händen auszugeben. Ich würde das "man of world", was du in dem anderen Thread zitierst, mit dem altmodischen deutschen Begriff "Lebemann" übersetzen. Die Forsytes aber sind Besitzmenschen, und selbst George und Swithin, die vielleicht noch am ehesten in Richtung "Lebemann" tendieren, wissen ihren Besitzstand sehr wohl zu wahren. Es gibt irgendwo, ich glaube im zweiten Buch, ein Kapitel, in dem sich Monty beim Rennen hoch verschuldet, weil er den ganzen Einsatz auf eine von George gekaufte und in Anteilen an Monty weiterverkaufte Stute wettet. George dagegen hat zwar Anteile an der Stute, bei dem Rennen jedoch das meiste auf ihre Konkurrenten gewettet und kommt daher ganz prima aus dem Knick.

    Nun, das schließt sich ja keineswegs aus, sondern ist ein Paket aus Eigentumssucht und Bereicherungsmanie. Die internationalen Kontakte sind nichts anderes als imperiale Ausbeutung und Gemälde sammelt Soames nicht wegen ihres ästhetischen Reizes, sondern als Geldanlage , weil er ein Näschen für Kulturtrends hat.

    Ich habe mal überlegt, warum ich, mal abgesehen von ihrem passiven Charakter und ihrer ikonischen Darstellung - mit Irene nicht so warm werden kann: Meines Erachtens ist sie die einzige Hauptperson, über die ausschließlich in der Außensicht geschrieben wird. Bei allen anderen - alter, junger Jolyon, James, Soames, Winifred, Fleur, Jon, ja sogar June, Holly und Val - wechselt Galsworthy zwischen Innen- und Außenperspektive.

    Schullektüre war und ist auch die starke Kurzgeschichte "Die Tochter", die das Unverständnis zwischen den Generationen und oft einsame Zurückbleiben der Eltern sehr schön veranschaulicht.

    Bin mit dem zweiten Buch fertig. Man hat solch ein Lesevergnügen dabei, Genau, Zefira, der alte James ist wieder eine köstliche Figur. Bei Irene springt auch im zweiten Buch bei mir nicht der Funke über, sie wird mir von Galsworthy zu sehr ikonisiert und auf ein Podest gestellt, für mich strahlt sie wenig Leben aus. Auch in der ansonsten schönen Novelle am Ende des zweiten Buches - parallel zu der nach dem ersten Buch - wird sie von ihrem eigenen Sohn ebenfalls idealisiert, er entdeckt an ihr das Prinzip der Schönheit.

    Soames' Verhalten gegenüber seiner Ehefrau bei der Geburt von Fleur ist schon ein Höhepunkt seines Besitzbürger-Verhaltens. Erst entscheidet er sich gegen seine Frau und für den vermeintlichen Sohn, dann kommt er ewig nicht, um ihr zu danken und sein Kind zu begrüßen. So ein Verhalten kann man sich heute gar nicht vorstellen!! Und da hilft es auch nicht, dass gerade sein Vater gestorben ist.

    Ich habe noch 60 Seiten bis zum Ende von Buch 2. Ja, diese Art, auf der einen Seite Gesellschaftskritik zu üben, aber dennoch ein Herz für das Personal zu haben, sogar für den von der Besitzgier zerfressenen, aber einsamen Soames, das ist eine große Stärke Galsworthys, die er auch mit vielen seiner britischen SchriftstellerkollegInnen teilt. Gerade dafür schätze ich die englische Literatur so sehr, dass sie kaum je schwarz-weiß malt, sondern bei aller Kritik immer mit einem Augenzwinkern auf die menschlichen Schwächen sieht. Im Kapitel 14 "Eine fremdländische Nacht" ist mir aber wieder sehr aufgefallen, dass dieser Roman eben nur den Typus einer Klasse zeigt, den des Besitzbürgertums und dessen völliges Unverständnis für das breite Volk, dass nur als latente Bedrohung und von Trieben beherrscht wahrgenommen wird.

    Der Roman fesselt mich noch genauso wie früher. Bin jetzt etwas über die Mitte hinaus und habe gerade den zweiten Teil des zweiten Buches begonnen. Das nächste Verhängnis mit den Hauptpersonen Soames - Irene - der junge Jolyon naht, und auch durch die Beziehung zwischen Val und Holly kommt es zu neuem Konfliktpotential zwischen dem Jolyon- und James-Zweig. Die zahlreichen Anspielungen auf den Burenkrieg haben mich erstmal durch die Weiten des Internets und meiner Geschichtsnachschlagewerke geführt. Auch hier wieder der typische Forsyte-Blick: Wenn es um Besitz geht, ist fast jedes Mittel recht, ihn zu erhalten und möglichst zu erweitern.

    Ich lese gerade die eingefügte Erzählung "Nachsommer", ganz anders als der Hauptroman, fast impressionistisch Landschaft und Stimmungen einfangend, dabei manchmal knapp am Kitsch vorbei schrammend und doch von ganz eigenartigem Charme. Dem alten Jolyon verzeiht man seine leicht lüsterne, aber völlig harmlose Sehnsucht nach Schönheit und Irenes Passivität, die mir im Hauptroman ziemlich auf den Wecker geht, passt hier schön zur lyrischen Stimmung.

    Den zweiten Teil des ersten Bandes habe ich auch fertig und erfreue mich an den Schilderungen aller Facetten des Forsytismus. Ich überlege, auf wen sich der Titel "Der reiche Mann" bezieht und denke, dass damit eigentlich alle Forsytes - pars pro toto - gemeint sind. Zunächst dachte ich, dass Soames dahinter steckt, aber eigentlich ist ja der alte Jolyon laut Selbsteinschätzung der reichste, und alle wollen ihren Reichtum weiter anhäufen und - aber "solide" - zur Schau stellen.

    Habe ja vor kurzem den "Copperfield" gelesen und werde sicher auch den "Oliver Twist" nochmal lesen. Wünsche dir viel Freude dabei. Der wurde übrigens auch von Gustav Meyrink übersetzt. Wir haben in unserer Lesegruppe mehrere - ältere - Übersetzungen mit dem Original verglichen und fanden Meyrink am nächsten dran. Allerdings kürzte er an manchen Stellen etwas aus dem Erzählerkommentar zu Sachthemen, nicht zur Handlung oder Personen, heraus.

    Kapitel 1.2: Diese unspektakuläre Versöhnung hat mich sehr überrascht, weil sie gerade zu Beginn des Romans kommt. Dramaturgisch betrachtet wäre doch da ein längerer Prozess zu erwarten gewesen...? Da bin ich ja mal gespannt, wie es weitergeht und wozu der Sohn im weiteren Verlauf der Geschichte "gebraucht" wird.

    Der Anfang von Kapitel 1.3 hat mich etwas verwirrt. Schon wieder ein Familientreffen anlässlich Junes Verlobung? Und dann sagen noch die einen zu den anderen, sie hätten sich lange nicht gesehen? Da war ich wohl gestern Abend zu müde zum Lesen und muss das nochmal anschauen...

    Na, da wird noch so viel passieren, dass Galsworthy den jungen Jolyon recht bald mit ins Spiel bringen muss. Er ist schließlich der Gegenspieler von Soames und einer der wichtigsten Protagonisten der Geschichte. Die "Forsyte Saga", also der Romanzyklus, den wir hier miteinander lesen, ohne die Nachfolger, umfasst ja schon locker drei Generationen.

    Ich habe auch nochmal in 1.3. nachgeschaut und kann dich nur bestätigen, Vogelbeere: Mrs. Small -Tante Juley - ist bei beiden Verlobungseinladungen dabei, und es ist immer noch Sommer, so ewig kann es also nicht her sein, dass sie ihren Bruder Swithin nicht gesehen hat. Aber bei den drei alten Schwestern, die bei Timothy wohnen, ist ja anscheinend die Tratsch- und Klatschbörse der Familie, so dass sie vielleicht erwarten, die Geschwister in kürzeren Abständen zu sehen.


    Ich bin mit dem ersten Teil fertig und habe immer noch das Gefühl, als hätte ich das Ganze gestern erst gelesen.


    Galsworthy geht ziemlich hart mit den Forsyte-Männern ins Gericht, was deren Haltung zu den Frauen angeht, insbesondere der James -Soames-Arm des Stammbaums. Zitat aus der Sicht von James, als er Irene und Soames besucht (1.6) über Irene:
    Sie war wirklich ein recht einnehmendes kleines Ding. ; sie hörte einem zu und schien zu verstehen, was man sagte.

    Kein Wunder, dass Irene sich unter diesen Vorzeichen der Verdinglichung als Mrs. Soames Forsyte nicht wohlfühlt. Für Soames ist sie ja auch nur Teil seiner Besitzmasse, und er ist erstaunt, dass sie ihn nicht liebt, da er doch sauber und reich ist und sie (bisher) nicht gewalttätig behandelt.

    Das neue Haus in Robin Hill ist für Soames einerseits eine Möglichkeit, Irene abseits der Fährnisse Londons und ihrer aufmüpfigen Freundin June zu kasernieren, andererseits eine Möglichkeit, seine Wohlhabenheit nach außen hin mit einer kleinen Prise Exklusivität zu repräsentieren. Bosinney spielt raffiniert mit den letzteren Gefühlen, als er Soames seinen modernen Entwurf, der eigentlich nicht zu dessen konservativer Einstellung passt, schmackhaft macht. Der erste Teil endet mit dem Tod und der Beerdigung von Tante Anne, der ältesten Forsyte, und macht daher nun symbolisch Platz für die mittlere Generation, die bis auf Soames und Bosinney bisher wenig in Erscheinung getreten ist.


    Jetzt mache ich langsamer weiter, weil ich nebenher noch eine andere Leserunde habe. Aber die Lektüre macht mir großen Spaß!