in dieser Leserunde tut sich nicht viel ... .
Wie weit seid ihr anderen denn? klaus, du warst doch schon beim letzten Posting fast so weit, wie ich jetzt bin. Hast du inzwischen den Roman beendet?
Hallo Finsbury,
vielleicht bedarf es manchmal eines kleinen Stupsers, um sich hier wieder einzubringen :zwinker: Vielleicht ist die Schreibmüdigkeit auch ansteckend. Ich bin jetzt im 3. Teil. Das lange angekündigte Fest hat begonnen und zu einem ersten Eklat geführt ...
Über die Art des Schreibens von Dostojewski haben wir schon diskutiert, was bleibt mir dann noch?
Hallo Anita,
also bei mir ist es so, dass wenn ich über die Art des Schreibens und den Roman im Großen und Ganzen im Moment noch nichts und nichts mehr sagen kann, dann schreib ich gerne über Details und Kleinigkeiten, die mir so auffallen. Im Grunde besteht ja ein Roman aus vielen Kleinigkeiten.
Also:
Z.B. war ein amüsantes Detail die Art des Kusses zwischen Karmasinow und Pjotr (2. Teil, VI,5): Karmasinow hält immer nur die Backe hin und erwartet vom anderen, dass dieser sie küßt, als Zeichen der Ehrerbietung. Pjotr verweigert aber diese Geste und so berühren sich nur zwei Backen. Sein Vater Stepan ist zu dieser Verweigerung nicht in der Lage, als er Karmasinow begrüßt (2. Teil,XI,3), obwohl er ihn genauso verachtet. Ja - weil er ihm die Ehre des Kusses erweist, verachtet er sich selbst.
Oder: wie schön ist der Lebensweg und Charakter des Gouverneurs Lembke beschrieben, der eigentlich nie richtig erwachsen wird (2. Teil,IV,3): wenn er frustriert ist, bastelt er irgendwelche Modelle aus Papier oder schreibt Erzählungen und Romane. Das Nachdenken, weil unbekömmlich, wird ihm von den Ärzten verboten. Die Ehe mit einer älteren Frau paßt zu diesem Charakter, und dass er in dieser Ehe nicht glücklich sein kann, ist irgendwie vorgezeichnet ...
Sehr intensiv beschrieben fand ich die Beichte Stawrogins. Hier merkt man, dass es Dostojewski versteht, in entscheidenden Momenten die Zeit stillstehen zu lassen: da ruht der Blick auf Fliegen, Spinnen und Geranien und der Leser fühlt, etwas Furchtbares wird geschehen.
Was das weltanschaulich-nihilistisch-religiöse "Gequassel" betrifft (wie es Finsbury nennt): hier würde ich unterscheiden. Der nihilistische oder sozialistische Teil ist gar nicht uninteressant dargestellt, teils Satire, teils Prophetie (vor allem im Kapitel "Bei den Unsrigen": hier fühlte ich die Millionen Toten des Stalinismus und anderer -ismen vorhergesehen). Was das religiöse "Geschwafel" betrifft (z.B. Tichons): hier bin ich allergischer, wohl auch weil ich glaube, dass hier keine Satire mehr am Werk ist und D. es ernst meint mt Aussagen wie, dass man sich selbst verzeihen muß, damit Gott einem verzeiht, oder dass, wer sich selbst verzeihen kann, schon an Gott glaubt, ohne dass er es weiß, usw.
Zu den Personen Pjotr Werchowenskis und Stawrogins: ich glaube P. ist der plumpe Macht- und Tatmensch, einfach gestrickt und erklärbar nur in der Bewunderung eines Großen, für den er S. hält: das wird auch wieder deutlich in einem Detail: als beide unterwegs sind zu den "Unsrigen" (2. Teil,VI,7), geht S. in der Mitte des Gehweges, sodass P. gezwungen ist, immer wieder in die verschlammte Fahrbahn zu treten. Trotzdem redet er weiter gutgelaunt auf seinen Gefährten ein. S. ist eine wesentlich komplexere Figur mit einer Ausstrahlung sowohl auf den Leser, als auch auf andere Figuren (Schatow, Kirrilow, Pjotr, Lisa). Er reflektiert sehr viel und wird von seltsamen Anwandlungen getrieben: seine 3 Wahnsinnstaten vor 4 Jahren (Nase, Kuss, Ohr) oder seine eigene Aussage, dass es ihm Nervenkitzel verursacht, sich demütigen zu lassen und nicht zu reagieren.
So - das wars erstmal für heute. Ich hoffe auf eine lebhafte Diskussion :smile:
Gruß
Klaus :winken: