Beiträge von xenophanes


    mir gefällt die Doppeldeutigkeit des Titels "Jahrestage", denn es jähren sich auch Ereignisse in Gesines Vergangenheit, neben der Gegenwart die ein Jahr umfasst.


    Las die letzten beiden Stunden auch noch weiter. Mir gefällt speziell wie authentisch Johnson Manhatten schildert: Die Atmosphäre der Stadt, die New Yorker, den Hudson, die Parks, den Alltag der Menschen ...


    Woody Allen hätte seine Freude damit :smile:


    Werde dringend wieder mal eine Woche in New York verbringen müssen.


    CK

    Hallo!


    Ich bin nun Anfang Oktober 1967 angelangt und meine ersten positiven Leseeindrücke haben sich verfestigt. Die Erzählperspektive ist mir noch etwas rätselhaft: Ab und zu ist ja von "Wir" die Rede, was die quasi auktoriale Perspektive unterbricht. Bin mir noch unschlüssig, ob das ein gewolltes modernes Erzählmittel ist oder ich einfach ungenau gelesen habe.


    Was die New York Times angeht, finde ich es löblich, dass diese nicht unkritisch gelobt wird, sondern auch die Schattenseiten gezeigt werden, etwa die Artikel rund um Stalins Tochter.


    CK

    Hallo!


    Ich lese gerade vier Bücher abwechselnd:


    - Johnson: Jahrestage
    - Platon: Politeia (Zweitlektüre)
    - Victor Davis Hansen: A War Like No Other. How the Athenians and Spartans fought the Peloponnesian War
    - Donald Frame: Francois Rabelais


    Alle sehr empfehlenswert bisher.


    CK


    Negatives zu finden. Das läßt sich auch finden, aber - ich habe in kürzerster Zeit dennoch kapituliert, das Buch hat mich einfach nur hingerissen.


    Das liegt daran, dass es ein hinreissendes Buch ist :breitgrins:


    Ich las es kürzlich zum zweiten Mal und war noch angetaner als beim ersten Mal. Damals kannte ich aber auch Wien noch nicht.



    CK

    Hallo!


    Morgen ist "offizieller" Start der Leserunde, ich fing heute mit dem ersten Band an. Ich kenne bisher nur "Mutmassungen über Jakob" und war deshalb überrascht wie wenig avanciert die "Jahrestage" vergleichsweise geschrieben sind. Offenbar setzt Johnson die Erzählmittel der Moderne nur sehr dosiert ein. Der Auftakt war jedenfalls sehr vielversprechend, ich freue mich auf die weitere Lektüre.


    Bekanntlich spielt die "New York Times" in dem Roman eine wichtige Rolle, was bald thematisiert wird:


    Sie ist mit der New York Times zu Gange und zu Hause wie mit einer Person, und das Gefühl beim Studium des großen grauen Konvoluts ist die Anwesenheit von Jemand, ein Gespräch mit Jemand, denm sie zuhört und antwortet mit der Höflichkeit, dem verhohlenen Zweifel, der verborgenen Grimasse, dem verzeihenden Lächeln und solchen Gesten, die sie heutzutage einer Tante erweisen würde, einer allgemeinen, nicht verwandten, ausgedachten: ihrem Begriff von einer Tante. (S. 15)


    CK

    Hallo!


    Ich nutzte diesen katholischen Reisefeiertag heute, um auch noch das 5. Buch zu beenden. Werde gelegentlich ein ausführlicheres Fazit ziehen. Die Lektüre hat jedenfalls mein literarisches Wissen wesentlich erweitert.


    Geplant ist noch die Lektüre von etwas Sekundärliteratur, womit ich auch schon begonnen habe.


    Damit habe ich nun auch Luft für die "Jahrestage" :smile:


    CK

    Hallo!


    Lese dieses Wochenende endlich das 4. Buch: Bisher gut zwei Drittel. Nach dem "theoretischen" dritten Buch, ist dieses nun sehr abenteuerlich und handlungsreich: eine turbulente Reise zu See. Inklusive vieler in diesem Genre vorkommenden Stoffe, wie seltsame Inselbewohner. Nebenbei bemerkt fragte ich mich bei der Lektüre, ob Swift Rabelais gelesen hat ...


    Selbstverständlich spielt Rabelais mit diesen Genrekonventionen in seiner anarchistischen Art. Bei der Lektüre stößt man immer wieder auf sehr interessante Details. Etwa wenn Pantagruel im 4. Kapitel an Gargantua vieles an "Tieren, Pflanzen, Vögeln, Steinen" von der Reise schicken will, so erinnert das an die späteren wissenschaftlichen Expeditionen etwa eines Cook.


    Der beschriebene seltsame Karneval könnte Bachtin zu seinen literaturtheoretischen Überlegungen angeregt haben.


    Interessant fand ich auch die diversen Prologe, wo Rabelais sehr explizit auf die Reaktionen der vorherigen Bände eingeht und sich gegen den Vorwurf der Ketzerei verteidigt. Diese Reaktion in einem Buch auf die Reaktion eines Buches :breitgrins: treibt dann ja Cervantes im "Don Quijote" auf die Spitze.


    CK


    dem steht meine "general disinclination to work of any kind" entgegen.


    Bei mir entspricht dem eher der Wunsch ab und zu mal was Sinnvolles und Unterhaltsames zu "arbeiten" anstatt sonst "nur" Geld zu verdienen ...


    CK

    Hallo!


    Hier eine erste Zwischenbilanz von meiner Seite, bevor es bei mir weitergeht:


    "Höchste Zeit, einige Worte über diese ungewöhnlichen Bücher zu schreiben, die mich seit Mai mit Unterbrechungen beschäftigen. Bisher las ich die ersten drei von fünf Büchern. Sie gehören mit zu den ungewöhnlichsten meiner Leseerlebnisse. Als quer durch die Jahrtausende lesender Zeitgenosse entwickelt man ja gerne eine gewisse Blasiertheit und glaubt sich vor grundsätzlichen Überraschungen gefeit. Was hier Rabelais (1494-1553) jedoch zu Papier brachte, sprengt in mehreren Dimensionen bekannte Kategorien.
    Natürlich schreibt auch Rabelais nicht im luftleeren Raum, weshalb sich eine Fülle von literatur- und kulturgeschichtlichen Bezügen herstellen lassen. Er bezieht sich so nicht nur auf eine Fülle von antiken Quellen und auf die Tradition des mittelalterlichen Ritterromans. Zusätzlich spielen auch zeitgenössische intertextuelle Verweise eine maßgebliche Rolle. Das fängt beim erfolgreichen Volksroman "Gargantua" an, den Rabelais als thematische Grundlage verwendet, und hört bei zahllosen Anspielungen auf die Methoden und Ergebnisse des Gelehrtentums seiner Zeit nicht auf.
    Eine Inhaltsangabe läßt dieser sprachlichen Monstrosität läßt sich kaum geben. Rabalais setzt eine Familie von Riesen in ein teils zeitgenössisches Frankreich und in eine teils fantastische Welt. Die Riesen Gargantua (Vater) und Pantagruel (Sohn) erleben nun an lose erzählerische Muster orientiert ("Entwicklungsroman": Kindheit, Adoleszenz ...; Aventiuren eines Ritters; Volksmärchen) eine Reihe von grotesken Abenteuern. Diese können von derb-obszöner Komik sein aber auch voll von bissiger Satire gegenüber den Zuständen seines Landes (Kirche, Klöster, Universitäten, Aberglaube). Höherer Blödsinn findet sich eben so wie das rhetorisch brillante Pläydoyers für einen Renaissance-Humanismus (Brief Gargantuas an Pantagruel im achten Kapitel des zweiten Buches). En passent sei erwähnt, dass das zweite Buch "Pantagruel" das erste Buch der Serie ist. Danach erst schrieb er "Gargantua", das die Vorgeschichte erzählt, und deshalb in den modernen Ausgaben immer an erster Stelle steht, entgegen der Chronologie der Entstehung.
    Die Einzigartigkeit dieses Werks besteht in der Sprache seines Autors. Mein Französisch ist nicht so perfekt, um das selbst in jeder Feinheit überprüfen zu können. Französische Philologen versichern jedoch, dass der Umfang der von Rabelais verwendeten Sprache in jeder Hinsicht einzigartig in der franzöischen Literatur sei. Er bedient sich nicht nur aller Sprachstufen von Obszönitäten aus der Gosse bis hin zur gelehrten Sprache der Scholastiker. Er transzendiert alle diese Sprachregister zugleich durch eine Fülle von kreativen Neologismen. Rabelais nimmt dabei keine Rücksicht auf Lesbarkeit: Die Sätze sprudeln in einer so dichten und Fülle aus ihm hervor, dass es für den modernen Leser nicht immer einfach ist. Dazu tragen auch lexikograpische Orgien bei (lange, witzige Aufzählungen aller Art). Diese barocke Fülle macht andererseits auch wieder den größten Reiz von "Gargantua und Pantagruel" aus.
    Selbstverständlich erschöpft sich die Leistung des Rabelais nicht allein im Sprachlichen und Formalen. Er führt bezogen auf die Unsitten seiner Zeit eine so spitze Feder, das man seinen Mut nur bewundern kann. Er feuert nicht nur polemische Breitseiten auf die von der Spätscholastik dominierte Pariser Universität ab. Auch Kritik an klerikalen Kindereien kommt nicht zu kurz. Er karikiert an den Haaren herbei gezogene Kriegsursachen und die Aufgeblasenheit der "besseren Gesellschaft". "Gargantua und Pantagruel" findet sich auf praktisch jeden Kanon der Weltliteratur. Das war einer der Gründe, warum ich mich dieses Werks jetzt annahm. Das belegt einmal mehr, das eine kritische Orientierung an kanonisierten Büchern nicht schadet: Man wird durch tolle Entdeckungen belohnt."


    CK