Danke Sandhofer! Die Bedeutung des Alemannischen für die mittelhochdeutsche Dichtung war mir so nicht bekannt. Deine Beispiele "wîp" und "degen" erinnerten mich an Verse aus dem Nibelungenlied:
"Krimhilt geheizen: si wart ein scoene wîp.
dar umbe muosen degene vil verliesen den lîp."
Um Hau(degen) und Weib zu verstehen brauche ich als Nordlicht allerdings auch kein Wörterbuch.
Grüße ins Alemannische :winken:
Beiträge von Gontscharow
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Hallo Sandhofer,
ZitatIch auch. Und im Gegensatz zu JMaria habe ich den Hartmann zuerst gelesen. Im Original übrigens. (Was für einen Alemannen ja relativ leicht ist.)
Interessant! Du machst mich neugierig. Fällt Dir als Alemanne speziell die Lektüre Hartmannns leicht oder der mittelhochdeutschen Literatur generell?
Hartmann von Aue war zwar höchstwahrscheinlich Schwabe/ Alemanne, schrieb aber doch in der mittelhochdeutschen Literatursprache, die Dialektismen eher vermeidet, oder seh ich das falsch?Gruß von jemandem, der sich mit Hilfe eines mhd.Wörterbuchs durch den "Gregorius" kämpfen musste. :winken:
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Hallo Friedrich-Arthur,
an de Chirico fasziniert mich die seltsame rätselhafte Stimmung, die in seinen Bildern vorherrscht. Auch Max Ernst, an den Du an anderer Stelle vor einigen Tagen erinnertest, ist ein Meister befremdlicher Traumbilder.
Die Erwähnung dieser beiden Maler rief mir die äußerst beeindruckende, spannende Ausstellung " Arnold Böcklin, Giorgio de Chirico, Max Ernst - eine Reise ins Ungewisse" in Erinnerung, die ich in den 90ern in Berlin gesehen habe. Hast du sie auch gesehen?Gruß
Gontscharow -
Nicht fehlen dürfen folgende Kleinodien:
Nicolai Wassiljewitsch Gogol : Der Mantel , Die Nase
Leo N. Tolstoi: Der Tod des Iwan Iljitsch , Herr und Knecht
Anton Tschechow : Krankenzimmer Nr.6Alexander Solschenizyn : Ostpreußische Nächte, Matrjonkas Hof
Gustave Flaubert : Un coeur simple
Guy de Maupassant : Boule de suif
Theodor Fontane: Unterm Birnbaum
Arthur Schnitzler: Fräulein Else, Leutnant Gustl
Franz Kafka: In der Strafkolonie, Die Verwandlung
Joseph Roth: Der Leviathan, Stationsvorsteher Fallmerayer
Luis Borges: El Sur, Deutsches Requiem
Gruß
Gontscharow -
Hallo finsbury,
Deine Einschätzung des Buches teile ich.
Verführt durch eine enthusiastische Spiegel-Rezension habe ich den " Igel " schon im vorigen Sommer/ Herbst gelesen und war so was von enttäuscht!
Die hochintelligente Göre ist ein französisches Klischee (Zazie .. , Victor ..) Auch sonst wimmelt es in dem Roman nur so von pseudointellektuellen Gemeinplätzen. Die Handlung ist unglaublich dämlich und flach. Mach Dich auf pretty woman und andere Märchenmotive gefasst.
Zudem eine grauenvolle Übersetzung voller Gallizismen ("..was ich davon denke.."). Dabei geht es in dem Buch um Feinheiten der Sprache! Wieder einmal hat sich mein Eindruck bestätigt, dass Rezensenten die Bücher oft gar nicht richtig lesen.
Schön , wenn man hier Bestätigung findet!Gruß
Gontscharow -
Thomas Bernhard vergessen :zwinker:
CK
Gotthold Ephraim Lessing, Alexander Puschkin, Molière, Georg Ch.Lichtenberg, Fjodor Dostojewski ... vergessen :zwinker:
Gruß
Gontscharow -
@ AndiM
Updike hat ja unglaublich viel geschrieben. Ich habe nur einen Bruchteil davon gelesen. Wie gesagt, vor allem die Kleinformate gefallen mir. Drei Titel habe ich oben genannt. Sie sind aus dem Erzählband "Der Mann, der ins Sopranfach wechselte". Hier erweist sich Updike als subtiler Beobachter menschlicher Beziehungen. Die Erzählungen sind zum Teil unglaublich treffend und komisch. Die Rabbit-Pentalogie - ich habe nur zwei Bände gelesen- ist sicher auch lesenswert. Auch hier geht es um Beziehungen und die Nöte des kleinen Mannes vor typisch amerikanischem Hintergrund. Den Roman "Terrorist" kenne ich nicht. Bei seinem Erscheinen vor drei Jahren hatte er mich aufgrund seines Themas schon gereizt. Dein Urteil bestätigt meine damalige Vermutung : Das ist nicht sein Terrain... Ich werde vielleicht noch "Ehepaare" lesen, den Roman aus den 60ern , der ihn berühmt gemacht hat.@ scardanelli
Ist das nicht ein etwas zu abfälliges Urteil über die zeitgenössische amerikanische Literatur?
Was ist mit Philipp Roth, Louis Begley, Tony Morrisson, Harald Brodkey und dem älteren - aber noch nicht Klassiker- Paul Bowles? Das sind doch exquisite Schriftsteller ! -
Reich-Ranicki vor etlichen Jahren: " Ob John Updike ein würdiger Literatur-Nobelpreisträger wäre? Wer, wenn nicht er. Wann, wenn nicht jetzt. .." Dafür ist es nun unwiderruflich zu spät.
John Updike ist gestern 76jährig gestorben.
Mir gefallen besonders seine Erzählungen "George und Vivian", "Farrells Caddie" und "Kreuzfahrt", aber auch seine Rabbit-Romane ... -
Liebe Yoana!
Das würde ich aber sehr bedauern, wenn Du Dich hier vergraulen ließest!
Ich fand Deine Beiträge erfrischend und witzig ! Deine Begeisterungsfähigkeit und Dein profundes Interesse an Literatur, wie es etwa in Deinem Beitrag zu Kleists Marionettentheater zum Ausdruck kommt, gefallen mir sehr.
Bitte erfreue uns weiterhin durch Deine Beiträge!
Gruß
Gontscharow -
PAS DE QUOI
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Rilkes Übertragung des Gedichts ist zu finden im zweiten Band der Insel-Ausgabe " Rainer Maria Rilke. Werke in drei Bänden" unter dem Titel "Der Friedhof am Meer".
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Hallo Sir Thomas,
ZitatAus welchen Werken stammen bitte die Figuren Petschorin und Spinelli? Oder meintest Du mit Letztgenanntem Spinell aus Manns Tristan-Novelle?
Aus Tristan von Th. Mann:
Nach Tische ... erkundigte sich Herrn Klöterjahns Gattin nach ihrem Gegenüber:
"Wie heißt der Herr?" fragte sie..." Spinelli? Ich habe den Namen nicht richtig verstanden."
" Spinell..., nicht Spinelli, gnädige Frau ...Was die Erinnerung einem für Streiche spielt ...
Petschorin ist der Ich-Erzähler und Protagonist aus dem Roman Ein Held unserer Zeit von Michael Jurjewitsch Lermontow.
ZitatInteressant! Gern ergänze ich unseren alten Freund Gustav von Aschenbach aus dem "Tod in Venedig".
Aschenbach würde ich nicht in die Liste aufnehmen. Er ist zu maßvoll, zu preußisch diszipliniert, trotz Nobilitierung zu bürgerlich pflichtbewusst, zu arriviert, zu respektiert und angekommen in der Gesellschaft, auch wenn das unter dem Einfluss von Eros und Thanatos dann alles zerfällt.
Zitatich glaube nicht, dass Pessoa vom faschistischen Virus infiziert war.
Ich auch nicht unbedingt. Aber man erlaubte sich halt zu der Zeit (noch) Äußerungen, bei denen es uns Heutigen kalte Schauer über den Rücken jagt, weil wir wissen, wozu ein solches Denken führen kann.
Gruß
Gontscharow -
Gute Besserung, Mac Oss, und viele Freude bei der Lektüre der Josephsromane!
Ein paar Gedanken noch zum Buch der Unruhe :
Bernardo Soares gehört in die lange Ahnenreihe melancholischer Anti-Helden, die an Weltschmerz, an taedium vitae leiden, wie Hamlet, Petschorin, Eugen Onegin, Werther, Danton, Lenz, Leonce, Tonio Kröger, Spinelli , um nur einige zu nennen. Sie betrachten das Leben mehr, als dass sie handeln, leiden unter dieser Haltung, kultivieren sie jedoch auch, um sich vom tumben , banalen Tatmenschen abzuheben.@ Mac Oss : Die menschenverachtenden, pseudowissenschaftlichen Äußerungen, die Du zitierst, wie auch einige kulturpessimistische Passagen sind mir ebenfalls erheblich gegen den Strich gegangen! Sie sind wohl zeittypisch für die präfaschistische Ära - aber auch verzeihlich?
Leitmotivisch durchzieht Bernardo Soares' Betrachtungen der antike griechische Pessimismus der Daseinsverachtung ( " Für die Sterblichen ist nicht geboren werden das Beste " ) Das ist die Quelle seiner Lebensmüdigkeit . In Fragment 140 heißt es darüber: "Diese Müdigkeit sehnt sich nicht nach dem dem Ende meines Daseins ..., sondern nach etwas weit Schrecklicherem, Tiefergehendem, nämlich, niemals existiert zu haben, was ganz und gar unmöglich ist." Ein Mittel, um diese "finstere Absurdität zu heilen ", ist für ihn das Schreiben.
Existenzielle Kernfragen, die immer wieder aufgeworfen werden: " Wie viele bin ich? Wer ist ich? Was ist zwischen mir und mir? "(F 213) Pessoa/Soares hätte am Titel des Buches von Richard David Precht :"Wer bin ich - und wenn ja wie viele ?" seine helle Freude gehabt.
Es gäbe noch sehr, sehr viel zu sagen über das Buch der Unruhe. Es ist ein Steinbruch, in dem viel Wertvolles zu finden ist .
Der Leserunde bin dankbar, dass sie mich veranlasst hat "durchzuhalten", denn auch ich hatte einen Durchhänger . Mir wäre mit der zweiten Hälfte so einiges entgangen. Ich will ein Beispiel herausgreifen: Das Fragment 458 , in dem Bernardo seine Art des Sehens und Anschauens darlegt, ähnlich wie Rilkes Konzeption des "reinen Schauens", das er in den Dinggedichten und im " Malte Laurids Brigge"( " Ich lerne sehen") entwickelt :" ... sie (die Dinge) mit dem Ausdruck zu erleben, den sie abgetrennt von dem ihnen auferlegten Ausdruck besitzen. Im Fischweib die menschliche Wirklichkeit erkennen, unabhängig davon, dass man sie Fischweib nennt und weiß, es gibt sie, und sie ist Händlerin. Den Polizisten sehen, wie Gott ihn sieht. Alles zum ersten Mal wahrnehmen..." Ich nehme an, Ihr wisst , wie es weiter geht, wenn nicht , lest nach : es ist ein Schlüssel zu Pessoas Poesie.
Das Buch der Unruhe wird nicht meine Bibel werden, aber sicher eins der Bücher, die ich immer mal wieder zur Hand nehme.
Herzlich grüßt
Gontscharow
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So, jetzt bin ich fertig mit dem "Buch der Unruhe" und möchte ein paar Eindrücke wiedergeben.
Die Lektüre hat die Teilnehmerzahl unserer Leserunde schmelzen lassen und und streckenweise sprachlos gemacht. Kein Wunder: Pessoas " Buch unzusammenhängender Eindrücke" ( Fragment 442 ) ist extrem leserunfreundlich, es mutet dem Leser zu, Zusammenhänge selbst herzustellen! Bei den sich zum Teil wiederholenden, manchmal diffusen und disparaten Äußerungen meinte ich zeitweilig so etwas wie André Bretons " écriture automatique" vor mir zu haben. Ja, Pessoa schreibt unter dem Diktat seiner Wahrnehmungen, seines kreisenden Denkens, seiner Empfindungen, ohne Rücksicht auf den Leser, ohne Kontrolle von Moral und stellenweise gar von Vernunft. Manchmal hat man den Eindruck nicht er , sondern es schreibt.
Zusammengehalten werden die " Ergüsse "( F 442 herrliche Metapher des umgestürzten Eimers) von einem fiktiven Rahmen, bzw. der Figur des schreibenden Hilfsbuchhalters, die seinen Autor , den schreibenden Handelskorrespondenten, seltsam fadenscheinig verbirgt.
Was für eine herrlich skurrile und zeit-typische Figur ist dieser Bernardo Soares. Der Angestellte als Philosoph und Literat. Man denkt förmlich den Versicherungsangestellten Kafka mit und sieht ihn im Bürogroßraum der " Assicurazioni Generali " zu Prag um sein Leben schreiben. Auch Walsers " Gehülfe " lässt grüßen, der aus seiner untergebenen Position heraus die Risse in seiner Umgebung und der Welt besonders deutlich registriert und seinem Chef beim Untergang zuschaut.Grund fürs Aufgeben war auch die Tatsache, dass der Text so mager an Handlung ist. Man wartet vergeblich auf die von Tabucchi auf dem Cover des Fischer-Taschenbuches angekündigten Szenen "des großen Welttheaters " , die sich auf den Gassen Lissabons abspielen sollen. Vielmehr muss man sich im Laufe der Lektüre damit abfinden, dass das hier kein praller Großstadtroman mit Lokalkolorit ist ( obwohl schon mal ein fado erwähnt wird) , sondern sich die Dramen im Innern abspielen und abstrakter, philosophischer Natur sind. Zudem wird der Realismus der ohnehin schon mageren Außenwelt immer wieder ins Metaphorische, Allgemeine, Symbolische und damit wieder ins Innere gewendet. Von einem Mann auf der Straße heißt es : " Er erfüllte mir gegenüber die visuelle Pflicht eines Symbols; damit ist er nun fertig und um die Ecke gebogen." (F 59) Über Chef Vasques :"Dieser banale Mensch verkörpert die Banalität des Lebens..."( F9) und natürlich das vielzitierte:" Wiralle, die wir ...sind Hilfsbuchhalter..."(F 419)
Der fiktive Rahmen ist derart dürftig und aufgesetzt, dass ich mich gefragt habe, warum Pessoa, der viel zu raffiniert ist, um sich dieser Wirkung nicht bewusst zu sein, ihn nicht einfach fallen lässt und die Betrachtungen als die seinen präsentiert. Wahrscheinlich würde er mir mit dem fast klassisch anmutenden Sophismus aus Fragment 349 antworten : " Etwas aussprechen heißt immer irren . Sei dir bewusst : Etwas aussprechen bedeutete - für dich - lügen."
Fiktion, das Sprechen in Rollenprosa ist weniger verlogen als eine Authentizität, die doch nur Illusion ist.Das wars erstmal . Fortsetzung folgt.
Gruß
Gontscharow -
Hallo, liebe Pessao-Skeptiker!
Hier ist Wasser auf Eure Mühlen - vom Hilfsbuchhalter selbst : In Fragment 442 heißt es:
"Während dieser Zustände ....überfliege ich nochmals einige jener Seiten , die als Summe mein Buch unzusammenhängender Eindrücke ergeben werden. Wie ein vertrauter Geruch geht für mich von ihnen etwas Ödes , Monotones aus . Auch wenn ich immer geschrieben habe, ich sei ein anderer, fühle ich doch , dass ich immer das gleiche sage...
Alles , was ich geschrieben habe , ist grau. Man könnte meinen, mein Leben, selbst mein geistiges, sei ein Regentag, an dem alles Ereignislosigkeit und Halbdunkel ist ...
Mein ärmliches Bemühen, zumindest zu sagen , wer ich bin , und wie eine Nervenmaschine kleinste Eindrücke meines subjektiven, hellwachen Lebens zu registrieren , dies alles entleerte sich wie ein umgestoßener Eimer und ergoss sich über den Boden ...Mein Herz, aus dem ich die großen Ereignisse der erlebten Prosa spann, erscheint mir heute, auf diesen vor langem geschriebenen und nun mit anderer Seele wiedergelesenen Seiten, wie eine Wasserpumpe in einem ländlichen Garten, instinktiv installiert und zwangsläufig betätigt. Ich habe auch ohne Stürme Schiffbruch erlitten, auf einem Meer, in dem ich stehen konnte."
Aber wieder mal schön gesagt, nicht?
"Morgen werde ich weiterschreiben an meinem törichten Buch ..."Ich hoffe, auch Ihr macht weiter!
Gruß
Gontscharow -
Tilman Jens hat vor ein paar Monaten unter dem Titel "Vaters Vergessen" einen, wie ich finde, äußerst fragwürdigen selbstgerechten Artikel über seinen an Alzheimer erkrankten Vater Walter Jens abgeliefert.
Ich habe nicht vor, mir seine neuerliche Demontage einer Vaterfigur anzutun, zumal - wie hier bereits angemerkt - er damit wohl offene Türen einrennt.
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Auch wenn es wie eine faule Ausrede klingt - mir ist mein Pessoa zusammen mit anderen Dingen während eines Kurzurlaubs geklaut worden!
Die Leserunden-Pause kommt daher wie gerufen.
Ich habe mir das Buch jetzt noch einmal bestellt und bin zu einem Leserunden-Endspurt Anfang
Dezember bereit. Ihr habt doch hoffentlich noch nicht aufgegeben?Gruß
Gontscharow -
Das ist ja interessant : Der Hilfsbuchhalter als "Epikuräer" ( riff-raff), als "Cartesianer"(Sir Thomas) und jetzt also als "Neoromantiker"!
Ich hätte noch anzubieten: Nihilist, Pessimist, Melancholiker, Hedonist, Impressionist, Décadent, ästhetischer Amoralist, Stoiker, früher Existenzialist...
Man findet in diesem Buch , glaube ich, Ansätze zu so ziemlich allem, was der europäische Geist hervorgebracht hat. Ja, und wenn man meint, Bernardo Soares auf etwas festnageln zu können, vertritt er wenig später die Gegenposition.
Das Buch oszilliert zwischen verschiedenen gedanklichen Positionen, daher , glaube ich, auch der Titel "Buch der Unruhe"und die Vorliebe für Sophismen und Paradoxa, die den Leser gedanklich auf Trab halten, aber zu keinem Schluss kommen lassen. Ich mag das.
Gruß
gontscharow -
Zitat
Ich bin, im Gegensatz zu früheren (und gescheiterten) Lektüren, zunehmend bereit, mich auch über längere Strecken darauf einzulassen.
Da hat Pessoa ja noch einmal Glück gehabt!
Lieber Sir Thomas, könntest Du mal ein Beispiel für "Larmoyanz" aus dem Text nennen ? Es würde mich interessieren, denn ich finde die Betrachtungen des Hilfbuchhalters eher schonungslos ehrlich, konsequent und scharfsinnig.
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Hallo zusammen!
Die Frage(@ Sir Thomas), warum in Pessoas alias Bernardo Soares' Aufzeichnungen, "die turbulenten politischen Umwälzungen, die Europa damals erlebte", nicht vorkommen, wird in den Fragmenten 160,161und 165 ansatzweise beantwortet:
"Dieser ganze Tag... war beherrscht von Revolutionsgerede. Derlei Nachrichten...erfüllen mich stets mit besonderem Unbehagen, einer Mischung aus Verachtung und körperlichem Ekel.... Unfähig , die eigene Haltung zum Leben zu beherrschen oder zu ändern, ergreift der Mensch die Flucht nach vorn, indem er versucht, die Anderen und die Außenwelt zu verändern...(160 8.4.1931)
"Nichts verdrießt mich mehr als das Vokabular gesellschaftlicher Moral... die Begriffe "Bürgerpflicht", "Solidarität","Humanität" und andere dieses Kalibers widern mich an wie Müll, den man mir aus Fenstern aufs Haupt kippt..."(161)
Und schließlich :"Alles, was nicht meine Seele ist, ist für mich...nur Kulisse und Dekoration....Daher betrachte ich seit jeher alles,was Menschen umtreibt und bewegt - die großen kollektiven Tragödien der Geschichte oder das, was wir aus ihr machen -, als bunte Friese und die Figuren darauf als seelenlos..."(165)
Ja, das Buch macht es dem Leser nicht leicht. Ich glaube , man kann es nur in kleinen Dosen genießen. Rilkes Duineser Elegien etwa kann man auch nicht hintereinander weg lesen. Ähnlich dicht und komprimiert sind diese Betrachtungen - voll von stupenden Bildern, Metaphern, Paradoxien, gedanklichem Zündstoff und herrlicher Ironie. Die Lektüre braucht Zeit.
Viele Grüße
Gontscharow