So, eben habe ich das Buch aus dem Weidle Verlag Die Literatur in der Fremde, herausgegeben und aus dem Niederländischen übersetzt von Erhard Louven, beendet. Es vereint die von Thelen in den Jahren 1934 - 1940 unter dem Pseudonym Leopold Fabrizius verfassten Rezensionen deutscher Exilliteratur für die niederländische Zeitung Het Vaderland.
Ich bin begeistert von dem Buch - in mindestens dreierlei Hinsicht:
Es ist ein faszinierendes Kompendium der Exilliteratur jener Jahre zeitgleich gesehen durch die Augen des angehenden Romanciers Thelen in seinem Exil auf Mallorca und anderswo. In 40 Artikeln bespricht Thelen immerhin 143 Bücher von so renommierten Schrifstellern wie J. Roth, Horvath, Heinrich und Klaus Mann, Feuchtwanger, Werfel, Arnold und Stefan Zweig, Keun, O.M. Graf, Seghers, Kesten, Döblin, um nur die bekanntesten zu nennen! Erstaunlich, was in diesen sechs Jahren an Bedeutendem entstanden ist! Thelen schreibt hier unprätentiös, aufs Wesentliche konzentriert, gut lesbar, moderat, dabei aber nicht unkritisch, und ab und an blitzt auch die vertraute Thelen'sche Ironie auf. So z. B. wenn er über Klaus Manns Vulkan, den groß angelegten Roman der Emigration schreibt: Auf 700 Seiten bringt uns Mann unter die Emigranten ...... und man vermisst eigentlich nur noch ein Requisit, das in Kürze ganz bestimmt nicht fehlen wird: die Emigrantenratsche, mit der sich diese Verdammten dem Publikum zu erkennen geben wie im Mittelalter die Leprösen.
Meine ursprüngliche Motivation für die Lektüre war, O-Ton Thelen aus den Jahren zu hören, über die er mit einem Abstand von fast zwei Jahrzehnten in der Insel schreibt. Im letzten Teil stellt sich Thelen/Vigoleis ja als erklärten hellsichtigen Anti-Faschisten dar, der alles durchschaut und voraussieht, sogar besser als andere Betroffene und Hilfesuchende, und jegliche Angebote von Nazi-Größen auf der Insel ausschlägt. Da kamen manchmal Gedanken wie: Na ja, nun, da alles klar und es opportun ist, ist leicht zu sagen: Ich war immer dagegen, ich hab's gleich gewusst und was der rückwärtsgewandten Prophetie mehr ist. In Thelens Rezensionen vor der Folie der Zeitgeschichte wird nun eindrucksvoll die Unbeirrbarkeit seines politischen Urteils deutlich. Ja, er hat von Anfang an gewusst, was da lief, was sich anbahnte und er prangert es an!
Thelen schrieb die Artikel auf Deutsch, Meno ter Braak übersetzte sie ins Niederländische und Erhard Louven, übrigens ein Verwandter Thelens, der auch das kluge Vorwort geschrieben hat, rückübersetzte sie ins Deutsche. Da ist natürlich einiges "lost in translation". Zudem strich Menno ter Braak politisch allzu anstößige Stellen. ( Thelen erwähnt das auch in der Insel und vermutet, dass die Niederländer um ihren Gemüseabsatz in Deutschland fürchten :breitgrins:) Egal, was von Thelens ursprünglichen Artikeln übrigbleibt, spricht eine klare Sprache. Das hat mich irgendwie sehr gefreut und mir meinen Kompatrioten Thelen noch sympathischer gemacht.
Gefreut an dem Buch hat mich auch, dass Thelens Freund und Mentor, der konsequente Antifaschist Meno ter Braak, (der sich übrigens @ sandhofer in Thelens Kosmos als Antipode Pascoaes' sah) hier noch einmal gewürdigt wird! Thelens letzter Artikel erschien am 28.04.1940.
Am 14. Mai 1940 setzte Meno ter Braak seinem Leben ein Ende, wenige Tage nachdem deutsche Truppen in die Niederlande einmarschiert waren.
@ bigben: Dein Buch müsste mittlerweile auch angekommen sein. Hast Du mal reingeschaut?